Achtsamkeit – eine Kompetenz und ihre Bedeutung in der professionellen Sozialarbeit am Beispiel der Beratung Vordiplomarbeit am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Fulda vorgelegt von Cornelia Müller Erster Referent: Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos Zweiter Referent: Prof. Dr. Michael Wolf Fulda, Dezember 2004 1 Achtsamkeit – eine Kompetenz und ihre Bedeutung in der professionellen Sozialarbeit am Beispiel der Beratung 1. Persönliche Motivation für die Themenwahl 2. Achtsamkeit – der Versuch einer Begriffsklärung 2.1 Unterschiedliche Beschreibungen und Definitionen 03 04 04 2.1.1 Etymologische Herkunft 04 2.1.2 Beschreibung laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 04 2.1.3 Definitionen aus dem geistlichen Leben 05 2.1.4 Ellen Langers Definition von Achtsamkeit 07 2.2 Voraussetzungen um achtsam sein zu können 09 2.3 Verwandte Begrifflichkeiten und deren Beschreibungen 14 3. Achtsamkeit in der professionellen Sozialarbeit am Beispiel der 3.1 Beratungstätigkeit 19 Definition von Beratung 20 3.1.1 Das Beratungsklientel 22 3.1.2 Die Aufgaben des Sozialpädagogen in der Beratungstätigkeit 22 3.2 24 Die Bedeutung von Achtsamkeit als Kompetenz in der Beratung 3.2.1 Achtsamkeit für das Gegenüber 25 3.2.2 Achtsamkeit für sich selbst 27 3.2.3 Exkurs in die „Kreative Leibtherapie“ 29 4. Resümee 30 Literaturverzeichnis 33 Anhang: Gesprächsprotokoll 2 Achtsamkeit – eine Kompetenz und ihre Bedeutung in der professionellen Sozialarbeit am Beispiel der Beratung 1. Persönliche Motivation für die Themenwahl Achtsamkeit – als ich in der Liste der möglichen Themen für die Vordiplomarbeit diesen Begriff las, wusste ich sofort: damit möchte ich mich in nächster Zeit beschäftigen. Der Begriff „Achtsamkeit“ begegnete mir in den letzten Jahren häufig in unterschiedlichen Kontexten, vor allem im Bereich der Tanztherapie und bei workshops für meditativen Tanz. Kurz nach meiner Entscheidung im Juli brachte die Zeitschrift „psychologie heute“ ein Heft mit dem Titelthema „Achtsamkeit“ heraus. Prof. Dr. Schulte-Cloos fand ein neues Buch zum Thema und machte mich darauf aufmerksam. Mit den Literaturverzeichnissen in den genannten Veröffentlichungen, mit der Suche im Internet und durch Gespräche mit Bekannten und Freunden bot sich bald eine große Palette an Information und auch einige Verwirrung. Dabei wurde mir bald deutlich, dass der Begriff Achtsamkeit in der buddhistischen Lehre und bei Therapeuten, die nach der buddhistischen Lehre arbeiten, eine entscheidende Bedeutung hat. Mit der Lektüre von Ellen Langers Buch „Fit im Kopf“, wie der Originaltitel „Mindfulness“ übersetzt wurde, bekam der Begriff Achtsamkeit noch eine andere Dimension. Ihr Grundbegriff „mindfulness“ irritierte mich eine Zeitlang sehr, da ich in Wörterbüchern keine Übersetzung dafür fand und „mind“ im allgemeinen mit „Verstand, Geist“ übersetzt wird. Nach Rückfrage bei Prof. Dr. Schulte-Cloos konnte ich aber die Literatur verwenden, da „mindfulness“ tatsächlich mit Achtsamkeit übersetzt wird. In dieser Arbeit werde ich Definitionen von Achtsamkeit wiedergeben, die ich zusammengetragen habe. Der Aspekt der Wahrnehmung soll zur Sprache kommen, als, wie ich meine, eine Grundvoraussetzung für Achtsamkeit. Des weiteren werde ich verwandte Begriffe erläutern. Daran anschließend werde ich darlegen, welche Bedeutung Achtsamkeit als Kompetenz für die professionelle Sozialarbeit, mit dem Schwerpunkt Beratung hat. Im Resümee wird es um weiterführende Fragen gehen. Bei 3 alledem, was ich zu den Inhalten dieser Arbeit geschrieben habe, erhebe ich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, zu vielfältig sind Literatur und Meinungen. Achtsamkeit – der Versuch einer Begriffsklärung 2. Achtsamkeit als Kompetenz im Umgang mit sich selbst, den Mitmenschen und der Umwelt ist ein weites, schwer zu fassendes Feld. Um Achtsamkeit also in Beziehung zur sozialpädagogischen Arbeit setzen zu können, bedarf es zunächst einer ausführlichen Beschäftigung mit dem Begriff. 2.1 Unterschiedliche Beschreibungen und Definitionen Aufgrund der verschiedenen Hintergründe (Pädagogik, Spiritualität, Forschung) setzen die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Religionen wie das Christentum und der Buddhismus und die Psychologin Ellen Langer unterschiedliche Schwerpunkte. Diese werde ich im Folgenden näher erläutern. 2.1.1 Etymologische Herkunft Das Wort achtsam lässt sich im Deutschen auf zwei gegensätzliche Wurzeln zurückführen: zum Einen auf das mittelhochdeutsche „āhte“, was soviel bedeutet wie (öffentliche) Verfolgung und im Zusammenhang steht mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft. Die Bedeutung klingt noch heute in „ächten“ an. Die andere Wurzel ist fast gleichlautend, das althochdeutsche „ahta“, welches Aufmerksamkeit, Fürsorge, Beachtung bedeutet und mit dem gotischen aha (Sinn, Verstand) verwandt ist. Dem entsprechen heute die Begriffe „achten, Achtung, achtsam“ (vgl. Duden 1963, 11). 2.1.2 Beschreibung laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Die BzgA sieht Achtsamkeit vor dem Hintergrund der Pädagogik, wie sie in ihrer Broschüre „Achtsamkeit und Anerkennung; Materialien zur Förderung des Sozialverhaltens in der Grundschule“ (2002) zum Ausdruck bringt. Dort wird Achtsamkeit definiert als eine Haltung, die Bereitschaft, Zuversicht und Vertrauen erfordert. „Sie kommt zum Ausdruck in der Bereitschaft, nachzufragen [...] 4 in der Zuversicht, man werde mit näheren Informationen [...] den Anderen besser verstehen im Vertrauen, dass man die Chance bekommt, sich zu erklären [...]“ (dto., 11). Desweiteren ist lt. der Broschüre achtsam, wer sich bewusst macht, dass andere das eigene Handeln interpretieren und dass die eigene Interpretation des Handelns Anderer nicht mit der Intention des Handelnden übereinstimmen muss. Ist ein Mensch bemüht, sich auf die Sichtweise eines anderen Menschen einzulassen und sie in sein Handeln miteinzubeziehen, hat er die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln, Gefühle zur Sprache zu bringen und ist er in der Lage, individuelle Fortschritte an anderen zu bemerken und zu honorieren (vgl. ebd., 11, 40 ,43, 79), so kann von einem achtsamen Menschen im Sinne der Autoren gesprochen werden. 2.1.3 Definitionen aus dem geistlichen Leben Bei bekannten Lehrern des christlichen Glaubens wie dem Hl. Benedikt (o.A., Beuroner Kunstverlag 1990) wird „Achtsamkeit“ als Begriff nicht genannt. Die Beschreibungen des Klosterlebens, bzw. des geistlichen Lebens allgemein lassen aber auf eine Grundhaltung der Achtsamkeit schließen, die ihren Ausdruck im respektvollen Umgang mit anderen Menschen findet. So sollen zum Beispiel Gäste, v. a. Pilger oder Mitbrüder, von den Oberen und Brüdern des Klosters „mit aller Aufmerksamkeit“ (vgl. ebd., 109) aufgenommen und bewirtet werden. Auch soll sich der Abt um seine Mitbrüder sorgen und zwar „mit Gespür und großem Eifer“, außerdem wird von ihm das Bewusstsein verlangt, dass er diese Sorge übernommen hat (vgl. ebd., 78). Die innere Sammlung, die dazu notwendig ist findet der Mönch im Befolgen der Regeln zur benediktinischen Lebensgestaltung, zu denen die Geistlichen Lesungen, das Gebet, und die Arbeit gehören. Arbeit und Gebet sollen sich dabei gegenseitig „durchdringen“ (vgl. ebd., 19). Die Definition des Begriffes „Achtsamkeit“ aus dem Sanskrit liest sich folgendermaßen: „zentraler Begriff des Buddhismus, bedeutet ganz in der Gegenwart, im Hier und Jetzt zu sein und sich seiner Handlungen in jedem Augenblick bewusst zu sein. Der Weg der Buddhisten ist typischerweise die Meditation“ (URL, elexi, 2004, 1). Thich Nhat Hannh, Zenmeister und Friedensaktivist, der 1926 in Vietnam geboren wurde und im französischen Exil lebt, beschreibt Achtsamkeit folgendermaßen: „[...] Achtsamkeit ist die Fähigkeit, in jedem Augenblick unseres Lebens wirklich präsent zu sein. [...] Achtsamkeit ist eine Art von Energie, die jedem Menschen zur Verfügung steht.“ Diese Energie verkümmert, wenn sie nicht gepflegt wird. Im Bewusstsein des 5 Menschen ist der Samen der Achtsamkeit verborgen. Thich Nhat Hannh definiert Achtsamkeit als „Energie der vollkommenen Präsenz“, welche er als Grundvoraussetzung für „wirkliches“ Leben sieht (vgl. Thich Nhat Hanh,1998, S.19f). Er beschreibt, wie jeder Mensch Achtsamkeit üben kann, indem er sich die alltäglichen Dinge voll bewusst klarmacht. Thich Nhat Hanh nennt unter anderem das Konzentrieren auf die Atmung, auf das Gehen und auf so alltägliche Verrichtungen wie Essen oder Trinken (vgl. ebd., 1998). „Weise Menschen ruhen fest im gegenwärtigen Augenblick und erleben ihn tief, indem sie Achtsamkeit üben [...]“ (ebd., 1998, 20). Hinze führt zu dieser Definition in seinem Buch „Führungsprinzip Achtsamkeit“ weiter aus, dass das „Prinzip Achtsamkeit“ die Funktion eines „intellektuellen Konzepts“ hat, ebenso „ein Forschungsinstrument“ ist wie eine „Schulungsmethode und Heilslehre“ und auch „eine ethisch-moralische Handlungsmaxime“ darstellt. Achtsamkeit wird als ein elementarer geistiger Faktor bezeichnet, der sowohl am „Beginn der geistigen Entwicklung steht“, den „Höhepunkt der Entwicklungsmöglichkeiten des Bewusstseins bildet“ und die Grundvoraussetzung ist für „Wahrnehmung und Orientierung“, Denken und Handeln, für die „Lebensgestaltung und die Bewältigung des Alltagslebens“ sowie für den wissenschaftlichen Fortschritt und das künstlerische Schaffen. Ebenso stellt Achtsamkeit das „entscheidende Instrument für die Weiterentwicklung und Transformation des Bewusstseins“ dar. Achtsamkeit bezeichnet in diesen Ausführungen einen Weg zur „Erkenntnis des Geistes“, auf welchem das Bewusstsein erforscht und dessen „wahre Natur“ erkannt werden kann. Das Prinzip Achtsamkeit dient „der Qualifizierung des Bewusstseins im Sinne seiner Intensivierung, Erweiterung, Schärfung und Erhellung, sowie der Sammlung und Ruhe als Grundlage und Mittel zur Einsicht in die wirkliche Natur des Selbst.“ Das Prinzip Achtsamkeit soll das Bewusstsein aus einem „geistigen und emotionalen Verhaftetsein“ lösen und Gleichmut hervorbringen. Sittliches Benehmen wird gefördert, das auf Selbsterkenntnis gründet. „Achtsamkeit macht die Menschen kundig und geschickt im Umgang mit ihrem Hauptwerkzeug ,Geist‘ (vgl. Hinze2001, 83f). Achtsamkeit bietet eine gute Möglichkeit, die „Selbsterkenntnisfähigkeit weiterzuentwickeln“, sich und sein Wesen besser zu erkennen und „besser zu verstehen, wovon das Leben handelt“ (vgl. Kruckenberg 1992, dto 84). Das Prinzip der Achtsamkeit „verbindet Denken mit Handeln und Wissen mit Erfahrung“. Eine gerade für die Beratungspraxis wichtige „Sonderfunktion“ der „Achtsamkeit“, wie bei Hinze zu lesen ist, stellt das „Reine Beobachten“ dar. Reines Beobachten heißt wahrnehmen, ohne zu bewerten und ohne 6 einzugreifen, Reines Beobachten hat eine handlungsvorbereitende Funktion (vgl. ebd., 83f, 88). 2.1.4 Ellen Langers Definition von Achtsamkeit Ellen J. Langer ist Professorin für Psychologie an der Harvard University. Sie konnte in ihren Disziplinen Psychologie, Neuro- und Kognitionswissenschaften vor allem im Bereich der Wahrnehmungs-, Vorstellungs- und Gedächtnisforschung durch ihre Arbeit deren Entwicklung nachhaltig beeinflussen und zum Teil in neue Bahnen lenken. Über ihr ursprüngliches Forschungsgebiet, das die Vorherrschaft, die Wurzeln und Auswirkungen von Gedankenlosigkeit zum Inhalt hatte, kam sie zur Beschäftigung mit dem Thema Achtsamkeit, „mindfulness“ im Original. Für Langer hat eine achtsame Person die Fähigkeit neue Kategorien zu schaffen. Gedankenlosigkeit („mindlessness“) ist für Langer mit einem starren Sichverlassen auf alte Kategorien verbunden. Neue Kategorien zu schaffen kann heißen, Episoden, an die wir uns erinnern, auf eine neue Art zu betrachten, um sie so aus einer anderen als der im Gehirn gespeicherten Perspektive zu beleuchten. „Mindful“ neue Kategorien zu bilden bedeutet, sich der jeweiligen Situation und des jeweiligen Kontexts bewusst zu sein.Ein Beispiel dafür ist folgende Überlegung: ist für das Streichen einer hohen Zimmerdecke ein Mensch von über 1,80m besser geeignet oder vielleicht jemand, der gerade mal 1,60m groß ist, dafür aber Bergsteiger und gerne auf Leitern klettert? (vgl. Langer 1993, 75ff). Offenheit für neue Informationen. Achtsamkeit heißt „frische Informationen gerne aufgreifen“. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich der menschliche Wahrnehmungsapparat schnell „von alleine abschaltet“, wenn er Reizfolgen ausgesetzt ist, die er als dauernde Wiederholung wahrnimmt. Verhalten und Interventionen werden erfolgsversprechender sein, wenn deren Basis durch „aktiv denkendes Hören und Sehen“ immer wieder erweitert und differenziert wird (vgl. ebd., 79ff). awareness1 für mehr als eine Perspektive. Eine Offenheit für andere Standpunkte wird von Langer ebenfalls als ein wesentlicher Bestandteil der Achtsamkeit bewertet. Sich zu erinnern, dass es für jede Beobachtung mindestens so viele Perspektiven wie 1 awareness: Gewahrwerden von Erscheinungen, die in Randzonen von Wahrnehmung und Aufmerksamkeit liegen (Lexikon d. Psychologie, 2002) 7 Beobachter gibt und dass Menschen manchmal gute Gründe für ihr Tun haben, das andere als schlecht bezeichnen, erleichtert vorurteilsfreies Kommunizieren (vgl. ebd., 81ff). die Achtung mehr auf die Prozesse des Tuns als auf das Ergebnis gerichtet. Jedem Ergebnis geht ein Prozess voraus, kein Ergebnis ist möglich ohne vorherige Anstrengung. Haben wir die einzelnen Schritte anstelle des gewünschten oder gedachten Endzustandes vor Augen, sind wir wesentlich leistungsfähiger und von schärferer Urteilskraft. Als Beispiel führt sie Studenten an, die sich von ausformulierten Dissertationen irritieren lassen, weil sie das Endprodukt vor Augen haben und nicht bedenken, dass sich diese Autoren ihre Leistung erarbeitet haben(vgl. ebd., 88ff). Vertrauen in die eigene Intuition. „Mit Logik beweisen wir. Mit Intuition entdecken wir“, dieses Zitat des Mathematikers Henri Poincairé2 führt Langer an, um ausgehend vom Gegenteil, zur Beschreibung des Begriffes Intuition beizutragen. Intuition befähigt uns, „die Welt als Ganzes, als im Fluß befindlich“ zu begreifen. Ein Mensch, der seiner Intuition folgt, kann sich vielleicht eher von seinen alten Einstellungen lösen oder ein unvorhergesehenes Ereignis in seiner Bedeutung besser einschätzen (vgl. ebd., 132ff). Mit Achtsamkeit lassen sich neue Kategorien erschaffen, kann die eigene Individualität gespürt werden, ist eine Offenheit gegenüber Neuem verbunden (vgl. ebd. 1989, 75, 88, 79). Ist ein Mensch achtsam, wird er sensibel für Zusammenhänge und Perspektiven, ist er gegenwärtig im Augenblick. (vgl. ebd., 2002, 214). „Mindlessness“ entsteht dann, wenn wir nicht wissen, dass die Kategorien, in die wir einordnen, Kategorien sind und wenn wir sie als unser Eigenes akzeptiert haben, ohne wirklich darüber nachzudenken. Neue Kategorien zu erschaffen und alte zu bestätigen ist „mindful“ oder wie William James gesagt hat: „Genius...means little more than the faculty of perceiving in an unhabitual way“ (Genie bedeutet wenig mehr als die Fähigkeit auf eine unübliche Weise zu spüren) (James in Langer 2004, 1). So bedeutet „mindfulness“ das Spüren unserer Individualität. Wenn man eher auf die Ergebnisse als auf das Tun, den Prozess achtet und Vergleiche mit Anderen macht, wird man zu wenig mehr als einem Roboter. Der 2 Poincaré „Intuition and Logic Mathematics“, Mathematics Teacher 62, Nr. 3 1969, 205 – 212, in dto., 132 8 wahre Individualist wird charakterisiert von der Offenheit gegenüber Neuem, er klassifiziert die Bedeutung von Wissen und Erfahrung und er hat die Fähigkeit seine täglichen Handlungen in einer größeren, bewusst gewählten Perspektive zu sehen (vgl. ebd. 2004, 2). Achtsamkeit imSinne von Langers bedeutet also das flexible Denken in möglichst vielen Kategorien, mit dem Wissen, dass es eben nur Kategorien sind, die sich verändern lassen. 2.2 Voraussetzungen um achtsam sein zu können Im Laufe der Recherche zum Thema dieser Vordiplomarbeit tauchte die Frage auf, welche Voraussetzungen vorhanden sein müssen, um überhaupt achtsam sein zu können. Durch die Auseinandersetzung mit der vielfältigen Lektüre in der Vorbereitung zu dieser Arbeit haben sich für mich folgende Punkte herauskristallisiert, die ich für die wesentlichsten halte: das Interesse am anderen, die Wahrnehmung, das Bewusstsein, das Denken und Wissen. Diese kann man nicht immer klar voneinander trennen, daher wird es bei den folgenden Erläuterungen teilweise zu Überschneidungen kommen. Zunächst ist das Interesse am Gegenüber und an einer Tätigkeit des Helfens auf diesem Wege wichtig, ist nach meinem Dafürhalten quasi die Grundvoraussetzung, die nicht erlernbar ist. Denn habe ich kein Interesse an meinem Gegenüber, werde ich auch nicht versuchen, ihn zu verstehen oder zu unterstützen. Das Interesse kann geleitet sein von unterschiedlichen Hintergründen. Helfen wollen und helfen können sind ein Grund. Ein anderer Hintergrund ist das bewusste oder unbewusste Wissen darüber, dass ich dem anderen Unterstützung gebe und dass ich dadurch für mich selbst Unterstützung für mein Leben finden kann. Als Berater muss ich aber auch die Fähigkeit besitzen, auf andere zuzugehen und ihnen offen zu begegnen. Dazu gehört es auch keine Vorurteile zu hegen, oder mir ihrer bewusst zu sein, und ihnen dadurch nur soviel Gewicht zu geben, um meinem Gegenüber und seinen Anliegen trotzdem gerecht werden zu können. Ist dieses Interesse als Grundvoraussetzung vorhanden, gibt es noch etliche Fähigkeiten, die erlernt werden können, um als achtsamer Berater gute Arbeit zu leisten, d.h. dem Klienten zu helfen, Wege zu finden, um sein Problem lösen zu können. Ein erster Punkt, den es für die Kompetenz Achtsamkeit zu schulen gilt, ist die Wahrnehmung. Im Lexikon der Biologie (2004) wird Wahrnehmung definiert als das bewusste Erkennen eines Objektes oder Sachverhaltes, welches geschieht durch SinnesEmpfindungen und begriffliche Einordnung in die Repräsentation der Welt im Innern des Menschen. Im Bezug auf die Sinne halte ich es für wichtig festzuhalten, dass 9 Menschen mit unterschiedlicher Gewichtung auf einzelne Sinne wahrnehmen. Die meisten Menschen besitzen eine von ihnen bevorzugte Wahrnehmungsebene, können aber je nach Situation zu anderen Wahrnehmungsebenen wechseln. Singer (vgl. 2002, 108) beschreibt Wahrnehmung als ein „Überprüfen von Hypothesen“und als „das Ergebnis eines außerordentlich aktiven, konstruktivistischen Prozesses [...], bei dem das Gehirn die Initiative hat.“ (Singer 2002, 72). Beeinflusst wird die Wahrnehmung des Menschen durch die momentane Situation und die jeweiligen Erwartungen, aber auch durch die kognitiven Fähigkeiten des Einzelnen. Wahrnehmung ist immer selektiv und beinhaltet deshalb bereits eine Interpretation, ist also auch eine Frage der persönlichen Kompetenz. Bei der Auswahl dessen, was wahrgenommen wird, sind aktuelle Gedanken, Motivation und Gefühle bzw. entsprechende Dispositionen wie Vorwissen oder Einstellungen wichtig. So werden sich die Wahrnehmungen eines Holzhändlers, eines Försters oder eines Liebespaares, die im gleichen Wald stehen, teilweise sehr unterscheiden (vgl. Nolting 1999, 46). Wahrnehmung wird auch als die „Eingangsseite“ des einzelnen Menschen bezeichnet und meint das Aufnehmen von Informationen über die Umwelt und die Eigenwahrnehmung, wie z.B. die eigene Körperhaltung, körperliche Zustände (Müdigkeit, etc.) und den Ablauf psychischer Vorgänge (sprechen, aufsteigender Ärger...) (ebd. 1999, 45f). Neben der bewussten Wahrnehmung von äußeren Dingen ist unser Gehirn auch in der Lage, Signale, die aus unserer Innenwelt kommen wahrzunehmen. Es perzipiert z.B. die Aktivität der inneren Organe und ihrer Signale, um dann eine Gegenreaktion einzuleiten, die geeignet ist, das innere Gleichgewicht wieder herzustellen. Diese Tätigkeit des Gehirns läuft für die meisten Menschen unbewusst ab, zumindest solange der Mechanismus des Ausgleichs funktioniert und der Körper keine Symptome zeigt (vgl. Hüther 2004, 104). Als Beispiel mag der Blutzuckerspiegel dienen, der, wenn er zu niedrig ist, das Gehirn ein Hungergefühl oder aber Schwindel produzieren lässt. Um verstehen zu können, was bei der Wahrnehmung als wichtiger Voraussetzung für die angewandte Achtsamkeit im Gehirn geschieht, werde ich nun einen Exkurs in die Neurophysiologie machen. Diese ist inzwischen in der Lage nachzuweisen, was bei der Wahrnehmung im menschlichen Gehirn vor sich geht. Die Milliarden von Neuronen, die gleichzeitig und gemeinschaftlich im menschlichen Gehirn aktiv sind, die über weite Bereiche der Großhirnrinde verteilt sind und Verbindung zueinander haben, sind es, die Wahrnehmung physiologisch nachweisbar 10 machen (vgl. Freeman3 1991, 22). Es konnte beobachtet werden, wie riesige Gruppen von Neuronen auf die kleinste eintreffende Erregung hin plötzlich als Ganzes von einem komplexen Aktivitätsmuster in ein anderes überwechselten. Dieses synchrone Umschlagen macht, nach der Überzeugung der Forschergruppe um Freeman, Wahrnehmung erst möglich. Sie vermuten auch, dass dies die Basis für das Gehirn bildet, um flexibel auf die Außenwelt zu reagieren und neue Aktivitätsmuster erzeugen zu können. Überraschende Einfälle scheinen neurophysiologisch so zustande zu kommen. Zum Abschluss des Exkurses in die Hirnforschung könnte man daraus ableiten, dass unser Gehirn uns damit vormacht, wie man durch Flexibilität achtsam auf ankommende Reize reagieren kann. Eine weitere wichtige Voraussetzung für Achtsamkeit ist das Bewusstsein, das es zu erweitern gilt. Bewusstsein ist in der Philosophie, der Biologie und der Psychologie Forschungsthema. Jede dieser Disziplinen versucht zu ergründen, was darunter zu verstehen ist. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass sich die starre Segmentierung der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen auflösen könnte zugunsten einer interdisziplinären Zusammenarbeit (vgl. Singer 2002, 171). Laut Lexikon der Psychologie (2002) ist Bewusstsein „ein Begriff, unter dem in der kognitionswissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Phänomene und Konzepte (etwa phänomenales Bewusstsein, Intentionalität, Selbstbewusstsein) diskutiert werden.“ Sie beziehen sich alle auf die subjektive Natur unserer Erfahrungen. Unsere Vorstellungen über Aspekte der physikalischen Welt, über eigenes Verhalten, das eigene Ich und über das Bewusstsein anderer scheinen zu helfen, die komplexen, unbewussten Denk- und Wahrnehmungsprozesse zu steuern. Dies scheint in einem inneren „Raum“ von statten zu gehen, den wir uns in unserem phänomenalen Bewusstsein konstruiert haben. Für die Kognitionsforschung stellt sich das Problem, wie sich eine perspektivenunabhängige Theoriebildung (d.h. eine naturwissenschaftliche) in Beziehung setzen lässt mit Aspekten einer Welterfahrung aus der Perspektive der ersten Person (des Ichs) (vgl. Lexikon der Psychologie 2002). Eine perspektivenunabhängige Theoriebildung setzt voraus, dass der Untersuchende eine Distanz zu dem zu untersuchenden Phänomen hat (Dritte-Person-Perspektive), was bei der Untersuchung des Phänomens des Bewusstseins nicht der Fall sein kann, da der 3Professor für Neurobiologie an der Universität von Kalifornien in Berkeley 11 Untersuchende ja mit Hilfe seines Bewusstseins das Phänomen des Bewusstsein erforscht (vgl. Metzinger 1996, 19). Gerhard Roth schreibt im Lexikon der Biologie (2004), dass Bewusstsein eine Vielzahl unterschiedlicher Zustände umfasst, „die darin übereinstimmen, dass sie von einem Individuum erlebt werden.“ Wichtig für das Bewusstsein ist das Arbeitsgedächtnis, da es für wenige Sekunden einen Teil der Wahrnehmung und die damit verbundenen Gedächtnisinhalte und Vorstellungen im Bewusstsein hält. Es wird angenommen, dass das Arbeitsgedächtnis Zugriff hat zu den verschiedenen, in der Regel unbewusst arbeitenden Sinnes-, Gedächtnis- und Handlungssteuerungssystemen und sich daraus Informationen „laden“ kann, welche dann aktuell bewusst werden. Wolf Singer, Professor für Neurophysiologie und seit 1981 Direktor am Frankfurter Max-Planck-Institut für Hirnforschung, hat zum Thema Bewusstsein viel geforscht und in seinen Schriften veröffentlicht. Die Phänomene, die gemeinhin unter Bewusstsein subsimiert werden, beruhen nach seiner Auffassung auf kognitiven Funktionen im Gehirn. Er schreibt, dass die Art und Weise, in der wir eingehende Signale ordnen, interpretieren und verknüpfen, ausschlaggebend ist für unsere Sichtweise der Welt. „Es ist die Neigung zur Klassifizierung, zur Kategorienbildung, [...] Phänomene [...] zusammenzufassen und diese voneinander zu trennen.“ (Singer 2002, 171). Dabei ist, nach meiner Überlegung, nicht zu vergessen, dass es sich nicht um Prozesse handelt, die einfach im Menschen geschehen, ohne ihn etwas „spüren“ zu lassen, sondern dass dies mit Erleben, Gefühlen und Empfindungen verknüpft ist. Mit dem Bewusstsein eng zusammen hängt der kognitive Vorgang des Denkens. „Denken ist eine Form des Erkenntnisgewinns und der Erkenntnisnutzung; es ist etwas Dynamisches, das in der Zeit abläuft“ (Klix 2002, 1). Die hier angesprochene Dynamik ist für eine Kultur der Achtsamkeit unerlässlich. „Unsere Fähigkeit zum Nach-Denken, zur Manipulation, zur Kategorisierung und Verknüpfung der symbolischen Repräsentanten primärer Wahrnehmungsprozesse erlaubt es uns, die von den Sinnessystemen vorgegebenen Kategoriengrenzen zu relativieren und Gemeinsamkeiten zu erkennen, wo die Primärerfahrung Unterschiede suggeriert.“ (Singer 2002, 173). So kann der Mensch also durch Nach-Denken zu dem Schluss kommen, dass Phänomene, die zunächst getrennt scheinen, doch miteinander verbunden sind (vgl. ebd. 173). 12 Dieses Phänomen der Kategorisierung spricht auch Langer häufig an, wobei sie die willentliche Veränderung der Kategoriengrenzen als ein sehr wichtiges Merkmal von Achtsamkeit interpretiert. Die Fähigkeit zum „kombinierten Spiel mit gespeicherten Inhalten“ sieht Singer (vgl. 2002, 71f) als mögliche „Grundlage der Kreativität“ und ist meines Erachtens für einen achtsamen Berater eine wichtige Handlungsmaxime. Menschen, die diese Grundlage der Kreativität besitzen, sind nach Singer Menschen, deren Gehirn in der Lage ist, sog. Metarepräsentationen aufzubauen. Dadurch müssen sie nicht sofort auf jeden Reiz reagieren und sie haben Möglichkeiten ihre Handlungsentscheidungen abzuwägen. Sie können auch interne Modelle aufbauen, um daran vorab den möglichen Erfolg, bzw. Misserfolg von Aktionen abzumessen. „Die Möglichkeit, Metarepräsentationen aufzubauen, befähigt zu umsichtigem Handeln [...]“ (Singer 2002, 71). Damit sich im Gehirn Metarepräsentationen aufbauen können, sind in der Regel Wiederholungen von Repräsentationsprozessen nötig. Dieser Vorgang der Metarepräsentation bildet dann hirninterne Prozesse ab , nicht die äußere Welt. Das Gehirn bildet ständig Hypothesen darüber, wie die Welt sein sollte und vergleicht die Signale von den Sinnesorganen mit den Hypothesen. Durch den Spiegel im Gegenüber, der sich wechselseitig wiederholt, kann der Individuationsprozess einsetzen, ist die Erfahrung, ein Selbst zu sein, überhaupt erst möglich. Aus neurobiologischer Sicht liegt somit der Schluss nahe, dass auch die höheren Konnotationen von Bewusstsein, die wir mit unseren Konzepten von Freiheit, Identität und Verantwortlichkeit verbinden, Produkte eines evolutionären Prozesses sind (vgl. Singer 2002, 76f). Eine nächste Voraussetzung für Achtsamkeit ist eine große Portion an Wissen. Wissen über Menschen, Dinge, Zusammenhänge. Wissen darüber, dass alles Wissen letztendlich immer dem Wandel und dem Fortschritt unterworfen ist, was die Forschung immer wieder bestätigt. Aber auch das Wissen darüber, dass ein Berater/eine Beraterin4 immer wieder hinzu, immer wieder neu lernen muss, um den Bedürfnissen der KlientenInnen sowie auch den eigenen gerecht zu werden, dass das vorhandene Wissen immer wieder überprüft und „auf den neuesten Stand gebracht werden muss“, lässt sich meines Erachtens nach aus dem bisher Geschriebenen deutlich ableiten. 4Im Folgenden werde ich der Übersichtlichkeit halber nur die männliche Form verwenden, wobei natürlich die weibliche impliziert ist. 13 2.3 Verwandte Begrifflichkeiten und deren Beschreibungen Achtsamkeit lässt sich in dem Satz: „Sein – im Hier und Jetzt“ kurz zusammenfassen. Und doch sind die Facetten dieser Kompetenz unendlich vielgestaltig, wie sich aus den vorausgegangenen Definitionen gut erkennen lässt. Bei verschiedenen Autoren/Therapeuten finden sich Begriffe, die zwar Achtsamkeit nicht explizit benennen, aber doch einen engen Bezug dazu haben. Jene, die mir wichtig erscheinen werde ich jetzt vorstellen. Wachheit oder Vigilanz wird von Roth im Lexikon der Biologie (2004) als die allgemeinste Form von Bewusstsein genannt. Bewusstsein ist eng mit Achtsamkeit verknüpft und meist mit konkreten Inhalten verbunden. Er nennt folgende: a) „Sinneswahrnehmungen von Vorgängen in der Umwelt und im eigenen Körper“ b) „mentale Zustände und Tätigkeiten wie Denken, Vorstellen und Erinnern“ c) „Emotionen, Affekte, Bedürfniszustände“ d) „Erleben der eigenen Identität und Kontinuität“ e) „,Meinigkeit‘ des eigenen Körpers“, damit dürfte das Bewusstsein der Kontrolle über den eigenen Körper gemeint sein. f) „Autorenschaft und Kontrolle der eigenen Handlungen und mentalen Akte“ g) „Verortung des Selbst und des Körpers in Raum und Zeit“, was ich als ein „Sein im Hier und Jetzt“ definieren würde. h) „Realitätscharakter von Erlebtem und Unterscheidung zwischen Realität und Vorstelllung.“ Die unter (d) bis (h) genannten Zustände bezeichnet er als „Hintergrundbewusstsein“, die unter (a) bis (c) genannten treten nach dieser Theorie im „Vordergrund“, was meiner Meinung als bewussteres Erleben bezeichnet werden kann, in Erscheinung, dabei wechseln Inhalt und Intensität und je nach Situation die Kombinationen (Roth 2004). Ein weiterer mit dem Begriff Achtsamkeit verknüpfter Bergriff ist die Aufmerksamkeit. Sie wird von Roth definiert als eine Steigerung konkreter Bewusstseinszustände, welche einhergehen mit erhöhten und gleichzeitig räumlich, zeitlich und auch inhaltlich eingeschränkten mentalen Zuständen (Konzentration) oder Sinnesleistungen. Unerwartete äußere Ereignisse, innere Erwartung oder Einsetzen von Willen können den Focus der Aufmerksamkeit kontrollieren. Bei Hinze (2001, 91, 85) findet sich Aufmerksamkeit als eine Grundfunktion der Achtsamkeit. Er unterscheidet zwischen 14 unwillkürlicher und willkürlicher Aufmerksamkeit, um auf alles reagieren und „sich die Gegenstände ihrer Betrachtung“ aktiv aussuchen zu können. In der klientenzentrierten Gesprächstherapie ist die Haltung der Kongruenz (Übereinstimmung mit sich selbst) oder Echtheit eine entscheidend wichtige Haltung. Damit ist gemeint, daß der Therapeut, bzw Berater dann, wenn er er selbst ist und sich nicht verleugnet die Wahrscheinlichkeit für eine Veränderung beim Klienten erhöht. Damit meint Rogers (vgl. 1977, 213ff), daß es notwendig sei, real (im Sinne von echt) zu sein und auch negativ bewertete Gefühle wie z.B. Langeweile im Kontakt mit dem Klienten auszusprechen, allerdings nicht im Sinne von jeden Vorwurf unter dem bequemen Eindruck von Echtheit unbesonnen herausplatzen zu lassen. Seiner Meinung nach geht es darum, dem eigenen Gefühl Raum zu geben, in Kontakt zu bringen und auch die mit dem in-Kontakt-bringen verbundenen Empfindungen nicht außer acht zu lassen. Es geht darum, zuzulassen, in der Beziehung mit dem Klienten ein Mensch zu sein – wirklich und unvollkommen. Ebenfalls bei Rogers (vgl. ebd. 216) findet sich die Haltung der Empathie (Einfühlendes Verstehen): Für ihn ist es eine wesentliche Bedingung, um erfolgreich therapieren oder beraten zu können. Damit ist gemeint, dass der Berater fähig ist, ein präzises, einfühlendes Verstehen für die persönliche Welt des Klienten zu entwickeln und von dem Verstandenen Wesentliches mitteilen zu können. Es ist notwendig, die innere Welt des Klienten mit den ganz persönlichen Bedeutungen zu erspüren, ohne die Distanz und die „Qualität des ,als ob‘ zu verlieren.“ Die dritte, wesentliche Grundhaltung nach Rogers (vgl. 1977, 219) ist Akzeptanz von Seiten des Beraters für den Klienten. Darunter ist zu verstehen, dass der Berater den Klienten in ganz umfassender Weise schätzen sollte und nicht nur unter bestimmten Voraussetzungen. Er sollte also beim Klienten nicht gewisse Empfindungen akzeptieren und andere ablehnen. Rogers nennt dies Wertschätzung oder bedingungsfreies Akzeptieren. Meines Erachtens ist auch Gewahrsein oder Bedachtheit als „freies Erspüren dessen, was in dir auftaucht – was du fühlst, tust oder vorhast“ (Perls u.a. 1979a, 85 in Stammler/Bock 1991, 45) eine Kompetenz, die eng mit Achtsamkeit verknüpft ist, wobei die Betonung für mich dabei auf frei, also dem Nichtbewertenden liegt. Nach 15 Hinze (vgl. 2001, 85) können durch Gewahrsein die Aufmerksamkeit und Konzentration auf die Inhalte des Bewusstseins gerichtet werden, sie damit bewusst werden und/oder bewusst verfolgt werden. In Kontakt treten, in Kontakt sein, ist unabdingbar für eine beraterische Beziehung. Kontakt ist immer wechselseitig, interaktiv (vgl. Baer, Frick-Baer 2001; 76). Das Autorenehepaar Baer zitiert Perls, der ebenso wie andere Autoren Kontakt als Austausch versteht, zum Einen zwischen dem Menschen und seinem Umfeld und zum Anderen als Kontakt „mit sich“. Diesen definieren sie als Leibgewahrsam, dem sich selbst-bewußt-sein vom eigenen Erleben, eigener Gefühle, der eigenen Körperlichkeit, Gedanken, Verhalten und der Achtsamkeit für sich selbst. „Kontakt mit anderen“ bzw. „Kontakt mit der Umwelt“ benutzen sie als Oberbegriff jeder Interaktion zwischen einem menschlichen Wesen mit seiner Lebenswelt. Auch die Wahrnehmung des Schweigens eines Menschen z.B. ist Austausch mit anderen Menschen, also Kontakt. Wichtig ist ihnen die Feststellung, daß Kontakt an sich weder „gut“ noch „schlecht“ ist (dto., 77). Bei Belardi ist folgende Definition von Kontakt zu finden: „ [...] füreinander aufmerksam sein, [...] miteinander im Dialog sein. [...] eine funktionale Verbindung, weniger intensiv als Begegnung, weniger anhaltend als Beziehung [...]. [...] vollzieht sich immer in der Gegenwart und beinhaltet Unmittelbarkeit und Nähe“ (Rahm u.a. 1993, 165 in: Belardi 1999, 66). Ein weiterer wichtiger Begriff ist in diesem Zusammenhang Resonanz. Resonanz stammt vom lateinischen „resonare“ und bedeutet „zurückklingen“, „mitschwingen“. Resonanz existiert dann, wenn der Kontakt zwischen zwei Menschen eine besondere Wechselwirkung und Intensität erreicht und ist eine subjektive Kategorie (Baer 2001, 77). Der Neurobiologie ist es in Experimenten gelungen, die biochemische Grundlage dessen, was hier als Resonanz oder Empathie bezeichnet wird, nachzuweisen. Es ist die Existenz der Spiegelneuronen. Spiegelneuronen ermöglichen die Wahrnehmung, Speicherung und Verarbeitung im Gehirn von nicht selbst Erlebtem. Die Lebenserfahrungen des Menschen und das Wie der Verarbeitung bestimmen dann darüber, welche Schlussfolgerungen die betreffende Person daraus für ihr Handeln zieht(vgl. Jäger 2003, 42, Breuer 2002, 71 in: Baer 2003, 8f). 16 Als letzten der verwandten Begrifflichkeiten zur Achtsamkeit werde ich jetzt noch die Bewusstheit deklarieren. Nach dem Lexikon der Psychologie (2002) hat N. Ach 1910 die Bezeichnung Bewusstheit eingeführt für ein „unanschauliches Mitwissen“ „unanschauliches Gegebensein eines Wissens“, wobei Wissen im Sinne einer unanschaulichen Beurteilung und Antizipation (Vorwegnahme) eines Zieles, mit Ähnlichkeiten zur Einstellung definiert wird. Perls unterscheidet drei Bereiche der Bewusstheit: „(1) Wahrnehmung der äußeren Welt. Hier ist der aktuelle sensorische Kontakt mit Gegenständen und Abläufen des gegenwärtigen Augenblicks gemeint. [...] (2) Wahrnehmung der inneren Welt. Hier ist der aktuelle sensorische Kontakt mit gegenwärtigen inneren Vorgängen gemeint: das, was ich im Augenblichk inseits meiner Haut fühle: Stechen, Muskelspannungen und Bewegungen, körperliche Manifestationen von Gefühlen und Emotionen, Unbehagen, Wohlgefühl usw. [...] Diese beiden ersten Arten von Wahrnehmung umfassen alles, was ich von der gegenwärtigen Realität wissen kann, so wie ich sie erlebe.“ Der dritte Bereich der Bewußtheit, ist derjenige, der „sich auf die Aktivität der Phantasie gründet. Hierzu gehört jede mentale Aktivität jenseits der Wahrnehmung gegenwärtiger Erlebnisse: alles Erklären, sich Vorstellen, Interpretieren, Vermuten, Denken, Vergleichen, Planen, jede Erinnerung an Vergangenes, jedes Vorausnehmen der Zukunft usw.“ (Perls 1947, 57; 1975, 15 in: Staemmler 2001, 59) Staemmler und Bock (1991, 45f) definieren Bewusstheit aufgrund Perl‘s Umschreibungen und Anmerkungen und vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrung folgendermaßen. „BEWUSSTHEIT ist das ganzheitliche, subjektive ,WahrnehmenErleben‘ eines Menschen von Figuren in seinem gegewärtigen Organismus-UmweltFeld“. Bewusstheit wird definiert als eine Funktion der Wahrnehmung, welche über die Sinne Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten geschieht, sowie über die Propriozeptoren, welche für die Wahrnehmung der im Körper entstehenden Reize verantwortlich sind. Wahrnehmung schließt auch die „dem Subjekt eigene Erlebensweise des sinnlich Wahrgenommenen mit der jeweiligen emotionale Färbung“ ein. Nach Hinze (vgl. 2001, 55) ist Bewusstheit „der aktivierte Zustand des Bewusstseins“, das je nach Situation „mehr oder minder wache, präsente und aufmerksame Bewusstsein“. Weitere Ausführungen sind unter Punkt 2.1.3, S. 3ff nachzulesen. 17 Das englisch/amerikanische Wort „awareness“ wird in der Regel mit Bewusstheit oder Gewahrsein übersetzt. Kranz5 bevorzugt die Übersetzung Bewusstheit, weil diese seiner Meinung nach den aktiven Aspekt von „awareness“ wiedergibt: Bewusstheit nicht als Zustand, der einmal „eingeschaltet“ wird und dann andauert, sondern eine Art ständigen Erwachens, im jeweiligen Augenblick (vgl. Kranz, 1999, 13). Barry Stevens 6 sagte angeblich einmal: „[...] bei all meiner Unwissenheit sage ich, daß Bewußtheit ist wie der Berggipfel, von dem aus man alles umher sehen kann.“ (Kranz,1999, 5). Kranz zitiert auch Robert Resnick: „die erste Ebene ist bewußt zu werden, die zweite Ebene ist die Bewußtheit des Bewußt-werdens und des Lernens, wie man sich bewußt wird, so daß es ein sich selbst aufrecht erhaltender Prozeß mit vielen Entscheidungsmöglichkeiten wird“ (Resnick 1984, 26, in: Kranz 1999, 7). „Leben mit Bewusstheit im Gegensatz zu Leben nach Regeln“, so lautete das Lebensthema von Barry Stevens (vgl. Kranz, 1999,3). „Ohne Worte (oder Bilder) bin ich genau (accurate), ich bin genau (right) hier und jetzt mit dem, was gerade geschieht und tue, was angemessen ist in dieser Situation ohne darüber nachzudenken“ (Stevens 1975a,182, in: Kranz 1999, 5). „Bewusstheit hat den Aspekt der Sinneswachheit gegenüber (Konzept)-Wissen. Bewusstheit gerät in Berührung. Es ist der Unterschied zwischen „Wissen, dass ich eine Straße hinunter gehe, und dem mir bewußt sein, dass ich eine Straße hinunter gehe, wobei ich sinnlich wahrnehme, wie sich mein Körper bewegt, wie Fuß und Straße sich berühren...“(Stevens 1970,117 in: Kranz, 1999, 5). Nach den Definitionen von Achtsamkeit und den damit verbundenen Begriffen werde ich jetzt die Bedeutung von Achtsamkeit und ihrer Bedeutung in der professionellen Sozialarbeit darlegen. 3. Achtsamkeit in der professionellen Sozialarbeit am Beispiel der Beratungstätigkeit In dieser Arbeit soll Achtsamkeit als Kompetenz in der professionellen Sozialarbeit untersucht werden. Das Sozialwesen ist ein breites Feld, in dem Beratung einen hohen Stellenwert hat. Beratung selbst hat sehr unterschiedliche Schwerpunkte und Institutionalisierungsgrade. Da die sozialpädagogische Beratung nicht über eine eigenständige Methodik verfügt, benutzt sie Erkenntnisse und Verfahren aus der 5Detlev Kranz: Lehrer, Gestalttherapeut in Hamburg 6Barry Stevens (1902 – 1985): Gestalttherapeutin, die in den USA bei der Entwicklung der Gestalttherapie Ende der 60er/70er Jahren eine bedeutende Rolle gespielt hat, in Deutschland aber kaum bekannt ist (Kranz, 1999). 18 Psychologie, Psychotherpie, den Sozial-, Verwaltungs- und Rechtswissenschaften (vgl. Belardi 1999, 40). Nach Belardi müssen Beraterinnnen und Berater vielfältige Fähigkeiten haben, die sie nutzen können, wenn sie sich in das „Gefühls-, Denk- und Verhaltenssystem der Ratsuchenden“ hineinversetzen. Er erinnert daran, dass die Betroffenen nicht so leicht zu motivieren sind, und dass die meisten nicht nur psychische sondern auch soziale und wirtschaftliche Probleme haben, die zu berücksichtigen sind. Die Arbeitsmethodik ist nicht spezialisiert. Es werden Erkenntnisse und Verfahren aus der Psychologie, Psychotherapie, sowie aus den Sozial, Verwaltungs- und Rechtswissenschaften genutzt, welche meiner Meinung nach zur Realisierung einer umfassenden Beratung auch zwingend vorhanden sein müssen. Die sozialpädagogische Beratungsqualifikation sollte deshalb methodenübergreifend und integrativ, sowie auf die Alltagsbewältigung bezogen sein. Nicht immer lässt sich Beratung von Therapie klar abgrenzen, wichtig für den Sozialpädagogen in der Beratung ist es aber, seine Grenzen zu kennen und den Klienten bei Bedarf an geeignete Institutionen oder Fachleute weiterzuvermittlen (vgl. Belardi 1999, 43, 63). 3.1 Definition von Beratung Beratung ist eine soziale Interaktion zwischen einem (meist professionellen) Berater und einem Ratsuchenden. Es gibt auch die Form von Beraterteams und/oder einer Gruppe oder Organisation, die um Beratung anfragt. Eine solche Interaktion hat einen zeitlich begrenzten Rahmen, findet überwiegend statt in einem institutionellen Setting, basiert auf Vetraulichkeit und gibt Hilfe zur Selbsthilfe (vgl. Derov 1987, 1988 und Hirsch & Schmidtchen 1981, 23 in: Mutzeck 1996, 6). Der Ratsuchende bittet in der Regel freiwillig um Hilfe, seine Selbstbestimmtheit ist von großer Wichtigkeit, wobei allerdings nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Beratung auch verordnet oder verpflichtend zur Auflage gemacht werden kann. Beratung zielt nicht auf pathologische Problemfälle ab. Ist eine Störung massiver oder tiefergehend, ist eher Therapie das Mittel der Wahl, um Hilfe zu gewähren. Nicht immer lassen sich allerdings Beratung und Therapie voneinander abgrenzen (vgl. Belardi 1999, 41ff). Grundlage der Beratung ist die professionelle Handlungskompetenz des Beraters. Beratung zielte ursprünglich darauf ab, Veränderung schwerpunktmäßig über den kognitiven Bereich und bezogen auf den Einzelnen als Ratsuchenden herauszuarbeiten. Inzwischen werden mehr und mehr bestehende Beziehungsgeflechte und auch affektive Aspekte berücksichtigt (vgl. Lexikon der Psychologie 2002). 19 Beratung sollte nach Belardi die Merkmale von „Professionalität, Erreichbarkeit, Uneigennützigkeit, Nichtverstrickung sowie Vermittlungsmöglichkeiten bezüglich weiterer Hilfsquellen“ aufweisen (1999, 37). Klienten suchen Beratung, weil sie mit schwierigen Lebenslagen oder mit sich selbst nicht mehr zurechtkommen. Dabei erwarten sie, dass sich im Laufe der Beratung die Schwierigkeiten beheben oder reduzieren lassen. Dies geschieht durch Ingangbringen eines aktiven Lernprozesses, der der Gewinnung einer „neuen Kompetenzebene“ gleichkommt, um sich von da aus erfolgreicher mit auftretenden Konflikten auseinandersetzen zu können (vgl. Dietrich 1987, 1 in Mutzeck 1996, 6). Diese Lernprozesse sind in jedem Alter möglich (vgl. Baer 36, 15) In der Beratung geht es um eine bewußte Wahrnehmung bestehender Probleme und der Entwicklung von Problemlösungsfähigkeiten in einer kooperativen und offenen Beziehung zwischen Berater und Klient (vgl. Hirsch und Schmittchen 1981, 23, in Mutzeck 1996, 6). Beratung soll geplant und von fachkundigen und methodisch geschulten Personen durchgeführt werden (vgl. Mutzeck 1996, 7). Belardi (1999, 40) versteht Beratung als „eine spezielle Dienstleistung für Einzelpersonen, Familien und Institutionen, um diesen zur eigenständigen Lösung von Problemen im psychosozialen und /oder materiellen Bereich zu verhelfen“. Im Rahmen der Recherche für diese wissenschaftliche Arbeit führte ich ein Gespräch mit zwei Mitarbeiterinnen der Suchtberatung beim Caritasverband Rhön-Grabfeld in Bad Neustadt/Saale7. Die Ergebnisse dieses Gespräches werde ich hier und in späteren Kapiteln wiedergeben und entsprechend kennzeichnen. Meine erste Frage an die Mitarbeiterinnen der Suchtberatung war, was sie unter Beratung verstehen, was für sie Beratung ist. Für Frau Till: ist Beratung Menschen zu begleiten, ie zu informieren, sie reden lassen, Möglichkeiten, die es gibt aufzuzeigen und mit den Menschen gemeinsam einen Weg finden. Beratung ist ein Prozess, ein Weg. Aufgabe der Beraterin ist es, Dinge ,auf den Punkt zu bringen‘, zu sehen ,was ist Sache‘, da immer wieder Menschen in die Beratung kommen und sagen: ,ich weiß eigentlich nicht, wo mein Problem liegt‘. Frau Heinisch ergänzte, dass es darum geht als Fachberatungsstelle Informationen zum Thema zu geben. Informationen z.B. auf Fragen wie „was ist Sucht?“, „was ist Entzug?“, „welche finanziellen Hilfen gibt es?“, „wo bekomme ich eine Wohnung her?“ oder „wo Möbel?“. Es geht weiter darum konkrete Hilfestellung zu geben, z.B. beim Ausfüllen eines Antrags behilflich zu sein oder bei 7 Der Termin kam durch eine telefonische Anfrage meinerseits zustande, wir verabredeten uns zu einem ca 45-minütigen Gespräch in der Beratungsstelle. Fr.Till arbeitet seit 9 Jahren, Fr. Heinisch seit 4 Jahren in der Suchtberatung. Ich machte mir während des Gespräches Notitzen, die ich hier in der Arbeit sinngemäß wiedergeben werde. Das Aufstellen eines Diktiergerätes wurde nicht gewünscht. 20 der Vermittlung entsprechender weiterführender Stellen (Entzug, Kur, Therapie) tätig zu werden. Sie verstehen ihre Tätigkeit auch als Diagnosestelle, wenn der Ratsuchende wissen will, ob überhaupt eine Suchterkrankung vorliegt, sie sind gefordert, dem Klienten bei der Entscheidung zu unterstützen, ob eine stationäre oder ambulante Therapie sinnvoll ist oder ob eine Beratung zunächst ausreicht. Eine andere wichtige Aufgabe ihrer Beratungstätigkeit ist die Arbeit mit Angehörigen, die unter der Sucht eines anderen leiden und davon selbst krank werden. Desweiteren sehen sie ihre Arbeit als Aufklärungs-, bzw. Lobbyarbeit. Sie wollen dazu beitragen, dass Sucht als Krankheit, nicht als Willensschwäche definiert wird und sie wollen die Betroffenen auch gegenüber Ämtern stärken: „da ist ein Mensch, der hat die gleichen Rechte wie andere, auch wenn er krank ist“ (Gesprächsprotokoll 2004). 3.1.1 Das Beratungsklientel Beim Beratungsklientel kann man grob zwei Gruppen unterscheiden. Zum Einen die Menschen, die aufgrund sichtbarer Probleme geschickt werden, u.a. von Ärzten, Angehörigen, Arbeitgebern oder Gerichten. Ein Beratungszweig, in dem diese Gruppe häufig beraten wird, ist die Suchtberatung. Zum Andern suchen Menschen freiwillig Beratungsstellen oder Berater auf, weil sie selbst erkennen, dass sie mit bestehenden Situationen/Problemen/Konflikten nicht zurechtkommen. Diese können bei ihnen selber liegen, mit ihrem unmittelbaren Umfeld oder mit ihrer weiteren Umgebung zu tun haben. Gemeinsam ist ihnen der Veränderungswunsch und die Schwierigkeit, alleine oder ohne Unterstützung diesen Veränderungswunsch umzusetzen (vgl. Baer 2001, 68; vgl. Belardi 1999, 21). Ratsuchende suchen Unterstützung, um die eigenen Kompetenzen in punkto Konfliktlösung und Umgang mit Konflikten zu erweitern. Aufgrund des Wegbrechens tradierter Informations- und Unterstützungsstrukturen in einer zunehmend komplexer werdenden Welt, in der einerseits vielfältige Perspektiven und Wahlmöglichkeiten vorhanden sind und andererseits die Kompetenzanforderungen und Entscheidungszwänge immer größer werden, wächst auch der Bedarf an Beratung (vgl. Belardi 1999, 20f). 3.1.2 Die Aufgaben des Sozialpädagogen in der Beratertätigkeit Die Aufgaben des Beratenden liegen zum einen im strukturellen Bereich, wo es darum geht, die Vorgaben, die zu berücksichtigen sind, dem Ratsuchenden mitzuteilen. Dabei handelt es sich um den zeitlichen Rahmen, um die Dauer des jeweilige 21 Beratungstermins und der vermutlichen Häufigkeit der Beratungstreffen. Mit dem Ratsuchenden ist abzuklären, welche/s Anliegen er hat, was die Inhalte der Treffen sein sollen. Es gilt, das Ziel und die Wünsche zu formulieren. Außerdem kann es wichtig sein unter dem Aspekt der Schweigepflicht klarzustellen, wer von den Gesprächen, bzw. deren Inhalten erfahren muss oder soll und zu welchem Zweck. Der Beratende sollte seine Methoden und eventuellen Hilfsmittel vorstellen und seine Arbeitsweise transparent machen. Für den Berater ist es wichtig zu beachten, dass das Problem, mit dem jemand in die Beratung kommt, oft ein „Aufhänger“ ist (vgl. Belardi 1999, 70). Oft liegt ein umfassenderes Problem zugrunde.Wenn z.B. in der Familienberatung ein Kind vorgestellt wird, das Schwierigkeiten hat, kann dies auch ein Hinweis auf Probleme der gesamten Familie sein (systemischer familientherapeutischer Ansatz). Der Berater hat die Aufgabe, den Gesprächsverlauf zu strukturieren. Das bedeutet, dass er gerade im Erstgespräch für eine vertrauensvolle Athmosphäre sorgen sollte. Er muss klären, was ist (Diagnose, Wahrnehmen, Erkennen), er muss klären, was war (Erinnern, Wiederbeleben, Bearbeiten) und er muss klären, was sein soll (Zielbildung, Neuorientierung) (vgl. Rahm u.a. 1993, 327 in: Belardi 1999, 81). Er darf nicht vergessen, wenn die Beratungstermine zu Ende gehen, eben darauf vorzubereiten und mit dem Klienten eine Bilanz zu ziehen sowie mit ihm zu überlegen, was in der Zeit „danach“ geschehen kann oder soll (vgl. Belardi 1999, 85). Der Berater ist zuständig für die Gesprächsführung, der er je nach Situation mehr oder weniger Struktur gibt. Er muss dem Klienten ermöglichen, seine Bahnen des Denken und Handelns zu verlassen, um einen Perspektivwechsel auf das Problem zu erreichen und Lösungsmöglichkeiten zu entdecken (vgl. Belardi 1999, 81). Das eben Beschriebene lässt sich nach Murgatroyd gut zusammenfassen. Er hat „Allgemeine Ziele für die Beratung“ zusammengestellt, die ich hier unverändert wiedergeben werde, da ich sie als umfassend und gut formuliert wahrnehme: a) „Ziele für die Art und Weise, wie Menschen sich sehen. - Wiederherstellung eines Gefühls des Selbstwertes. - Unterbindung der Selbstabwertung des Gesprächspartners und Unterstützung einer positiven Selbstsicht. - NegativeVerteidigungsstrategien in positive Handlungsstrategien umformen. b) Ziele im Hinblick auf die Art und Weise, wie Menschen die Welt erfahren: - Unterstützung und Objektivität im Nachdenken über die Situation. 22 - Die Ratsuchenden müssen Verantwortung für ihren eigenen Anteil an dem Problem erkennen und übernehmen. - Verstärkung des Gefühls der Kontrolle der Situation, in der sie sich befinden. - Ermutigung von Wunschdenken und Unterstützung von Rationalität. - Aufzeigen angemessener Bewältigungsstrategien. - Hilfe bei der Verringerung von Erfahrungen und Gefühlen der Abhängigkeit. c) Ziele im Hinblick auf die Art und Weise, die eigene emotionale Welt zu sehen: - Hilfe bei einer möglichst realistischen Sicht der eigenen emotionalen Erfahrungen. - Wir müssen nicht so oft projizieren. - Unsere Angst soll sich verringern. - Positive Gefühle sollen zunehmen. d) Ziele im Hinblick auf die Art und Weise, in der andere Menschen denken: - Unterstützung zweckgerichteten Denkens. - Die Bewältigung von Krisensituationen in kleine Schritte aufteilen. - Dabei Teilziele formulieren und sie angehen. - Die Selbstreflexion, also die Fähigkeit, sich selber kritisch zu sehen, muß gesteigert werden. e) Ziele für die körperliche Zustandsänderung: - körperliche Grundbedürfnisse (Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit, Schlaf) müssen sichergestellt werden. - hierzu bedarf es einer wirtschaftlichen und sozialen Absicherung, eventuell durch flankierende Maßnahmen der Sozialarbeit.“ (Murgatroyd 1994, 82f, in Belardi 1999, 62) 3.2 Die Bedeutung von Achtsamkeit als Kompetenz in der Beratung Achtsam zu beraten ist eine besondere Art, bewusst zu beraten, welche die Bewusstseinserweiterung schult und die Selbsterkenntnis verschärft. Sie kann zur Zentrierung und zur Harmonisierung des körperlich-geistigen Befindens beitragen und zu einem dem eigenen Wohlergehen dienenden Umgang mit den Mitmenschen führen. „Das Prinzip der Achtsamkeit ist ein umfassendes Prinzip. Sein wesentlicher Grundsatz ist die Einheit von Theorie und Praxis, Erkennen und Handeln, Wissen und Erfahrung.“ (Hinze 2001, 12). Wenn man also achtsam ist, erkennt man die Realität an, so wie sie ist 23 und versucht nicht, sie sich zurechtzubiegen. Für die Beratung heißt das, dass der Berater offen ist für sein Gegenüber und die Gegebenheiten akzeptiert, die sich ihm zeigen, ohne seine eigenen Bewertungsmaßstäbe anzulegen (vgl. Hinze 2001, 11f). Achtsam beraten heißt auch, Bewusstheit für sich selbst zu haben. Das wiederum bedeutet, offen zu sein für die eigenen Wahrnehmungen auf verschiedenen Ebenen, so wie sie unser Gegenüber bei uns auslöst. Der nächste Schritt wäre dann, diese Wahrnehmungen dem Klienten zur Verfügung zu stellen für die Realisierung seiner Veränderungsziele (vgl Prof. Schulte-Cloos, E-mail vom 13.06.04). Für die Mitarbeiterinnen der Suchtberatungsstelle des Caritasverbandes Rhön-Grabfeld ist Achtsamkeit eine Grundhaltung für einen entsprechenden Umgang mit Menschen, heißt sie zu respektieren. Ihnen waren folgende Aspekte der Achtsamkeit in der Beratung am wichtigsten: Achtung vor den Werten Anderer. Akzeptieren, wie andere leben. Den Ratsuchenden „dort abholen, wo er steht“. Akzeptieren, dass der Klient bei dem Versuch der Problemlösung kleine Schritte geht oder andere, als sie der Berater für sinnvoll hält. Der Mensch steht im Mittelpunkt der Beratung und der Berater versucht mit ihm gemeinsam, die Schwierigkeiten anzugehen (vgl. Gesprächsprotokoll 2004). 3.2.1 Achtsamkeit für das Gegenüber Dem Ratsuchenden in einer Beratungssituation kann der Berater nur dann Achtsamkeit entgegen bringen, wenn er sich vieler unterschiedlicher Komponenten bewusst ist. Diese sind sehr wichtig, damit eine Beratung Aussicht auf Erfolg haben kann. Zum Einen ist wichtig, ob Alter, Geschlecht und Kultur des Beraters zum Ratsuchenden (Banning, 1995 in Belardi1999, 74) bzw. zu seinem Problem passen. Ein älterer, konservativ eingestellter Mann würde wohl Schwierigkeiten haben, sich von einer sehr jungen Sozialpädagogin, sei sie auch noch so kompetent, in Beziehungsfragen beraten zu lassen. Zum Anderen werden Klienten immer wieder Verhaltenweisen zeigen, die sie vor Konfrontation mit ihren Schwierigkeiten schützen sollen. Diese gilt es für den Berater zu respektieren und nicht zu versuchen, dagegen zu arbeiten. Unter dieses Schutzverhalten fallen auch Manipulationsversuche des Ratsuchenden wie den Berater auf die eigene Seite ziehen zu wollen, die Einstellung Beratung sei „sowieso zwecklos“ oder „die anderen sind schuld“ (vgl. Belardi 1996, 77). 24 Weiterhin ist es für den Berater nicht nur wichtig, darauf zu achten, was die Ratsuchenden wörtlich mitteilen. Ebenso wichtig ist, wie sie das tun. Watzlawick spricht hier von„Beziehungsebenen“. Dazu gehören alle nichtsprachlichen Signale. Fachkräfte sollten sich gleichzeitig auch gefühlsmäßig in die Ratsuchenden hineinversetzen und zumindest zeitweise dabei z.B. deren Verzweiflung und Traurigkeit spüren, als ob es die eigene wäre (vgl. Belardi 1996, 47). Dabei wird es wichtig, dass Dinge, die eigentlich nicht gesagt worden sind und trotzdem in uns auftauchen, nicht in den Hintergrund gedrängt, sondern ernst genommen werden (vgl. Baer 2002, 78). Der wissenschaftlichen Forschung zum Thema „Beratung“ ist längst bekannt, dass gerade das, was als „unangenehm“ auftaucht oder als „tabu“ gilt, im ganzen Beratungsprozess sehr wichtig ist. Jede einzelne Information, wie auch das Verhalten im Gespräch selber, ist Bestandteil eines noch weitgehend unbekannten „Hintergrundes“. Zu beachten sind dabei strukturelle Verfestigungen durch vorangegangene Erfahrungen und deren oft problematische Verarbeitung (vgl. Belardi 1999, 64f). So kann die Vielfalt der Eindrücke geklärt und Beratern geholfen werden mit Fragen wie „Was wurde berichtet?“, „Wie wurde es berichtet?“, „Was fehlt in den Darstellungen und gehörte aber eigentlich dazu?“, „Welche Wahrnehmungen und Vermutungen (Hypothesen) habe ich jetzt?“ und „Welche Bedeutung haben diese Informationen für die Kenntnis des Lebenszusammenhangs und die Zielsetzung?“ (ebd. 65). Auch die Körpersprache des Klienten ist hier zu beachten. Der Körper sagt oft mehr als die Sprache aus und kann aufschlussreicher sein als der reine Gesprächsinhalt. Berater müssen diese körpersprachlichen Signale wahrnehmen und zu passender Zeit behutsam in den Prozess einbringen. Belardi warnt vor einer unangebrachten und überschnellen Deutung. Baer (2001, 102) vertritt den Standpunkt, dass eine festgelegte Deutung von Körpersignalen nicht erfolgen sollte. Er ist der Meinung, dass nur der Klient selbst seine Äußerungen deuten kann. Aufgabe des Beraters kann es lediglich sein, ihn auf solche Wahrnehmungen aufmerksam zu machen (ebd. 90ff). Der Berater hat die Möglichkeit den Prozessverlauf dahingehend zu manipulieren, damit beim Klienten Selbstreflexion möglich wird und er neue Erkenntnisse dazu gewinnen kann. Der Berater darf nicht versuchen die Einstellungen des Ratsuchenden dahingehend zu beeinflussen,wie es seiner persönlichen Meinung entspricht. Er muss in der Lage sein Übertragung, Idealisierung und Entwertung zu erkennen und anzusprechen, um den Klienten die Chance der eigenen Entwicklung, den Eigenanteil und notwendigen Anstrengungen bewusst zu machen, die eine Verhaltensänderung ermöglichen (vgl. Belardi 1999, 78f). 25 Zur Achtsamkeit in der Beratung gehört es auch, den Klienten mit unangenehmen Dingen, Verhaltensweisen zu konfrontieren, Aspekte anzusprechen, die ihm in seinem privaten Umfeld kaum jemand sagen würde. Diese Ehrlichkeit, diese Offenheit, mit der der Beratende dem Ratsuchenden gegenübertritt, wird sich für den Klienten letztlich als hilfreich erweisen, er kann Verhalten nur ändern, wenn er weiß „was Sache ist“. Scheut sich ein Berater, dies zu tun, stützt er nur das „Gebäude“, das sich der Klient aufgebaut hat und nimmt ihm die Chance, zu gesunden. Auch bei der Arbeit mit Angehörigen, die unter der Sucht eines anderen leiden und davon krank werden, ist es wichtig, offen und ehrlich zu sein und sie aufmerksam zu machen auf eigenes Verhalten, das die Sucht stabilisiert (vgl. Gesprächsprotokoll, 2004). 3.2.2 Achtsamkeit für sich selbst Angehörige der helfenden Berufe stehen unter besonderen psychosozialen Belastungen. Sie sollen zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen und diese unter Bedingungen aufrechterhalten, die „häufig durch Erfahrungen der Aggression und Autoaggression, des Leidens und Schmerzes usw. gekennzeichnet sind“ (Marquard, u.a. 1993, 2 in: Belardi 1999, 205f). Eigene Empfindungen, Überzeugungen und Werte bleiben dabei nicht unberührt (vgl. Marquard u.a. 1993, 2 in: Belardi 1999, 205f). Deshalb ist es wichtig, das Verhältnis von Nähe und Distanz zu finden, das im jeweiligen Augenblick angemessen ist. Der Beratende muss abwägen und sich dort engagieren, wo es notwendig ist und wo er mit Erfolg tätig sein kann, d.h. wo nicht alle Umstände schon im Vorfeld darauf hindeuten, dass er scheitern könnte. Dazu gehört das Lernen, sich abzugrenzen vor der allgegenwärtigen Verführung, unlösbare Probleme lösen zu wollen oder zu müssen (vgl. Belardi 1999, 206). Um sich „nicht selbst zu verlieren“ und in die Verfassung des „Burn Out“ zu geraten, ist es notwendig, als Beratender gut für sich selbst zu sorgen. Eine Lösung dieses Dilemmas bietet die Supervision. In diesem Setting wird der Berater zum zu Beratenden, der mit einem von außen kommenden Supervisor seine Professionalität zu vergrößern sucht. Dort wird in der Fallarbeit u.a. versucht die Selbst- und Fremdwahrnehmung zu verbessern und die Unterscheidung von Beobachtung und Bewertung geübt. Wichtig ist es, eigene „blinde Flecken“ kennenzulernen, über den Umgang mit Nähe und Distanz zu den Klienten nachzudenken und das Phänomen der Übertragung zu beleuchten. Während die klassische Supervision Einzelarbeit bedeutet, steht bei Selbstreflexion von Arbeitsteams in Beratungsstellen die Entwicklung von Kooperation und Teamfähikeit im Vordergrund. Um sich kollegial über die Themen, die 26 alle betreffen austauschen zu können, ist es wichtig, dass das Verhältnis der Kollegen untereinander von Vertrauen geprägt ist (vgl. Rappe-Diesecke 1990, Schreyögg 1991, in: Belardi 1999, 206f). Fr. Till und Fr. Heinisch von der Suchtberatungsstelle gebrauchten persönlichere Formulierungen, die jedoch letzlich die theoretischen Überlegungen bestätigen: „Achtsamkeit heißt auch auf mich aufpassen, wie gehe ich mit dem um, was von aussen kommt“. Wichtig ist es, für sich selbst einen Ausgleich zu finden, seine eigenen Grenzen zu kennen und sich „in gewissem Maße daran halten“. So vermeiden sie es, bei der Terminplanung zwei extrem schwierige Fälle direkt hintereinander zu legen und verteilen sie lieber auf zwei Tage. Das ist eine praktische Umsetzung des Prinzips Achtsamkeit für sich selbst. Achtsam mit sich selbst sein heißt in diesem Kontext auch, Grenzen zu setzten und nein sagen zu können, wenn die Anforderungen, die von Klient oder auch Dienstgeber an einen herangetragen werden, nicht erfüllt werden können. Ferner gehört dazu der Austausch untereinander in der Beratungsstelle, das „Dampfablassen-können“, sowie die Unterstützung von und die Rückversicherung bei den Kollegen (Gesprächsprotokoll 2004). In diesem Zusammenhang interessierte mich noch, wie meine Gesprächspartnerinnen für sich ihren Ausgleich finden. Für Fr. Heinisch sind es ihre Familie, ihre Kinder, die wie sie sagt „automatisch ablenken“, die Gartenarbeit, Hobbys und die Fähigkeit, beim Nachhausegehen die „Türe zumachen und das meiste hierlassen (an der Arbeitsstelle, Anm. d. Autorin) zu könnnen“. Für Fr. Till ist körperlicher Ausgleich ein wichtiger Faktor für die Achtsamkeit mit sich selbst. Sie, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, merkt an, dass sie schneller zu Hause ist, wenn sie von der Arbeit aufgewühlt ist. Die Bereitschaft, sich von Kollegen/Freunden aufmerksam machen zu lassen, wenn man „am Limit läuft“ ist ihrer Meinung nach auch ein wichtiger Faktor. Beide bemerken, dass es Kleinigkeiten sind, die diese Achtsamkeit mit sich selbst ausmachen, dass sie keine Kurse in Entspannungstechniken (z.B. Yoga) brauchten (vgl. Gesprächsprotokoll 2004). Dabei fällt mir auf, dass beide Frauen während unseres Gespräches entspannt sitzen und immer wieder tief atmen. Dazu habe ich bei Thich Nath Hanh ein wie ich meine passendes Zitat gefunden, das ich hier wiedergeben werde: „Ich atme ein und komme zur Ruhe, ich atme aus und lächle. Ich atme ein und weiß: Ich lebe. Ich atme aus und lächle dem Leben zu.“ 27 (Thich Nath Hanh 2004, 22) 3.2.3 Exkurs in die „Kreative Leibtherapie“8 Alle Menschen, besonders jene, die in helfenden Berufen tätig sind, müssen immer wieder dafür Sorge tragen, dass sie bei all ihrer Sorge um die ihnen Anvertrauten sich selbst genügend Möglichkeiten schaffen, um zu regenerieren, Kraft zu schöpfen und „sich nicht zu verlieren“. Ansonsten droht ein als „Burn out“ bekannter Zustand der völligen Erschöpfung. Zu seiner Vermeidung finde ich es enorm wichtig, mit der Achtsamkeit immer wieder bei sich zu sein, um in sich gefestigt zu sein und nicht gegen seine eigenen Bedürfnisse zu handeln. Ich behaupte, dass nicht vernachlässigt werden darf, diese Achtsamkeit zu schulen und immer wieder zu üben. Wie es bereits in der Wiedergabe des Gesprächsprotokolls angeklungen ist, hat jeder Berater dafür seine eigenen Wege und Methoden. Im folgenden Kapitel möchte ich darlegen, welchen Stellenwert Achtsamkeit in der „Kreativen Leibtherapie“ nach Udo Baer und Gabriele Frick-Baer einnimmt. Es wird hier zwar von Therapie geschrieben, doch lassen sich Therapie und Beratung nicht immer klar abgrenzen, wie weiter oben schon ausgeführt wurde. Außerdem bin ich der Meinung, dass eine fächerübergreifende Weiterbildung für alle Beteiligten nur von Vorteil sein kann. In der „Kreativen Leibtherapie“ wird die Bedeutung von Achtsamkeit meines Erachtens nach noch erweitert und hat einen besonders hohen Stellenwert. Die „Kreative Leibtherapie“ hat ihre Wurzeln in der Leibtherapie und „den erlebnisöffnenden Potentialen des Tanzes, der Musik und der Gestaltung“ (Baer o.J., 2). Gestalttherapie, andere Humanistische Therapien, Leibphilosophie, Erkenntnisse der modernen Hirn- und Säuglingsforschung und vor allem viele praktische Erfahrungen sind nach Aussage von Baer weitere Quellen (vgl. ebd. 2). Achtsamkeit beschreibt Baer (2001, 33) als leibliches Phänomen, als eine „Haltung der Aufmerksamkeit, die sich jenseits von geistigem Verstehen, körperlichem Spüren und emotionalem Fühlen bewegt und doch diese Elemente einschließen kann“. Um achtsam sein zu können, müsse man wenigstens „einen Augenblick innehalten“, sich und anderen Aufmerksamkeit schenken. Für ihn ist Achtsamkeit Wahrnehmung und sie umfasst die Bereitschaft, sich und seine Wahrnehmungen ernst zu nehmen. Im Konzept von Baer ist Therapie Achtsamkeit, weil hier Klienten aufgefordert sind, auf ihr Erleben zu achten 8Ich verwende hier den Begriff „Kreative Leibtherapie“, auch wenn in der Publikation von „Tanz- und Bewegungs-Soziotherapie“, „Musik-Soziotherapie“ und „Gestaltungs-Soziotherapie“ die Rede ist, damit das Lesen einfacher fällt. 28 und zu spüren, welche Regungen ihres Leibes daraus entspringen. Weiter braucht Therapie Achtsamkeit, weil nur dann Hindernisse und Barrieren, die einschränken, bzw. Möglichkeiten der Entwicklung von Klienten wahrgenommen werden können. Außerdem schafft Therapie Achtsamkeit, indem Therapeuten den Klienten Hilfestellung geben, Achtsamkeit zu entwickeln, um auch dem Hintergrund ihres Erlebens nachzuspüren und damit die Möglichkeit haben gerade den Empfindungen Aufmerksamkeit zu schenken, die außerhalb der therapeutischen Sitzungen meist zu kurz kommen. Mit dem Lenken der Aufmerksamkeit auf den Atem besteht laut Baer (vgl. 2001, 34ff) eine sehr gute Möglichkeit, die Achtsamkeit des Klienten für sich zu steigern (vgl auch Thich Nhat Hanh 2004). Für Baer ist das Achten auf den Atem eine Hinwendung nach „innen“ und manchmal „erster Schritt einer achtsamen Haltung sich selbst gegenüber“. Diese Achtsamkeit des Klienten sich selbst gegenüber ist meist Voraussetzung für eine beginnende Veränderung einengender Lebensbezüge. Dem Klienten zu mehr Achtsamkeit für sich selbst zu verhelfen, ist eine Aufgabe des Therapeuten. Eine andere Aufgabe des Therapeuten in Bezug auf die Achtsamkeit ist „der offene, schweifende Blick“ (Baer 2001, 37), um im Prozess beim Klienten wahrzunehmen, was im Vordergrund geschieht und was sich im Hintergrund „zu verbergen droht“ (ebd. 37). Sehr wichtig ist für Baer die Achtsamkeit des Therapeuten auch für sich selbst. Das heißt „den Klienten ernst nehmen, sich selbst ernst nehmen und dabei miteinander in Kontakt zu bleiben“ (ebd. 38). Er sieht für die therapeutisch fruchtbare Arbeit eine dreifache Achtsamkeit, die es zu trainieren gilt: 1) Achtsamkeit für das Erleben des Klienten, 2) Achtsamkeit für das eigene Erleben und 3) Achtsamkeit für die jeweilige Wechselbeziehung zwischen Klient und Therapeut (vgl. Baer 2001, 34ff). 4. Resümee Wenn man sich mit einem Thema, wie ich hier mit „Achtsamkeit“, intensiv beschäftigt, tauchen nicht nur Antworten sondern vor allem immer auch neue Fragen auf. Dieses Resümee am Ende meiner Arbeit möchte ich dazu nutzen, meine Fragen zu formulieren, Antworten zu versuchen und sie der Wissenschaft zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung zu stellen. Eine dieser Fragen, die während dieser Arbeit auftauchte, war folgende: ist Achtsamkeit ein Konzept, eine Grundhaltung oder eine Kompetenz? Dies war mir wichtig, denn der 29 Titel dieser Arbeit lautete zuerst „Achtsamkeit - ein Konzept und seine Bedeutung in der professionellen Sozialarbeit am Beispiel der Beratung“. Laut Wörterbuch der Deutschen Sprache (1993) ist ein Konzept ein Entwurf, ein Vorhaben. Das trifft die Bedeutung der Achtsamkeit jedoch nach der eingehenden Beschäftigung mit diesem Thema meiner Meinung nach nicht ganz. Auf der Suche nach Alternativen stieß ich auf den Begriff der „Grundhaltung“: „Eine ,Grundhaltung‘ ist [...] etwas, das man nicht durch Aneignen von Wissensstoff erwerben kann, sondern das in kontinuierlicher Selbstreflexion des eigenen Tuns und Erlebens in professionellen und nicht-professionellen Bezügen entsteht und das im Alltag auch wieder verloren gehen kann.“ (Staemmler 2001, 143f). Kontinuierliche Selbstreflexion ist meiner Meinung nach wichtig um achtsam sein zu können, ohne Wissen kann Achtsamkeit aber in der Beratung nicht umgesetzt werden. Diese Definition ist deshalb nicht ausreichend für die Beschreibung von Achtsamkeit. So blieb mir noch der Begriff der „Kompetenz“: (Soziale) Kompetenz wird beschrieben als „[...] ein Bündel verschiedener Merkmalsausprägungen aus unterschiedlichen Bereichen, die sich im Interaktionsverhalten und im Interaktionserfolg niederschlagen.[...]“ (Wiswede u.a. 2004). Dubios & Fellner definieren Kompetenz als „Verfügen über Fertigkeiten, Wissen und Erfahrungen, um erfolgreich an sozialen Interaktionen teilzunehmen“ (in: Wiswede u.a. 2004). Dies trifft am besten die Vorstellung, die ich inzwischen von Achtsamkeit habe, weshalb ich diesen Begriff in die Überschrift übernommen habe. Auch die anderen beiden oben genannten Begriffe Konzept und Grundhaltung sind nicht ganz falsch, treffen jedoch beide nur einzelne Aspekte der Bedeutung von Achtsamkeit. Als weitere Frage stellte sich, wie sich Achtsamkeit konkret trainieren lässt. Auch hierauf fällt die Antwort nicht leicht. Jede Richtung, die Achtsamkeit in ihrem Konzept hat, findet hier eine eigene Antwort. Am Beispiel der Kategorienbildung des Menschen werde ich dies deutlich machen. Für Thich Nhat Hanh ist der klassische Weg Achtsamkeit zu üben die Meditation. Das bedeutet für ihn im buddhistischen Kontext ein Ruhigwerden des Denkens und im Idealfall eine völlige Leere des Geistes, durch die sich die vorhandenen Kategorien des Denkens auflösen. Ellen Langer dagegen setzt auf ein Bewusstwerden dieser Kategorien, um sie dann in einem aktiven Prozess zu verfeinern oder aufzulösen und so zu mehr Achtsamkeit zu kommen (vgl. Langer 1993, 91ff). Ich meine, dass sich Achtsamkeit trainieren lässt, doch muss jeder Berater dafür 30 seinen eigenen Weg finden. Wenn man zu der Überzeugung gelangt ist, dass Achtsamkeit hilfreich sein kann für die Arbeit im beraterischen Kontext, wird man sicher passende Möglichkeiten finden, diese zu üben und zu verfeinern. Die in dieser Arbeit zitierten Autoren stellen eine Auswahl dessen dar, was es an schon praktizierten Wegen gibt. Für die Ausbildung von SozialpädagogInnen halte ich es für sehr wichtig, dass angehendene SozialpädagogInnen Achtsamkeit in ihren verschiedenen Facetten zunächst kennen und benennen lernen, um sich dann in Achtsamkeit zu üben und sich durch Achtsamkeit zu bilden. Dadurch werden sie in die Lage versetzt, Achtsamkeit als eine Kompetenz in ihrer späteren Arbeit, z.B. in der Beratung anzuwenden. Um überhaupt achtsam sein zu können, ist es wichtig, umfassend informiert zu sein. Daher sollte jede/r (angehende) SozialpädagogIn in die Lage versetzt werden, sich ein breites Wissensspektrum anzueignen und dieses immer wieder selbstständig zu erweitern und zu erneuern. Ich denke dabei an die Bereiche der Biologie, der Neurophysiologie und der Psychologie, die immer wieder neue Erkenntnisse über z.B. Strukturen des (eigenen) Wahrnehmens, Fühlens und Denkens zu bieten haben und die zum Wohle des Klienten eingesetzt werden können. Aber auch bei so ganz praktischen Dingen wie z.B. Gesetzen und deren Änderungen oder Hilfsmöglichkeiten für Ratsuchende ist ein stets aktuelles Wissen des Sozialpädagogen unverzichtbar. Als Lektüre zu diesem Thema finde ich die Forschungsergebnisse von Ellen Langer über sinnvolles Lernen (Langer 1997), welche ich im Verlauf dieser Arbeit kennengelernt habe, sehr aufschlussreich. Einen vielleicht etwas utopischen Ausblick möchte ich an dieser Stelle noch wagen. Wenn ich mir eine Beratungssituation vor meinem inneren Auge vorstelle, sehe ich zwei Menschen, den Berater und den Ratsuchenden vor mir. Sie sitzen sich an einem Tisch (schräg) gegenüber, und versuchen primär über die kognitive Schiene den Kern eines Problemes zu fassen, um es dann lösen zu können. Der Raum, in dem beide sitzen, ist relativ klein. Bei mir löst diese Vorstellung Beklemmung und Enge aus. (Nach Hofmann [vgl. 2004, 31ff] gehöre ich demnach zu den Menschen, deren bevorzugte Wahrnehmungsseite die Kinesthetik ist). Würden wir jetzt unsere Achtsamkeit erweitern und den Menschen als ein Wesen ernst nehmen, in dessen Ganzheit Körper, Seele und Geist gleichgewichtig sind, könnten wir die Vorherrschaft des Geistes nicht so einfach hinnehmen. (was ja zweifelsohne der Fall ist, wenn wir meinen, Probleme vorrangig „vom Kopf her“ lösen zu können). Wie viel näher kämen wir einer 31 umfassenden Achtsamkeit, hätten wir in einer Beratungssituation mehr Platz als den Tisch mit zwei Stühlen? Was wäre, wenn wir, statt die Aufmerksamkeit vor allem auf kognitive Prozesse zu lenken, achtsamer mit Signalen umgingen, die uns auf der Körperebene begegnen und diesen konsequenterweise mehr Raum gäben? Mehr Raum im wahrsten Sinne des Wortes? Was wäre, wenn ein Berater das Zutrauen hätte, all seine Reaktionen, auch jene, die er körperlich wahrnimmt, ernst zu nehmen und in den Kontakt mit dem Ratsuchenden zu geben? (vgl. Baer, 79f) Mit der Gewissheit, dass dies sowohl für den Klienten förderlich ist, als auch der eigenen Psychohygiene und Weiterentwicklung dient? Dieses sind Fragen, auf die ich gerne Antworten finden würde. Zum Abschluss meiner Vordiplomarbeit möchte ich noch allen danken, die mich bei dieser unterstützt und mir dabei geholfen haben. Allen voran meinen Töchtern Anne und Carmen und meiner Freundin Ute, die als Lektoren fungierten, Christine und Ortrud für ihr aufmunterndes „Arbeit darf Spaß machen“ und liebevolles „gekniffen wird nicht“ sowie Prof. Dr. Schulte-Cloos für seine zahlreichen Anregungen und prompten Rückmeldungen via Internet. Literaturverzeichnis: Baer, Udo und Gabriele Frick-Baer: Leibbewegungen. Methoden und Modelle der Tanz- und Bewegungstherapie, Affenkönig-Verlag Neukirchen-Vluyn 2001. Baer, Udo: Hirn und Erleben. Neurowissenschaften und Therapie: Grundlegungen, Folgerungen, Anregungen, Teil 1-3 in: therapie kreativ, Affenkönig Verlag Neukirchen-Vluyn 2003, Heft 36 (S. 3-19); Heft 37 (S. 3-16); Heft 38 (S. 4-22). Baer, Udo: Tanz- und Bewegungs- Soziotherapie Musik-Soziotherapie GestaltungsSoziotherapie. Infobroschüre der Zukunftswerkstatt Tanz.Musik.Gestaltung, Neukirchen-Vluyn o.J. Bang, Ruth: Hilfe zur Selbsthilfe. Für Klient und Sozialarbeiter, Ernst Reinhardt Verlag 32 München/Basel 1963. Belardi Nando u.a.: Beratung, eine sozialpädagogische Einführung. Beltz Verlag Weinheim und Basel 1996. Beuroner Kunstverlag: Die Regeln des heiligen Benedikt. 1990. Bierhoff, Hans-Werner und Michael Jürgen Herner: Begriffswörterbuch der Sozialpsychologie. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart 2002 Buber, Martin: Das dialogische Prinzip. Ich und Du. Zwiesprache. Die Frage an den Einzelnen. Elemente des Zwischenmenschlichen. Zur Geschichte des dialogischen Prinzips, Verlag Lambert Schneider GmbH Heidelberg 1984. 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Aufgabe der Beraterin ist es, Dinge ,auf den Punkt zu bringen‘, zu sehen ,was ist Sache‘, da immer wieder Menschen in die Beratung kommen und sagen ,ich weiß eigentlich nicht, wo mein Problem liegt‘“. Was verstehen Sie unter Achtsamkeit und was hat Achtsamkeit in Ihren Augen mit Beratung zu tun? Fr. Till/Fr. Heinisch: „Der Umgang mit den Ratsuchenden lässt sich aus dem Leitbild der Caritas ableiten. die wichtigste Aussage ist die: ,von Mensch zu Mensch‘. Der Mensch steht im Mittelpunkt der Beratung, gucken, mit dem Menschen gemeinsam 36 gucken.“ „Den Menschen dort abholen, wo er steht.“ „Akzeptieren, dass er kleine Schritte geht oder andere, als ich sie für sinnvoll halte.“ „Akzeptieren, wie andere leben.“ „Achtung vor den Werten anderer.“ „Informationen geben als Fachberatungsstelle, Informationen zum Thema (was ist Sucht? was ist Entzug? welche finanziellen Hilfen gibt es? konkrete Hilfen, z.B. Antrag ausfüllen, wo bekkomme ich eine Wohnung her? wo Möbel?) Vermittlung entsprechender weiterführender Stellen (Entzug, Kur, Therapie).“ „Brückenfunktion: was ist angesagt: stationäre Therapie, niedergelassene Ärzte, reicht erstmal Beratung?“ „Diagnosestelle: Ist es überhaupt Sucht?“ „Arbeit mit Angehörigen, die unter der Sucht eines anderen leiden und davon krank werden: aufmerksam machen auf eigenes Verhalten, das die Sucht stabilisiert.“ „Aufklärung, Lobbyarbeit: Sucht als Krankheit, nicht als Willensschwäche.“ „Lobbyarbeit auch gegenüber Behörden, ,da ist ein Mensch, der hat die gleichen Rechte wie andere, auch wenn er krank ist.‘“ „Achtsamkeit ist eine Grundhaltung, ist ein entsprechender Umgang mit Menschen, ist respektieren.“ „Achtsamkeit heißt auch auf mich aufpassen, wie gehe ich mit dem um, was von aussen kommt.“ „Austausch in der Beratungsstelle „Dampf ablassen“ Unterstützung kriegen, Rückversicherung.“ „Ausgleich finden, eigene Grenzen kennen und sich in gewissem Maße daran halten.“ „Termine entsprechend legen (nicht zwei extrem schwierige Fälle direkt hintereinander), lieber auf zwei Tage verteilen.“ „Grenzen setzen, NEIN sagen.“ Darf ich fragen, wie Sie Ihren Ausgleich finden? „Zum Thema Ausgleich: Familie, Kinder lenken automatisch ab, beim Nachhausegehen Türe zumachen, das meiste hier lassen.“ „Garten, Fahrradfahren, Hobbys, körperlicher Ausgleich.“ „Sich erinnern lassen („Du bist am Limit“) von Kollegen/Freunden, Pausen machen.“ 37 „Das Team ist wichtig.“ „Abschalten können, kann man nicht unbedingt lernen, ein Grundansatz muss da sein.“ „Radfahren als Puffer“ (schneller daheim, wenn mich die Arbeit aufgewühlt hat) „Es sind Kleinigkeiten, die das ausmachen, es muss nicht Yoga sein.“ (beide Frauen sitzen entspannt, atmen immer wieder tief) „Man muss sich gut kennen, Verspannungen bemerken, der Schnupfen, den ich nicht mehr los werde...“ „Zu Achtsamkeit in der Beratung gehört es, Klienten auch mal unangenehme Dinge zu sagen, zu konfrontieren, was ihm sonst keiner sagt.“ „Ehrlichkeit, nichts schönreden.“ „Offenheit, nur wenn ich sag, was Sache ist, kann sich was verändern, stütze sonst das Gebäude, das sie sich aufgebaut haben. „Achtsamkeit ist ein Thema, über das nie nachgedacht wird, außer bei der Leitbilddiskussion.“ 38