2000 39. BAYERISCHER INTERNISTEN-KONGRESS © 2001 W. Zuckschwerdt Verlag München 1 Rheumatoide Arthritis Neue Therapiemöglichkeiten Christian Kneitz, Hans-Peter Tony Medizinische Poliklinik der Universität Würzburg In den letzten Jahren ist die rheumatoide Arthritis in das Zentrum der klinischen und theoretischen Forschung gerückt. Ein besseres Verständnis der immunregulatorischen Mechanismen hat zu einer dramatischen Entwicklung neuer, rational begründeter Therapieansätze geführt. Zur medikamentösen Therapie der rheumatoiden Arthritis werden hauptsächlich drei Gruppen von Subtanzen eingesetzt: 1. Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR), 2. Glukokortikoide und 3. Basistherapeutika. Glukokortikoide führen durch eine ausgeprägte antientzündliche Wirkung rasch zu einer Verbesserung der klinischen Symptomatik. Aufgrund der ausgeprägten Nebenwirkungen sollte eine Glukokortikoiddosis oberhalb der CushingSchwelle (ca. 7,5 mg Prednisolon oder Äquivalenzdosis anderer Steroide) nur überbrückend oder bei Auftreten extraartikulärer Manifestationen eingesetzt werden.Daneben werden niedrig-dosierte Steroide als Ergänzung zu Basistherapeutika in der Langzeittherapie genutzt. Ein Fortschreiten der Gelenkzerstörung kann nur durch den frühzeitigen Einsatz von Basistherapeutika (DMARDs: disease modifying antirheumatic drugs) erreicht werden. Der hohe Prozentsatz von Therapieversagern unter einer Monotherapie mit den gebräuchlichsten Basistherapeutika, Sulfasalazin (SSZ) und Methotrexat (MTX), hat zur Entwicklung von Kombinationstherapien (z. B. MTX/SSZ/Hydroxychloroquin) geführt, die eine Verbesserung der klinischen Wirksamkeit brachten (1).Ein deutlicher Fortschritt auf diesem Gebiet ist durch die Entwicklung neuer Wirkstoffe (Leflunomid, TNF-α-Blocker) gelungen. Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis wird häufig durch NSAR ergänzt, die wegen ihrer analgetischen und antiphlogistischen Wirkung eine große Akzeptanz bei den Patienten finden. Dabei wird oft übersehen, dass der Prozess der Gelenkzerstörung durch NSAR nicht aufgehalten werden kann. Darüber hinaus verfügt diese Substanzgruppe über ein erhebliches Ausmaß an Nebenwirkungen, wobei besonders die gastrointestinale Toxizität zu einer signifikanten Morbidität und Mortalität beiträgt, die bei Vorliegen von Risikofaktoren zusätzlich erhöht wird (Tab. 1). Tabelle 1:Risikofaktoren für NSAR-assoziierte Ulzera und Komplikationen im Bereich des Gastrointestinaltraktes (nach 2). – Höheres Alter – Ulkusanamnese – Einsatz mehrerer NSAR – Gleichzeitige Steroidtherapie – Gleichzeitige Verabreichung gerinnungshemmender Substanzen – Kurz zurückliegende NSAR-Therapie – Multimorbidität Die Entwicklung moderner NSAR, die ein deutlich günstigeres Nebenwirkungsprofil aufweisen, ist so weit fortgeschritten, dass derartige Substanzen jetzt zur Verfügung stehen. Cox-2-Hemmer Wirkungsmechanismus In einer zielgerichteten Entwicklung, die Anfang der 90er Jahre durch die strukturelle Aufklärung der Cyclooxygenasen initiiert worden ist, wurde die selektive Hemmung der Cyclooxygenase-2 (Cox-2) vorangetrieben. Dies geschah in der Erwartung Substanzen zu erzeugen, die bei ver- gleichbarer Schmerz stillender Wirkung weniger Nebenwirkungen als konventionelle NSAR erzeugen. Dabei wurde besonders eine Reduktion der gastrointestinalen Toxizität der Substanzen erwartet. Der wesentliche Wirkmechanismus von NSAR liegt in der 1971 entdeckten Hemmung der Prostaglandinsynthese. Die Biosynthese von Prostaglandinen aus Arachidonsäure erfolgt in mehreren Schritten, wobei die Aktivität der Cyclooxygenase den limitierenden Stoffwechselschritt darstellt.Weitere Untersuchungen führten zu der Beobachtung, dass zwei verschiedene Formen der Cyclooxygenase vorhanden sein müssen (Cox-1 und Cox-2) (Review: 3). Durch die Identifizierung der Gene für Cox-1 und Cox-2 gelang es relativ rasch entscheidende Unterschiede der beiden Isoformen herauszuarbeiten. Die Cyclooxygenase 1 wird in den meisten Geweben stabil exprimiert und steuert reguläre Stoffwechselvorgänge.Der ungünstige Einfluss von NSAR auf die Magenschleimhaut wird beispielsweise in besonderem Maße auf die Hemmung der Cox-1 zurückgeführt (4). Die als Cox-2 bezeichnete Isoform ist in den meisten Geweben normalerweise nicht nachweisbar, kann aber durch verschiedene Wachstums- oder Entzündungsmediatoren wie z. B. TNF-α induziert werden. Eine konstitutive Expression der Cox-2 findet sich in wenigen Organen wie dem Gehirn, dem weiblichen Fortpflanzungstrakt, im Knochen und einigen weiteren Geweben. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass die Cox-2 in der Niere eine Rolle bei der Elektrolytregulation spielt (5). Ungeklärt ist die Bedeutung der Cox-2 für einige physiologische Prozesse wie die Abheilung von HP-assoziierten Magengeschwüren. 2 Die enzymatische Aktivität der Cyclooxygenasen wurde inzwischen aufgeklärt und ist vergleichsweise ähnlich.Die meisten Aminosäuren, die an der Ausbildung der enzymatisch aktiven Regionen der Moleküle beteiligt sind, unterscheiden sich nicht. Eine Ausnahme stellt die Anwesenheit unterschiedlicher Aminosäuren in Position 523 dar (Valin: Cox-2; Isoleucin: Cox-1). Dieser Austausch führt zur Ausbildung einer Seitentasche im Proteingerüst der Cox-2, die den entscheidenden Ansatzpunkt für eine selektive Hemmung der Cox-2 darstellt (6). Spezifische Cox-2 Hemmung in der klinischen Anwendung Wirkung Für beide in Deutschland zugelassenen Cox-2-Hemmer (Celecoxib und Rofecoxib) liegt eine außergewöhnlich gut dokumentierte Studienlage vor, die sowohl bei der Arthrose wie auch bei der Rheumatoiden Arthritis die analgetische und antientzündliche Wirkung der Substanzen dokumentiert. Diesbezüglich konnte kein Unterschied zwischen den untersuchten Cox-2-Hemmern und herkömmlichen NSAR (z.B. Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, jeweils in therapeutischer Dosis) nachgewiesen werden (3). Nebenwirkungen Nebenwirkungen im Bereich des Gastrointestinaltraktes Das Spektrum und die Intensität der Nebenwirkungen wie Dyspepsie oder Bauchschmerzen zeigten im Vergleich zu konventionellen NSAR keine Nachteile. Von besonderem Interesse waren die Endoskopiestudien zur Ermittlung der gastrointestinalen Toxizität. Die Inzidenz von endoskopisch dokumentierten Ulzera (>3 mm) oder Erosionen lag bei beiden Substanzen im Bereich von Plazebo und war signifikant geringer als bei einer Behandlung mit konventionellen NSAR (Inzidenz Plazebo oder Cox-2-Hemmer unter 5%, NSAR >20% (7, 8)). Verträglichkeitsstudien (9, 10) dokumentieren, dass in der Tat auch das Risiko für das Auftreten einer symptomatischen gastrointestinalen Komplikation (Perforation, großes Ulkus oder Blutung) im Vergleich zu herkömmlichen NSAR um etwa die Hälfte reduziert ist. Obwohl die Auswer- Tabelle 2: Übersicht – Cox-2-Hemmer. Wirkstoffe Celecoxib Rofecoxib Wirkmechanismus Hemmung der Cyclooxygenase-2 Wichtige Nebenwirkungen Periphere Ödeme, Bauchschmerzen, Dyspepsie, Schwindel, Rhinitis, Exantheme Dosierung Celecoxib: Rofecoxib: 12,5–25 mg tgl. Indikationen Celecoxib: Rofecoxib: OA, RA OA tung der klinischen Studien keine Hinweise darauf liefert, dass die Abheilung von Ulzera unter einer Therapie mit Cox2-Hemmern beeinträchtigt ist, sollten die Substanzen bei Patienten mit aktiven, peptischen Ulzerationen zunächst nicht eingesetzt werden. Kardiovaskuläre und renale Nebenwirkungen Anders als konventionelle NSAR bewirken selektive Cox-2-Hemmer durch ihren fehlenden Einfluss auf die Cyclooxygenase-1 keine Hemmung der Thrombozytenaggregation, so dass bei Patienten mit erhöhtem Gefäßrisiko unbedingt eine zusätzliche Behandlung mit ASS erforderlich ist. In wie weit hierdurch der günstige Effekt auf die Rate an Ulkuskomplikationen relativiert wird,kann zur Zeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Die Studien zeigen derzeit keine klinisch relevante Besserung der Nebenwirkungen auf die Nierenfunktion oder eine Verminderung der Hepatotoxizität im Vergleich zu konventionellen NSAR (7).Vor allem Patienten mit Herzinsuffizienz müssen auch unter einer Therapie mit Cox-2-Hemmern auf eine mögliche Dekompensation hin untersucht werden. Wenn diese Substanzen dennnoch bei Patienten mit bekannter Herz- oder Niereninsuffizienz eingesetzt werden sollen, wird eine einschleichende Dosierung empfohlen. Beurteilung Mit den Hemmern der Cyclooxygenase-2 stehen Medikamente zur Verfügung, die bei vergleichbarer analgetischer und antiphlogistischer Wirkung deutlich weniger schwere gastrointestinale Neben- 2 × 100 mg (OA) bis 2 × 200 mg (RA) tgl. wirkungen als konventionelle NSAR aufweisen. Hierdurch verbessern sich die Behandlungsoptionen für viele Patienten mit entzündlichen oder degenerativen Gelenkerkrankungen erheblich. Beide Substanzen sind in Deutschland zur Behandlung der Osteoarthritis (Rofecoxib 12,5 bis 25 mg tgl., Celecoxib 1 × 200 oder 2 × 100 mg tgl.), Celecoxib auch zur Therapie entzündlicher Schmerzzustände bei der rheumatoiden Arthritis (2 × 200 mg) zugelassen. Der Einsatz sollte nach individueller Risikoeinschätzung erfolgen. Der Bedarf an Schmerzmitteln von Patienten, die an rheumatoider Arthritis leiden, lässt sich am besten durch eine frühzeitige und effektive Basistherapie beeinflussen. Im Folgenden sollen zwei unterschiedliche Konzepte vorgestellt werden, die das Spektrum der hierfür in Frage kommenden Substanzen erweitert haben. Leflunomid Wirkungsmechanismus Leflunomid gehört zu der Gruppe der Isoxazolderivate. Leflunomid wird nach oraler Gabe gut resorbiert und rasch in den pharmakologisch aktiven Metaboliten A77 1726 umgebaut. Dieser ist durch eine hohe Plasmaeiweißbindung und einen ausgeprägten enterohepatischen Kreislauf gekennzeichnet. Hieraus resultiert die lange Halbwertszeit der Substanz von ca. 2 Wochen. Die immunsuppressive und antiinflammatorische Wirkung der Substanz ist in Tiermodellen gut belegt. Sie beruht auf der Hemmung der Dihydroorotat-Dehydrogenase (DHODH), woraus eine Blockade der De-novoPyrimidinsynthese und damit der Proliferation von Lymphozyten resultiert (11). 3 Leflunomid in der klinischen Anwendung Tabelle 3: Übersicht – Leflunomid. Wirkstoffe Leflunomid Wirkung Wirkmechanismus Hemmung der Lymphozytenproliferation durch Blockade der Pyrimidinsynthese Die Zulassung der Substanz basiert auf den Ergebnissen von drei großen internationalen Studien in denen die Wirksamkeit im Vergleich zu Sulfasalazin (12) und Methotrexat (13) untersucht wurde. Hierbei zeigt sich, dass der Anteil von Patienten,der auf die Behandlung anspricht in etwa dem der genannten Vergleichssubstanzen entspricht. Als Vorteil erscheint dabei das relativ rasche Ansprechen der Patienten auf die Therapie und die gute Verträglichkeit der Substanz. Inzwischen vorgelegte Langzeitstudien zeigen, dass Leflunomid effektiv ein Fortschreiten der Gelenkzerstörung über einen Zeitraum von 2 Jahren verhindern kann. Wichtige Nebenwirkungen Hypertonie, Diarrhoe, Alopezie, Exantheme, Transaminasenanstieg Dosierung Tag 1–3: Ab Tag 4: Indikationen Rheumatoide Arthritis In einer relativ kleinen Studie führte die Kombination von Leflunomid mit Methotrexat bei Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis, die von einer Behandlung mit MTX nicht ausreichend profitiert hatten, zu einem Ansprechen (ACR 20) bei mehr als 50% der Patienten (14). Diese Ergebnisse wurden in einer Doppelblindstudie, die allerdings bisher nur in Abstractform publiziert wurde, bestätigt (15). Nebenwirkungen Leflunomid erwies sich in den Therapiestudien als gut verträglich.Am häufigsten wurde über gastrointestinale Beschwerden wie Diarrhoe (ca. 18%) berichtet, wobei sich die diesbezügliche Symptomatik im Verlauf deutlich bessert (nach 2 Jahren nur noch bei 4,5% der Patienten). Weiterhin wird unter Leflunomid bei etwa 10% der Patienten ein Anstieg des Blutdruckes beobachtet. Dies ist vor allem für Patienten mit Grenzwerthypertonie von Bedeutung. Der Mechanismus ist derzeit unklar. Die Blutdruckeinstellung gelingt durch eine Anpassung der antihypertenisven Therapie in der Regel problemlos. Ein Anstieg der Leberwerte war zumeist nur vorübergehend zu beobachten und generell reversibel (ca 5%).Weiterhin können ein vermehrter Haarausfall (16,6% nach 3 Monaten, 4,5% nach 24 Monaten) sowie Exantheme auftreten. Ansonsten zeigen sich keine gravierende Nebenwirkungen. Insbesondere die hämatologische Toxizität ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand eher gering ausgeprägt (12). In Tiermodellen erwies sich Leflunomid als teratogen, deshalb ist eine Anwendung in der Schwangerschaft kontraindiziert. Beurteilung Leflunomid erweitert als neues Basistherapeutikum wesentlich das für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis zur Verfügung stehende therapeutische Spektrum.Die Wirksamkeit der Substanz für diese Indikation ist gut dokumentiert, seit 1999 liegt in Deutschland eine entsprechende Zulassung vor. Die Therapie wird mit einer Aufsättigung von 100 mg von Tag eins bis drei per os eingeleitet. Als Erhaltungsdosis werden 20 mg pro Tag empfohlen. Regelmäßige Kontrollen der Leberwerte und des Blutbildes sind erforderlich. Dies sollte in den ersten 6 Monaten zweiwöchentlich erfolgen. Wegen der langen Halbwertszeit beträgt die normale Eliminationsdauer nach Absetzen von Leflunomid mehr als zwei Jahre. Deswegen muss bei Therapieabbruch der enterohepatische Kreislauf der Substanz medikamentös unterbrochen werden. Dies kann sowohl durch die Gabe von Cholestyramin (8 g,dreimal pro Tag) oder Aktivkohle (50 g viermal pro Tag),jeweils über einen Zeitraum von elf Tagen, erreicht werden. Die Elimination kann durch Plasmaspiegelkontrolle des aktiven Metaboliten A 77 1726 überwacht werden. TNF-α-Blockade durch Etanercept und Infliximab Wirkungsmechanismus Fortschritte der immunologischen Forschung erlauben neue Einsichten in den Ablauf der Entzündungsreaktion bei der rheumatoiden Arthritis. Wesentliche Regulatoren sind hierbei Proteinbotenstoffe (Zytokine), die durch ein Zusammen- 100 mg 20 mg p.o. tgl. wirken von proinflammatorischen und antiinflammatorischen Zytokinen eine Feinregulation ermöglichen. Als wesentliche proinflammatorische Zytokine wurden in Tiermodellen der rheumatoiden Arthritis TNF-α und IL-1 identifiziert. Davon ausgehend wurden spezifische Hemmstoffe dieser Zytokine entwickelt. Nach ersten klinischen Daten Ende 1993 sind seit Anfang 2000 zwei Hemmstoffe von TNF-α zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis in Deutschland zugelassen worden. Dabei handelt es sich um einen chimären monoklonalen Antikörper, der spezifisch lösliches und zellgebundenes TNF-α neutralisieren kann (Infliximab, Remicade®) und ein gentechnologisch hergestelltes Fusionsmolekül aus zwei humanen p75-TNF-α-Rezeptoren, die über ein Immunglobulin Fc-Teil verbunden sind (Etanercept, Enbrel®). Die biologische Wirkung der Substanzen beruht vor allem auf einer erfolgreichen TNF-α-Blockade, die sich in einer Verminderung der Spiegel von Entzündungsmediatoren (z. B. IL-1β und IL-6) und Gefäßwachstumsfaktoren sowie einer reduzierten Lymphozytenmigration in das Entzündungsgebiet ausdrückt (16, 17). TNF-α-Blocker in der klinischen Anwendung Wirkung Bereits die ersten Studien mit einem TNF-α-Blocker (18,19) zeigten, dass Patienten, deren Erkrankung unter einer laufenden Therapie mit herkömmlichen Basistherapeutika aktiv war,in einem außergewöhnlich hohen Prozentsatz und ungewöhnlich rasch, teilweise nach wenigen Tagen, auf die Behandlung ansprachen. Diese Beobachtung bestätigte sich in den inzwischen durchgeführten kontrollierten Studien in eindrucksvoller 4 Weise (20, 21). Langzeituntersuchungen zeigen weiterhin, dass dieser Therapieerfolg anhält, solange die Behandlung fortgeführt wird. Besonders bemerkenswert erscheint, dass die nach 24 Monaten durchgeführten radiologischen Untersuchungen keine signifikante Progredienz der Gelenkzerstörung mehr nachweisen konnten (22). Nach Absetzen der Therapie kommt es in der Regel zum Rezidiv der Erkrankung, wobei dies bei der Anwendung von Etanercept aufgrund der kürzeren Halbwertszeit früher aufzutreten scheint. Inzwischen wurden beide Substanzen auch in Deutschland zur Behandlung der therapierefraktären (fehlendes Ansprechen auf mindestens ein DMARD,darunter MTX) rheumatoiden Arthritis zugelassen, wobei die Behandlung mit Infliximab in Kombination mit MTX erfolgt. Etanercept ist auch für die Monotherapie zugelassen. Durch eine Kombination mit MTX kann eine zusätzliche Verbesserung der Wirksamkeit erzielt werden (23). Nebenwirkungen Die Behandlung mit TNF-α-Blockern wird von den meisten Patienten subjektiv gut toleriert. Etanercept führt bei der subkutanen Applikation bei mehr als 40% der Patienten zu einer lokalen Hautreaktion, die bei wiederholter Anwendung in der Regel abklingt. Die intravenöse Gabe von Infliximab kann Kopfschmerzen oder einen Hautausschlag verursachen. Schwerwiegende Begleitreaktionen, die zum Abbruch der Therapie führen treten jedoch sehr selten auf, so dass beide Therapieformen ambulant durchführbar sind. Die wiederholte Anwendung beider Substanzen erhöht das Risiko für das Auftreten von Infektionen der oberen Atemwege, wobei die Inzidenz schwerwiegender Infektionen das Niveau der Kontrollgruppen nicht signifikant übertroffen hat. Es kann noch nicht sicher beurteilt werden, ob diese günstigen Daten, die in Studien an selektionierten und engmaschig kontrollierten Patienten erhoben wurden, auch in der Praxis Bestand haben werden. Der amerikanischen Meldebehörde (FDA) wurden nach der Zulassung der Substanzen einige Tuberkulosefälle gemeldet, so dass eine infektiologische Risikoeinschätzung und Überwa- chung gerade für solche Erreger angezeigt ist. Aus diesem Grund wird die Anfertigung einer Röntgenaufnahme des Thorax vor Einleitung der Therapie gefordert. Unter der Behandlung können Antikörper gegen Infliximab und Etanercept auftreten, wobei die klinische Relevanz unklar ist. Die gleichzeitig Gabe von MTX und die Behandlung mit einer höheren Dosis von Infliximab vermindern offensichtlich die Antikörpertiter (24). Weitere wichtige Nebenwirkungen sind die Bildung von antinukleären (ANA; 11–23%) und anti-DNS-Antikörpern (ca. 15%) unter einer Behandlung mit TNF-αBlockern, wobei sich das Krankheitsbild eines medikamentös induzierten Lupus Erythematodes nur in seltenen Einzelfällen (< 0,5%) entwickelt (25). Beurteilung Beide derzeit zugelassenen TNF-α-Hemmer zeigen ein ähnliches therapeutisches Profil. Im Gegensatz zu anderen Basistherapeutika findet sich ein sehr rasches klinisches Ansprechen. Die Wirkung ist jedoch nur kurzzeitig und erfordert auch bei diesen Medikamenten einen regelmäßigen und langfristigen Einsatz. Beide Medikamente haben in Langzeitstudien neben einer Verbesserung der klinischen Parameter auch eine eindrucksvolle Hemmung der Gelenkzerstörung gezeigt. Während die kurzfristige Therapie nur in seltenen Fällen schwerwiegende Nebenwirkungen verursacht, können langfristige Nebenwirkungen wie eine vermehrte Infektionsanfälligkeit oder eine erhöhte Inzidenz von Tumoren durch eine Störung der Immunsurveillance noch nicht endgültig abgeschätzt werden. Die Indikation zum Einsatz dieser sehr erfolgversprechenden Substanzen muss deshalb streng überprüft werden. Am meisten dürften diejenigen Patienten von einer Therapie mit einem TNF-αHemmer profitieren, die eine persistierende Krankheitsaktivität unter adäquater Basistherapie zeigen, wobei eine Behandlung mit MTX erfolgt sein sollte (26). Weiterhin wird eine gründliche internistische Untersuchung sowie die Anfertigung eines Röntgenbildes des Thorax empfohlen. Eine laufende Behandlung mit Methotrexat kann grundsätzlich weitergeführt werden. Aufgrund der be- reits erwähnten Beeinflussung des Immunsystems sollten Patienten mit akuten oder chronischen Infektionen, wie z. B. Tuberkulose, sowie bekannten Malignomen nicht mit einem TNF-α-Blocker therapiert werden. Eine längerfristige Behandlung erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn nach 8–16 Wochen ein deutliches Ansprechen der Erkrankung auf die Behandlung festgestellt werden kann.Eine Reevaluation des therapeutischen Prozedere sollte danach zumindest in 4monatigen Intervallen erfolgen. Aufgrund fehlender Daten ist noch nicht klar, ob bei fehlendem Ansprechen auf die Therapie eine Wechsel auf einen anderen TNF-α-Blocker einen Behandlungserfolg erwarten lässt. Zusammenfassung Die Therapie der rheumatoiden Arthritis wurde in den letzten Jahren durch einige neue Substanzen bereichert. Hierzu gehören die Hemmer der Cyclooxygenase2 (Celecoxib und Rofecoxib), die Basistherapeutika Leflunomid und die TNFα-Blocker (Etanercept und Infliximab). Klinische Untersuchungen haben gezeigt, dass Cox-2-Hemmer sich gegenüber herkömmlichen NSAR durch ein günstigeres Nebenwirkungsprofil bei vergleichbarer analgetischer Potenz auszeichnen. Insgesamt ist die Häufigkeit von komplizierten Ulzerationen im Gastrointestinaltrakt um etwa 50% reduziert worden. Der Einsatz dieser Medikamente erscheint besonders bei Patienten mit hohem Risiko für das Auftreten einer gastrointestinalen Blutung sinnvoll. Leflunomid ist ein Basistherpeutikum mit einem neuen Wirkungsmechanismus. Es bessert die klinischen Zeichen der Erkrankung und kann über einen Zeitraum von 2 Jahren dokumentiert ein Fortschreiten der Gelenkzerstörung verhindern. Die TNF-α-Hemmer Etanercept und Infliximab eignen sich zur Behandlung therapieresistenter Patienten und führen in vielen dieser Fälle zu einer raschen, signifikanten Besserung der klinischen Symptomatik mit einer anhaltenden Hemmung der Gelenkzerstörung. Viele Patienten profitieren zusätzlich von einer Kombination dieser Substanzen mit Methotrexat. 5 Tabelle 4: Übersicht – TNF-α-Blocker. Wirkstoffe Etanercept (löslicher TNF-Rezeptor) Infliximab (TNF-α-Antikörper) Wirkmechanismus Blockade der Wirkung von TNF-α Wichtige Nebenwirkungen Infektionen des oberen Respirationstraktes, Erythem an der Injektionsstelle (Etanercept), Immunogenität, Kopfschmerzen, Übelkeit Dosierung Etanercept: 2 × 25 mg s.c./Woche Infliximab: 3 mg/kg Woche 0, 2, 6, danach in 8-wöchigen Intervallen, Kombination mit MTX erforderlich Indikationen Etanercept: RA, Juvenile RA Infliximab: RA, M. Crohn Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Wilske KR, Healy LA. Remodelling the pyramid - a concept whose time has come. J Rheumatol 1989;41:1571-1582 Clemett D, Goa KL. Celecoxib. Drugs 2000;59:957-980 Corfford LJ, Lipsky PE, Brooks P,Abramson SB, Simon LS, van de Putte LBA. Basic biology and clinical applications of cox2. 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