Seminar: „Problem Solving Strategies“ SS 2005 Induktion Referent: Thorsten Weidenfeller 24.05.2005 Gliederung z Geschichtliches z z z Franciscus Maurolicus, Blaise Pascal, Augustus de Morgan Peano Axiome Grundlagen z z Begriffe zur Induktion Arten der Induktion z Vollstä Vollständige Induktion z Transfinite Induktion z z z Geometrie z z z n-te Ableitung von f(x) Algebra z z Winkelsumme Analysis z Matrizen Zahlentheorie z Teilbarkeit Fazit / Anmerkungen z Gegenbeispiel z z Beispiel: Fibonacci Zahlen Beispiele z z Beispiel: Primfaktorzerlegung Wohlfundierte Induktion z z Beispiel: Franciscus Maurolicus Socken im Koffer Literaturangaben © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Geschichtliches (1) z z z z z z Der erste Mathematiker, der einen formalen Beweis durch vollständige Induktion angab, war der italienische Geistliche Franciscus Maurolicus (16.9.1494 - 22.7.1575). Er war Abt von Messina und wurde als größter Geometer des 16. Jahrhunderts angesehen. In seinem 1575 veröffentlichten Buch Arithmetik benutzte Maurolicus die vollständige Induktion unter anderem dazu, für jede positive ganze Zahl n die Gültigkeit von 1 + 3 + 5 + ... + (2n-1)=n*n zu beweisen. Die Induktionsbeweise von Maurolicus waren in einem knappen Stil geschrieben, dem man nur schwer folgen kann. Vollständige Induktion von Prof. Dr. rer. nat. Udo Hebisch [TU Freiberg] © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Geschichtliches (2) z z z Eine bessere Darstellung dieser Methode wurde von dem französischen Mathematiker Blaise Pascal (19.6.1623 – 19.8.1662) angegeben. In seinem 1662 erschienen Buch Traite du Triangle Arithmetique bewies er eine Formel über die Summe von Binomialkoeffizienten mittels vollständiger Induktion. Er benutzte diese Formel dann um das heute nach ihm benannte Pascalsche Dreieck zu entwickeln. Vollständige Induktion von Prof. Dr. rer. nat. Udo Hebisch [TU Freiberg] © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Geschichtliches (3) z z z z Obwohl die Methode der vollständigen Induktion also bereits 1575 bekannt war, wurde der Name dafür erst 1838 erstmalig gebraucht. In jenem Jahr veröffentlichte Augustus de Morgan (27.6.1806 – 18.3.1871), 18.3.1871) einer der Begründer der Mengenlehre, den Artikel Induction (Mathematics) in der Londoner Zeitschrift "Penny Cyclopedia". Am Ende dieses Artikels benutzte er den Namen für die vollständige Induktion erstmals im heute üblichen Sinn. Jedoch fand diese Bezeichnung erst in unserem Jahrhundert ihre weite Verbreitung. Vollständige Induktion von Prof. Dr. rer. nat. Udo Hebisch [TU Freiberg] © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Geschichtliches (4) z z z z Giuseppe Peano (* 27. August 1858 in Spinetta, Piemont; † 20. April 1932) war ein italienischer Mathematiker. Er arbeitete in Turin und befasste sich mit mathematischer Logik, mit der Axiomatik der natürlichen Zahlen (Entwicklung der Peano-Axiome) und mit Differentialgleichungen erster Ordnung. Auf dem Gebiet der näherungsweisen Berechnung von Integralen fand er das Restglied der Simpsonregel. Peano schlug die internationale Sprache Latino sine flexione vor, die später mehr oder minder in Interlingua aufging. http://de.wikipedia.org © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Peano - Axiome (1) 0 ist eine natürliche Zahl (2) Jede natürliche Zahl n besitzt genau eine natürliche Zahl n' als Nachfolger (3) 0 ist nicht Nachfolger irgendeiner natürlichen Zahl (4) Zwei verschiedene natürliche Zahlen n und m besitzen stets verschiedene Nachfolger n' und m' (5) Enthält eine Menge X die Zahl 0 und mit jeder natürlichen Zahl n auch stets deren Nachfolger n', so enthält X bereits alle natürlichen Zahlen. (Ist X dabei selbst eine Teilmenge der natürlichen Zahlen, dann ist X gleich der Menge der natürlichen Zahlen.) Æ [Induktionsaxiom] http://de.wikipedia.org © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Peano‘s Induktionsaxiom (5) Enthält eine Menge X die Zahl 0 und mit jeder natürlichen Zahl n auch stets deren Nachfolger n', so enthält X bereits alle natürlichen Zahlen. ∀X Menge : Falls 0 ∈ X , und ∀n ∈ : n ∈ X ⎯⎯ → n + 1∈ X so ∀n ∈ : n ∈ X SofronieSofronie-Stokkermans Viorica; Viorica; Diskrete Strukturen und Logik (Vorlesungsskript) © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Begriffe Behauptung z Induktionsanfang z Induktionsvorrausetzung z Induktionsbehauptung z Induktionsschritt /schluss z Die zu beweisende Aussage Beweis für Minimal Element(e) der Menge direkt zeigen Behauptung für die ersten (n) Elemente als gültig betrachten Gültigkeit auch für nächst größeres Element (n+1) Aus der Gültigkeit für (n) auf die Gültigkeit für das nächst größere Element (n+1) schließen © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Arten der Induktion z Vollständige Induktion z z Transfinite Induktion z z Gilt P(0) und folgt aus P(x) immer P(x+1), so gilt P für alle Zahlen Gilt P(0) und folgt aus P(0),P(1),…,P(x) immer P(x+1), so gilt P für alle Zahlen Wohlfundierte Induktion z Folgt P(x) wenn P(y) für alle x ≺ y gilt, so gilt P für alle Elemente © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Vollständige Induktion Behauptung z Induktionsanfang z Induktionsvorrausetzung z Induktionsbehauptung z Induktionsschritt /schluss z f(n) f(1) f(n) f(n+1) Aus f(n) Gültigkeit auf f(n+1) „vererben“ © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Vollständige Induktion: Beispiel Der Beweis von Franciscus Maurolicus: Behauptung: 1 + 3 + 5 + ... + (2n-1) = n ⋅ n n Äquivalenzumformung: ⇔ ∑ 2i-1= n ⋅ n 0 Induktionsanfang: i=1 ∑ 2i-1 = 0 = 0 ⋅ 0 i=1 n+1 Induktionsbehauptung: ∑ 2i-1 = (n+1) ⋅ (n+1) ! i=1 ⎛ n ⎞ 2i-1 = ⎜ ∑ 2i-1⎟ + 2(n + 1) − 1 ∑ i=1 ⎝ i=1 ⎠ = n ⋅ n+2(n+1)-1=n ⋅ n+2n+2-1=n 2 +2n+1 n+1 Induktionsvorrausetzung: Induktionsschluss: Binomische Formel: = (n+1) ⋅ (n + 1) q.e.d. © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Tranfinite Induktion Behauptung z Induktionsanfang z Induktionsvorrausetzung z Induktionsbehauptung z Induktionsschritt /schluss z f(x) f(1) f(x) ∀ x<m f(m) Aus f(1),f(2),f(3), f(4),…,f(m-1) Gültigkeit auf f(m) „vererben“ © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Transfinite Induktion: Beispiel Behauptung: Jede natürliche Zahl n >1 ist als Produkt von Primzahlen darstellbar Induktionsanfang: n=2 ist Primzahl, Darstellung trivial Induktionsbehauptung: Behauptung gelte ∀k ∈ 2≤k ≤n Behauptung gelte für n+1 Fallunterscheidung: 1. Fall: n+1 ist Primzahl, Darstellung trivial 2. Fall: n+1 keine Primzahl, dann ist n+1 zusammengesetzt aus: n+1 = a* b Induktionsvorrausetzung: Da a,b < n+1 folgt aus der Vorraussetzung: 2 ≤ a, b ≤ n dass a,b als Produkt von Primzahlen darstellbar sind! Induktionsschluss: Damit ist auch n+1=a*b als Produkt von Primzahlen darstellbar Thorsten Weidenfeller q.e.d. © www.thweidenfeller.de Wohlfundierte Induktion (1) Wohlfundierte Induktion ist eine Induktion über Wohlordnungen. Definition: ≺ ⊆ S × S heißt Wohlordnung, falls gilt: 1. ≺ ist transitiv (a ≺ b) ∈ S ∧ (b ≺ c) ∈ S ⇒ (a ≺ c) ∈ S 2. ≺ ist asymmetrisch (a ≺ b) ∈ S ⇒ (b ≺ a ) ∉ S 3. Jede absteigende Folge xi +1 ≺ xi ... ≺ x2 ≺ x1 bricht ab d.h. es gibt ein Minimales Element Prof. Dr. Mila MajsterMajster-Cederbaum; Cederbaum; Programmiersprachen (Teil 8) © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Wohlfundierte Induktion (2) S: (x ≺ d ) x ( d ≺ e) ⇒ ( x ≺ e) d a ( x ≺ a) b c ( a ≺ b) ⇒ ( x ≺ b) e (a ≺ c) ⇒ ( x ≺ c) f (c ≺ f ) ⇒ ( a ≺ f ) ⇒ ( x ≺ f ) Wurzel: min(S) = x © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Wohlfundierte Induktion (3) Sei ( S , ≺ ) eine wohlfundierte Menge und ϕ ( s ) ∀s ∈ S die zu beweisende Eigenschaft der Menge S, so gilt für die wohlfundierte Induktion: Behauptung z Induktionsanfang z Induktionsvorraussetzung z Induktionsbehauptung z Induktionsschritt /schluss z ϕ ( s ) ∀s ∈ S ϕ (a) für a = min( S ) (Wurzel ) ∀r ∈ S : r ≺ s ⇒ ϕ (r ) ϕ (r ) gilt für r ≺ s ⇒ ϕ ( s ) Von ∀r ∈ S : r ≺ s ⇒ ϕ (r ) Gültigkeit auf ϕ ( s ) „vererben“ ∀s ∈ S (∀r ∈ S : r ≺ s ⇒ ϕ (r )) ⇒ ϕ ( s )) Prof. Dr. Mila MajsterMajster-Cederbaum; Cederbaum; Programmiersprachen (Teil 8) © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Wohlfundierte Induktion: Beispiel (1) Vorab: Für das folgende Beispiel wird die Lösung der quadratischen Gleichung: x 2 − x − 1 = 0 benötigt. Die Lösung der Gleichung ist: φ= 5 +1 2 Diese Zahl hat die Eigenschaft, dass: 2 φ = φ +1 und 1 = φ −1 φ Anmerkung: Diese Zahl als Goldener Schnitt bezeichnet. © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Wohlfundierte Induktion: Beispiel (2) Sei φ = Behauptung: 5 +1 1 mit φ 2 = φ + 1 ∧ = φ − 1 2 φ fib(n) = a ⋅ φ n + b ⋅ (−φ ) − n wobei ⎛ ⎛1⎞ ⎞ a b a φ b + = 1 ∧ ⋅ + ⋅ ( ) ⎜ ⎜ ⎟ = 1⎟ ⎝φ ⎠ ⎠ ⎝ Sei S die Menge der Zahlen n für die dies gilt und x ≺ y ⇔ x < y Induktionsanfang: 0 ∈ S ⇒ fib(0) = a ⋅ φ 0 + b ⋅ (−φ ) −0 = a ⋅1 + b ⋅1 = 1 ⎛ 1 ⎞ 1 ∈ S ⇒ fib(1) = a ⋅ φ 1 + b ⋅ (−φ ) −1= a ⋅ φ + b ⋅ ⎜ ⎟ ⎝ −φ ⎠ ⎛1⎞ = a ⋅φ − b ⋅ ⎜ ⎟ = 1 ⎝φ ⎠ © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de Wohlfundierte Induktion: Beispiel (3) Induktionsbehauptung: ∀n ≥ 2 : fib(n) = a ⋅ φ n + b ⋅ (−φ ) − n wobei fib(a ) = a ⋅ φ a + b ⋅ (−φ ) − a ∀a < n gelte. fib(n) = fib(n − 1) + fib(n − 2) Induktionsvorrausetzung: = ( a ⋅ φ n −1 + b ⋅ (−φ ) − n +1 ) + ( a ⋅ φ n − 2 + b ⋅ (−φ ) − n + 2 ) = a ⋅ φ n (φ −1 + φ −2 ) + b ⋅ (−φ ) − n ((−φ )1 + (−φ ) 2 ) ? ? © Thorsten Weidenfeller www.thweidenfeller.de