Hedge-Fonds – Profitwahn gefährdet Arbeitsplätze von Norbert Reuter 20 Prozent Rendite pro Jahr muss es schon sein. Möglich sind aber auch 50 Prozent. Das Versprechen jedenfalls Hedge-Fonds potentiellen Anlegern – hauptsächlich Pensionskassen, Versicherungen, Stiftungen und „High Net Worth Individuals“, die oberhalb von fünf Millionen Dollar einsteigen können. Um diese Erwartungen erfüllen zu können, mussten sich die Fonds-Manager etwas einfallen lassen. Zumal sich derzeit ein „Tsunami von Geld“ über die Märkte ergieße, so Peter Cohen, Gründer des US-Hedge-Fonds Ramius Capital. Und damit wächst der Druck. Derzeit wollen allein von den Hedge-Fonds 1.200 Milliarden Dollar gewinnbringend untergebracht sein. Das entspricht fast der Hälfte des jährlichen deutschen Bruttoinlandsprodukts. Spekulation auf den Finanzmärkten Die versprochenen hohen Renditen sind natürlich nicht mit traditionellen Investitionen in neue Maschinen, Produkte und Ideen zu erzielen. Vor allem sogenannte „Leerverkäufe“ („Long Short Equity“) von geliehenen Aktien haben sich als probates Mittel erwiesen, auch bei stagnierender Wirtschaftsentwicklung und fallenden Kursen hohe Gewinnen einzufahren. Hierbei handelt es sich um Wetten auf fallende Kurse. Gehen Hedge-Fonds-Manager davon aus, dass Aktien einer bestimmten Firma fallen, leihen sie sich Wertpapiere dieser Firma zum Tageskurs von einem Aktienbesitzer aus und verkaufen diese an der Börse zum aktuellen Kurs. Bei einem genügend großen Geschäft kommt der Kurs durch dieses Überangebot an Aktien bereits ins Rutschen. Da die Aktien nur geliehen sind, müssen sie zu einem späteren Zeitpunkt zurückgegeben werden. Dies geschieht, indem dann wieder Aktien in der entliehenen Menge am Aktienmarkt gekauft werden. Sind die Kurse zwischenzeitlich wie erwartet und durch die eigenen Verkäufe bedingt gefallen, benötigt der Fondsmanager für den Rückkauf weniger Kapital als er für den Kauf ausgegeben hat. Abzüglich der Zinsen für das Leihen der Aktien kann er einen zum Teil erheblichen Gewinn verbuchen. Je mehr Aktien ausgeliehen wurden – auch und gerade auf Kredit („leverage“-Effekt) – desto höher der Gewinn. Sind die Kurse allerdings wider Erwarten gestiegen, kommt es zu einem Verlustgeschäft. Je nach Volumen der Transaktion mit möglicherweise fatalen Folgen für den Fonds – bis hin zur Pleite. Dann kann sogar das Weltfinanzsystem ins Schwanken geraten – wie zuletzt 1998, als der Hedge-Fonds LTCM bei einem Eigenkapital von „nur“ fünf Milliarden Dollar zeitweise hochspekulative Wertpapierverträge von über einer Billion Dollar eingegangen war. Als der in Schieflage geriet, mussten Großbanken massiv Kapital zuschießen, um einen Dominoeffekt im Finanzsystem zu verhindern. Auch deutsche Finanzinstitute beteiligten sich an der Rettungsaktion. Bei der Dresdner Bank wird der Verlust auf 120 Millionen Euro beziffert, die Deutsche Bank steuerte „aus moralischer Verpflichtung“ 240 Millionen Euro bei.1 Zunehmend Realwirtschaft betroffen In jüngster Zeit tummeln sich Hedge-Fonds aber nicht nur auf den Finanzmärkten. Auf der Suche nach weiteren lukrativen Anlagemöglichkeiten haben sie nun auch die Realwirtschaft entdeckt. Damit wildern die zunehmend im Revier der Beteiligungsge1 Reszat, Beate: Banken im Aus, in: Wirtschaftsdienst, Nr. 8, 1998. 1 sellschaften (Private-Equity-Fonds). Besonders gefragt sind mittelständische Betriebe, Tochterfirmen, die ein Konzern gerade loswerden will und generell Unternehmen mit besonders profitablen Geschäftsbereichen. Lässt sich die Firma zerlegen, werden lukrative Unternehmensteile sofort verkauft. Die übrigen Teile werden mit allen Mitteln profitabel gemacht, bevor auch sie mit Gewinn weiterverkauft werden. Drei bis vier Jahre gelten als erstrebenswerter „Verwertungszyklus“. Um die geforderten Gewinnmargen zu erreichen gehört brutale Kostensenkung zu Lasten der Beschäftigten – massiver Stellenabbau, Lohnkürzungen, Einsatz billiger Leiharbeiter etc. – mittlerweile auch immer mehr zum Standardrepertoire der Hedge-Fonds. Macht macht mehr Macht Und Macht und Einfluss der Hedge-Fonds steigt. Mittlerweile halten sie Anteile an mindestens 16 der 30 Dax-Unternehmen. Die US-Investmentbank Lehman Brothers schätzt, dass Hedge-Fonds inzwischen 20 bis 25 Prozent des deutschen Aktienmarktes kontrollieren – Tendenz schnell steigend. Damit wächst der Einfluss der teils sehr aggressiv auftretenden Fondsmanager auf Unternehmensentscheidungen. In Deutschland erlangten Hedge-Fonds im Frühjahr 2005 größere Aufmerksamkeit. Dem britischen Hedge-Fonds TCI hatte es nicht gepasst, dass das Management der Deutsche Börse AG mit dem Geld der Anleger die Londoner Börse LSE aufkaufen wollte. TCI zwang den Vorstand, die geplante Übernahme aufzugeben und stattdessen einen erheblichen Teil der Barmittel auszuschütten. Nebenbei musste Vorstandschef Seifert seinen Hut nehmen. Der Fall der Berliner Zeitung Mit der Übernahme der Berliner Zeitung durch den Hedge-Fonds DV Holding im letzten Jahr erhielt die Problematik eine neue gesellschaftspolitische Dimension. Trotz aller Beteuerungen, nicht in die redaktionelle Arbeit eingreifen zu wollen, wurde gegen den Willen der Redakteurinnen und Redakteure bereits kurze Zeit später ein neuer Chefredakteur eingesetzt. Der Neue, Josef Depenbrock, hatte bislang vor allem für Boulevard-Magazine wie BILD und Berliner Kurier gearbeitet. Zwischenzeitlich war er auch lange Jahre Chefredakteur der Kapitalanlegermagazins Cash. Aber damit nicht genug. Die „Boulevardisierung“ der Berliner Zeitung wird auch deshalb schnell voranschreiten, weil Depenbrock gleichzeitig Mitglied der Geschäftsleitung ist und selbst Anteile am Verlag besitzt. Auch hält er eine Rendite in Höhe von 20 Prozent mit ihm an der Spitze für durchaus möglich. Dann wird auch klar, warum für die Verlagsgruppe – entgegen zunächst geäußerter Beschwichtigungen – betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausgeschlossen werden. Wie von Seiten der gewerkschaftlichen Verhandlungsführung zu vernehmen ist, besteht seitens der Geschäftsführung wie des Chefredakteur bezeichnenderweise Unverständnis darüber, dass bei der Berliner Zeitung bislang zwölf Redakteure für das Feuilleton aber nicht einmal zwei Stellen für Vermischtes zuständig sind. Den Beschäftigten war von vornherein klar, dass mit Qualitätsjournalismus die erwartete Gewinnspanne nicht zu machen ist. Deshalb hatten sie sich gegen die Übernahme massiv gewehrt. Aus Protest gegen die Berufung von Depenbrock war als weitere Maßnahme die Berliner Zeitung einen Tag später lediglich als dünne Notausgabe erschienen – bislang alles erfolglos. Die Bedeutung dieser Übernahme bestätigt alle Befürchtungen: Der Turbo-Kapitalismus frisst sich ungeachtet aller Proteste nun auch in Verlage und Zeitschriften hinein. Wenn nun zunehmend auch Presseorgane in die Hände von Hedge-Fonds gelangen, gerät der politische Journalismus grundsätzlich in Gefahr, zu einem bloßen Instrument der Profitsteigerung und der Propagierung einseitig ausgerichteter Wirtschaftsinteressen zu werden. Für unab2 hängigen Journalismus bleibt immer weniger Raum. Die Berliner Zeitung dürfte erst der Anfang sein. Mittelstand betroffen Weitere aktuelle Beispiele für den zunehmenden Einfluss von Hedge-Fonds sind zwei deutsche Traditionsunternehmen: der Allgäuer Strumpfhersteller Kunert und der Modellbahnhersteller Märklin. Beide Markenunternehmen waren angeschlagen und verschuldet. Damit öffnet sich ein Einfallstor für Hedge-Fonds. Die Hausbanken wollen das Kreditrisiko loswerden und verkaufen die Darlehen mit einem Abschlag an einen Finanzinvestor. Damit wird er zum Hauptgläubiger der Firma und kann so die Bedingungen diktieren. Bei Märklin ist es sei Mai 2006 der britische Finanzinvestor Kingsbridge Capital. Noch im März hatte der bisherige Märklin-Chef Adams betont, dass nach unfangreichen Umstrukturierungsmaßnahmen das Unternehmen wieder auf Wachstumskurs sei. Ob dies nun für die verbliebenen Beschäftigten Arbeitsplatzsicherheit bedeutet, ist mehr als zweifelhaft. Denn fortan muss auch Märklin nicht nur einfache schwarze Zahlen schreiben. Aufgrund höherer Zinsen für aufgenommene Kredite, mit denen der Kauf finanziert wurde, ist mit dem Einstieg des Finanzinvestors die Latte plötzlich deutlich höher gelegt. Hinzu kommt, dass auch die erwartete hohe Rendite erwirtschaftet werden muss. Zwar lässt Kingsbridge verlauten, dass „vorerst“ keine Stellen abgebaut werden sollen. Die Praxis zeigt jedoch regelmäßig ein anderes Bild. So auch bei Kunert: Nachdem dort die Hedge-Fonds Kingsbridge, Trafalgar und Eco das Sagen haben, wurden zwei Werke geschlossen und 500 der 1.600 Stellen abgebaut. Es gibt wohl kaum ein Beispiel, bei dem der Einstieg eines Hedge-Fonds nicht zu Lasten von Einkommen der Beschäftigten und Arbeitsplätzen gegangen ist. Im Kern gilt, dass Hedge- wie Private-Equity-Fonds nicht mit den Unternehmen Geld verdienen wollen, sondern an ihnen – und dass möglichst kurzfristig. Im Zeitraum von drei bis vier Jahren muss eine hohe Gewinnmarge realisiert werden. Dies geht nur zu Lasten Dritter und der Substanz des Unternehmens. Das langfristige Überleben des Unternehmens und der Erhalt von Arbeitsplätze spielt dabei kaum eine Rolle. Dann hat sich der Hedge-Fonds längst anderen Unternehmen zugewandt. Regulierung überfällig Der Ruf nach Regulierung von Hedge-Fonds wird lauter. Bereits der ehemalige Bundeskanzler Schröder hatte auf dem letzten G-8-Treffen eine Initiative gestartet, Hedge-Fonds auf internationaler Ebene zu Einblicken in Strukturen, Strategien und Eigentumsverhältnisse zu zwingen. Auch die internationalen Finanzaufseher fordern mittlerweile eine Kontrolle und stärkere Regulierung von Hedge-Fonds. Vorschläge zur Eindämmung und Kontrolle von Hedge Fonds gibt es genug: • Zeitweiliger Entzug von Stimmrechten auf Hauptversammlungen - damit soll verhindert werden, dass aus rein spekulativen Gründen auf Unternehmensentscheidungen Einfluss genommen werden kann; • Verbot, Aktien nur für wenige Tage auszuleihen, um Hauptversammlungen oder Kurse manipulieren zu können; • Meldepflichten für Aktienleihe; • Pflicht zur Offenlegung der laufenden Geschäfte; • Offenlegung der Eigentümerstruktur; 3 • Einführung von Meldeschwellen beim Erwerb wesentlicher Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen; • Einführung eines verbindliche Verhaltenskodex; • verstärkte Aufklärungspflichten hinsichtlich der Risiken für Anleger. Tatsache ist aber, dass Hedge- und Private Equity-Fonds erst in den letzten zehn Jahren richtig in Mode gekommen sind. Grund hierfür ist, dass aufgrund der immer stärkeren Einkommens- und Vermögenskonzentration die Liquidität überreichlich wurde. Zu dieser Entwicklung hat die Steuerpolitik der letzten zwei Dekaden – nicht zuletzt in Deutschland – massiv beigetragen. Steuergeschenke für Reiche und Unternehmen sind aber der ungeeignetste Weg, finanzielle Mittel in arbeitsplatzschaffende Investitionen zu lenken. Das zeigt die Investitionsflaute in Deutschland bei gleichzeitigen Gewinnrekorden zur Genüge. Ohne Stärkung der Binnennachfrage gibt es für Investitionen in die Realwirtschaft auch keine Anreize. Statt den Finanzmärkten noch mehr Futter zu geben, müssen vor allem gut verdienende Unternehmen, Besserverdienende und Reiche wieder stärker an der Finanzierung notwendiger staatlicher Aufgaben beteiligt werden. Also gerade jene, die mit ihrem Kapital derzeit nichts besseres anzufangen wissen, als es in Hedge- und Private Equity-Fonds anzulegen und damit den Profitwahn noch weiter anzuheizen. Dieser Aufsatz ist in leicht veränderter Form unter dem Titel „Hedgefonds oder Arbeitsplätze“ erschienen in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 10, 2006, S. 1180-1183. 4