Mertens, Wolfgang: Einführung in die psychoanalytische Therapie. Bd. 3, 1992. 15 Widerstandsanalyse 69 - Neben den unbewussten Interaktionsprozessen im Übertragungs- und Gegenübertragungskontext ist die ständige Beachtung des Widerstandes die wesentlichste Sache in der analyt. Therapie In den unterstützenden und nicht konfliktaufdeckenden Psychotherapieformen werden die Abwehrmechanismen des Patienten gestärkt oder sogar neue Abwehrformationen aufgebaut, die mit der bisherigen Abwehrorganisation kompatibel sind, um das neurotische Gleichgewicht noch weiter zu stabilisieren - es gibt einige Therapien, die Fördern Verleugnung, Verdrängung usw. ebenso einige VT´s, die die den symptomen zugrundeliegende Psychodynamik abstreiten - psychodynamische Therapieformen streben ein schrittweises Bewusstwerden der Widerstandsmechanismen und graduelles Aufgeben derselben an durch ein geduldiges und einfühlsames Verstehen der lebensgeschichtlich entstandenen Motive, die den Patienten vorsichtig, ängstlich, zaudernd, schamhaft oder trotzig zurückhaltend sein lassen hier helfen die Berücksichtigung der Übertragungs- und Gegenübertragungseindrücke 15.1 Historischer Überblick 70 - Freud: z.T. weigerten sich seine Pat. in Hypnose bestimmte Erinnerungen mitzuteilen er folgert, dass es eine psychische Kraft gibt, die sich dagegen wehrt, pathogenen Erinnerungen bewußt werden zu lassen Dieser Widerstand, die affektiv besetzten Eindrücke abzureagieren, hatte ursprünglich auch die Symptombildung veranlasst (er nimmt an, er entstehe durch Scham, Selbstbeschuldigung oder durch Angst vor Verletzung) Freud führte dann eine Druckprozedur durch, um den Willen auszuschalten Der energetische Kraftaufwand des Analytikers entsprach dem Kraftaufwand des Patienten, den Freud als Widerstand gegen die Bemühungen des Arztes bezeichnete 1 - Freud: »... eine psychische Kraft ... hatte ursprünglich die pathogene Vorstellung aus der Assoziation gedrängt und widersetzte sich ihrer Wiederkehr in der Erinnerung. Das Nichtwissen des Hysterischen war also eigentlich ein - mehr oder minder bewußtes - Nichtwissenwollen, und die Aufgabe des Therapeuten bestand darin, diesen Assoziationswiderstand durch psychische Arbeit zu überwinden« Hat sicher Übertragungsphantasien ausgelöst: mächtige Elternfigur versucht seinen Willen zu brechen und Pat. wird damit zum Kind Einstellung: daß der Widerstand des Patienten dem Therapeuten zum Trotz aufgerichtet wird und deshalb auch so bald wie nur möglich überwunden werden muss - Es gibt aber auch zeitweilig eine bewusste Opposition gegenüber dem Therapeuten (dies ist aber nicht Widerstand) 71 - Freud erweitert seine Vorstellung dahingehend: daß darunter alle Einstellungen und Verhaltensweisen subsumiert wurden, die sich den Zielen und Vorgehensweisen einer analytischen Behandlung entgegenstellen Die Revision der Verführungstheorie und das zunehmende Wissen um die Bedeutung kindlicher Triebregungen brachten die neue Erkenntnis mit sich, daß sich der Widerstand nicht mehr nur gegen das Bewußtwerden traumatischer Erlebnisse, sondern auch gegen unannehmbare Triebregungen richtete - Erweiterungen: 1905 erkannte er den »sekundären Krankheitsgewinn«; 1912 befaßt er sich ausführlich mit dem Übertragungswiderstand; 1918 beschreibt er, wie Patienten aus der Übertragung selbst Gewinn ziehen können und diese als Widerstand gegen die Durcharbeitung verwenden usf. Die wichtigste Erkenntnis Freuds war aber, daß nicht das Wiedererlangen vergessener Erinnerungen therapeutisch wirksam ist, sondern allein die Überwindung der Widerstände 72 - Der Über-Ich-Widerstand: er entstammt dem Schuldgefühl und Strafbedürfnis des, wird z. B. dann in Erscheinung treten, wenn triebhafte Wünsche bewußt zu werden drohen - Der Ich-Widerstand: hier ist der Verdrängungswiderstand derjenige, welcher den primären Krankheitsgewinn des neurotischen Symptoms sichert; dies kann mit Hilfe der verschiedenen Abwehrmechanismen 2 geschehen, aber auch mit einer Vielzahl von Handlungen und Erlebnisweisen (ausdauernde Beschäftigung mit präödipalen Dingen kann ein Widerstand gegen ödipale Themen sein) Pat. versucht sich gegen das Aufkommen gefährlicher Triebregungen und Phantasien zu schützen, die das bisherige neurotische Gleichgewicht stören würden sek. Krankheitsgewinn: kann Vergünstigungen bedeuten, aber auch aus masochistischen Neigungen oder aus einem neurotischen Ich-Ideal entstehen - Es-Widerstand: einerseits auf die »Klebrigkeit der Libido« (= Festhalten an erworbenen Gewohnheiten und Funktionsweisen), zum anderen auf den Wiederholungszwang als Abkömmling des Todestriebes zurückgeführt: immer erneuter Versuch, bislang unbewältigte psychische Probleme und Konflikte doch noch zu bewältigen 15.2 Definition des Widerstandes 73 - zunächst hat Freud Widerstand als bewusstes Phänomen beschrieben, mit denen sich der Patient gegen das Auftauchen von traumatischen Erinnerungen wehrt und diese innerhalb seines topographischen Modells als Ausdruck der Selbsterhaltungstriebe und des Zensors auf einem Kontinuum von bewußt bis vorbewußt konzeptualisierte später wurde ihm klar, dass Widerstand unbewusst ist ( wesentlich für die Aufgabe des topographischen Modells) daher ist Widerstand auch schwer zu erkennen: So beschrieb z. B. Greenson (1973, S. 72f.) das Schweigen des Patienten, das Nicht-zum-RedenAuf gelegtsein, eine Unangemessenheit der Af f ekte, die Körperhaltung, das Kleben an einem bestimmten Zeitraum (wie z. B. der Kindheit oder der Gegenwart), das Erzählen trivialer Ereignisse, das Vermeiden bestimmter Themen, Zuspätkommen, Ausbleiben von Träumen, Langeweile, Flucht in die Gesundheit usw. aber: jedes Verhalten kann ein Widerstand sein (auch ein offensichtlich gutes Verhalten) oder auch nicht z.B.: Schweigen gilt zwar als häufige Manifestationsform von Widerständen, aber bei bestimmten Patienten, die z. B. einer 3 symbiotisch-parasitären Mutter alle ihre Erlebnisse erzählen mussten, ist Schweigen ein erster Schritt in Richtung Individuation und ein Meilenstein in der Auflösung der Mutter-Übertragung in der Analyse (und in diesem Fall kein Widerstand). Träumen kann ein Widerstand sein: ich erzähle dem Analytiker nur einen Traum, sonst gar nichts - Was ein Widerstand ist, ist eine Sache des Blickwinkels: Analytiker geht davon aus, dass Pat. sich verändern will und unbewusste psychische Erfahrungen bewusst werden zu lassen und neurotische Konfliktlösungen aufzugeben: Wenn Pat. mit dem Analytiker ein Arbeitsbündnis eingeht, kann er die Sichtweise des Analytiker evtl. teilen Widerstand ist jegliches Erleben Verhalten, das sich diesen Zielen widersetzt andererseits aus der Perspektive der neurotischen Prozesse, synthetischer Ich-Funktionen und des Selbstverständnisses des Patienten bedeutet die Beibehaltung seiner jetzigen Symptome und Charakterhaltungen aber das Vermeiden unlustvoller Affekte und Spannungen, das Ausweichen vor weiteren Konflikten und Gefahrensituationen, die Fortsetzung kindlicher Befriedigungsmöglichkeiten und das Umgehen von Trauer, Scham und Enttäuschung 75 Aus dieser Sicht haben Widerstände eine nützliche Funktion - Widerstände schützen einerseits die unbewußten Persönlichkeitsaspekte vor dem Bewußtwerden, aber sie schützen auch die synthetischen Funktionen des Ichs gegenüber dem möglicherweise als überwältigend erlebten Eindringen unbewußter kindlicher Phantasien Dementsprechend können Widerstände sowohl vom rationalen Ich des erwachsenen Patienten ausgehen als auch von den infantilen Phantasien Jeder Pat. möchte die bisherige Einheit, so neurotisch sie auch ist, und das Selbstwertgefühl aufrechterhalten daher möchte er auch keine kindl. Konflikte in der neuen zwischenmenschl. Beziehung auftauchen lassen - Dies zeigt, Widerstände können immer und überall auftauchen daß Widerstände kein bösartiges Nichtwollen ausdrücken, die »Segnungen der analytischen Kur« bereitwillig anzunehmen, sondern einen ungemein wichtigen Aspekt des psychischen Funktionierens, der 4 Selbstwertregulierung, des eingespielten Selbstverständnisses darstellen, der für den Patienten lebensnotwendig ist - Widerstände können bewußt, vorbewußt oder unbewußt sein nach Stone: »taktischen Sphäre«, worunter er die manifesten Phänomene von Ich Widerständen verstand, und von einer »strategischen Sphäre«, die sich auf die Tiefe der Psychopathologie und Persönlichkeitsstruktur eines Patienten bezieht, sowie auf seine gesamten Reaktionen auf die psychoanalytische Situation, den Prozeß und die Person des Analytikers. 76 - auch Dewald unterscheidet taktische und strategische Widerstände strategische W.: unbewusste Operationen, mit deren Hilfe der Pat. versucht, weiterhin Befriedigungen aus kindlichen Trieben und Triebabkömmlingen, Objektwahlen und adaptiven und defensiven psychischen Bewältigungsmodi zu ziehen diese W. äußern sich in dem Versuch, die Vergangenheit in der Gegenwart wieder aufleben zu lassen und zielen darauf ab, Trauer und Scham zu vermeiden, sowie die Angst und Unsicherheit, die neue Reifungsschritte mit sich bringen diese W. erscheinen in Versuchen, Übertragungsbefriedigungen zu erlangen, indem der Analytiker unbewußt zu befriedigenden Gegenübertragungsreaktionen provoziert werden soll - taktische W.: sie sind intrapsychische und interpersonelle Verhaltensmuster, mit deren Hilfe sich ein Patient gegen das Bewußtsein der strategischen Widerstände und der damit verbundenen Konflikte wehrt meist werden diese zuerst gedeutet als erstes solche, die gegen die Regression und die therapeutische Beziehung gerichtet sind 15.3 Die multiple Funktion von Widerständen - Waelder´s Prinzip der multiplen Funktion: eine Handlung muss immer aus mehreren Bedeutungszusammenhängen erklärt werden daher sollten auch die Motive für Widerstände auf multiple Funktionen überprüft werden 15.4 Handhabung der Widerstandsanalyse 77 - Greenson: Aufgabe der Widerstandsanalyse gliedert sich in Pat. nahe bringen, dass er Widerstand leistet 5 warum er es tut wogegen er Widerstand leistet d. h. die Analyse des Widerstands erfordert vom Analytiker, daß er zunächst die vielfältigen Motive und Funktionen des Widerstands bei einem bestimmten Patienten psychodynamisch verstanden hat - Aufzeigen von Widerständen, ihrer Existenz, Erscheinungsformen und Ursprünge kann vorgenommen werden, wenn der Analytiker empathisch die Fähigkeit des Patienten eingeschätzt hat, sich mit einem bestimmten Widerstand zu konfrontieren, wenn Angst, Scham- und Schuldgefühle eine solche Konfrontation erlauben und wenn das Potential für eine Selbstanalyse und die Identifikation mit den analysierenden Funktionen des Therapeuten weit genug entwickelt sind. - Wichtig beim konfrontieren: eine nicht verfolgende oder anklagende Haltung eher eine neugierig suchende, tolerante und verständnisvolle Einstellung - Natürlich spielt beim Erkennen von Widerständen die Gegenübertragung des Analytikers eine große Rolle. 79 Bei oralen und symbiotischen Themen kann er sich behaglicher fühlen, als wenn er selbst zum Zielpunkt erotischen Begehrens wird; als ödipal begehrter Vater-Mann kann er sich mehr narzißtisch geschmeichelt fühlen, als wenn er geduldig die vielfältigen Verletzungen innerhalb der Mutter-Kind-Beziehung nachvollziehen soll; ärgerliche Distanz kann leichter zu ertragen sein als liebevolle Annäherung usf. Widerstand kann auch eine Schonung für den Therap. bedeutet denn in jeder Behandlung werden auch immer alte Konfliktthemen des Analytikers berührt, für die er in unterschiedlichem Ausmaß Lösungen gefunden hat, die ihn befriedigender und schneller mit diesen Konflikten umgehen lassen aber: manche Konflikte fallen Analytiker schwer und andere leichter wieder zu aktivieren So kann es vorkommen, daß Analytiker, um sich selbst zu schonen, den Widerstand ihrer Patienten längere Zeit tolerieren und mitmachen - Taktische Widerstände schützen den Patienten in der Regel vor dem 6 Bewußtwerden seiner strategischen Widerstände, die tieferliegende Übertragungswünsche, -phantasien und -erwartungen verbergen zu Beginn meist als Konfliktabkömmling oder als Ausdruck des Gegenwarts-unbewussten manifestiert mit Konsolidierung der Übertragungsneurose werden immer mehr strategische W. in ursprünglicher Form und Inhalt bewusster 80 - Am Anfang richten sich die W. gegen eine Destabilisierung des Pat. später geht der Pat. immer mehr gegen die Widerstände an und überwindet seine Ängste und Schamgefühle der Therap. begleitet diesen Prozess mit Toleranz und Verständnis 15.5 Der affirmative Ansatz von R. Schafer 80 - Beschreibung von einem affirmativem Ansatz Widerstände werden hier wie jedes andere konflikthafte Material gesehen, die die Analyse einschränken daher ist der W. eine Leistung des Patienten, die es zu studieren gilt Der affirmative Ansatz fokussiert viel stärker darauf, woraus sich die Widerstandshandlung zusammensetzt und nicht einfach darauf, wogegen sie sich wendet 81 - Aus seiner Sicht ist Widerstand ein problematisches Wort, da es dazu führt, dass man es dem Pat. übelnimmt, dass er damit den Prozess behindert Während es bei den Konzepten der Übertragung, des Wiederholungszwangs, des Agierens ganz selbstverständlich ist, von unbewußten Handlungsmotiven auszugehen, ist dies beim Widerstand nicht der Fall oder wird immer wieder vergessen (vielleicht als Auswirkung einer ärgerlichen Gegenübertragung) - Greenson gebraucht in der klinischen Arbeit Verben wie davonlaufen, vermeiden, verstecken usw. Solche Äußerungen werden oftmals als Aufforderungen oder Befehle verstanden, damit aufzuhören, in einer ängstlichen oder infantilen Weise zu handeln 81f - bei Greenson wird einem Pat. erst mal sein Widerstand aufgezeigt: das wird vom Patienten wie ein Verbot erfahren, dieses Verhalten nicht mehr zeigen zu dürfen und führt oftmals dazu, daß der Patient zu subtileren Widerstandsformen Zuflucht sucht. 7 82 das wird meist als Kritik verstanden, was den Pat. verletzt und er fühlt sich missverstanden, wütend und zieht sich zurück - Wichtig bei Schafer: Neutralität, die vom Analytiker vor allem verlangt, daß er nicht einseitig Partei ergreift und den Patienten nicht zu einer bestimmten Handlungsweise drängt, wie z. B. sich endlich mit seinem Widerstand zu konfrontieren. Der Analytiker sollte vielmehr die Beweggründe zu verstehen versuchen, die es dem Patienten erschweren, seine Handlungen zu verändern, und diese dem Patienten, wenn die Zeit dafür gekommen ist, auf taktvolle Weise mitteilen dabei muss der Analytiker auch seine eigenen Wertmaßstäbe überprüfen (oft soll Pat. die Änderungen vollziehen, die der Analytiker nicht schafft) - Schafer will die analytische Beziehung nicht als Gegnerschaft oder Opposition verstanden wissen Allerdings erschwert nicht nur die herkömmliche Auffassung von Widerstand diese Einstellung, auch Patienten tragen ihren Teil dazu bei, die Beziehung als Kampf definieren zu wollen und den Therapeuten dazu zu verführen, diese Konstruktion mit ihnen zu teilen - Zentral: das, was herkömmlicherweise als Widerstand betrachtet wird, als verwirrendes oder noch nicht verständliches Verhalten zu betrachten, das einen weiteren analytischen Verstehensprozeß erfordert 83 Analytiker sollte auch nicht sofort versuchen, Widerstände aufzulösen, da dies auch die Möglichkeit einer stärkeren Analyse des Ichs verhindert und ihn stattdessen in eine bestimmte von ihm gewollte Richtung drängt Nützlicher und sinnvoller kann es dann schon sein, Fragen über das unverständliche Verhalten zu stellen, etwa wenn ein Patient häufig über längere Zeit schweigt und doch in die Analyse kommt, um über sich zu erzählen da auch dies z.T. als Ungeduld interpretiert wird: eher ein vorsichtiges Abwarten - Wenn man z. B. das Zuspätkommen des Patienten vorschnell als Widerstand gegen ein bestimmtes Thema deutet,kann man die ersten Anzeichen einer bis dahin angestrengt vermiedenen und unterdrückten negativen Übertragung übersehen, über die man - analytisch betrachtet 8 hoch erfreut sein könnte Zuspätkommen kann auch Vertrauen zu Analytiker bedeuten - Prinzipiell bedeutet das auch, dass gar nicht klar ist, was eigentlich ein widerständliches Verhalten ist: auch positives Verhalten kann einen Widerstand bedeuten So kann das Produzieren von ödipalem Material präödipale Themen unterdrücken helfen und vice versa; die Betonung narzißtischer Themen eines beeinträchtigten Selbstgefühls kann das Thema eines als minderwertig empfundenen Penis verschleiern und vice versa etc. 84 - Widerständiges Verhalten ist letztlich keine Opposition gegen die Analyse oder gegen den Analytiker, sondern der nächste bedeutsame Schritt im analytischen Prozeß. - Viele Widerstände gegen das Aufdecken von Widerständen gehen nach Schafers Ansicht vom Analytiker selbst aus: die Hauptangst mancher Analytiker besteht darin, daß ihre ungenügend verarbeiteten, erotischen und feindseligen Reaktionen auf den Patienten außer Kontrolle geraten könnten. Im Hinblick auf aggressive, feindselige Reaktionen kann ein Analytiker z. B. befürchten, daß er das widerständige Verhalten des Patienten zu wenig taktvoll, mit gereizter Stimme oder den Patienten zwingen wollend anspricht, oder daß er mit Gegenaggressionen auf die vermutlich kämpferisch eingestellten Äußerungen des Patienten reagieren würde. - Auch hinsichtlich der Analyse erotischer Reaktionen scheint es oft vorzukommen, daß Analytiker insgeheim eine Atmosphäre von angespannter Distanz und unterschwelligem Antagonismus gegenüber der stimulierenden Dichte sexueller, sowohl hetero- als auch homosexueller, Übertragung bevorzugen. 85 - Das narzißtische Bedürfnis mancher Analytiker, ein ausschließlich wohlwollendes und schützendes Einverständnis mit ihren Patienten aufrechterhalten zu wollen, hängt mit Faktoren zusammen, die in der Literatur oftmals als Gegenübertragung des Analytikers beschrieben worden sind, wie z. B. Gefühle der Einsamkeit und Entbehrung, Depressivität und Grandiosität 15.6 Die Ergebnisse der Mt. Zion-Forschungsgruppe 9 - Gemäß der traditionellen psychoanalytischen Theorie werden unbewußte Wünsche aufgrund der analytischen Situation und der Regression im Behandlungsverlauf mobilisiert und in der Übertragung in impliziten Anspielungen auf die Person des Analytikers auszudrücken versucht Die Frustration dieser Wünsche anhand der analytischen Abstinenzhaltung verstärkt den Druck oder Auf -trieb dieser Wünsche, bewußt zu werden. Der Widerstand wendet sich gegen das Bewußtwerden dieser Wünsche - Ergebnisse der Mt. Zion-Forschungsgruppe sagen aber, dass die Pat. motiviert sind, ihre unbewältigten Konflikte zu bewältigen Der Patient hat auch bereits einen unbewußten Plan, wie die Meisterung seines Konflikts aussehen könnte. Bevor er diesen aber in die Tat umsetzt, muß er die Gewißheit haben, daß er mit der Ausführung seines Plans nicht scheitern wird: daher sind Vertrauen und Sicherheit sehr wichtig und das empathische Verstehen des Analytikers ist gefragt Pat. unternehmen daher eine Anzahl von Tests: Wenn der Analytiker den Test nicht besteht (z. B. sich bei einer Kritik sofort zu rechtfertigen beginnt oder auf Genetisches abzulenken versucht), wird der Widerstand gegen die abgewehrten unbewußten Inhalte verstärkt und die Ängstlichkeit des Patienten, sich diesen Themen anzunähern, nimmt wieder zu Besteht der Analytiker den Test, reduziert sich der Widerstand - Das Bild, das diese Forscher vom Patienten zeichnen, unterscheidet sich erheblich von dem der herkömmlichen Psychoanalyse: Der Patient sucht nach Bewältigung traumatischer Erlebnisse und nicht nach Befriedigung unerfüllter Wünsche. Er ist kein passiver Rezipient von Deutungen, sondern sucht selbst aktiv nach Einsicht und Verstehen seiner Schwierigkeiten. Sein Widerstand besteht so lange, wie nicht ausreichende Bedingungen von Sicherheit erfüllt sind, triebhafte und affektive Handlungsweisen äußern zu können. am Ende einer erfolgreichen Analyse haben sich nicht so sehr die Wünsche von Patienten als vielmehr die Erwartungen, wie andere Menschen auf ihre Wünsche reagieren werden, geändert 10 87 Wenn diese Sicherheit nicht erreicht wird, liegt das an den antianalytischen Gegenübertragungsreaktionen des Analytikers, die keine ausreichende Sicherheit für den Patienten zulassen 15.7 Die Zentralität des Übertragungs-Widerstandes - Gill: »Abwehr-Übertragung«, »Übertragung der Abwehr« und »Abwehr gegen die Übertragung« = »Widerstand gegen das Bewußtwerden der Übertragung« Übertragungs-Widerstand = »Widerstand gegen die Auflösung der Übertragung« unter diese beiden lass sich sämtliche Widerstände subsumieren, wenn man zwischen Herkunft bzw. Quelle des Widerstands und seiner Manifestationsform unterscheidet es ist dies eine eindeutige Option für ein interpersonelles WiderstandsKonzept der Übertragungs-Widerstand in seinen beiden Formen ist damit Zentral für die Analyse - in vielen Anspielungen nimmt der Pat. Bezug auf die Hier und JetztBeziehung zum Analytiker, ohne diese aber direkt anzusprechen Diese Bezugnahmen stellen eine komplexe Mischung aus Übertragungselementen, projektiven Vorannahmen und Hier und jetzt-Eindrücken dar, die über die vorbewußten und unbewußten Objektbeziehungen des Patienten Aufschluß vermitteln z.B. eine Verschiebung der Objekt-Dimension, in der Pat. über eine andere Person spricht, aber eigentlich den Analytiker meint 88 eine Andere: Aufgrund einer zumeist unbewußten vorübergehenden Identifikation mit seinem Analytiker verändert der Patient seine Selbstrepräsentanz. So spricht er z. B. davon, daß er sich in letzter Zeit oftmals gelangweilt fühle, ohne rechte Antriebskraft und Lust für seine Arbeit sei (dies könnte z.B. heißen: »Ich denke, daß Sie gelangweilt sind, wenn Sie mir zuhören sollen, und keine rechte Lust dazu verspüren. Vielleicht erinnert mich das auch an meinen Vater, der mir nie zuhören konnte und wollte, weil er sich beim Zeitunglesen immer von mir gestört fühlte. Ich bin jetzt enttäuscht und ärgerlich, kann mein Bedürfnis Ihnen gegenüber aber nicht aussprechen. Statt dessen identifiziere ich mich mit 11 Ihrer Langeweile mir gegenüber und erlebe mich jetzt selbst als langweilig.«) 15.8 Zusammenfassung - Die intensive Beschäftigung mit den Problembereichen des Narzißmus und der Selbstwertregulierung hat das psychoanalytische Verständnis über Erscheinungsformen und Funktionen von Widerständen stark bereichert. Insbesondere die Haltung, keine verurteilende Einstellung gegenüber der Existenz von Widerständen einzunehmen, sondern sich in das Selbstverständnis des Analysanden einzufühlen, verdankt diesem Wissen ihre Entstehung 89 - Die klassisch autoritäre Einstellung: »Laß gefälligst Deine Abwehr fallen, weil ich dich sonst nicht erleben oder spüren kann«, übersah, daß es sich bei der analytischen Beziehung um eine Interaktion handelt, an der auch der Analytiker beteiligt ist: Seine Ausstrahlung, seine Geschlechtszugehörigkeit, seine Persönlichkeit, sein Alter, und das Insgesamt seiner Gefühle und Haltungen dem Analysanden gegenüber vermitteln dem Analysanden unaufhörlich Signale und Hinweise dafür, wie sicher er sich in dieser Beziehung fühlen darf 12