Klassisches Grundmodell Im letzten Jahrhundert dominierte die klassische Theorie die Wirtschaft bis in die 30er Jahre hinein. Zu dieser Zeit basierte sie auf der Quantitätstheorie von Irving Fisher, deren monetaristisches Gedankengut von Milton Friedman übernommen und ausgefeilt wurde. Demnach lassen sich kurzfristige Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage auf den Gütermärkten durch Veränderungen der Geldmenge steuern. Keynes (1883 – 1946) steht für eine Beeinflussung der Nachfrageseite der Wirtschaft durch den Staat. Seine Grundüberlegungen resultierten aus der Massenarbeitslosigkeit in der Weltwirtschaftskrise von 1929, bei der sich trotz kräftig gesunkener Löhne kein neues Gleichgewicht der Gesamtwirtschaft einstellte. Ihm war klar, dass die Wirtschaftspolitik zu dieser Zeit die Nachfrageseite der Ökonomie nicht berücksichtigt hatte und deshalb in die Krise schlitterte. Einige Basisgedanken der Klassik finden sich auch in modernen Varianten der Neuen Klassischen Makroökonomie der 70er Jahre wieder. Deshalb werden wir sie trotz des Scheiterns der theoretischen Überlegungen während der Weltwirtschaftskrise besprechen. Die Klassik ist also nicht die Ökonomie einer Epoche, sondern gibt die Grundgedanken einer gleichgewichtigen Grundtendenz der wirtschaftlichen Aktivitäten wieder. Das Gleichgewicht stellt sich nach Ansicht der Klassiker aller Generationen über Preise für Güter und primäre Einsatzfaktoren ein. Die Nationalökonomen Adam Smith (1723-1790) und David Ricardo (1772 – 1823) haben wesentlichen Anteil am klassischen Gedankengut. Jean Baptiste Say (1767 – 1832) hat den originären Gedanken dieser beiden sein Postulat der schnellen Markträumung hinzu gefügt; und zwar der Räumung der vom Angebot getriebenen Märkte. Nach Say schafft sich jedes Angebot seine Nachfrage. Bei der Herstellung der Produkte entstehen Einkommen, die an den Produktmärkten ausgegeben werden. Die Nachfrage räumt den Markt. Sollte ein Ungleichgewicht auftreten, so wird die Preisveränderung diesen Zustand kurzfristig beseitigen. Die klassische Theorie Die klassische Theorie ging davon aus, dass ein flexibler Lohn den Arbeitsmarkt räumt. Wie soll dieser Mechanismus ablaufen? Zur Beantwortung der Frage greifen wir auf einige Überlegungen der Mikroökonomie zurück. Die Unternehmen optimieren ihre Produktionskosten. Sie verfahren nach dem ökonomischen Prinzip – dem Minimalprinzip: Ein bestimmter Output soll mit den geringsten Kosten erreicht werden. MinK pi qi O f (q). Dies ist im Rahmen einer Marginalbetrachtung dann möglich, wenn die Faktoren zu ihren Grenzerlösen vergütet werden. Die erste Ableitung der Erlösfunktion soll dem Wertgrenzprodukt der Arbeit entsprechen, oder anders herum: die letzte eingesetzte Arbeitseinheit soll einen Erlös in gleicher Höhe erwirtschaften. VWL klassisches Grundmodell Seite 1 von6 E' O p mit O=Output; L=Arbeitseinsatz L Diese Wirkungskette haben wir schon in der neoklassischen Betrachtung der Mikroökonomie kennen gelernt. Hier allerdings anders herum: die Faktoren werden nach ihren Grenzkosten entlohnt. Nehmen wir also an, dass der Lohnsatz gleich dem Grenzerlös ist, dann schreibt sich die obige Formel zu: l O p mit l=Lohnsatz L Der Arbeitsmarkt hat im klassischen Modell eine typische fallende Nachfragekurve und eine steigende Angebotskurve. Ein Gleichgewicht kann nach klassischen Idealen nur erwartet werden, wenn der Lohnsatz frei ausgehandelt wird und unbegrenzt beweglich ist. Für den Arbeitsmarkt gelten also die gleichen Anforderungen, wie für die Produktmärkte. Der Lohnsatz ist in der Klassik nur ein Preis, wie jeder andere, mit dem einzigen Unterschied, dass er sich auf einen Einsatzfaktor bezieht. Tarifabsprachen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften sind ein Eingriff in die Preisbildung auf dem Arbeitsmarkt. Wenn die verabredeten Löhne über den Gleichgewichtslohnsätzen liegen, resultiert daraus eine Arbeitslosigkeit, weil nicht alle Arbeiter zu diesen Vergütungen beschäftigt werden. Auf dem Arbeitsmarkt herrscht in den Industrienationen eben keine vollständige Konkurrenz, sondern eher ein bilaterales Monopol. Diese Konstellation führt zu Verhandlungslösungen auf Kosten der Gesellschaft, bzw. der Arbeitslosen. Wenn zwei Monopolisten verhandeln geht das Ergebnis zu Lasten derjenigen aus, die nicht am Verhandlungstisch sitzen. Wir haben hier wieder ein typisches Beispiel dafür, wie der Unterschied zwischen Zielvorstellungen der Akteure und der Gesellschaft im Zweifel zum Nachteil der Gesellschaft ausgehen. Welche Lösung ist dafür denkbar? - Die Gewerkschaften verwalten die Arbeitslosenkasse. Von dem Gleichgewichtslohn, zu dem Vollbeschäftigung herrscht, schließen die Klassiker auf das Sozialprodukt von der Entstehungsseite. Zum Verständnis erinnern wir uns an das Produktionsgebirge in der Mikroökonomie. Es gibt eine gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion der Form: O f ( L, K ) - in Anlehnung an die Mikroökonomie soll L der Arbeitseinsatz (Labour) als Menge sein. Für die Funktion gelten die Bedingungen der Produktionstheorie auf gesamtwirtschaftlicher Ebene. Dem zufolge ist die Funktion stetig, monoton und zweimal differenzierbar. Die Einsatzfaktoren sind substituierbar und haben abnehmende Grenzproduktivitäten. Im einfachen Fall nehmen wir eine Cobb-Douglas Funktion für das Produktionsgebirge an. Im Ergebnis erhält man bekanntermaßen Isoquanten als Schnitt durch das Produktionsgebirge. Da die Kostenfunktion die gleiche Gestalt hat, wie die VWL klassisches Grundmodell Seite 2 von6 Produktionsfunktion, ist das Sozialprodukt zu Faktorkosten eine Kostenfunktion mit den Inputwerten für Arbeit und Kapital. Y fn f ( L, K ) Auf der Oberfläche des Produktionsgebirges findet man das jeweilige Optimum in Abhängigkeit von den relativen Preisen der Einsatzfaktoren. In der Klassik ist das eine geplante Größe, nämlich das voraussichtliche Sozialprodukt zu Faktorkosten. Das Ergebnis ist identisch mit dem Sozialprodukt von der Verwendungsseite, das auf Konsum und Investition aufgeteilt wird. Über die Gleichheit von Sparen und Investieren wird das Modell geschlossen. Die Arbeitnehmer geben ihren Verdienst entweder für den Konsum aus, oder stellen das Geld über den Kapitalmarkt den Unternehmen wieder zur Verfügung. Damit wird das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf dem Kapitalmarkt hergestellt. In der Gleichgewichtssituation der Klassik stimmt das Angebot der Unternehmen mit den Ausgaben der Haushalte überein. Der Sparanteil im verwendeten Sozialprodukt entspricht der Kapitalnachfrage der Unternehmer für Investitionen. Die Ökonomie schwingt sich in das Gleichgewicht ein, indem der Zinssatz sich nach Angebot und Nachfrage auf dem Kapitalmarkt bildet. Anpassungsbeispiel PPT Der Zinssatz i1 ist höher als der Gleichgewichtszinssatz. Die Haushalte sparen mehr, als die Unternehmen investieren wollen. Weil das Kapitalangebot größer ist, als die Kapitalnachfrage, sinkt der Zins. Mit sinkendem Zins wird weniger gespart und mehr konsumiert. Der Zins sinkt also, bis die geplante Sparsumme und die geplante Investitionssumme gleich sind. Damit stimmt dann Kapitalangebot und -nachfrage überein. Das klassische Modell ging davon aus, dass eine Verteilung zwischen Nachfrage nach Konsumgütern und Investitionsgütern die Wirtschaft zum Ausgleich bringt. In der klassischen Theorie (Say’sches Gesetz) reagieren die Unternehmen unmittelbar auf fehlende Nachfrage, indem sie die Preise der Güter senken. Das tun sie so lange, bis der Markt geräumt ist und das gesamte Angebot auch nachgefragt wird (Schlußverkaufseffekt). In der klassischen Theorie wird kein Geld gehortet, sondern es gibt immer einen Zinssatz, zu dem der Geldmarkt geräumt ist und alles Geld auch dem Wirtschaftskreislauf wieder zur Verfügung steht. Womit wir bei der wichtigen Rolle des Geldes im klassischen Modell angekommen sind. Das Geld ist im klassischen Modell ausschließlich Tauschmittel. Es gibt kein Vorsorgesparen oder Zielsparen, das heißt keine Spekulationskasse oder Vorsorgekasse. Die Liquiditätshaltung ist zinslos. Kapital (Geld) erbringt immer Zinsen. Die Zinsen werden aus dem Investment der Spargelder erwirtschaftet und fließen den Haushalten als Zinseinkommen zu. Die Transaktionskasse steigt mit dem Volkseinkommen. Das nominale Volkseinkommen errechnet sich aus dem realen Volkseinkommen und dem Preisindex: VWL klassisches Grundmodell Seite 3 von6 Yn = Yr x P Die Geldmenge (M) kann in einer Wirtschaft mehrfach umgeschlagen werden. Sie wird gemessen als: P Y r . Damit hat man allerdings weniger die Geschwindigkeit, als die Häufigkeit M (siehe Lagerumschlag). v Eine einfache Inflationstheorie leitet sich aus der Gleichung ab, wenn man die Umschlagshäufigkeit und das Sozialprodukt als konstant voraussetzt. Eine Auflösung der Gleichung nach dem Preisniveau (P) führt zu: P v M Yr Damit gibt es einen analytischen Zusammenhang zwischen der Geldmenge und der Inflationsrate. Eine Erhöhung der Geldmenge führt zu einem Anstieg des Preisniveaus. PPT Geldmenge Gibt es ein Wachstum der Volkswirtschaft, so sollte die Geldmenge nicht stärker wachsen, als diese Größe. Nimmt die Geldmenge um 5% zu, während die Wirtschaft nur um 2% wächst, dann setzt sich 3% in Inflation (Erhöhung des Preisniveaus) um. In der klassischen Theorie hat das allerdings keine Konsequenzen; die Unternehmen und Haushalte verfügen über nominal mehr Geld. Real ändert sich gar nichts, denn die Löhne und Zinssätze orientieren sich an den realen Preisen, nicht an den nominalen. Zur Zeit der klassischen Theorie war Inflation insofern kein Problem. Die Geldmenge konnte nie höher werden, als der Goldschatz der Zentralbanken. Man hatte eine durch Gold gedeckte Währung. Die Grundannahme der klassischen Theorie war die uneingeschränkte und unmittelbare Wirksamkeit der Preise auf allen Märkten (Arbeitsmarkt, Gütermarkt, Kapitalmarkt). Geld hat nur Einfluss auf das Preisniveau. Wirtschaftspolitik der Klassik Aus der Grundannahme folgte nun für die einzelnen Märkte eine unterschiedliche Wirtschaftspolitik. Arbeitsmarkt: Der Wettbewerbsmechanismus führt zu einem Vollbeschäftigungsgleichgewicht. Der Staat hält sich aus den Tarifverhandlungen raus. Die Lohnverhandlungen finden in den Betrieben statt. Zentrale Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmerverbänden führen zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs und haben zu unterbleiben. VWL klassisches Grundmodell Seite 4 von6 Gütermarkt: Es gibt keine Ungleichgewichte im Kapital- und Gütermarkt. Die Gütermärkte kommen wegen der unmittelbaren Preiswirkungen zu einem markträumenden Gleichgewicht. Die entstehenden Einkommen werden entweder konsumiert oder in Abhängigkeit vom Zinsniveau gespart. Das Gesparte wird unmittelbar als Investition von den Unternehmen im Wirtschaftskreislauf wieder eingesetzt. Der Zins teilt das Einkommen wirtschaftlich sinnvoll in Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern auf. Der Staat hat wie beim Arbeitsmarkt keine Funktion, insbesondere braucht er nicht stabilisierend in das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen. Kapitalmarkt: Investitionen werden aus Konsumverzicht finanziert und sind ein Produktionsumweg, der die Produktionskapazität auf das sinnvolle und notwendige Maß erhöht. Sparen ist uneingeschränkt positiv, da es das Volksvermögen und den Kapitalstock nutzbringend erhöht. Geldpolitik hat nur Auswirkungen auf das Preisniveau, nicht aber auf den Arbeitsoder Gütermarkt. Bei flexiblen Preisen bewirkt eine Geldmengenpolitik gar nichts, sondern hat nur Auswirkungen auf die Inflationsrate. Ordnungspolitik: Der Staat greift nicht in den Wirtschaftsprozess ein, sondern setzt nur die ökonomischen Rahmenbedingungen. Ein konkreter Eingriff des Staates in die wirtschaftlichen Prozesse ist schädlich. Als Konsument ist der Staat ein Nachfrager, wie andere Wirtschaftssubjekte auch; das gleiche gilt für staatliche Investitionen. Auf dem Geldmarkt konkurriert der Staat mit den Wirtschaftssubjekten. Als Finanzierungsquelle steht nur das Sparvolumen zur Verfügung. Durch Umverteilung verringert der Staat die Investitionsmöglichkeit der Unternehmen (crowding out). Der Staat hat nur Einfluss auf die Verteilung des Volkseinkommens. Er schafft keine neuen Wachstumsmöglichkeiten, kann den Arbeitsmarkt nicht beeinflussen. Außenhandel: Auch hier herrscht freier Wettbewerb und laissez faire. Die Verflechtung der Weltwirtschaft vor dem ersten Weltkrieg war sehr weit fortgeschritten. Wo lag der Fehler in der klassischen Betrachtung? In der Weltwirtschaftskrise gab es ein Angebot, denn die Unternehmer (Arbeiter) produzierten ja. Es gab aber keine entsprechend hohe Nachfrage mehr, denn die Löhne der Arbeiter sanken. Der Lohn-/Zinsmechanismus versagte. Wir schauen uns dazu einmal den klassischen Mechanismus an: PPT Kapitalmarkt. Die Weltwirtschaftskrise VWL klassisches Grundmodell Seite 5 von6 Die Krise von 1929 hat den Glauben an die selbst regulierenden Kräfte des Marktes zerstört. Trotz niedriger Löhne und Zinsen sank die Produktion der Wirtschaft. Einige Grundannahmen des Modells waren falsch, z. B.: Der Zinssatz hat nicht allein regulierende Wirkung. Das Sparen erfolgt aus Motiven, die nicht nur vom Zins abhängen: Vorsorgesparen hat seine Ursache in unsicheren Zukunftserwartungen (Arbeitslosigkeit, Krankheit, Altersversorgung) Zielsparen (Autokauf, Hauskauf, Ausbildung) Die Elastizität in bezug auf den Zinssatz ist erheblich geringer, als das klassische Modell unterstellt. Auf der anderen Seite stehen die Investitionsentscheidungen der Unternehmen. Auch sie hängen von Zukunftserwartungen und stärker noch, von den Kostenstrukturen der Unternehmen ab. Wichtiger als der Zinssatz ist die Erwartung des Unternehmens zur Höhe des zukünftigen Gewinns aus einer Investition. Der Gewinn bestimmt sich wiederum aus der Nachfrage, der Marge des Rohertrages, dem Konkurrenzfeld, den technischen Innovationen einer Branche. Je nach Branche ist der Zinssatz eine wichtige exogene Variable (kapitalintensive Produktion), oder die Arbeitskosten oder die Absatzerwartung (Handel). Geld ist im klassischen Modell nur Tauschmittel. Tatsächlich hat Geld aber auch eine Funktion als Aufbewahrungsmittel. Vor allem in der Erwartung ? fallender Preise oder ? steigender Zinsen. Wenn das Geld in diesem Sinne als Spekulationskasse gehalten wird, entziehen die Haushalte der Wirtschaft das Geld. Es kann nicht investiert werden und damit fällt direkt die Nachfrage nach Investitionsgütern und indirekt sinkt das Güterangebot. Die Reaktionen in der Zeit erfolgen nicht unmittelbar. Die Wirtschaft braucht Anpassungszeiträume. Solche Anpassungsprozesse haben wir in der Mikroökonomie in ihrer Struktur bereits kennen gelernt ? Cob Web. Die Wirkungen der Fehleinschätzungen der klassischen Theorie auf die Wirtschaft waren fatal und führten zur Weltwirtschaftskrise 1929. VWL klassisches Grundmodell Seite 6 von6