MP und Ernährung

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Jour-Fixe der Parkinson Selbsthilfegruppe Wien, Montag 9.1.2012, im Pfarrsaal der Pfarre
Kalvarienberg, 1170 Wien, St. Bartholomäus Platz 3, zum Thema:
Parkinson und Diät
Vortragende: Primarius Dr. Dieter Volc, FA für Neurologie und Psychiatrie, Privatklinik
Confraternität, Wien
Christa Stampfer, Diaetologin, Privatkrankenanstalt Confraternität, Wien
Protokoll:
Renate Lemanski
Mit der launigen Einleitung: „Es gibt keine spezielle Diät bei Parkinson, damit ist der Vortrag
beendet“, begann Primarius Dr. Dieter Volc eine interessante Einführung in das Kapitel
Verdauung, die von der Nahrungsaufnahme, über alle Zwischenstufen im Körper bis hin zur
Ausscheidung reichte, und viel Wissenswertes für die zahlreich erschienenen Teilnehmer
brachte.
Wir essen nicht nur, weil der Körper Nährstoffe braucht, essen ist auch ein sinnlicher
Genuss, der bereits beim Betrachten, Riechen und Schmecken, ja selbst beim Hören (z.B. bei
der krachenden Semmel) beginnt. Die Nase ist dabei noch wichtiger als die
Geschmacksempfindungen im Mund, weil diese, neben heiß und kalt nur 4 Nuancen – süß,
sauer, bitter und salzig. In den letzten Jahren hat sich als 5. Qualität noch „Umami“ dazu
ergeben. Das ist Japanisch und heißt „köstlich“. Es ist der Typische Würzgeschmack wie er
von Glutamat (zB Suppenwürze) hervorgerufen wird. Aber auch fett wird als eigene
Geschmacksqualität derzeit diskutiert. Die Lippen wiederum teilen uns mit, wie gut sich eine
Speise anfühlt. Die Zähne zerreißen die Speisen und über das Zusammenspiel mit der Zunge
werden die Speicheldrüsen angeregt, Verdauungsenzyme freizusetzen und so den ersten Teil
der Verdauung bereits im Mund einzuleiten. Vom Schlucken an, übernimmt eine Vielzahl von
Muskeln den Weitertransport des Speisebreis bis zum Ausgang. Von hier an kann es dann zu
den parkinsonspezifischen Verdauungsproblemen durch unwillkürliche Bewegungen
kommen. Die Speiseröhre bildet den Übergang zum Magen. Die Magenschleimhaut
produziert eine sehr starke Säure, deren Aufgabe es ist, den Organismus vor Viren und
Bakterien zu schützen. Hier ist anzumerken, dass gern verschriebene Säureblocker unbedingt
auf ihre Notwendigkeit zu hinterfragen sind, weil sie die natürliche Aufgabe des Magens,
aber auch die Madopar-Aufnahme empfindlich stören.
Die beim Laien gängige Vorstellung, dass der Magen eine „offene Tasche“ ist, in die die
Nahrung hineinfällt und dann gleich weitertransportiert wird ist falsch. Im Gegenteil, die
Magenwände kleben zusammen und werden erst durch Wasser geöffnet und das setzt dann
einen Vorgang, vergleichbar einer Waschmaschine, in Kraft, der 2 Stunden lang den
Speisebrei durchmischt. Daher können eingenommene Tabletten auch nicht sofort wirksam
werden, weil sie im Magen auf das Öffnen des dortigen Schließmuskels und den dadurch in
Gang gesetzten Weitertransport warten müssen. Rohes Obst und Gemüse bleiben länger im
Magen liegen und erhöhen dadurch das Sättigungsempfinden beim Essenden. Die nächste
Station die der Speisebrei erreicht ist der Zwölffingerdarm. Hier kommen die Säfte aus Leber
und Bauchspeicheldrüse dazu bevor der Speisebrei den Dünndarm erreicht. Der Transüport
vom Innenraum des Darmes durch die Darmwand zum Blutkreislauf erfolgt aktiv. Das
bedeutet, dass nur eine bestimmte Menge in einer bestimmten Zeit weiter transportiert
werden kann. Das ist die eigentliche Verteilerzentrale zum Blutkreislauf. An diesem Punkt
entscheidet sich der Weitertransport von Eiweiss, also deshalb kein Yoghurt mit
Medikamenten nehmen, denn dieses wird genau so durch die Darmwand transportiert und
behindert daher die Aufnahme von Levodopa, dem wichtigsten Stoff in der
Parkinsontherapie.Man sollte auch kein Vitamin B-Präparat gleichzeitig mit dem
Medikament einnehmen, weil es die Dopamin-Aufnahme reduziert und die ON-/OFF-Phasen
dadurch verändert werden. Die nächste Station des Speisebreis ist der Dickdarm, der nicht
nur wegen seines größeren Umfangs so heißt, sondern vor allem deshalb, weil der Speisebrei
dort eingedickt wird. Hier wird also dem Speisebrei, man spricht jetzt bereits von Kot,
Wasser entzogen, was bei Darmträgheit zur Verhärtung und Trockenheit des Kotes führt. Es
ist also besonders wichtig den Darminhalt hier weich und gut weitertransportierbar zu
halten. Daher muss man 2 Liter Wasser (auch in Form von Tees, Säften oder Suppen) über
den Tag zu sich nehmen. Mehr als 2 Liter Flüssigkeit sind unbedenklich. Wer unter
Verstopfung leidet, der sollte täglich 1 Säckchen Movicol oder Forlax zu sich nehmen. Diese
nicht chemisch wirkenden Präparate zeichnen sich gegenüber Abführmitteln dadurch aus,
dass sie Wasser im Darm halten und den Kot dadurch geschmeidig und besser
transportierbar erhalten. Der Enddarm, die letzte Station vor dem Ausgang, ist der Speicher
von Kot.
Das Alter bringt einige Veränderungen mit sich. Alles wird schlechter, alle
Stoffwechselvorgänge des Körpers verlangsamen sich, auch ohne Parkinson. Auch der
Geruchs- und Geschmacksinn ist verringert. Menschen die allein leben, und nicht mehr wie
gewohnt kochen, haben oft eine unzureichende Versorgung an Nährstoffen und Vitaminen.
Dieser Mangel verstärkt wiederum die Müdigkeit. Es ist anzumerken, dass ein abnehmender
Geruchssinn auch ein Vorzeichen für Parkinson sein kann. Die Verminderung des
Geruchsinns wird deshalb von den Betroffenen als störend empfunden, weil er
variantenreicher ist als der Geschmackssinn. Er ist auch ein wichtiger Warnmechanismus vor
Giftstoffen in der Luft.
Essen, das von uns als besonders wohlschmeckend eingestuft wird, ist mit Glutamat
angereichert. Es findet sich nicht nur in Fertiggerichten, es wird z. B. auch Wurstwaren
beigemischt. Glutamat sollte nur in geringen Mengen verzehrt werden, weil es die
Medikamentenwirkung ungünstig beeinflusst.
Das Essen von Süßigkeiten stellt kein Problem dar, weil es bedingt durch Überbewegungen
(Dyskinesien) zu einem erhöhten Energiebedarf kommen kann. Wer meint, sein
Gewichtsproblem dadurch in den Griff zu bekommen, sollte bedenken, dass dabei vorrangig
Muskelmasse abgebaut und Wasser ausgeschieden wird, was sich zwar auf der Waage als
Gewichtsreduktion anzeigt, aber trotzdem kein wünschenswerter Effekt ist.
Anhang:
Guten Appetit bei Morbus Parkinson
Anatomie & Physiologie:
Lippen:
Fühlen
Zähne:
Zerteilen und Zermahlen
Zunge:
Verteilen und Schmecken
Speichel:
Rutschen und Verdauen
Nase:
Riechen
Schlund:
Transport
Cardia:
Säurebarriere
Magen:
Mechanische Zerkleinerung, Vorverdauen mit Lipsin, Trypsin
KEINE RESORPTION !!!
Pylorus:
Hält Nahrung im Magen fest
Duodenum:
Zusatz von Verdauungsenzymen aus Leber, Galle und
Bauchspeicheldrüse
Jejunum:
Aufnahme von Aminosäuren
Ileum:
Aufnahme von Vitamin B12
Dickdarm:
Eindicken des Inhaltes, Wasser- und Elektrolytaufnahme
Stuhlspeicher
Abwehr nach außen
Nahrungsaufnahme dient der Energie- und Rohstoff-Zufuhr
Protein – Kohlenhydrate – Fett
Proteine bestehen aus Aminosäuren, auch Bausteine für Neurotransmitter
Konkurrieren um die Aufnahme aus dem Darm ins Blut. („Geschichte vom 13a“)
Altersveränderungen:
Mangelernährung mit zunehmendem Alter
Energiebedarf sinkt, aber der Nährstoffbedarf bleibt unverändert.
Gestörter Geruchssinn – weniger Lust.
Soziale Ursachen – Einsamkeit („zahlt sich nicht aus für 1, alleine nicht essen)
Physiologie von Geschmacks- und Geruchssinn
„Schmecken“ besteht aus
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
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Geschmacksinn
Geruchsinn
Tastsinn
Sehsinn
Hörsinn
Geruch:
Für jedes Geruchsmolekül gibt es nur 2 Zellen, die spezifisch darauf reagiern und rasch
adaptieren.
Warnsystem vor Rauch, Gasen, Giften.
Pherormonsystem beeinflusst die Sozialkontakte und die Partnerwahl, Mu-Ki – Beziehung
Geschmack:
Durch die gustatorische Wahrnehmung prüfen wir, ob unsere Nahrung
unverdauliche oder giftige Stoffe enthält. Vor allem bittere Stoffe sind oft toxisch.
Daraufhin Freisetzung der Verdauungssäfte entsprechend der Nahrung (MB zb Eiweiß
zuerst...). „Wasser rinnt einem im Mund zusammen“.
Süß-sauer-salzig-bitter
Umami („köstlich“) Glutamat
Fett
Calzium
Sinnesbeeinträchtigung im Alter:
* Um- und Abbauvorgänge in Sinneszellen und -leitungen
* Erinnerungsvermögen
* stattgehabte Erkrankungen der Mund und Nasenhöhle
* Zahnersatz
* Erkrankungen
- Parkinson
- Alzheimer
* Medikamente
- Protonenpumpenhemmer (Magenschutz)
- Metoclopamid (Paspertin)
- Glutamat (Mg. Verla)
- Aspartam (Cal-D-Vita)
Schluckakt und Verdauungsmotorik:
Weitertransport der Nahrungsmittel durch geordnetes (!) zusammenziehen der
Ringmuskulatur .
Durch Verlangsamung Verzögerungen, das führt zu



langsamerem Transport zum Ort der Wirkung – no ON, delayed ON
verlängertes Verweilen im Darmtrakt - Appetitstörung
genug Zeit um einzudicken - Verstopfung
Begriffserklärung:
Aminosäuren: Eiweißgrundbestandteile
Cardia: Mageneingang
Duodenum:
Zwölf-Finger-Darm
Gustatorisch:
geschmacklich
Ileum:
Erster Abschnitt des Dünndarms
Jejunum:
Zweiter Abschnitt des Dünndarms
Pylorus Magenausgangsschließmuskel
Pherormon:
Abgesonderte „Geruchsstoffe“
die (soziales) Verhalten von Artgenossen steuern
Resorption:
Aufnahme aus dem Darmtrakt in den Körper
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