Symbiose mit drei Partnern

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Seite aus: Natura aktuell 6, ISBN: 3-12-043493-00
Autor: Dr. Irmtraud Beyer
Grafiken: Jörg Mair, Herrsching
www.klett-verlag.de
Symbiose mit drei Partner: Schwefelbakterien und Meereswurm
Bekannte Symbiosen
Fotosynthetisch aktive
Algen in riffbildenden
Korallen
Anemonen und Anemonenfisch (Fisch
putzt und vertreibt
Feinde, Anemone
bietet Schutz)
Pistolenkrebs und
Wächtergrundel (blinder Krebs baut Wohnröhre, Fisch schützt
vor Feinden)
Putzsymbiosen (Lippfisch, Schiffshalter,
Lotsenfische oder
Garnelen sammeln
Parasiten ab)
Quallen oder Seeigel
beherbergen Fische,
die ihren Gastgebern
aber nicht von Nutzen
sind (Übergang zur
Einseitigkeit)
Einsiedlerkrebs und
Seeanemone oder
Krabben und Mangrovenquallen (Krebs wird
durch Nesseltier geschützt, das Vorteile
durch Standortwechsel
und Nahrung hat)
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Klassenstufe: 11 – 13
Schwerpunkt: Ökologie (Stoffwechsel)
Voraussetzungen: Fotosynthese, Zellatmung, interspezifische Wechselbeziehungen,
Nischenbegriff
Sachinformation
Symbiose gilt als Motor der Evolution. Der Begriff
wurde 1878 von HEINRICH DE BARY (1831–1888),
einem deutschen Arzt und Botaniker, für jegliches
„Zusammenleben artverschiedener Organismen“
(einschließlich des Parasitismus) geprägt. Er untersuchte vorwiegend Pilze, Algen und Flechten.
Führender Symbioseforscher war aber PAUL
BUCHNER (1886–1978). Der Zoologe und Cytologe prägte die Bezeichnung „Endosymbiose“.
Dieser Begriff bekam später mit der Endosymbiontentheorie zur Entstehung der Eukaryoten
eine besondere Bedeutung. Die verschiedenen
Symbioseformen zeigen ein sehr breites Spektrum, das von wechselseitiger und fast vollständiger Abhängigkeit (Symbiose im engeren Sinn) bis
zum „kontrollierten Parasitismus“ reicht.
Die neu entdeckte, ungewöhnliche Dreier-Symbiose von Schwefelbakterien mit Olavius algarvensis, einem marinen, regenwurmähnlichen
Oligochäten, ist ein Beispiel für eine ungeheure
Vielfalt bakterieller Symbiosen. Der Wurm besitzt
weder Mund noch Darm. Seine Verwandten findet
man gewöhnlich in Meeressedimenten, die Sulfid
enthalten. Sie leben mit Schwefelbakterien in
Symbiose, die dieses Sulfid oxidieren. Dabei wird
CO2 in organische Verbindungen überführt, die
dem darmlosen Wurm zugute kommen. Olavius
algarvensis wurde dagegen im Mittelmeer in weitgehend sulfidfreien Sedimenten gefunden. Die
Symbiose mit Sulfid oxidierenden und zusätzlich
mit Sulfat reduzierenden Bakterien, die direkt
unter seiner Haut sitzen, ermöglicht ihm dort das
Überleben.
Didaktisch-methodische Hinweise
Nähere Informationen zu molekularbiologischen
Methoden unter http://www.mpi-bremen.de. Das
Arbeitsblatt kann auch im Kurs Evolution zum
Thema „Endosymbiontentheorie“ genutzt werden.
Ein Vergleich der beiden Bakteriengruppen mit
Mitochondrien und Chloroplasten bietet sich an.
nachbarten Sulfid oxidierenden Symbionten
aufgenommen wird. Diese verwandeln H2S
z. B. in Sulfat und fixieren CO2 in organischen
Verbindungen, die sie an den Wurm weitergeben. Der interne Schwefelkreislauf im
Wurm kann aber nur aufrecht erhalten werden, wenn Energie von außen – etwa in Form
organischer Kohlenstoffverbindungen – aufgenommen wird. Diese kommen z. B. im Meeresboden in löslicher Form vor. Denkbar ist
auch eine Art symbiontisches Recycling,
d. h. der Sulfatreduzierer verwendet Abfallprodukte vom Wirt.
4. Die Sulfidoxidierer führen eine fotosyntheseähnliche Fixierung von CO2 durch, während
der Sulfatreduzierer eine anaerobe „Zellatmung“ betreibt. Anmerkung: Die Identität der
Sulfat reduzierenden Bakterien scheint noch
nicht vollständig geklärt zu sein. Sollten sie
autotroph arbeiten, wäre auch Wasserstoff als
Energiequelle von außen denkbar. Dann entfällt der Vergleich mit der Zellatmung.
5. Dem Wurm ist es mithilfe seiner Symbionten
möglich, in einer Umgebung zu leben, die
kaum H2S und sehr wenig oder keinen Sauerstoff enthält. Durch den zyklischen Austausch
von Stoffwechselprodukten wird Energie gewonnen, die dem Wirt zugute kommt. Außerdem werden Abfallprodukte des anaeroben
Stoffwechsels durch das symbiontische Recycling wiederverwertet.
Sulfatreduzierer – Sulfidoxidierer
Die „Sulfatatmung“ ist ein dissimilatorischer Stoffwechselvorgang unter anaeroben Bedingungen,
bei dem Wasserstoff aus organischen H-Donatoren unter Energiegewinn auf Sulfat übertragen
wird. Dabei entsteht Schwefelwasserstoff. Bakterien im Faulschlamm, in stark verunreinigten
Gewässern oder im Pansen der Wiederkäuer
„atmen“ auf diese Weise. Die Sulfidoxidierer
gewinnen dagegen ihre Energie aus der Oxidation von Schwefelwasserstoff. Einige Schwefelbakterien (z. B. Beggiatoa) sind dabei auf die Anwesenheit von Luftsauerstoff angewiesen, manche
sind grün (z. B. Chlorobacterium) oder rot (z. B.
Thiocapsa) und benötigen Licht. Chemosynthetisch aktive Bakterien, die kein Licht benötigen,
wurden vor etwa 20 Jahren an hydrothermalen
Quellen in der Tiefsee entdeckt und kommen
auch in Muscheln und Schnecken als Symbionten
vor. Die Bakteriengruppe verwendet das H2S als
Wasserstoffdonator in einem fotosyntheseähnlichen Prozess.
Arbeitsblatt Seite 21
1. Die Besonderheit ist, dass hier drei Partner
eine Symbiose im engeren Sinne eingegangen sind.
2. Die bekannten Verwandten des Wurms leben
indirekt vom Sulfid. Man konnte sich zunächst
nicht erklären, wie sich der ebenfalls darmlose
Olavius algarvensis ernährt.
3. Die Sulfat reduzierenden Bakterien produzieren Schwefelwasserstoff, der von den eng be
Literaturhinweise
DUBILIER, N. et al.: Endosymbiotic sulphate-reducing and sulphide-oxidizing bacteria in an oligochaete worm. Nature 411, S. 298–
302(2001)
Schaefr, M., Tischler, W.: Ökologie, G. Fischer
Verlag, Stuttgart 1983
© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2003. Von dieser editierbaren Druckvorlage ist die Vervielfältigung und Veränderung für den eigenen
Unterrichtsgebrauch gestattet. Für Veränderungen durch Dritte übernimmt der Verlag keine Verantwortung.
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Seite aus: Natura aktuell 6, ISBN: 3-12-043493-0
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Grafiken: Jörg Mair, Herrsching
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Symbiose zu Dritt
Eine Symbiose mit drei Partnern wurde bisher aus verschiedenen Gründen für wenig wahrscheinlich gehalten. Man
war der Meinung, dass u. a. „Konkurrenzkämpfe“ um Ressourcen wie Raum und Nahrung die Gemeinschaft belasten würden. Das jetzt entdeckte Zusammenleben zweier Bakterienarten in einem marinen Wurm – zum gegenseitigen Nutzen aller drei Partner – widerspricht dieser Auffassung.
Die Partner
– Bestimmte Schwefelbakterien, so genannte Sulfatreduzierer:
Sie können anaerob organische Substrate abbauen. Dabei dient Sulfat als Elektronenakzeptor und es entsteht
H2S („Sulfatatmung“).
– Chemosynthetisch aktive Schwefelbakterien (Sulfidoxidierer):
Sie decken ihren Energiebedarf, indem sie H2S (Schwefelwasserstoff, Sulfid) oxidieren. Die Summengleichung
entspricht der Fotosynthese-Grundgleichung: 6 CO2 + 12 H2S  C6H12O6+ 6 H2O + 12 S (Sulfid ist für die meisten Tiere giftig.)
– Der regenwurmähnliche Oligochät Olavius algarvensis:
Er besitzt weder Mund noch Darm, ist 1 bis 2 cm lang und 0,2 mm im Durchmesser. Verwandte dieser Würmer
findet man gewöhnlich in Meeressedimenten, die Sulfid enthalten. Sie leben in Symbiose mit Sulfid oxidierenden Bakterien. Olavius algarvensis wurde an der Küste Elbas in Sedimenten in acht bis zehn Metern Wassertiefe entdeckt. In seiner Umgebung konnte kein Schwefelwasserstoff nachgewiesen werden!
Die Beziehung
organische Kohlenstoffverbindungen
CO2
O2
Sulfatreduzierer
?
Sred
Succinat
Fettsäuren
?
Meereswurm
organische
Kohlenstoffverbindungen
Sulfidoxidierer
Unter der Haut des Wurmes leben Schwefelbakterien. Verabreicht man ihm radioaktives Sulfat, so lässt sich eine Sulfidanreicherung beobachten, jedoch nur bei
geringer Sauerstoffkonzentration.
Aufgaben
1. Als Symbiose bezeichnet man ein Zusammenleben verschiedener Organismen zum gegenseitigen Nutzen.
Erläutern Sie die Besonderheit des vorliegenden Beispiels.
2. Die Beobachtung, dass Olavius algarvensis in weitgehend sulfidfreier Umgebung lebt, überraschte die Forscher. Wieso?
3. Die Beziehung der beiden Bakterienarten untereinander und zum Wurm ist nicht vollständig dargestellt. Ermitteln Sie, welche Substanzen jeweils umgesetzt und weitergegeben werden.
4. Welcher der genannten Stoffwechselvorgänge ähnelt der bekannten Fotosynthese und welcher der Zellatmung? Begründen Sie Ihre Zuordnung.
5. Welche ökologische Nische kann der beschriebene marine Verwandte des Regenwurms mithilfe dieser Symbiose besetzen?
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