Aktienrecht Zusammenfassung A. B. Legaldefinition und Merkmale der Aktiengesellschaft 1 I. II. III. IV. 1 1 1 2 Legaldefinition Merkmale Besondere Erscheinungsformen und Durchgriff Europäische Aktiengesellschaft Gründung und Statuten 2 I. II. III. Gründungsphasen Gründungsmitglieder Statuten 2 2 3 1. Absolut notwendiger Statuteninhalt 3 a. b. c. d. 3 3 4 4 2. 3. 4. IV. 4 5 5 5 1. Zeichnung und Liberierung 5 a. b. 5 6 5. Zeichnung der Aktien Liberierung des Aktienkapital Bestellung der Organe Errichtungsakt Qualifizierte Gründung 6 6 7 a. b. c. d. e. 7 7 7 8 8 Gründungsbericht Sacheinlagegründung Sachübernahmegründung Besondere Vorteile Verrechnung Zweigniederlassung 8 Entstehung der Aktiengesellschaft 8 1. Anmeldung und Eintragung im Handelsregister 8 a. b. c. 8 9 9 2. C. Bedingt notwendiger Statuteninhalt Fakultativer Statuteninhalt Statutenänderung Errichtung 2. 3. 4. V. Firma (Art. 626 Ziff. 1 OR) Sitz (Art. 626 Ziff. 2) Zweck (Art. 626 Ziff. 2) Weiterer absolut notwendiger Statuteninhalt Funktion und Wirkung des Eintrags Anmeldung Prüfung durch den Registerführer und Einspruchverfahren Sonderprobleme bei der Entstehung der AG 10 Aktienkapital und Aktien 10 I. Aktienkapital 10 1. 2. Aktienkapital als Nennkapital Schutz des Aktienkapitals 10 11 a. 11 Zeichnung und Liberierung b. c. 3. II. 2. 3. 12 a. b. 12 12 Ausgestaltung Schutzrechte 13 Funktion der Aktie 13 a. b. c. d. 13 13 13 13 Aktie als Kapitalanteil Aktie als Mitgliedschaftstitel Unverbriefte Aktien Abgrenzungen Arten von Aktien 14 a. b. c. d. e. 14 14 14 14 15 Inhaber- und Namenaktien Aktienzertifikate Umwandlung von Aktien Stimmrechtsaktien Vorzugsaktien Vinkulierung 15 a. b. c. 16 17 18 Vinkulierung bei börsenkotierten Gesellschaften Vinkulierung bei nicht börsenkotierten Gesellschaften Besondere Vinkulierungssachverhalte 18 1. Ordentliche und genehmigte Kapitalerhöhung 18 a. b. c. 18 19 20 3. D. Partizipationskapital Aktienkapitalerhöhung 2. IV. 11 11 Aktien 1. III. Ausschüttungsverbot Eigene Aktien Allgemein Ordentliche Kapitalerhöhung Genehmigte Kapitalerhöhung Bedingte Kapitalerhöhung 21 a. b. c. 21 21 22 Wirtschaftliche Bedeutung Statutarische Grundlage Ausübung der Wandel- und Optionsrechte Das Bezugsrecht 22 a. b. 22 23 Wirtschaftliche Bedeutung Beschränkungen des Bezugsrechts Kapitalherabsetzung 23 1. 2. 3. 4. 23 24 24 25 Wirtschaftliche Bedeutung Konstitutive Kapitalherabsetzung Deklaratorische Kapitalherabsetzung Kapitalherabsetzung mit gleichzeitiger Wiedererhöhung Organe der AG 25 I. Organbegriff 25 1. 2. 3. 4. 5. Gesetzlich vorgeschriebene und fakultative Organe Formelle und materielle (faktische) Organe Verpflichtung der AG durch Handeln der Organe Verantwortlichkeit der Organe gegenüber der AG Abgrenzung der Organe 25 25 25 25 26 a. b. 26 26 II. Gegenüber Vertretern Gegenüber Hilfspersonen Generalversammlung 26 1. 2. Die Stellung der Generalversammlung Befugnisse der GV 26 26 a. 26 Unübertragbare Befugnisse II b. c. 3. 4. III. 28 28 Durchführung der Generalversammlung 28 a. b. c. d. e. f. g. h. i. j. 28 29 29 30 30 30 30 31 32 33 Arten von Generalversammlungen Einberufung der Generalversammlung Traktandierung Auflage des Geschäfts- und Revisionsberichtes Rechte der Partizipanten Einladung der Revisionsstelle und der Konzernrechnungsprüfer Zulassungsprüfung Vertretung des Aktionärs Leitung und Protokoll Beschlussfassung und Wahlen Sonderversammlungen 34 Verwaltungsrat 34 1. Zugehörigkeit zum Verwaltungsrat 34 a. b. c. d. e. 34 35 35 36 2. 3. 4. 5. IV. Weitere Befugnis Konsultativabstimmungen Wahl, Voraussetzungen für Wählbarkeit und Amtsantritt Vertretung von Akteinkategorien, Aktionärsgruppen und Partizipanten Amtsdauer Entschädigung Entzug oder Beschränkung der Vertretungsbefugnis, Entzug der Vertretungsmach, Einstellung in der Funktion, Abberufung oder Rücktritt 36 Organisation und Arbeitsweise des Verwaltungsrats 36 a. b. c. d. e. 36 37 37 37 37 Organisation Einberufung Beschlüsse Protokoll Auskunfts- und Einsichtsrecht Aufgaben des Verwaltungsrates 38 a. b. c. d. 38 38 38 39 Exklusivorgan mit Subsidiärkompetenz Geschäftsführung Vertretung Unübertragbare und unentziehbare Aufgaben Pflichten des Verwaltungsrates 40 a. b. c. Sorgfaltspflicht Treuepflicht Gleichbehandlungspflicht 40 40 41 Kapitalverlust und Überschuldung 41 a. b. c. 41 41 42 Begriffe Kapitalverlust Überschuldung Revisionsstelle 43 1. Wahl, Rücktritt und Abberufung 43 a. b. c. d. 43 43 43 43 2. 3. Wahl und Amtsdauer Abberufung Rücktritt Richterliche Behebung einer Vakanz Gesetzliche Anforderungen an Revisoren 43 a. b. c. d. 43 43 44 44 Wohnsitz bzw. Sitz Allgemeine Befähigung Besondere Befähigung Unabhängigkeit Aufgaben der Revisionsstelle 45 a. b. 45 45 Allgemeine Prüfung nach Gesetz Spezielle Prüfung nach Gesetz III c. d. E. 46 46 Rechtstellung des Aktionärs 46 I. Grundsätze der aktienrechtlichen Mitgliedschaft 46 1. 2. 3. 4. 5. 6. 46 46 46 46 47 47 II. III. 47 1. Individual- und Minderheitenschutz 47 a. b. c. d. 47 47 47 48 Vom Grundsatz der Kapitalherrschaft abweichende Aktionärsrechte 48 a. b. c. 48 48 48 Stimmrechtsaktien Statutarische Stimmrechtsbeschränkungen Vorzugsaktien 48 1. Vermögensmässige Rechte des Aktionärs 48 a. b. 48 49 3. VI. Aktienrechtliche Grundprinzipien Unentziehbare Rechte Qualifizierte Beschlussquoren Von einer Aktionärsminderheit durchsetzbare Rechte Rechte des Aktionärs 2. IV. V. Kapitalbezogenheit Anonymität Gleichbehandlungsprinzip Sachlichkeitsgebot Pflicht der schonenden Rechtsausübung Rechtsmissbrauchsverbot Schranken der Kapitalherrschaft und des Mehrheitsprinzips 2. Recht auf Dividende (Recht auf Anteil am Bilanzgewinn) Weitere vermögenmässige Rechte Nicht-vermögensmässige Rechte des Aktionärs 49 a. b. c. 49 51 53 Mitwirkungsrechte Informations- und Kontrollrechte Klagerechte Rechte auf Beibehaltung der Beteiligungsquote 53 Pflichten des Aktionärs Aktionärbindungsverträge 53 53 1. 2. 53 53 Begriff und rechtliche Qualifikation Wirkung Erwerb, Verlust und Übertragung der Mitgliedschaft 54 1. 2. Erwerb Übertragung 54 54 a. b. c. 54 54 54 3. F. Weitere gesetzliche Aufgaben Aufgaben gemäss Statuten oder Generalversammlungsbeschluss Inhaberaktien Namenaktien Rektaakiten Verlust 54 a. b. c. 54 54 55 Kaduzierung Aberkennung Weitere Ausschlussgründe oder Austrittsrechte Rechtsschutz und Verantwortlichkeit 55 I. Rechtsschutz 55 1. Klage auf Feststellung der Nichtigkeit 55 a. b. c. 55 55 55 Grundprinzip Aktiv- und Passivlegitimation Nichtigkeitsgründe IV d. 2. 3. II. 56 Anfechtungsklage 56 a. b. c. d. 56 56 57 57 Grundprinzip Aktiv- und Passivlegitimation Anfechtungsgründe Fristen, Kosten und Wirkung Auflösungsklagen 57 a. b. c. 57 58 58 Mangelhafte Gründung Fehlende Organe oder Aktionäre Auflösung aus wichtigem Grund Verantwortlichkeit 58 1. Prospekthaftung 58 a. b. c. 58 58 58 2. 3. 4. 5. G. Fristen, Kosten und Wirkung Anknüpfungspunkt Aktiv- und Passivlegitimation Haftungsvoraussetzungen Gründungshaftung 59 a. b. c. 59 59 59 Anknüpfungspunkt Aktiv- und Passivlegitimation Haftungsvoraussetzungen Organhaftung 59 a. b. c. 59 60 60 Anknüpfungspunkt Aktiv- und Passivlegitimation Haftungsvoraussetzungen Revisionshaftung 61 a. b. c. 61 61 61 Anknüpfungspunkt Aktiv- und Passivlegitimation Haftungsvoraussetzungen Durchsetzung von Verantwortlichkeitsansprüchen 61 a. b. c. d. e. f. 61 62 62 62 63 63 Unmittelbarer und mittelbarer Schaden Wirkung der Décharge-Erteilung Verjährung Durchsetzung von Ansprüchen Solidarität und Rückgriff Kostenfolgen und Gerichtsstand Auflösung und Liquidation 63 I. Auflösung 63 1. 2. Allgemeines Auflösungsgründe 63 63 a. b. c. d. 63 63 64 64 3. II. Auflösungsbeschluss Statutarische Auflösungsgründe Konkurseröffnung Übrige Auflösungsgründe Auflösung aus wichtigen Gründen 64 a. b. c. 64 64 65 Klage Wichtige Gründe Richterliche Entscheidung Liquidation 65 1. 2. Wesen und Zweck Ablauf 65 65 a. b. c. 65 65 66 3. Ernennung der Liquidatoren Verwertung der Aktiven und Begleichung der Schulden Verteilung des Liquidationsergebnisses Schutz der Gläubiger 66 V a. b. Schuldenruf Stille Liquidation 66 66 VI A. Legaldefinition und Merkmale der Aktiengesellschaft I. Legaldefinition Art. 620 Abs. 1 OR definiert die Aktiengesellschaft (AG) als „Gesellschaft mit eigener Firma, deren zum voraus bestimmtes Kapital (Aktienkapital) in Teilsummen (Aktien) zerlegt ist und für deren Verbindlichkeiten nur das Gesellschaftsvermögen haftet.“ II. Merkmale III. Die Aktiengesellschaft ist eine körperschaftliche Organisation (Art. 52 ZGB) und eine juristische Person. Daraus ergeht, dass die Aktiengesellschaft eigene Rechtspersönlichkeit und eine eigene Firma hat. Die AG kann, unabhängig von ihren Mitgliedern, Trägerin von Rechten und Pflichten sein (Art. 53 ZGB). Sie ist rechts- und handlungsfähig (Art. 54 ZGB). Die AG kann in eigenem Namen, durch ihre Organe, handeln (Art. 55 Abs. 1 ZGB). Diese verpflichten die AG sowohl durch Rechtsgeschäft als auch durch unerlaubte Handlung oder anderes Verhalten (Art. 55 Abs. 2 ZGB). Die AG kann betreiben sowie betrieben werden und klagen sowie beklagt werden. Die AG hat einen eigenen Sitz. Die AG ist auch gegen innen verselbständigt. Sie alleine ist am Gesellschaftsvermögen berechtigt. Gegenüber den Gläubigern haftet nur das Gesellschaftsvermögen. Die Persönlichkeit der Mitglieder (Aktionäre) ist nicht von Bedeutung (société anonyme). Der Aktionär darf keine weitere Pflicht als die Einzahlung seiner Aktien haben (Art. 680 Abs. 1 OR). Seine Einlage darf ihm nicht zurück bezahlt werden (Art. 680 Abs. 2 OR). Des weiteren ist die persönliche Haftung ausgeschlossen (Art. 620 Abs. 2 OR) Das Stimmrecht wird grundsätzlich nach dem Nominalwert der Beteiligungen ausgeübt, die Vermögensrechte werden nach dem Nominalwert der Beteiligung bemessen. Die Mitglieder der AG sind nicht zugleich Organe dieser, es gilt das Prinzip der Drittorganschaft. Die Mitgliedschaft kann nur bei der Gründung oder der Kapitalerhöhung originär erworben werden, danach kann die Mitgliedschaft nur noch durch Übertragung von Aktien von bisherigen Mitgliedern auf neue übertragen werden. Der Erwerb einer Aktie erfolgt derivativ. Das Aktienkapital ist grundsätzlich konstant. Es kann nur so viele Mitglieder geben, wie Aktien vorhanden sind. Die Aktiengesellschaft kann sowohl wirtschaftliche als auch ideelle Zwecke verfolgen (Art. 620 Abs. 3 OR). Besondere Erscheinungsformen und Durchgriff Nach Art. 625 Abs. 1 OR sind für die Gründung der AG mindestens drei Mitglieder notwendig. Diese Zahl kann in der Folge auf bis ein Mitglied sinken. Dies wird vom Gesetz geduldet (Art. 625 Abs. 2 OR). Somit ist die Einmann-AG möglich und kommt in der Praxis recht oft vor. 1 Unter einem Konzern versteht man die Zusammenfassung mehrerer Gesellschaften unter einheitlicher wirtschaftlicher Führung. Die Muttergesellschaft ist durch an den Tochtergesellschaften beteiligt. Diese Beteiligung kann bis zu 100% ausmachen, dadurch bestehen auch hier „Einmann-AGs“. Wird die Eigenständigkeit der AG rechtsmissbräuchlich geltend gemacht, kann durch die AG auf das Privatvermögen des einzelnen Aktionärs bzw. durch die Tochter auf die Mutter oder umgekehrt hindurch gegriffen werden (Art. 2 Abs. 2 ZGB). Dies ist insbesondere dann der Fall wenn Gläubigerinteressen geschädigt sind. Die Aktionäre oder die Gesellschaft kann sich nicht auf den Durchgriff berufen. IV. Europäische Aktiengesellschaft Mit der Societas Europaea (SE) soll europäischen Unternehmen die Möglichkeit geboten werden, eine supranationale Gesellschaftsform zu wählen. Der rechtliche Rahmen der Europäischen AG soll dem wirtschaftlichen Rahmen des europäischen Binnenmarkt entsprechen. Die europäische Aktiengesellschaft soll eine eigene Rechtspersönlichkeit haben und die Erlangung der Mitgliedschaft soll nach dem nationalen Recht des Staates erfolgen in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. Die SE kann neu gegründet werden oder bestehende AG können in SE umgewandelt werden. Das Mindestkapital der SE soll 150'000 Euro betragen, dieses ist in Aktien zerlegt. Die Organisation der SE soll flexibel sein (Bsp. dualisitisches oder monistisches System möglich). Mindestens einmal jährlich solle eine GV stattfinden. B. Gründung und Statuten I. Gründungsphasen Die Gründung der AG erfolgt in drei Schritten. Im Errichtungsstadium der AG fassen die Gründer den gemeinsamen Willen eine AG zu errichten. Sie legen die Statuten fest, bestellen die Organe, zeichnen die Aktien und leisten die Einlagen (Art. 629 OR). Es besteht noch keine AG sondern eine einfache Gesellschaft. Im Innenverhältnis gilt aber nach Genehmigung der Statuten bereits das Recht der AG. Im Errichtungsakt legen die Gründer in einer öffentlichen Urkunde fest, dass die genannten Voraussetzungen gegeben sind (Art. 629 Abs. 2 und 631 Abs. 1 OR). Danach lassen die Gründer die Aktiengesellschaft ins Handelsregister eintragen. Die AG entsteht erst durch Eintrag ins HR (Art. 643 Abs. 1 OR). II. Gründungsmitglieder Art. 625 Abs. 1 OR bestimmt, dass die Aktiengesellschaft bei der Gründung mindestens so viele Mitglieder zählen muss, wie nach den Statuten für die Bestellung der Organe notwendig ist, mindestens sind drei Mitglieder erforderlich. Wenn die Statuten z. B. bestimmten, dass der Verwaltungsrat fünf Mitglieder zählt, sind fünf Mitglieder erforderlich. Als Gründer kommen natürliche und juristische Personen und Handelsgesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit in Frage. Die Anzahl an Personen bemisst sich nach rein formal juristischen Gesichtspunkten. Der Strohmann, der seine Beteiligung sofort nach der Gründung wieder veräussert, gilt ebenso als Gründer wie der eventuelle spätere Alleinaktionär. Die sog. Einmann-AG wird vom OR geduldet. Der Richter kann eine solche Gesellschaft aber auf Begehren eines Aktionärs oder Gläubigers auflösen (Art. 625 Abs. 2 OR). 2 III. Statuten 1. Absolut notwendiger Statuteninhalt Die Statuten müssen über die in Art. 626 OR genannten Gegenstände zwingend Angaben enthalten. Die Aufzählung in Art. 626 OR ist abschliessend. Fehlen Angaben zu diesen Gegenständen, kann die AG nicht ins HR eingetragen werden (Art. 940 Abs. 2 OR und Art. 21 Abs. 2 HRegV). a. Firma (Art. 626 Ziff. 1 OR) Die Firma ist der Name der AG. Die Firma dient der Individualisierung der AG. Diese hat ihre Firma einheitlich zu verwenden. Die Firma kann unter den Grundsätzen des Wahrheitsgebotes und des Täuschungsverbotes sowie der Unterscheidbarkeit gegenüber bestehenden Firmen frei gewählt werden (Art. 950 Abs. 1 OR). Zulässig sind Personennamen, Sach- und Phantasiebezeichnungen. Werden Personennamen verwendet, müssen die entsprechenden Personen einen Bezug zur AG haben, zudem muss die Firma mit einem entsprechenden Zusatz („AG“) enthalten (Art. 950 Abs. 2 OR). Reine Sachbezeichnungen sind nicht zulässig (Bsp. Automobil AG). Darüber hinaus kann die AG eine Sachbezeichnung in ihre Firma einfliessen lassen (Bsp. Müller Auto AG). Folgende Punkte müssen bei der Firmenbildung beachtet werden: Die Firma muss wahr sein und darf beim durchschnittlichen Leser zu keinen Täuschungen Anlass geben (Art. 944 Abs. 1 OR). Der Zweck der Firma darf nicht einzig in ihrer Reklamewirkung liegen (Art. 44 HRegV). Nationale, territoriale und regionale Bezeichnungen sind nur mit besonderer Bewilligung zulässig (Art. 46 Abs. 3 HRegV). Die Firma muss deutlich unterscheidbar sein und zwar von jeder in der Schweiz bereits eingetragenen Firma (Art. 951 Abs. 2 OR). Die deutliche Unterscheidbarkeit fehlt nicht nur bei genau gleich lautender Firma sondern auch bei Ähnlichkeit zweier Firmen. Dabei wird auf die abstrakte Verwechselungsgefahr und den Gesamteindruck abgestellt. b. Sitz (Art. 626 Ziff. 2) Wie der Wohnsitz der natürlichen Person ist der Sitz der AG Anknüpfungspunkt für die Rechtsverhältnisse der AG. Die AG kann ihren Sitz innerhalb der Schweiz frei wählen (Art. 56 ZGB). Es spielt, vorbehältlich des Rechtsmissbrauchs, keine Rolle, ob die AG auch tatsächlich am eingetragenen Sitz tätig ist. Auch sind sog. Briefkastengesellschaften möglich, wenn ein Geschäftslokal fehlt (Art. 43 Abs. 1 HRegV). Der Sitz ist aber fix. Die AG kann ihren Sitz nur durch Statutenänderung wechseln. Am Sitz knüpfen sich insbesondere folgende Rechtsfolgen an: Der Sitz ist Eintragungsort der AG (Art. 640 Abs. 1 OR). Am Sitz befindet sich der allgemeine Gerichtstand für Klagen gegen die Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 lit. b GestG). Der Sitz ist allgemeiner Betreibungsort (Art. 46 SchKG). Der Sitz ist grundsätzlich Erfüllungsort (Art. 74 OR) Nach IPRG ist das Recht nachdem die AG organisiert ist massgebend (Art. 154 Abs. 1 IPRG), was i. d. R. das Recht des Sitzes ist. Nach Völkerrecht bestimmt sich die Nationalität der AG durch die Nationalität der Rechtsubjekte, die die Kontrolle über die AG haben (Kontrollprinzip). Für die Besteuerung ist neben dem Sitz der Ort der tatsächlichen Betätigung ebenfalls massgebend. 3 Vom Sitz zu unterscheiden sind die Geschäftsniederlassung (Ort an dem die Gesellschaft tatsächlich tätig ist), das Geschäftslokal (Art. 42 Abs. 2 HRegV) und die Zweigniederlassung (Art. 642 OR). c. Zweck (Art. 626 Ziff. 2) Der Zweck enthält eine Umschreibung die im weitesten Sinne angibt, wie die AG ihren Endzweck (i. d. R. das Erzielen von Gewinnen) zu erreichen gedenkt. Auf die einzelnen Tätigkeiten muss dabei nicht eingegangen werden. An die Konkretisierung des Zwecks werden keine hohen Anforderungen gestellt, die AG kann zwar den Zweck eng umschreiben, muss dies aber nicht. Eine AG kann grundsätzlich zu jedem Zweck gegründet werden, der zulässig und möglich ist. Am Zweck bestimmt sich: die Vertretungsmacht der für die AG Handelnden. die inneren Rechte und Pflichten und die Verantwortlichkeit der Organe. die Anfechtbarkeit von GV-Beschlüssen bei Zweckswidrigkeit. die Auflösung bei anhaltender zweckswidriger Tätigkeit. die Ablehnung von Aktienerwerbern bei nicht kotierten Gesellschaften. d. Weiterer absolut notwendiger Statuteninhalt Weiter müssen die Statuten zwingend Angaben enthalten, über: das Aktienkapital und die Aktien (Art. 626 Ziff. 3 und 4 OR) die Einberufung der GV (Art. 626 Ziff. 5 OR) das Stimmrecht der Aktionäre (Art. 626 Ziff. 5 OR) die Organe der Verwaltung und der Revision (Art. 626 Ziff. 6 OR) die Bekanntmachungen der Gesellschaft indem die Statuten das Publikationsorgan (z. B. Schweizerisches Handelsamtsblatt SHAB, eingeschriebener Brief) welches für Mitteilungen der Gesellschaft an die Aktionäre vorgesehen ist. Des weiteren muss die Form der Mitteilung in den Statuten enthalten sein (Art. 626 Ziff. 7 OR). 2. Bedingt notwendiger Statuteninhalt Art. 627 OR nennt den bedingt notwendigen Statuteninhalt. Diese Bestimmungen müssen in den Statuten aufgeführt sein, will von der dispositiven gesetzlichen Regelungen abgewichen werden. Werden solche Abweichungen an einem anderen Ort aufgeführt, entfalten sie keine Wirkung. Die Aufzählung von Art. 627 OR ist nicht abschliessend. Ziff. 1: Beschlussfassung der GV, vgl. Art. 703 ff. OR Ziff. 2 und 3: Tantiemen (Vergütungen an den VR aus dem Bilanzgewinn) und Bauzinsen (Ausschüttungen an die Aktionäre während der Gründungsphase), vgl. Art. 677 OR und Art. 676 Abs. 1 OR Ziff. 4: Dauer der Gesellschaft bei deren Beschränkung Ziff. 5: Konventionalstrafe bei nicht rechtzeitiger Liberierung der Aktien, vgl. Art. 681 Abs. 3 OR Ziff. 6: Genehmigte und bedingte Kapitalerhöhung, vgl. Art. 651 ff OR und Art. 653 ff. OR Ziff. 7: Umwandlung von Namen- in Inhaberaktien Ziff. 8: Vinkulierung von Namenaktien, vgl. Art. 685a OR Ziff. 9: Ausgabe von Vorzugsaktien (vgl. Art. 654 ff. OR), Partizipationsscheine (vgl. Art. 656a ff. OR), Genusscheine (vgl. Art. 657 OR) und die Gewährung personenbezogener besonderer Vorteile (vgl. 628 Abs. 3 OR) 4 Ziff. 10: Beschränkung des Stimmrechts für Besitzer mehrerer Aktien (vgl. Art. 692 Abs. 2 Satz 2 OR), Bestimmungen über die Aktionärsvertretung, falls der Vertreter Aktionär sein muss (vgl. Art. 689 Abs. 2 OR) Ziff. 11: Weitere Quoren als die in Art. 704 OR genannten können erhöht werden, die Quoren von Art. 704 OR können verschärft, jedoch nicht herabgesetzt werden. Der Stichentscheid des VR-Präsidenten bedarf einer statutarischen Grundlage Ziff. 12: Übertragung der Geschäftsführung, vgl. Art. 716 Abs. 2 OR Weitere Sachverhalte benötigen eine statutarische Grundlage Sacheinlage, Sachübernahme und besondere Vorteile (Art. 628 OR) Recht der Partizipanten auf Vertretung im VR (Art. 656e) Wahl eines Vertreters jeder Aktionärskategorie in den VR, falls verschiedene Aktionärskategorien bestehen (Art. 709 Abs. 1 OR) Weitere Bestimmungen zum Schutz von Minderheiten (Art. 709 Abs. 2 OR) Recht von öffentlich-rechtlichen Körperschaften auf Vertretung im VR (Art. 762 Abs. 1 OR) Vinkulierungsvorschriften betreffend der Wandel- und Opitonsberechtigen (Art. 653e) Verhältnis der Namen- und Inhaberaktien (Art. 622 Abs. 2 OR) Zuweisung des Bilanzgewinns an die offenen Reserven (Art. 672 OR) Einzelvertretungsbefugnis eines VR-Mitgliedes (Art. 718 Abs. 1 Satz 2 OR) Schiedsgerichts- und Gerichtsstandsklauseln für Organe und Aktionäre (Art. 6 Abs. 2 KSG, Art. 176 ff. IPRG). 3. Fakultativer Statuteninhalt Der fakultative Statuteninhalt besteht aus Bestimmungen, die keine ausdrückliche statutarische Grundlage bedürfen. Diese Bestimmungen könnten auch in anderer Form geregelt sein. 4. Statutenänderung Grundsätzlich ist die GV für die Änderung der Statuten zuständig (Art. 689 Abs. 2 OR). Eine Ausnahme bildet die genehmigte Kapitalerhöhung. Der VR darf hier die Statuen selbständig anpassen, in dem er nach erfolgter AK-Erhöhung das verbleibende genehmigte Kapital in den Statuen anpasst (Art. 651a OR). Die Statutenänderungen sind öffentlich zu beurkunden (Art. 647 Abs. 1 OR) und ins HR einzutragen (Art. 647 Abs. 2 OR). Statutenänderungen werden mit der Eintragung ins HR wirksam (Art. 647 Abs. 3 OR). Entfalten die Änderungen reine Innenwirkung tritt sind sie für die Aktionäre und die Gesellschaft sofort nach Beschlussfassung wirksam. Wirken die Änderungen gegen innen und aussen, entfalten sie ab Eintragung im HR Wirksamkeit (BGE 84 II 34, S. 38 ff.). Bis zum Ablauf der zweimonatigen Anfechtungsfrist (Art. 706a Abs. 1 OR) sind die Statutenänderungen „schwebend wirksam“. IV. Errichtung 1. Zeichnung und Liberierung a. Zeichnung der Aktien Mit der Zeichnung der Aktien verpflichtet sich der zukünftige Aktionär bestimmte Aktiven zu Gunsten der zu gründenden Gesellschaft zu erbringen. Die Zeichnung sämtlicher Aktien stellt eine Gründungsvoraussetzung der AG dar (Art. 629 Abs. 2 OR). Die Zeichnung ist gültig, wenn Anzahl, Nennwert, Art, Kategorie und Ausgabebetrag der Aktien enthalten sind (Art. 630 Abs. 1 OR). Die Aktien müssen mindestens zum 5 Nennwert ausgegeben werden (Art. 624 Abs. 1 OR). Die sog. unter pari Emission ist nicht zulässig. Werden die Aktien über pari ausgegeben, erzielt die Gesellschaft ein Agio. Dieses ist den gesetzlichen Reserven zuzuweisen (Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 OR). b. Liberierung des Aktienkapital Die Liberierung ist die Erfüllung der mit der Zeichnung eingegangenen Verpflichtung. Das Mindestkapital der AG beträgt 100'000 Fr. wovon mindestens 20% des Nennwertes gesamthaft aber mindestens 50'000 Fr. zu liberieren sind (Art. 632 OR). Die Statuen müssen angeben, welcher Teil des AK einbezahlt ist (Art. 626 Ziff. 3 OR). Der VR kann die nachträgliche Liberierung des nicht einbezahlten Nennwertes jederzeit verlangen (Art. 634a Abs. 1 OR). Inhaberaktien müssen immer voll liberiert werden (Art. 683 Abs. 1 OR). Werden nicht voll liberierte Inhaberaktien ausgegeben, sind diese nichtig. Ebenso müssen Stimmrechtsaktien immer voll liberierte Namenaktien sein (Art. 693 Abs. 2 OR). Die Liberierung kann in bar oder per Sacheinlage erfolgen. Die Barliberierung hat in Geld auf ein dem Bankengesetz unterstelltes Institut zu erfolgen (Art. 633 Abs. 1 OR). Die Bank gibt den Betrag nach Eintragung der Gesellschaft ins HR frei (Art. 633 Abs. 2 OR). Der Aktionär kann seine Einlage nicht zurückfordern (Art. 680 Abs. 2 OR). Die Liberierung in Fremdwährung zählt auch als Barliberierung. Die Liberierungspflicht geht auf den Erwerber von nicht voll liberierten Aktien über, sobald dieser im Aktienbuch eingetragen ist (Art. 687 Abs. 1 OR). Der Zeichner der seine nicht voll liberierten Aktien auf einen Erwerber überträgt haftet für den nicht liberierten Teil, wenn die Gesellschaft innert zwei Jahren nach ihrer Eintragung im HR in Konkurs fällt oder der Erwerber der Aktien seiner Rechte aus der Aktie für verlüstig erklärt worden ist (Art. 687 Abs. 2 OR). Die Gesellschaft kann der Übertragung von nicht voll liberierten Aktien die Zustimmung verweigern (Art. 685 OR). Der Aktionär, der seiner Liberierungspflicht nicht nachkommt hat folgende Konsequenzen zu tragen: Leistung von Verzugszinsen (Art. 681 Abs. 1 OR) Der VR kann den Aktionär durch Beschluss seiner aus den Aktien fliessenden Rechte für verlüstig und seine bisher geleisteten Einlagen als verfallen erklären und an Stelle der verfallenen Aktien neue Aktien herausgeben (sog. Kaduzierung Art. 681 Abs. 1 OR und Art. 682 OR). Der Aktionär muss eine Konventionalstrafe bezahlen, sofern dies in den Statuten vorgesehen ist (Art. 681 Abs. 3 OR). Die AG kann ihren Anspruch mittels Leistungsklage durchsetzen. Der Anspruch verjährt nach 10 Jahren (Art. 127 OR). 2. Bestellung der Organe Bei der Gründung sind die Organe VR und Revisionsstelle zu bestellen (Art. 629 Abs. 1 OR). Die GV bildet sich aus allen Aktionären. Die Organe gelten als bestellt, wenn sie gewählt wurden und ihre Wahl angenommen haben. Sind die entsprechenden Organe beim Errichtungsakt nicht anwesend, müssen sie eine Wahlannahmeerklärung unterzeichnen (Art. 78 Abs. 1 lit. c HRegV). 3. Errichtungsakt Die Errichtung der AG erfolgt anlässlich der Gründerversammlung. Die Gründer haben festzustellen, dass sämtliche Aktien gültig gezeichnet sind, die versprochenen Einlagen dem gesamten Ausgabebetrag entsprechen und die gesetzlichen und statutarischen Anforderungen an die Leistung der Einlagen erfüllt sind (Art. 629 Abs. 2 OR). Zudem legen sie der Gründerversammlung Belege über den Entwurf der Statuten, die Wahlannahmeerklärungen der nicht anwesenden VR-Mitgliedern und der Revisionsstelle sowie die Bestätigung der Bank betreffend der geleisteten Einlagen 6 vor (Art. 629 Abs. 1 OR). Die Urkundsperson hat die Belege im Errichtungsakt zu nennen und festzustellen, dass die Belege von den Gründern vorgelegt wurden. 4. Qualifizierte Gründung Bei der qualifizierten Gründung erfolgt die Liberierung nicht in bar sondern per Sacheinlage, Sachübernahme, durch Verrechnung von Forderungen oder durch Einräumung von besonderen Vorteilen. Damit es der AG nicht bereits bei der Gründung an Haftungssubstrat mangelt (z. B. bei Unterbewertung der übernommenen Aktiven), bestehen besondere Sicherheitsvorschriften betreffend der qualifizierten Gründung. a. Gründungsbericht Bei der qualifizierten Gründung haben die Gründer einen Gründungsbericht zu erstellen (Art. 635 OR) Der Gründungsbericht muss Angaben enthalten über: die Art und den Zustand der Sacheinlagen bzw. der zu übernehmenden Sachen und die Angemessenheit deren Bewertung (Art. 635 Ziff. 1 OR). Die Bewertung muss vernünftig und vertretbar sein. Als Richtwert dient der Verkehrsoder Marktwert der Sache. den Bestand und Verrechenbarkeit der zu verrechnenden Schuld (Art. 635 Ziff. 2 OR). Rechenschaft und Begründung von besonderen Vorteilen (Art. 635 Ziff. 3 OR). Der Gründungsbericht muss durch einen Revisor geprüft werden, welcher in einer Prüfungsbestätigung feststellt, dass der Gründungsbericht vollständig und richtig ist (Art. 635a OR) Sacheinlagen gelten nur dann als Deckung, wenn sie auf einem schriftlichen Vertrag bzw. auf einem öffentlich beurkundeten Vertrag bei Grundstücken beruhen (Art. 634 Abs. 1 OR). Diese Vorschrift gilt analog für Sachübernahmen. Die wesentlichen Punkte der qualifizierten Gründung sind in den Statuen zu vermerken (Art. 628 OR). Der Gründungsbericht, der Prüfungsbericht des Revisors und die Sacheinlage- und Sachübernahmeverträge sind der Anmeldung beim HR als Belege anzufügen (Art. 78 Abs. 2 lit. a – c HRegV). b. Sacheinlagegründung Die Sacheinlagegründung liegt vor, wenn die Liberierung der Aktien nicht in bar erfolgt, sondern durch die Übertragung von Vermögenswerten erfolgt. Die Vermögenswerte müssen folgende Voraussetzungen erfüllen: Die Werte müssen übertragbar sein. Die Sacheinlage muss einen wirtschaftlichen Wert aufweisen. Das Vermögensobjekt muss für die Gesellschaft werthaltig sein. Das Vermögensobjekt muss bilanzierbar sein. Die Sacheinlage muss für die Gesellschaft verfügbar sein. Beispiele für zulässige Sacheinlagen sind: Eigentumsrechte an Grundstücken und beweglichen Sachen, obligatorische Rechte sowie Patent-, Lizenz- oder Urheberrechte, nicht in Frage kämen: Know-How, persönliche Arbeitsleistungen oder künftige Forderungen. c. Sachübernahmegründung Eine Sachübernahmegründung liegt vor, wenn die AG sich vor Eintragung ins HR verpflichtet, von Dritten oder Aktionären Vermögenswerte zu übernehmen (Art. 628 Abs. 2 OR). Hier übernimmt die AG die Sachen gegen Geld und nicht gegen Aktien, mit dem Tatbestand der Sachübernahmegründung soll vermieden werden, dass die Vorschriften der Sacheinlagegründung umgangen werden. 7 Die Anforderungen an die zu übernehmende Sache entsprechen den bei der Sacheinlage genannten. Geringfügige Anschaffungen, wie z. B. Büromaterial fallen nicht unter den Tatbestand der Sachübernahmegründung (BGE 83 II 284, S. 289). d. Besondere Vorteile Besondere Vorteile nach Art. 628 Abs. 3 OR können den Gründern oder anderen Personen gewährt werden. Dabei handelt es sich um personenbezogene Vorteile und nicht um Vorteile die mit dem Eigentum an Aktien verbunden sind (z. B. Vorzugsoder Stimmrechtsaktien). Beispiele von besonderen Vorteilen sind etwa die Gewinnbeteiligung, Gebrauchs- oder Nutzungsrechte an Gesellschaftseigentum oder Abnahme- oder Lieferungsverpflichtungen der AG. e. Verrechnung Die Liberierung durch Verrechnung nach Art. 634a Abs. 2 OR bildet einen weiteren Tatbestand der qualifizierten Gründung. Dabei werden Aktien gegen die Verrechnung einer Schuld der Gesellschaft gegenüber dem zukünftigen Aktionär heraus gegeben. Dabei gelten die Regeln der Erfüllung durch Verrechnung (Art. 120 OR). 5. Zweigniederlassung Die Zweigniederlassung ist nach der Definition des BGer: „ein kaufmännischer Betrieb, der zwar rechtlich ein Teil einer Hauptunternehmung ist, von der er abhängt, aber in eigenen Räumlichkeiten dauernd eine gleichartige Tätigkeit wie jene ausübt und dabei über eine gewisse wirtschaftliche und geschäftliche Unabhängigkeit verfügt.“ (BGE 117 II 85, S. 87). Die Zweigniederlassung ist an dem Ort, wo sie sich befindet ins HR einzutragen (Art. 642 Abs. 1 OR) Die Eintragung der Zweigniederlassung ins HR hat nur deklaratorische Wirkung. Zweigniederlassungen vom Gesellschaften mit Sitz im Ausland müssen in ihrer Firma den Ort ihrer Niederlassung und den Sitz der Hauptniederlassung bezeichnen (Art. 952 OR). V. Entstehung der Aktiengesellschaft 1. Anmeldung und Eintragung im Handelsregister a. Funktion und Wirkung des Eintrags Die AG erlangt ihre Rechtspersönlichkeit durch den Eintrag ins HR (Art. 643 Abs. 1 OR). Dem Eintrag kommt konstitutive Wirkung zu. Diese Rechtswirkung tritt auch bei mangelhaften Gründungen ein. Dem HR-Eintrag kommt positive und negative Publizitätswirkung zu. Die positive Publizitätswirkung zeigt sich darin, dass sich Dritte nicht darauf berufen können, eine eingetragene Tatsache nicht gekannt zu haben (Art. 933 Abs. 1 OR). Nicht eingetragene Tatsachen hingegen, können Dritten nur so lange entgegengehalten werden, wenn bewiesen wird, dass diese Tatsachen gekannt haben (Art. 933 Abs. 2 OR). Ob der öffentliche Glaube auch für unrichtige Tatsachen, die im HR eingetragen sind geschützt ist, ist umstritten (vgl. BGE 104 Ib 321 ff. und BGE 111 II 480, S. 484 ff.). Die auf einer Depositenstelle hinterlegte Einlage wird mit der Eintragung der Gesellschaft ins HR freigegeben (Art. 633 Abs. 2 OR). Die Wirkung des HR-Eintrages bestimmt sich, ob der Eintrag gegen innen oder gegen aussen wirkt. Eintragungen mit nur interner Wirkung gelten ab dem Zeitpunkt der Anmeldung ins Tagebuch als verbindlich (Art. 932 Abs. 1 OR). Eintragungen mit externer Wirkung werden einen Werktag nach Publikation der Eintragung im SHAB wirksam (Art. 932 Abs. 2 OR). Vorbehalten bleiben besondere gesetzliche Vorschriften, wie die Wirkung von Statuentänderungen (Art. 647 Abs. 3 OR). Diese gelten bereits ab Eintragung im HR. 8 b. Anmeldung Der VR nimmt die Anmeldung ans HR am statutarischen Sitz der zukünftigen AG persönlich oder mit beglaubigter Unterschrift vor. (Art. 640 Abs. 1 und 2 OR). Der Anmeldung sind folgende Unterlagen beizufügen (Art. 640 Abs. 2 OR): beglaubigtes Exemplar der Statuten (Art. 640 Abs. 3 Ziff. 1 OR, Art. 78 Abs. 1 lit. a HRegV) Errichtungsakt mit Beilagen (Art. 640 Abs. 3 Ziff. 2 OR, Art. 78 Abs. 1 lit. b HRegV) Ausweis über die Wahl von VR und Revisionsstelle und deren Wohnsitzes bzw. Sitzes (Art. 640 Abs. 3 Ziff. 3 OR, Art. 78 Abs. 1 lit. c HRegV) Art. 78 HRegV nennt zusätzlich: Protokoll des VR über seine Konstituierung und Beleg über die Erteilung der Zeichnungsbefugnisse (Art. 78 Abs. 1 lit. d HRegV) Bestätigung des Bankinstituts betreffend der Hinterlegung der Einlagen, sofern sich dies nicht aus der Gründungsurkunde ergibt (Art. 78 Abs. 1 lit. e HRegV) Bei angegebenen Domizil: Erklärung der Gründer, dass sich am aufgeführten Domizil ein Geschäftsbüro befindet oder Erklärung des Domizilhalters, falls ein solches Büro fehlt (Art. 78 Abs. 1 lit. f HRegV) Erklärung der Gründer, dass ausser der aufgeführten keine weiteren Sacheinlagen, Sachübernahme, Verrechnungsliberierungen und besondere Vorteile bestehen (Art. 78 Abs. 1 lit. g HRegV) Gründungsbericht, Prüfungsbestätigung des Revisors, Sacheinlage- und Sachübernahmeverträge bei der qualifizierten Gründung (Art. 78 Abs. 2 lit. a – c HRegV) Bewilligung zur Verwendung einer Firma mit territorialer Bezeichnung Bewilligung, falls die Ausübung dieses Gewerbes einer Bewilligung bedarf (vgl. z. B. Art. 3 Abs. 1 BankG). c. Prüfung durch den Registerführer und Einspruchverfahren Der HR-Führer hat zu prüfen, ob die gesetzlichen Anforderungen für die Eintragung erfüllt sind, die Statuten den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechen und ob keine gesetzlichen Vorschriften missachtet wurden (Art. 940 Abs. 1 und 2 OR). Der HR-Führer hat betreffend den formellen Voraussetzungen (Zuständigkeit des HR-Führers und der anmeldenden Personen sowie formelle Richtigkeit der Belege) eine uneingeschränkte Kogintion (Überprüfungsbefugins). Bei der Überprüfung der materiellrechtlichen Fragen ist die Kognition des HR-Führers beschränkt. Der HRFührer darf die Eintragung nur verweigern, falls eindeutig zwingendes, dem Interesse der Öffentlichkeit oder dem Schutze Dritter dienendes verletzt wird und offensichtlich rechtswidrig ist. Die anmeldungspflichtigen Personen können den Entscheid des HR-Führers bei den Handelsregisterbehörden anfechten. Dritte können einen beim Richter eine superprovisorische Handelsregistersperre erwirken (Art. 32 HRegV). Art. 641 OR nennt, was im HR einzutragen ist: Datum der Statuten (Art. 641 Ziff. 1 OR) Firma und Sitz der Gesellschaft (Art. 641 Ziff. 2 OR) Zweck und evtl. Dauer der Gesellschaft (Art. 641 Ziff. 3 OR) Höhe des AK und darauf geleisteten Einlagen (Art. 641 Ziff. 4 OR) Anzahl, Nennwert und Art der Aktien, evt. Vinkulierung und Vorrechte einzelner Kategorien (Art. 641 Ziff. 5 OR) 9 evtl. Gegenstand der Sacheinlage und dafür ausgegebene Aktien, Sachübernahme und Gegenleistung der Gesellschaft, Inhalt und Wert der besonderen Vorteile (Art. 641 Ziff. 6 OR) Anzahl und Inhalt der Genusscheine (Art. 641 Ziff. 7 OR) Art und Ausübung der Vertretung (Art. 641 Ziff. 8 OR) Name der Mitglieder des VR und die zur Vertretung befugten Personen sowie deren Wohnsitz und Staatsangehörigkeit (Art. 641 Ziff. 9 OR) Name oder Firma der Revisionsstelle und deren Wohnsitz bzw. Sitz (Art. 641 Ziff. 10 OR) Art und Weise der Bekanntmachungen der Gesellschaft und Mitteilungen an die Aktionäre (Art. 641 Ziff. 11 OR) Zweigniederlassungen (Art. 642 Abs. 1 OR) Eintragungen im HR können von interessierten Personen jederzeit eingesehen werden (Art. 930 OR). 2. Sonderprobleme bei der Entstehung der AG Art. 643 Abs. 2 OR statuiert die heilende Wirkung des HR-Eintrages. Demnach ist die AG entstanden, obwohl die Voraussetzungen für die Eintragung nicht gegeben waren. Die Mängel müssen jedoch nachträglich behoben werden. Werden vor Entstehung der AG von der Gründungsgesellschaft Verpflichtungen gegenüber Dritten eingegangen haften diese persönlich und solidarisch (Art. 645 Abs. 1 OR). Sind die Verpflichtungen im Namen der zu gründenden Gesellschaft eingegangen worden, kann die Gesellschaft durch Beschluss des VR innerhalb von drei Monaten ab der Eintragung ins HR die Verpflichtungen übernehmen. Der Gläubiger braucht nicht zuzustimmen (Art. 645 Abs. 2 OR). Aktien die vor der Eintragung ins HR ausgegeben wurden sind nichtig (Art. 644 Abs. 1 OR). C. Aktienkapital und Aktien I. Aktienkapital 1. Aktienkapital als Nennkapital Eigenschaften: Die AG haftet nur mit ihrem Vermögen. Das AK bildet in wirtschaftlicher Hinsicht das Risiko tragende Eigenkapital. Deshalb bedarf es besonderer Schutzvorschriften. Das AK ist nicht identisch mit dem Haftungssubstrat. Eigenkapital kann auch durch zurückbehaltene Gewinne (Reserven) entstehen oder durch Verluste vermindert werden. Das AK vermag keine Garantie an die Gläubiger zu begründen. Das AK ist nur bei der Gründung vollständig gedeckt. Danach kann es für die wirtschaftlichen Tätigkeiten der AG eingesetzt. Das AK ist eine in den Statuen festgeschriebene und im HR publizierte Zahl. Es entspricht dem Nennwert aller ausgegebenen Aktien. Das AK ist unveränderlich. Falls die AG auch Partizipationsscheine ausgibt sind diese ebenfalls zum unveränderlichen Eigenkapital zuzurechnen. Bis zur Höhe des AK darf die AG nur Gesellschaftsschulden aus dem Gesellschaftsvermögen begleichen. Erst wenn das Vermögen das AK wertmässig übersteigt, dürfen Gewinne ausgeschüttet werden. 10 Abgrenzungen: Zum Eigenkapital: Das Aktienkapital ist ein Teil des Eigenkapitals. Das Eigenkapital umfasst alle Mittel, die nicht von Fremdkapitalgebern in die AG fliessen (AK, Partizipationskapital, Reserven). Zum Bruttovermögen: Das Bruttovermögen besteht aus allen Aktiven der Gesellschaft. Es stellt das wirtschaftliche Haftungssubstrat der Gesellschaft dar. Zum Nettovermögen: Das Nettovermögen besteht aus allen Aktiven abzüglich des Fremdkapitals. Das Nettovermögen könnte, nachdem alle Gläubiger befriedigt sind, unter den Aktionären als Liquidationsanteil (Substanzwert) verteilt werden. Zum Inneren Wert: Der innerer Wert bemisst sich i. d. R. aus dem Substanzund dem Ertragswert des Aktienkapitals. Bei börsenkotierten Unternehmen entspricht der innere Wert des AK der Börsenkapitalisierung. 2. Schutz des Aktienkapitals a. Zeichnung und Liberierung Bei der Zeichnung und Liberierung bestehen bestimmte Vorschriften zum Schutze des AK (siehe S. 5 f.). b. Ausschüttungsverbot Die von den Aktionären geleisteten Einlagen dürfen nicht zurückerstattet werden, d. h. aus dem AK dürfen keine Ausschüttungen an die Aktionäre vorgenommen werden. Ausschüttungen sind grundsätzlich nur möglich, wenn die Gesellschaft einen Gewinn einfährt. Auf dem AK darf ausser bei Bauzinsen (Art. 676 OR) kein Zins geleistet werden (Art. 675 Abs. 1 OR). Bei der Liquidation und der Kapitalherabsetzung darf, unter Berücksichtigung der dortigen Vorschriften, AK an die Aktionäre ausgeschüttet werden (Art. 680 Abs. 2 OR). c. Eigene Aktien Der Rückkauf eigener Aktien durch die AG ist im Grunde genommen mit den Prinzipien der AG nicht vereinbar. Einerseits werden den Aktionären ihre Einlagen zurück erstattet andererseits wird die AG ihr eigener Aktionär was unter logischen Gesichtspunkten problematisch erscheint. Der Rückkauf eigener Aktien ist deshalb nur unter strengen Voraussetzungen zulässig: Die AG darf nur so viele eigene Aktien erwerben bis deren Nennwert 10% des Nennwertes des Aktienkapitals und des Partizipationskapitals ausmacht (Art. 659 Abs. 1 OR). Werden die eigenen Aktien im Zusammenhang mit Übertragungsbeschränkungen erworben, beträgt die Limite 20%. Die so erworbenen Aktien müssen binnen zweier Jahre entweder veräussert oder vernichtet werden (Art. 659 Abs. 2 OR). Die Vorschriften über eigene Aktien gelten auch, wenn die Tochtergesellschaft Aktien der Muttergesellschaft erwirbt (Art. 659b Abs. 1 OR). Als Tochtergesellschaft gilt eine AG an der die Muttergesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung hält oder erwirbt (Art. 659b Abs. 1 und 2 OR). Die eigenen Aktien müssen aus frei verfügbarem Eigenkapital erworben werden (Art. 659 Abs. 1 OR). Gesetzliche oder statutarische Reserven oder gar das AK selber kommen für den Erwerb eigener Aktien nicht in Frage. Der Erwerb eigener Aktien hat folgende Wirkungen: 11 3. Das Stimmrecht der von der AG gehaltenen eigenen Aktien ruht (Art. 659a Abs. 1 OR). Die eigenen Aktien sind weiterhin dividenden- und bezugsrechtberechtigt. Die Gesellschaft muss eine Reserve im Umfang des Anschaffungswertes der eigenen Aktien bilden (Art. 659a Abs. 2 OR). Die Reserven müssen so lange bestehen bis die Gesellschaft die eigenen Aktien veräussert oder vernichtet (Art. 671a OR). Partizipationskapital Der Partizipationsschein (PS) ist ein Papier, welches den Partizipanten am Gewinn teilhaben lässt, ihn aber von den Mitwirkungsrechten ausschliesst. Heute sind die PS von geringer praktischer Bedeutung. Das Partizipationskapital (PK) ist dem AK nachgebildet und diesem grundsätzlich gleich gestellt. Die PS haben jedoch kein Stimmrecht (Art. 656a Abs. 1 OR). Die Bestimmungen über das AK finden auch auf das PK Anwendung ausser das Gesetz sehe eine abweichende Regelung vor (Art. 656a Abs. 2 OR). a. Ausgestaltung Das Gesetz sieht folgende Ausgestaltung des PK vor: Die Schaffung des PK bedarf einer statutarischen Grundlage (Art. 656a Abs. 1 Satz 1 OR, Art. 637 Ziff. 9 OR). Der Nennwert des PK darf höchstens 200% des Nennwertes des AK betragen (Art. 656b Abs. 1 OR). Das PK kann auch nachträglich geschaffen werden. Die Vorschriften der AKErhöhung kommen entsprechend zur Anwendung (Art. 656b Abs. 5 OR). Grundsätzlich ist das PK von AK getrennt auszuweisen. Bei gewissen Bestimmungen wird das PK zum AK hinzu addiert (Art. 656b Abs. 3 OR): Reservebildung (Art. 671 OR) Eigene Aktien (Art. 659 OR) Einleitung einer Sonderprüfung (Art. 697b OR) Berechnung des Kapitalverlustes (Art. 725 OR) Die Partizipanten haben zwar kein Stimmrecht (Art. 656 Abs. 1 Satz 2 OR) besitzen jedoch die selben Vermögensrechte wie die Aktionäre (Dividende, Bezugsrecht bei Kapitalerhöhung, Liquidationsanteil). Die Partizipanten müssen mindestens gleich gestellt werden wie die am wenigsten privilegierte Aktionärskategorie (Art. 656f Abs. 2 und 3 OR). b. Schutzrechte Die Partizipanten geniessen folgende Schutzrechte: Sie haben das Recht über die Einberufung der GV und die Anträge des VR informiert zu werden (Art. 656d Abs. 1 OR). Sie dürfen der GV schriftlich Anträge um Einsicht und Auskunft stellen (Art. 656c Abs. 3 OR). Sie dürfen sich am Sitz der AG über die von der GV gefällten Beschlüsse orientieren lassen (Art. 656d Abs. 2 OR) und sie sind berechtigt die Beschlüsse anzufechten. Sie haben das Recht eine Sonderprüfung zu beantragen (Art. 656c Abs. 3 OR). Sie dürfen die Verantwortungsklage erheben (Art. 656a Abs. 2 OR) Sie müssen sich die Aufhebung von Vorrechten oder statutarischen Mitspracherechten nur gefallen lassen, wenn die Mehrheit aller betroffenen Partizipanten zustimmt (Art. 656f Abs. 4 OR). 12 II. Aktien 1. Funktion der Aktie a. Aktie als Kapitalanteil Die Aktie bildet einen Anteil am Gesellschaftskapital. Dieser Anteil wird im Nennwert der Aktie ausgedrückt. Die Aktie muss immer einen Nennwert aufweisen. Der Mindestnennwert einer Aktie beträgt 1 Rp. (Art. 622 Abs. 4 OR). Zuvor wurde der Nennwert zuerst von 100 Fr. auf 10 Fr. herabgesetzt (1991), dann 2001 von 10 Fr. auf den heutigen Wert. Der tiefere Nennwert trägt dem Bedürfnis Rechnung, Aktien für Kleinanleger attraktiver zu machen (Bsp. Aktiensplit bei Aktien mit hohem Börsenkurs). Der Ausgabebetrag und der innere Wert der Aktie sind vom Nennwert strikt zu unterscheiden. Der Emissionswert (oder Ausgabebetrag) entspricht der Einalge die der Aktionär für die Ausgabe der Aktie zu Gunsten der Gesellschaft erbringt. Der Ausgabe von Aktien muss mindestens zu pari erfolgen (Art. 624 OR). Werden die Aktien über pari ausgegeben, muss das Agio den allgemeinen gesetzlichen Reserven zugewiesen werden (Art. 671 OR). Der innere Wert der Aktie bemisst sich am Wert der Gesellschaft. Der innere Wert drückt den wirtschaftlichen Wert der Aktie aus. Der Nennwert stellt eine reine Sollziffer dar, er muss nicht dem inneren Wert entsprechen. b. Aktie als Mitgliedschaftstitel Neben dem Kapitalanteil hat die Aktie die Funktion eines verbrieften Mitgliedschaftsund Vermögensrechtes inne. Diese Rechte können als Paket veräussert und erworben werden. Die leichte Veräusserungsmöglichkeit der Aktie bildet denn auch ein Wesenselement der AG. Der Aktionär kann seine Einlage zwar nicht zurückfordern, ist aber an seine Mitgliedschaft auch nicht gebunden. Er kann seine Einlage zurückerlangen, sofern er einen Käufer für seine Aktie findet. c. Unverbriefte Aktien In der Praxis werden nicht alle Aktien physisch ausgegeben. Vor allem kleine, geschlossene Gesellschaften verzichten oft auf die Emission von Aktien. Zur Übertragung der Aktien bedarf es hier der normalen Zession (Art. 164 ff. OR) Auch Aktionäre von grossen Gesellschaften bewahren ihre Aktien nicht als Papier zu Hause oder im Banksafe auf. Sie halten ihre Aktien im Depot und begnügen sich mit dem Depotauszug. Die Aktien werden zentral bei der SIS SegaInterSettle physisch aufbewahrt. Somit sind die Aktien grosser Gesellschaften weitgehend „dematerialisiert“ worden. Dies erleichtert die Handelbarkeit dieser Titel. Der Anspruch auf Aushändigung der Aktien kann Probleme hervorrufen: Inhaberaktien müssen von der SIS auf Verlangen des Berechtigten ausgehändigt werden. Namenaktien werden oft gar nicht physisch erstellt, da sie durch Indossierung übertragen werden müssten. Verlangt ein Aktionär die Aushändigung der Namenaktien, wird diese direkt von der Gesellschaft ausgestellt und indossiert. Zum Teil ist dieser Anspruch auf Titelaushändigung statutarisch aufgehoben. Die rechtliche Zulässigkeit dieses Vorgehens ist umstritten. d. Abgrenzungen Zu Partizipationsscheinen: Der PS ist im Grunde eine stimmrechtslose Aktie (vgl. S. 12). Zu Genusscheinen: Der Genusschein gewährt dem Inhaber gewisse Vorteile. Der Genusschein hat keinen Nennwert (Art. 657 Abs. 3 OR). Ein „Genus13 scheinskapital“ besteht deshalb nicht. Genusscheine werden an Personen ausgegeben, die sich für die AG in irgend einer Weise verdient gemacht haben oder mit ihr in sonstiger Weise verbunden sind (Art. 657 Abs. 1 OR). Der Genusschein kann dem Inhaber einen Gewinn- oder Liquidationsanteil oder das Recht auf Bezug neuer Aktien verschaffen (Art. 657 Abs. 2 OR). Die Ausgabe von Genusscheinen bedarf einer statutarischen Grundlage (Art. 657 Abs. 1 OR). 2. Arten von Aktien a. Inhaber- und Namenaktien Inhaberaktien sind Inhaberpapiere. Der Berechtigte ist der Inhaber des Papiers (Art. 978 OR). Die Inhaberpapiere können durch reine Besitzübergabe übertragen werden. Der Besitzer der Inhaberaktie weist sich gegenüber der Gesellschaft durch Vorweisen des Titels als Aktionär aus (Art. 689a Abs. 2 OR). Der Gesellschaft ist die Identität des Inhaberaktionärs nicht bekannt, sie hat auch keinen Anspruch darauf diese zu erfahren. Namenaktien sind Aktien, die auf den Namen des Besitzers lauten. Sie stellen vom Gesetz her Ordrepapiere dar (Art. 1145 OR). Namenaktien werden durch Indossierung und Übergabe des Titels übertragen (Art. 967 OR). Der Besitzer weisst sich durch Vorweisung der indossierten Aktie gegenüber der Gesellschaft als Aktionär aus. Dies verschafft ihm Anspruch auf Eintragung ins Aktienbuch (Art. 686 OR). Auf Grund des Eintrags ins Aktienbuch, kann der Namenaktionär seine Mitgliedschaftsrechte ausüben (Art. 689a Abs. 1 OR). b. Aktienzertifikate Zur Vereinfachung können die Aktien als Aktienzertifikate zusammengefasst werden oder als Interimsscheine provisorisch ausgegeben werden. Aktienzertifikate haben die selben wertpapier- und beteiligungsrechtlichen Eigenschaften wie die ihnen zu Grunde liegenden Aktien. c. Umwandlung von Aktien Namenaktien können in Inhaberaktien umgewandelt werden (und umgekehrt) sofern dies in den Statuten vorgesehen ist (Art. 622 Abs. 2 OR). Der Aktionär hat keinen Anspruch auf Beibehaltung seiner Wertpapierart. d. Stimmrechtsaktien Grundsätzlich bemisst sich das Stimmrecht des Aktionärs aus dem Verhältnis des Nennwerts seiner Aktien im Verhältnis zum Nominalwert des AK. Ob die Aktien voll liberiert sind, spielt beim Stimmrecht, im Gegensatz zum Recht auf Dividende und Liquidationsanteil, ebenfalls keine Rolle. Ausnahme bilden die sog. Stimmrechtsaktien. Die AG kann in ihren Statuen vorsehen, dass das Stimmrecht nach Anzahl Aktien ausgeübt wird (Art. 693 Abs. 1 OR), sodann können Aktien mit unterschiedlichem Nennwert geschaffen werden. Die Aktien mit tieferen Nennwert (z. B. Fr. 1'000) haben nun das gleiche Stimmrecht wie Aktien mit höherem Nennwert (z. B. Fr. 10'000). Die Einführung von Stimmrechtsaktien ist an folgende Voraussetzungen geknüpft: Die Stimmrechtsaktien benötigen eine statutarische Grundlage (Art. 693 Abs. 1 OR) Die Statutenänderung hat mit qualifiziertem Mehr zu erfolgen (Art. 704 Abs. 1 Ziff. 2 OR). Die Stimmrechtsaktien können mit einfachem Mehr wieder abgeschafft werden. Die Stimmrechtsaktien müssen voll liberierte Namenaktien sein (Art. 693 Abs. 2 OR). 14 Den verbleibenden Stammaktionären ist mindestens ein Vertreter im VR zu zubilligen (Art. 709 Abs. 1 OR). Der Nennwert der Stimmrechtsaktie muss mindestens ein Zehntel des Nennwertes der Stammaktie betragen (Art. 693 Abs. 2 OR). Somit ist der Stimmrechtshebel auf den Faktor 10 beschränkt. Die Bemessung des Stimmrechtes nach Anzahl Aktien ist ausgeschlossen, bei der Beschlussfassung über (Art. 693 Abs. 3 OR): o Wahl der Revisionsstelle (Ziff. 1) o Ernennung eines Sachverständigen zur Überprüfung der Geschäftsführung (Ziff. 2) o Einleitung der Sonderprüfung (Ziff. 3) o der Verantwortungsklage (Ziff. 4) Bei Beschlüssen, die ein doppeltes Quorum erfordern (Art. 704 OR), ist die Wirkung von Stimmrechtsaktien zudem eingeschränkt. e. Vorzugsaktien Die Vermögensrechte des Aktionärs (Recht auf Dividende und Liquidationsanteil) richten sich nach der tatsächlichen Liberierung seiner Aktien (Art. 661 OR). Von diesem Prinzip kann die Gesellschaft durch die Einführung von Vorzugsaktien abweichen. Die Vorzugsaktionäre können Vorteile bei Art und Umfang der Dividende, dem Liquidationsanteil und dem Bezugsrecht bei der Ausgabe neuer Aktien geniessen (Art. 656 Abs. 2 OR). Voraussetzungen für die Ausgabe von Vorzugsaktien sind: Statutarische Grundlage in der die gewährten Vorteile genannt sind (Art. 654 Abs. 1 OR und Art. 656 Abs. 1 OR) Vorzugsaktien können mit einfachem Mehr eingeführt werden. Die Aufhebung oder die Änderung der Vorzugsaktien muss von der GV beschlossen werden und die Mehrheit der Vorzugsaktionäre muss zustimmen (Art. 654 Abs. 2 und 3 OR). Den Stammaktionären muss mindestens ein Vertreter im VR gewährt werden (Art. 709 Abs. 1 OR). Im übrigen sind die Vorzugsaktien den Stammaktien gleichgestellt. 3. Vinkulierung Die Vinkulierung (lat. vinculum = Fessel) bedeutet eine Abkehr von der freien Übertragbarkeit der Aktien. Die Inhaber von vinkulierten Aktien sind in gewissem Masse an die Gesellschaft gebunden, denn sie können ihre Aktien nur veräussern, wenn die Gesellschaft den Erwerber zulässt. Die Gesellschaft ist i. d. R. verpflichtet, den Erwerber, der sich als Besitzer und Indossator von Namenaktien ausweist ins Aktienbuch einzutragen. Durch die vinkulierten Namenaktien kann die Gesellschaft die Eintragung ins Aktienbuch von ihrer Zustimmung abhängig machen (Art. 685a OR). Lehnt die Gesellschaft die Eintragung des Erwerbers ins Aktienbuch ab, fallen Eigentums- und Stimmrecht der Aktie auseinander, da der Erwerber zwar Eigentümer der Aktien wird aber kein Stimmrecht besitzt, während der Veräusserer nicht mehr Eigentümer der Aktien ist aber weiterhin stimmberechtigt ist. Allgemeine Voraussetzung für die Vinkulierung (abgesehen von der gesetzlichen Vinkulierung teilliberierter Namenaktien nach Art. 685 OR) ist eine statutarische Grundlage (Art. 685a Abs. 1 OR). Diese kann nachträglich mit qualifiziertem Mehr eingeführt werden (Art. 704 OR). Die Statuten müssen die Gründe aufführen, welche der Gesellschaft die Ablehnung eines Aktionärs gestattet, die Ablehnung ohne Angabe von Gründen ist nicht möglich. 15 a. Vinkulierung bei börsenkotierten Gesellschaften Börsenkotierte Gesellschaften können in ihren Statuten eine sog. Prozentklausel einführen (Art. 685d Abs. 1 OR). Damit kann die Gesellschaft Aktionäre ablehnen, wenn diese bereits über einen gewissen Prozentsatz des Nominalkapitals besitzen. Der Aktionär kann jedoch weitere Aktien erwerben, das Stimmrecht dieser Aktien ruht einfach. Zudem können die Gesellschaften Ausnahmen gewährleisten. Sie müssen aber alle Aktionäre gleich behandeln (Art. 717 Abs. 2 OR). Einen weiteren Vinkulierungstatbestand statuiert Art. 4 der Schlussbestimmungen zum XXVI. Titel des OR. Danach können AG deren Aktionärskreis bundesrechtlichen Nationalitätsvorschriften unterliegt, entsprechende Vinkulierungsvorschriften in ihre Statuten aufnehmen. Erwerb an der Börse Die Prozentklausel ist der einzig zulässige Ablehnungsgrund für Gesellschaften, die ihre vinkulierten Namenaktien an der Börse handeln lassen. Die Gesellschaften sind jedoch nicht verpflichtet die vinkulierten Namenaktien an der Börse zu handeln. Das Gesetz unterscheidet deshalb zwischen börsenmässigem Erwerb und Erwerb ausserhalb der Börse. Als börsenmässiger Erwerb gilt der Erwerb von vinkulierten Namenaktien an der Haupt- oder Nebenbörse im Sinne von Art. 2 lit. b BEHG. Der börsenmässige Erwerb folgt nach folgendem Schema: Die Bank des Veräusserers meldet den Verkauf an der Börse unverzüglich der betroffenen Gesellschaft (Art. 685e OR). Der Erwerber der Aktien muss sich selber bei der Gesellschaft melden, da er der Bank des Veräusserers meist unbekannt ist und die mit der Aktie verbundenen Rechte durch deren Übertragung vom Veräusserer auf den Erwerber übergehen (Art. 685f Abs. 1 OR). Das Stimmrecht ruht, bis die Gesellschaft den Erwerber als Aktionär anerkannt hat (Art. 685f Abs. 2 OR) Die Gesellschaft trägt den neuen Aktionär ins Aktienbuch ein, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Die Gesellschaft hat 20 Tage Zeit um den Erwerber abzulehnen, lehnt sie den Erwerber nicht innert dieser Frist ab, ist dieser als Stimmberechtiger Aktionär anerkannt (Art. 685g OR). Der Erwerber erlangt das Stimmrecht (Art. 685f Abs. 2 OR). Lehnt die Gesellschaft den Erwerber ab, hat sie diesen als Aktionär ohne Stimmrecht ins Aktienbuch einzutragen (Art. 685f Abs. 3 OR). Der abgelehnte Erwerber behält seine Vermögensrechte hat aber kein Stimmrecht. Meldet sich der Erwerber nicht bei der Gesellschaft, wird dieser als Dispoaktionär geführt. Der Dispoaktionär besitzt zwar kein Stimm- aber ein Vermögensrecht. Die Gesellschaft muss die Dividende der Bank des Dispoaktionärs zur Weiterleitung auszahlen. Erwerb ausserhalb der Börse Der Erwerb ausserhalb der Börse folgt dem gleichen Schema wie oben, ausser dass sich der Erwerber bei der Gesellschaft melden muss und um Eintragung ins Aktienbuch ersuchen muss (Art. 685f Abs. 1 Satz 2 OR). Da die Meldung der Bank des Veräussers unterbleibt, gehen die Rechte an der Aktie erst mit dieser Meldung auf den Veräusserer über. Unterbleibt die Meldung des Erwerbers gehen nach dem gesetzlichen System keine Rechte auf diesen über. In der Praxis wird aber auch diesem Aktionär eine Dividende zugestanden. Er kann über seine Bank Dividendenund Bezugsrechte beziehen und die Aktien weiter veräussern. In diesem Fall besteht neben dem Dispoaktionär (von dem die Gesellschaft nicht einmal weiss ob es ihn 16 gibt) ein Buchaktionär, der immer noch im Aktienbuch eingetragen ist, obwohl er keine Rechte an der Aktie mehr besitzt. Eingetragene Aktionäre, Dispoaktionäre und Buchaktionäre Die Durchführungsmodalitäten beim börsenmässigen Erwerb führen neben den vom Gesetz vorgesehenen eingetragenen Aktionären mit oder ohne Stimmrecht zu sog. Dispo- und Buchaktionären. Eingetragene Aktionäre mit Stimmrecht: Diese Aktionäre entstehen mit der Zustimmung der Gesellschaft. Eingetragene Aktionäre ohne Stimmrecht: Diese Aktionärskategorie besteht während der 20-tägigen Frist innert derer die Gesellschaft dem neuen Aktionär zustimmen oder diesen ablehnen kann. Lehnt die Gesellschaft den Aktionär ab, bestehen die eingetragenen Aktionäre ohne Stimmrecht über längere Zeit fort. Dispoatktionäre: Diese Aktionäre sind nicht im Aktienbuch eingetragen. Sie entstehen, wenn der Erwerber von vinkulierten Namenaktien sich nicht bei der Gesellschaft meldet und um Eintragung ins Aktienbuch ersucht. Buchaktionäre: Diese Aktionäre sind zwar im Aktienbuch eingetragen, haben ihre Aktien aber bereits ausserhalb der Börse veräussert. Sie bestehen so lange, bis sich der Erwerber der Aktien bei der Gesellschaft meldet oder der Buchaktionär für die Mittelung sorgt. b. Vinkulierung bei nicht börsenkotierten Gesellschaften Bei den nicht börsenkotierten Gesellschaften kann der Erwerber von vinkulierten Namenaktien aus wichtigen Gründen abgelehnt werden. Diese Gründe müssen in den Statuten aufgeführt sein (Art. 685b Abs. 1 OR). Die Gesellschaft darf einen Erwerber von vinkulierten Namenaktien nur ablehnen, wenn „die Zusammensetzung des Aktionärkreises, die im Hinblick auf den Gesellschaftszweck oder die wirtschaftliche Selbständigkeit des Unternehmens“ dies verlangen (Art. 685b Abs. 2 OR). Aus anderen Gründen darf ein potentieller neuer Aktionär nicht abgelehnt werden (Art. 685b Abs. 7 OR). Liegen solche Gründe vor, kann die AG den Erwerber der vinkulierten Namenaktien ohne weiters ablehnen. Der Veräusserer bleibt Aktionär. Die Gesellschaft darf einen Erwerber von vinkulierten Namenaktien ohne Angabe von Gründen ablehnen, wenn sie die fraglichen Titel gegen Bezahlung des inneren Wertes selber übernimmt (Art. 685b Abs. 1 OR). Die Vinkulierung der Namenaktien muss aber auch in diesem Fall in den Statuten vorgesehen sein (Art. 685a Abs. 1 OR). Das Verfahren teilt sich wie folgt auf: Bei den nicht börsenkotierten vinkulierten Namenaktien geht das Eigentum und die mit den Aktien verbundenen Rechte nicht mit dem Verkauf vom Veräusserer auf den Erwerber über. Dieser Übergang findet erst mit der Zustimmung der Gesellschaft statt (Art. 685c Abs. 1 OR). Der Erwerber oder der Veräusserer stellt bei der AG ein Gesuch um Zustimmung (Art. 685b Abs. 1 OR). Die Gesellschaft muss innert dreier Monate ab Eingangs des Gesuches entscheiden, ob sie die Zustimmung erteilen möchte (Art. 685b Abs. 3 OR). Erteilt die Gesellschaft die Zustimmung oder lässt sie Frist verstreichen gehen die mit der Aktie verbundenen Rechte auf den Erwerber über (Art. 685c Abs. 1 und 3 OR). Für die Zustimmung zuständig ist der VR (Art. 716 Abs. 1 OR). Dieser kann diese Kompetenz durch die Statuten der GV übertragen. Lehnt die Gesellschaft das Gesuch aus wichtigen Gründen ab, gehen die mit der Aktien verbunden Rechte nicht auf den Erwerber über und verbleiben beim 17 Veräusserer. Ist der wichtige Grund nicht gegeben, und wird innert der Frist von drei Monaten kein wichtiger Grund genannt, gehen die mit der Aktie verbunden Rechte auf den Erwerber über (Art. 685c Abs. 3 OR). Der Erwerber und der Veräusserer können beim Richter auf Feststellung und Eintragung im Aktienbuch klagen. Die Gesellschaft kann dem Veräusserer anbieten, die vinkulierten Namenaktien zum wirklichen Wert zu übernehmen. In diesem Fall gehen die mit der Aktie verbunden Rechte nicht auf den Erwerber über. Der Veräusserer kann nur noch entscheiden ob er das Angebot annehmen oder ablehnen möchte. Nimmt er das Angebot an gehen die Aktien an die Gesellschaft über, lehnt er ab bleibt er Aktionär. Der Veräusserer kann den inneren Wert durch den Richter feststellen lassen (Art. 685b Abs. 5 OR). Er hat dies aber innerhalb eines Monates zu tun, da ansonsten das Angebot der AG als angenommen gilt. c. Besondere Vinkulierungssachverhalte Treuhandklausel Die Gesellschaft kann den Erwerber von vinkulierten Namenaktien ablehnen, wenn dieser nicht erklärt, dass er in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handelt (Art. 685b Abs. 3 OR und Art. 685d Abs. 2 OR). Ist der Erwerber durch einen Aktionärsbindungsvertrag gebunden, schliesst dies Handeln in eigenem Namen und auf eigene Rechnung nicht aus. Aktionärsbindungsverträge sind dann als Umgehung der Vinkulierungsbestimmungen zu verstehen, wenn diese einen dauerhaften Zusammenschluss zu einem Block bewirken. Gesetzlicher Übergang von vinkulierten Namenaktien Die Vinkulierungsbestimmungen finden nur auf rechtsgeschäftlichen Übergang Anwendung. Erfolgt der Erwerb der vinkulierten Namenaktien per Erbgang, Erbteilung, eheliches Güterrecht oder Zwangsvollstreckung gelten folgende Vorschriften: Erwerber von börsenkotierte vinkulierten Namenaktien können nicht abgelehnt werden (Art. 685d Abs. 3 OR). Erwerber von nicht börsenkotierten vinkulierten Namenaktien können nur abgelehnt werden, indem die betroffene Gesellschaft dem Erwerber den inneren Wert der vinkulierten Namenaktien ausbezahlt und diese selber übernimmt. Das Eigentum und die Vermögenswerte gehen jedoch sofort auf den Erwerber über (Art. 685b Abs. 4 OR). Teilliberierte Namenaktien Teilliberierte Namenaktien sind ohne Statutenbestimmung von Gesetzes wegen vinkuliert. Die Übertragung von nicht voll liberierten Namenaktien bildet einen Schuldnerwechsel. Die Gesellschaft darf den Erwerber aus Bonitätsgründen ablehnen (Art. 685 Abs. 1 OR). Wenn die Bonität des Erwerbers tatsächlich zweifelhaft ist, kann er durch Leistung einer von der Gesellschaft geforderten Sicherheit der Vinkulierung entgehen (Art. 685 Abs. 2 OR). Diese Bestimmung findet bei Übertragung durch Erbgang, Erbteilung, eheliches Güterrecht oder Zwangsvollstreckung keine Anwendung (Art. 685 Abs. 1 OR). III. Aktienkapitalerhöhung 1. Ordentliche und genehmigte Kapitalerhöhung a. Allgemein Die ordentliche und die genehmigte Kapitalerhöhung bilden den Normalfall der Kapitalerhöhung. Beide werden von der GV beschlossen. Der VR hat bei der ordentlichen Kapitalerhöhung lediglich Ausführungsaufgaben. Bei der genehmigten Kapitalerhö18 hung entscheidet der VR darüber wann und wie die Kapitalerhöhung tatsächlich ausgeführt wird. Die ordentliche Kapitalerhöhung eignet sich vor allem für überschaubare Verhältnisse. Dieses Verfahren wählt die Gesellschaft i. d. R. wenn bereits klar ist, wer für welchen Preis neue Aktien zeichnet. Die genehmigte Kapitalerhöhung kann vom VR zu dem Zeitpunkt ausgeführt werden, wenn die Bedingungen am günstigsten sind. Somit kann die Gesellschaft von guten Verhältnissen am Kapitalmarkt profitieren. Die GV fasst den Beschluss über die Kapitalerhöhung (Art. 650 Abs. 1 OR). Bei der ordentlichen AK-Erhöhung fällt die GV den Beschluss über alle Punkte, bei der bedingten AK-Erhöhung setzt der VR den Zeitpunkt und den Preis der Emission fest. Der GV-Beschluss bedarf der einfachen Mehrheit (Art. 703 OR). In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Beschluss der qualifizierten Mehrheit von Art. 704 OR bedarf, da nur die ordentliche Kapitalerhöhung mit Barliberierung nicht unter Art. 704 OR fällt. b. Ordentliche Kapitalerhöhung Der Beschluss der GV muss in jedem Fall Angaben enthalten über (Art. 650 Abs. 2 OR): den nominellen Betrag der Erhöhung (Ziff. 1) die Anzahl, den Nominalwert und die Art der auszugebenden neuen Aktien (Ziff. 2) den Umfang und die Art der Liberierung (Ziff. 1 und 4) den Emissionspreis und der Beginn der Dividendenberechtigung (Ziff. 3). Die Beschlussfassung über den Emissionspreis kann an den VR delegiert werden. Je nach dem muss die GV über allfällige Besonderheiten Beschluss fassen, wenn solche Sachverhalte vorgesehen sind (Art. 650 Abs. 2 OR): Sacheinlagen und –übernahmen (Ziff. 4 und 5) Gewährung von Vorteilen an Aktionäre (Ziff. 6) Übertragungsbeschränkungen der neuen Aktien (Ziff. 7) Beschränkungen des Bezugrechts (Ziff. 8 und Art. 652b OR) Dem VR hat die Aufgabe sämtliche Massnahmen vorzukehren, um den öffentlich zu beurkundenden Feststellungsbeschluss zu fassen und die Statuten formell abzuändern (Art. 652g OR). Der VR hat die Kapitalerhöhung beim HR anzumelden (Art. 652h). Dabei muss die Anmeldung rechtzeitig erfolgen, d. h. zu einer Zeit wo der Beschluss noch binnen dreier Monate ab Beschlussfassung eingetragen werden kann (Art. 650 Abs. 3 OR). Zudem trifft der VR Massnahmen über: die Einholung der Zeichnung der neuen Aktien (Art. 652 OR) die Überwachung der Leistung der Einlagen (Art. 652c OR und Art. 633 OR) die Verfassung des Kapitalerhöhungsbericht, der Auskunft erteilt über die Zeichnung der neuen Aktien und die Leistung der Einlagen sowie über die Einhaltung des GV-Beschlusses (Art. 652e OR). Der Bericht geht an die Aktionäre und ans HR. Sollen die neuen Aktien öffentlich gezeichnet werden, muss der VR einen Emissionsprospekt nach Art. 652a OR erstellen. Von einer öffentlichen Emission spricht man, wenn sich das Angebot an einen nicht zum Voraus begrenzten Kreis von Personen richtet (Art. 652a Abs. 2 OR). Der Emissionsprospekt muss Angaben enthalten über (Art. 652a Abs. 1 OR): den Inhalt der HR-Eintragung mit Ausnahme der Angaben über die zur Vertretung befugten Personen (Ziff. 1) die Höhe und die Zusammensetzung des bisherigen AK (Ziff. 2) 19 die Anzahl, Nennwerte und Arten der Aktien und die Vorrechte der einzelnen Kategorien (Ziff. 2) die statutarischen Bestimmungen über die genehmigte und die bedingte Kapitalerhöhung (Ziff. 3) die Anzahl Genusscheine und die damit verbundenen Rechte (Ziff. 4) die letzte Jahresrechnung und die Konzernrechnung sowie der Revisionsbericht und wenn der Bilanzstichtag mehr als ein halbes Jahr zurückliegt die Zwischenabschlüsse (Ziff. 5) die in den letzten fünf Jahren ausgerichteten Dividenden (Ziff. 6) den Beschluss über die Ausgabe neuer Aktien (Ziff. 7) Anhand der Angaben von Art. 652a Abs. 1 OR bemisst sich die Verantwortungsklage von Art. 752 OR. Werden die Aktien an der Börse emittiert, ist ein viel umfassender Kotierungsprospekt notwendig. Weiter bestehen besondere Fälle der qualifizierten AK-Erhöhung: Bei der Liberierung durch Sacheinlage oder bei der Planung von Sachübernahmen sind die selben Vorschriften wie bei der Gründung zu beachten (Art. 652c OR, Art. 633 ff. OR). Bei der Liberierung durch Verrechnung hat der VR Rechenschaft über den Bestand und die Verrechenbarkeit der Schuld im Erhöhungsbericht abzulegen (Art. 652c OR, Art. 635 Ziff. 2 OR) Wird die Liberierung durch die Umwandlung von Reserven vorgenommen (sog. Gratisaktien) muss der VR das nachweisen, dass entsprechende freie Reserven vorhanden sind. Dies muss aus der letzten, von den Aktionären genehmigten Jahresrechnung oder falls diese mehr als ein halbes Jahr zurückliegt, aus einem geprüften Zwischenergebnis ersichtlich sein (Art. 652d OR). Werden Bezugsrechte beschränkt, muss der VR Rechenschaft über die Einschränkungen oder die Aufhebung der Bezugsrechte und die Zuweisung nicht ausgeübter Bezugsrechte ablegen (Art. 652e Abs. 1 Ziff. 4 OR). c. Genehmigte Kapitalerhöhung Bei der bedingten Kapitalerhöhung beschliesst die GV nicht das AK zu erhöhen, sondern ermächtigt den VR das AK zu erhöhen (Art. 651 Abs. 1 OR). Der VR ist demnach nicht verpflichtet die AK-Erhöhnung vorzunehmen. Bei der bedingten Kapitalerhöhung entscheidet der VR selbständig über den betragsmässigen Umfang der Erhöhung, den Emissionspreis der neuen Aktien, die Art der Liberierung und den Beginn der Dividendenberechtigung (Art. 651 Abs. 2 und 3 OR). Die GV kann den VR auch ermächtigen, über den Entzug und die Beschränkung des Bezugsrechts zu entscheiden. Über die Stückelung der Aktien muss weiterhin die GV entscheiden (Art. 651 Abs. 3 OR i. V. m. Art. 650 Abs. 2 Ziff. 2 OR). Die Ermächtigung des VR zur Erhöhung des AK muss von der GV mit qualifiziertem Mehr erfolgen (Art. 704 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Die GV bezeichnet den HöchstNennwert um den das AK erhöht werden darf, dabei darf die Erhöhung 50% des bisherigen AK nicht übersteigen (Art. 651 Abs. 2 OR). Die Ermächtigung ist zeitlich beschränkt. Sie darf höchstens zwei Jahre dauern (Art. 651 Abs. 1 OR). Die Ermächtigung bedarf einer statutarischen Grundlage (Art. 651 Abs. 1 OR). Ein einfacher GVBeschluss genügt nicht. Die statutarische Grundlage muss alle Angaben wie bei der ordentlichen AK-Erhöhung enthalten, ausser der an den VR übertragenen Befugnisse. Der VR entscheidet über den Zeitpunkt der AK-Erhöhung. Er spezifiziert den Umfang und die Bedingungen der AK-Erhöhung. Der VR-Beschluss bedarf keiner be20 sonderen Form. Er muss sich aber an den Rahmen der Ermächtigung der GV halten (Art. 651 Abs. 5 OR). Des weiteren beachtet der VR bei der Durchführung die gleichen Bedingungen wie bei der ordentlichen AK-Erhöhung. Nach durchgeführter AK-Erhöhung passt der VR die Statuten selbständig an (Art. 651a OR). 2. Bedingte Kapitalerhöhung a. Wirtschaftliche Bedeutung Die im geltenden Recht bestehende scharfe Trennung zwischen Fremd- und Eigenkapital besteht in der wirtschaftlichen Realität nur bedingt. Gewisses Fremdkapital gleicht dem Eigenkapital, weil es entweder langfristig zur Verfügung gestellt wird, oder weil der Gläubiger selber auf eine Gewinnbeteiligung in der einen oder anderen Form hofft. Die bedingte Kapitalerhöhung erlaubt es der Gesellschaft Aktienkapital auf Vorrat durch bedingte Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Der Fremdkapitalgeber hat die Möglichkeit sich entweder günstig an der Gesellschaft zu beteiligen oder auf sich sein Darlehen zurückzahlen zu lassen. Zu diesem Zweck kann die Gesellschaft den Gläubigern Wandel- oder Optionsrechte einräumen: Wandelrechte erlauben es dem Gläubiger sein Darlehen in Aktien der Gesellschaft umzuwandeln. Dies entspricht der Liberierung der Aktien durch Verrechnung nach Art. 652e Abs. 1 Ziff. 2 OR. Optionsrechte erlaubt es dem Gläubiger zu einem gewissen Zeitpunkt in der Zukunft Aktien zu einem ganz oder teilweise im Voraus festgelegten Preis zu erwerben. Dabei muss die Liberierung der Aktien in bar erfolgen (Art. 653e Abs. 2 OR) Das Gesetz nennt als berechtigte Personen Gläubiger mit neuen Anleihens- oder ähnlichen Obligationen sowie Arbeitnehmer der Gesellschaft (Art. 653 Abs. 1 OR). Damit sind die Wandelanleihen und die Mitarbeiteroptionen erfasst. Es ist aber auch denkbar, dass die Gesellschaft bestehenden Obligationären Wandelrechte einräumt oder den Aktionären Gratisoptionen zum Bezug neuer Aktien zuteilt. Auch diese Formen unterliegen dem gleichen wirtschaftlichen Mechanismus wie die im Gesetz genannten Wandelanleihen und Mitarbeiter. Das Institut des bedingten Kapitals steht auch für diese Formen zur Verfügung. Die bedingte Kapitalerhöhung wird dadurch ermöglicht, dass die Gesellschaft Rechte auf den Bezug von neuen Aktien einräumt (Art. 652 Abs. 1 OR). Die Voraussetzung hierfür ist, dass die Gesellschaft selber über diese Aktien verfügt und die Berechtigen sie ohne ihr Zutun von der Gesellschaft beziehen können (Art. 653b OR). Dies wird durch die statutarische Grundlage (Art. 653b OR) und das Ausübungsrecht des Begünstigten (Art. 653 Abs. 2 OR, Art. 653e OR) sichergestellt. b. Statutarische Grundlage Die bedingte Kapitalerhöhung bedarf einer Grundlage in den Statuten. Der Beschluss der GV muss die Eckwerte der Kapitalerhöhung festlegen (Art. 653b Abs. 1 OR). Zu diesen Eckwerten gehören insbesondere: der Höchst-Nennwert der Erhöhung (Ziff. 1) die Art und Stückelung der neuen Aktien (Ziff. 2) die allfälligen Vorrechte (Ziff. 5) Übertragungsbeschränkungen (Ziff. 6) Weiter darf der Höchst-Nennwert das bisherige AK nicht um mehr als 50% übersteigen (Art. 653a Abs. 1 OR). Eine zeitliche Limite ist nicht vorgesehen. Der Ausschluss oder die Beschränkung des Bezugsrechts muss in den Statuten ausdrücklich 21 erwähnt werden (Art. 653b Abs. 1 Ziff. 4 OR). Der Beschluss ist mit qualifiziertem Mehr zu fassen. Der Ausübungspreis der Wandel- und Optionsrechte muss in den Statuten nicht festgehalten werden. Werden diese Rechte nicht den bestehenden Aktionären vorweg angeboten, müssen die Statuten Angaben über die Berechnungsgrundlagen des Ausübungspreises (Art. 653b Abs. 2 Ziff. 1 OR) und die Ausübungsvoraussetzungen (Art. 653b Abs. 2 Ziff. 2 OR) enthalten. c. Ausübung der Wandel- und Optionsrechte Der VR muss, nachdem die GV die bedingte Kapitalerhöhung beschlossen hat, einen Durchführungsbeschluss fassen. Der VR legt die Ausübungsvoraussetzungen und den Ausübungspreis der Wandel- und Optionsrechte fest. Die unsachliche Begünstigung oder Benachteiligung einzelner Gruppen ist verboten (Art. 653c Abs. 2 OR). Insbesondere muss der VR das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre beachten (Art. 717 Abs. 1 OR). Die Wandel- und Optionsberechtigten sind insofern vor Verwässerung ihres Wertes geschützt, als dass ihnen bei Ausgabe neuer Wandel- oder Optionsrechte der Ausübungspreis herabgesetzt werden muss, es sei denn die Verwässerung treffe die Aktionäre in gleicher Weise (Art. 653d Abs. 2 OR). Die Berechtigen lösen die bedingte AK-Erhöhung aus, indem sie ihr Bezugsrecht ausüben. Dies erklären sie schriftlich (Art. 653e Abs. 1 OR). Sofern die Wandelobligationäre eine entsprechende Forderung gegen die Gesellschaft haben bzw. die Optionsberechtigten den Ausübungspreis gezahlt haben, erlangen sie die Aktionärsrechte und das AK wird entsprechend erhöht (Art. 653e Abs. 2 und 3 OR). Die Kapitalerhöhung ist von der Gesellschaft festzustellen. Das Gesetz sieht ein Verfahren vor, das aus einer periodischen Prüfungsbestätigung eines besonders befähigten Revisors (Art. 653f OR), einem öffentlich beurkundeten Feststellungsbeschluss des VR (Art. 653g OR) und der Eintragung ins HR (Art. 653h OR) besteht. Nach Ablauf der Ausübungszeit der Options- und Wandelrechte ist die statutarische Bestimmung über die bedingte Kapitalerhöhung zu streichen (Art. 653i OR). Bei der Festübernahme übernimmt ein Dritter (meist eine Bank) treuhänderisch einen grösseren Posten an Aktien. Dies war vor der Aktienrechtsrevision in der Praxis häufig der Fall, da das Institut der genehmigten und der bedingten AK-Erhöhung noch nicht bestanden. Heute ist die Festübernahme zulässig, sofern sie nicht geschieht um aktienrechtliche Schutzvorschriften zu umgehen. Insbesondere müssen die Vorschriften über die eigenen Aktien eingehalten werden (Art. 659 OR). Ebenso muss das Bezugsrecht (Art. 652b OR) oder das Vorwegzeichnungrecht (Art. 653c) beachtet werden. 3. Das Bezugsrecht a. Wirtschaftliche Bedeutung In der Aktiengesellschaft hängt sowohl das Stimm- wie auch die Vermögensrechte des Aktionärs von seiner anteilmässigen Beteiligung am Aktienkapital ab. Wird das Aktienkapital nun erhöht und treten neue Aktionäre der Gesellschaft bei, wirkt sich dies auf die anteilmässige Beteiligung des bisherigen Aktionärs aus, sofern er seine Beteiligung nicht anteilsmässig ausbaut; mit anderen Worten sein Anteil wird verwässert. Die bisherige Aktionärin hat also ein Interesse, ihre relative Beteiligung beizubehalten, will sie weiterhin Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Aus diesem Grund besteht bei Kapitalerhöhungen das Bezugsrecht, welches den bisherigen Aktionären erlaubt, relativ zu ihrer Beteiligung neue Aktien zu beziehen (Art. 652b Abs. 1 OR). Alternativ zum Bezugsrecht auf neue Aktien, können den Aktionären auch Wandeloder Optionsrechte ausgegeben werden (Art. 653c Abs. 1 OR), die Wirkung ist aber die selbe. 22 Der Aktionär kann sein Bezugsrecht (bzw. Wandel- oder Optionsrecht) ausüben indem er die neuen Aktien erwirbt (bzw. die Obligationen zeichnet). Will der Aktionär von seinem Bezugsrecht nicht Gebrauch machen (z. B. weil ihm das nötige Geld fehlt), kann er sein Bezugsrecht verkaufen. Solche Bezugsrechte ermöglichen es i. d. R. Aktien zu einem günstigen Preis zu erwerben und sind deshalb recht begehrt. b. Beschränkungen des Bezugsrechts Das Bezugsrecht kann unter strengen formellen und materiellen Anforderungen beschränkt werden: Die formellen Bedingungen sind: GV-Beschluss mit qualifiziertem Mehr (Art. 704 Abs. 1 Ziff. 6 OR) das Bezugsrecht darf nicht in genereller Weise beschränkt werden. Der Entscheid hat bei jeder AK-Erhöhung neu zu erfolgen (Art. 652b Abs. 2 OR). Die materiellen Bedingungen sind: Das Bezugsrecht darf nur bei wichtigen Gründen entzogen werden (Art. 652b Abs. 2 OR). Wichtige Gründe liegen insbesondere vor, wenn Aktien an Mitarbeiter zugeteilt werden sollen oder wenn das AK erhöht wird um eine andere Gesellschaft zu übernehmen (Absorption, Quasi-Fusion). Wichtige Gründe können aber auch vorliegen, wenn die Gesellschaft ein anderes, das der Aktionäre überwiegendes, Interesse verfolgt. Diese Interessen sind immer in Anbetracht der Umstände zu würdigen. Die Gesellschaft darf bei der Beschränkung des Bezugsrechtes niemanden in unsachlicher Weise begünstigen oder benachteiligen (Art. 652b Abs. 2 OR), muss das Gleichbehandlungsgebot der Aktionäre und das Gebot der schonenden Rechtsausübung (ähnlich Verhältnismässigkeit: mildest mögliche Massnahme) wahren (Art. 717 Abs. 2 OR). Die Beschränkung des Vorwegzeichungsrechts von Wandel- und Optionsanleihen ist offener formuliert (vgl. Art. 653c OR). Grundsätzlich sind aber die selben Massstäbe wie bei der Beschränkung des Bezugsrechts anzuwenden. Bei der bedingten und genehmigten Kapitalerhöhung besteht das Bedürfnis, dem VR die Kompetenz zur Beschränkung oder Aufhebung des Bezugsrechtes zu delegieren. In BGE 121 III 219 (BK Vision vs. UBS) liess das BGer dies zu unter dem Hinweis, dass es sich hier um eine grosse Publikumsgesellschaft mit breit gestreutem Aktionariat handle und das Kapital um nur etwa 8% erhöht wurde. An die statutarische Grundlage stellte das BGer folgende Anforderungen: Der Ermessensspielraum des VR muss generell-abstrakt umschrieben werden, der konkrete Zweck muss nicht genannt sein. Der VR muss im Interesse der Gesellschaft entscheiden, wie er die entzogenen Bezugsrechte verwendet. Dabei ist er verpflichtet, den Preis marktgerecht festzusetzen und alle Aktionäre gleich zu stellen. Übt der VR die Delegierte Kompetenz aus ist er an das Gebot der schonenden Rechtsanwendung gebunden, d. h. die Aufhebung des Bezugsrechts muss im konkreten Fall tatsächlich erforderlich sein. IV. Kapitalherabsetzung 1. Wirtschaftliche Bedeutung Die Kapitalherabsetzung hat, wie die Kapitalerhöhung durch Änderung der Statuten zu erfolgen. Das Gesetz stellt vor allem Vorschriften auf, die dem Schutz der Gläubiger dienen. Es können zwei Typen von Kapitalherabsetzungen unterschieden werden: Die AK-Herabsetzung mit und ohne Mittelabfluss. 23 Bei der AK-Herabsetzung mit Mittelabfluss werden den Aktionären ihre Einlagen zurückgewährt. Dabei wird AK ausbezahlt, dass wegen des guten Geschäftsganges nicht mehr benötigt wird (konstitutive Kapitalherabsetzung). Weniger erfreulich für die Aktionäre ist die Kapitalherabsetzung ohne Mittelabfluss. Dabei wird das AK herabgesetzt, um einen Verlustvortrag zu beseitigen. Hier wird die Buchhaltung den wirtschaftlichen Tatsachen angepasst, da der herabzusetzende Teil des AK bereits vernichtet ist (deklaratorische Kapitalherabsetzung). Bei der Herabsetzung und sofortigen Wiedererhöhung des AK bleibt der Umfang des AK erhalten. Diese Methode wird angewendet, wenn im Falle einer Sanierung alte Aktionäre ausscheiden und neue eintreten. 2. Konstitutive Kapitalherabsetzung Die konstitutive AK-Herabsetzung wird durch den Grundsatzbeschluss der GV eingeleitet. Die GV beschliesst, das AK um einen bestimmten Betrag und in bestimmter Weise herabzusetzen. Sodann ist der Schuldnerruf durchzuführen. Das AK darf nicht herabgesetzt werden, ohne dass die Gläubiger Gelegenheit haben, von der Gesellschaft zu verlangen, dass ihre Schulden bezahlt oder sicher gestellt werden (Art. 733 OR). Die Gesellschaft hat den Schuldnerruf dreimal im SHAB zu veröffentlichen. Gläubiger, die ihre Schuld bezahlt oder sichergestellt haben wollen, müssen sich innert zweier Monate ab der letzten Veröffentlichung bei der Gesellschaft melden (Art. 733 OR). Die GV beschliesst als zweiten Beschluss die Herabsetzung des AK. Das herabgesetzte AK darf nicht unter 100'000 Fr. sein (Art. 732 Abs. 5 OR). Des Weiteren gibt der GV Beschluss an, in welcher Weise die Kapitalherabsetzung durchgeführt werden soll, dabei ist sowohl denkbar, den Nennwert der Aktien herabzusetzen oder Aktien zurückzurufen und zu vernichten. Für diesen Beschluss genügt einfaches Mehr. Ein besonders befähigter Revisor muss in einem Bericht festhalten, dass die Forderungen der Gläubiger trotz AK-Herabsetzung gedeckt sind. Der Revisor sollte nicht nur die Deckung der Forderungen, sondern auch die Auswirkungen der konstitutiven Herabsetzung auf die Liquidität prüfen. Dieser Bericht ist Voraussetzung für den GVBeschluss über die konstitutive Kapitalherabsetzung (Art. 732 Abs. 2 OR). Danach stellt ein Notar im öffentlich beurkundeten Feststellungsbeschluss fest, dass alle Vorschriften eingehalten worden sind. Nach diesem Beschluss kann das AK herabgesetzt und im HR eingetragen werden. Der VR darf nun den Aktionärinnen die Einlagen zurückbezahlen. Er muss darüber keinen Bericht erstellen. 3. Deklaratorische Kapitalherabsetzung Das Verfahren der deklaratorischen Kapitalherabsetzung ist einfacher, da das herabzusetzende Kapital bereits durch Verluste vernichtet ist: Ein Schuldenruf ist nicht erforderlich. Die Gläubiger haben keinen Anspruch auf Ausbezahlung oder Sicherstellung ihrer Forderungen (Art. 735 OR). Der Revisionsbericht ist trotzdem nötig. Eine Statutenänderung ist erforderlich. Diese wird nach der notariellen Feststellung ins HR eingetragen (Art. 734 OR). Die deklaratorische Kapitalherabsetzung ist nur zur Beseitigung einer Unterbilanz zulässig. Erstreckt sich die Herabsetzung über den bereits Vernichteten Teil des AK, liegt eine konstitutive Kapitalherabsetzung vor. Eine Unterbilanz ergibt sich, wenn die Bilanz zu Fortführungswerten nach Auflösung aller offenen Reserven immer noch einen Verlustvortrag aufweist. 24 4. Kapitalherabsetzung mit gleichzeitiger Wiedererhöhung Bei der Kapitalherabsetzung mit gleichzeitiger Wiedererhöhung entfällt fast das gesamte Verfahren der Kapitalherabsetzung, da die Kennziffer des AK gleich bleibt (Art. 732 Abs. 1 OR). Einzig ein GV-Beschluss über die Kapitalherabsetzung und ein weiterer GV-Beschluss über die ordentliche Kapitalerhöhung muss gefällt werden. D. Organe der AG I. Organbegriff 1. Gesetzlich vorgeschriebene und fakultative Organe Das OR schreibt für die AG zwingend drei Organe vor: Die Generalversammlung (Art. 698 – 706b OR), den Verwaltungsrat (Art. 707 – 726 OR) und die Revisionsstelle (Art. 727 – 731a OR). Fehlt es an einem dieser Organe, kann der Richter auf Antrag eines Aktionärs oder eines Gläubigers die AG auflösen, nachdem er ihr eine Nachfrist zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustand gesetzt hat (Art. 625 Abs. 2 OR). Fehlt nur der VR so kann der Richter, anstatt auf Auflösung zu erkennen, einen Beistand nach Art. 393 ZGB ernennen. Fehlt die Revisionsstelle und erhält der HR-Führer davon Kenntnis, kann er beim Richter die Ernennung einer Revisionsstelle beantragen (Art. 727 f. OR). Für gewisse ausserordentliche Situationen sieht das Gesetz weitere Organe vor: Die Liquidatoren im Falle der Auflösung der AG (Art. 740 ff. OR). Den Sachwalter im Falle des Konkursaufschubes bei Überschuldung der AG (Art. 725a Abs. 2 OR). Neben den gesetzlichen Organen kann die AG fakultative Organe bestellen. Diese können in den Statuten oder im Organisationsreglement vorgesehen sein (z. B. Ausschüsse des VR, Beiräte). Diese fakultativen Organe dürfen keine Aufgaben ausführen, die das Gesetz zwingend einem der gesetzlichen Organe zuweist. Bei grösseren Gesellschaften wird oft Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, die Geschäftsführung und/oder die Vertretung vom VR an Dritte (CEO) zu delegieren (Art. 716b OR). Auch hier müssen die vom Gesetz zwingend einem Organ zugewiesenen Aufgaben bei diesem verbleiben. 2. Formelle und materielle (faktische) Organe Formelle Organe sind die von der zuständigen Stelle gewählt oder bestimmt wurden. Materielle oder faktische Organe sind diejenigen Personen, die einem Organ vorbehaltene Aufgaben erfüllen, Entscheidungen treffen oder die Geschäftsführung besorgen und in massgebender Weise an der Willensbildung der AG mitwirken. Sie sind in rechtlicher Hinsicht den gewählten Organen gleichgestellt (BGE 117 II 432, S. 441). 3. Verpflichtung der AG durch Handeln der Organe Die AG haftet für Schäden, die ihre Organe Dritten in Ausübung ihrer geschäftlichen Tätigkeit, verursachen. Diese Haftung bezieht sich demnach nicht nur auf rechtsgeschäftliches Handeln sondern auch auf unerlaubte Handlungen (Art. 722 OR, vgl. auch Art. 55 ZGB). Handeln die Organe jedoch als Privatpersonen, haftet die AG nicht, sondern das Organ persönlich. 4. Verantwortlichkeit der Organe gegenüber der AG Die Verantwortlichkeit, im Sinne einer Haftung gegen innen, stellt das Gegenstück zur Haftung gegen aussen dar. Die Organe haften gegenüber der Gesellschaft für Pflichtverletzungen (Art. 717 OR). Die Aktionäre, Gesellschaftsgläubiger oder die Gesellschaft selber können im 25 Falle einer Pflichtverletzung eines formellen oder faktischen Organs die Verantwortlichkeitsklage nach Art. 754 ff. OR anstrengen. Neben den formellen und faktischen Organen haften auch Personen, die sich gegenüber einem gutgläubigen Dritten als Organ ausgegeben haben oder den Anschein einer Organstellung erweckt haben, ohne dass diese tatsächlich Organe waren (Organstellung durch Kundgabe). Allerdings muss sich die AG in diesem Fall die Handlung nach Treu und Glauben zurechnen lassen, wenn sie vom Verhalten dieser Person wusste und diese gewähren liess. 5. Abgrenzung der Organe a. Gegenüber Vertretern Von den Organen abzugrenzen ist der bürgerliche Stellvertreter. Dieser steht ausserhalb der Organisation und handelt als rechtsgeschäftlich beauftragter Dritter für die AG. Durch die Handlungen des Stellvertreters wird die AG nach den Regeln über die direkte Stellvertretung verpflichtet (Art. 32 ff. OR). Die AG kann sich auch kaufmännischen Stellvertretern bedienen. In diesem Falle haftet sie nach den entsprechenden Vorschriften über die Prokuristen (Art. 458 ff. OR), die Handlungsbevollmächtigten (Art. 462 OR), die Handelsreisenden (Art. 348b OR) oder die Agenten (Art. 418e OR). b. Gegenüber Hilfspersonen Vom Organ abzugrenzen sind die Hilfspersonen. Organe kennzeichnen sich durch ihre rechtliche oder faktische Entscheidkompetenz und können deshalb selbstständig Entscheide treffen und an der Willensbildung der AG massgebend teilhaben. Hilfspersonen sind mit routinemässigen Alltagsgeschäften ohne unternehmerische Bedeutung betraut (BGE 117 II 432, S. 442). Hilfspersonen können auch die technischen, kaufmännischen oder juristischen Grundlagen bereitstellen und so die Entscheidfindung vorbereiten (BGE 117 II 570, S. 573). Die AG haftet für die Handlungen ihrer Hilfspersonen nach Art. 55 OR (Geschäftsherrenhaftung) und Art. 101 OR (Hilfspersonenhaftung). II. Generalversammlung 1. Die Stellung der Generalversammlung Die Generalversammlung bildet sich aus allen Aktionären der Gesellschaft. Sie ist also das Willensbildungsorgan der stimmberechtigten Eigentümer der Gesellschaft. Die GV ist ein reines Innenorgan, welches nach aussen nicht in Erscheinung tritt. Die Partizipanten dürfen grundsätzlich nicht an der Generalversammlung teilnehmen. Selbst wenn die Statuten ihnen ein entsprechendes Recht verleihen, dürfen sie nicht stimmen und keines der mit dem Stimmrecht verbundenen Rechte ausüben. Würde den Partizipanten das Stimmrecht gewährt, wäre dies ein Verstoss gegen die Grundprinzipien der AG. Die GV wird vom Gesetz als oberstes Organ der AG bezeichnet (Art. 698 Abs. 1 OR). Dies ist nur insofern richtig, als dass die GV über Kompetenzen verfügt, die für die Existenz der AG notwendig sind. Daneben haben der VR und die Revisionsstelle ebenfalls unübertragbare und unentziehbare Kompetenzen. Es wird deshalb von der Paritätstheorie ausgegangen, d.h. alle Organe sind einander gleich gestellt. 2. Befugnisse der GV a. Unübertragbare Befugnisse Die GV besitzt eine Anzahl von unübertragbaren Befugnissen. Diese werden in Art. 689 Abs. 2 OR genannt. In allen diesen Bereichen hat die GV materiell selbst zu entscheiden. Die Delegation der Vorbereitung und Umsetzung der GV-Beschlüsse an ein anderes Organ (meist den VR) ist zulässig und sinnvoll. Die GV tagt i. d. R. nur 26 einmal jährlich und zählt viele Mitglieder, sie ist für die dynamische und flexible Umsetzung von Beschlüssen nicht geeignet. Festsetzen und Ändern der Statuen (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 1 OR) Die GV hat die unentziebare Kompetenz die Statuten festzusetzen und abzuändern. Allerdings darf der VR in gewissen Fällen die Statuten selber anpassen: im Falle der ordentlichen, genehmigten und bedingten Kapitalerhöhung durch Anpassung der Höhe des AK (Art. 652g OR und Art. 653g OR) im Falle der genehmigten Kapitalerhöhung nach Vornahme einer Erhöhung durch Anpassung des genehmigten Betrages (Art. 651a OR) im Falle der bedingten Kapitalerhöhung nach Ablauf der Ausübungsfrist der Wandel- und Optionsrechte durch Streichung des Erhöhungsbetrages (Art. 653i OR) Wahl von VR und Revisionsstelle (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 3 OR) In die unenziebare Kompetenzen der GV fällt die Wahl von VR und Revisionsstelle. Im Gesetz nicht vorgesehen aber nach herrschender Lehre ebenso in den Kompetenzbereich der GV fällt die Wahl des Konzernprüfers (Art. 731a OR), des besonderen Sachverständigen zur Prüfung der Geschäftsführung (Art. 731 Abs. 2 OR) und der Liquidatoren falls diese nicht vom VR gewählt werden (Art. 740 Abs. 1 OR). Direktoren, Geschäftsführer und Prokuristen kann die GV nicht wählen, sofern diese nicht Mitglieder des VR sind. Die Statuten können der GV die Kompetenz einräumen, den VR-Präsidenten zu wählen (Art. 712 Abs. 2 OR). Neben der Wahl kann die GV die Organe auch jederzeit abberufen (Art. 705 Abs. 1 OR und Art. 727e Abs. 3 OR). Bei der Wahl vom VR und Revisionsstelle hat die GV folgende Gesichtspunkte zu beachten: gesetzliche Wählbarkeitsvoraussetzungen des VR und der Revisionsstelle (Art. 707 f. OR bzw. Art. 727 ff. OR) Rechte von Aktionärskategorien, Aktionärsgruppen und Partizipanten auf Vertretung im VR Genehmigung des Jahresberichtes und der Konzernrechnung (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 3 OR) Die GV hat die unentziehbare Kompetenz den Jahresbericht zu genehmigen. Muss nach Art. 663e OR eine Konzernrechnung erstellt werden, muss diese ebenfalls der GV zur Genehmigung vorgelegt werden. Genehmigung der Jahresrechung und Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinnes (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 4 OR) Die GV genehmigt die Jahresrechnung und beschliesst wie der Bilanzgewinn verwendet wird. Die Jahresrechnung besteht aus Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang. Die GV kann die Jahresrechnung genehmigen, abweisen oder unter Vorbehalt genehmigen (Art. 662 Abs. 2 OR). Damit die Jahresrechnung genehmigt werden kann, muss ein Revisionsbericht vorliegen und der entsprechende Revisor muss anwesend sein (Art. 729c Abs. 1 OR). Wird die Jahresrechung genehmigt, ohne dass ein Revisionsbericht vorliegt, ist der Beschluss nichtig. Wenn der Revisor bei der Beschlussfassung nicht anwesend ist, ist der Beschluss anfechtbar (Art. 729c Abs. 2 OR). Die GV kann mit einstimmigem Beschluss verzichten, dass der Revisor anwesend ist, sofern dies traktandiert worden ist (Art. 729c Abs. 2 OR). Weiter entscheidet die GV über die Verwendung des Bilanzgewinnes, falls ein solcher vorliegt. 27 Entlastung (Décharge) der Mitglieder des VR (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 5 OR) Die Aktionäre bestätigen mit dem Entlastungsbeschluss, dass im betreffenden Geschäftsjahr keine Forderungen gegen den VR geltend gemacht werden. Die Décharge kann dem VR global oder jedem Mitglied einzeln erteilt bzw. verweigert werden. Bei entsprechender Traktdandierung kann auch der nach Art. 716b OR eingesetzten Geschäftsführung die Décharge erteilt werden. Personen, die an der Geschäftsführung mitgewirkt haben und die Organvertreter (BGE 128 III 143) haben bei der Déchargeerteilung kein Stimmrecht. Die Déchargeerteilung bedeutet, dass die Gesellschaft und die zustimmenden Aktionäre keine Verantwortlichkeitsklage nach Art. 754 OR gegen den VR über die ihnen zum Zeitpunkt des Beschlusses bekannten Tatsachen (Art. 758 Abs. 1 OR) einreichen werden. b. Weitere Befugnis Die Aufzählung von Art. 698 Abs. 2 OR ist nicht abschliessend. Art. 698 Abs. 2 Ziff. 6 OR erklärt, dass das Gesetz oder die Statuten der GV weitere Befugnisse zuteilen können. c. Konsultativabstimmungen Wie die GV stehen dem VR unentziehbare und unübertragbare Aufgaben zu. Diese kann der VR nicht auf die GV übertragen. Würden die Statuen eine solche Übertragung vorsehen, wäre diese nichtig. Der VR kann aber im Sinne einer Konsultativabstimmung die Meinung der GV zu einem solchen Gegenstand einholen. Der VR trägt aber weiterhin die Verantwortung und kann dafür mit der Verantwortlichkeitsklage zur Rechenschaft gezogen werden. Zu beachten ist allerdings das Rechtsmissbrauchgebot von Art. 2 Abs. 2 ZGB. Würde ein Aktionär, der bei der Konsultativabstimmung den Vorschlag des VR gut geheissen hat, später die Verantwortlichkeitsklage anstrengen, wäre dies rechtsmissbräuchlich. 3. Durchführung der Generalversammlung a. Arten von Generalversammlungen Es bestehen dre Arten von Generalversammlungen: Die ordentliche und die ausserordentliche GV sowie die Universalversammlung. Die ordentliche GV muss innert sechs Monaten ab Abschluss des Geschäftsjahres abgehalten werden. Die Bestimmung von Art. 699 Abs. 2 OR ist zwingend. Die ausserordentliche GV kann jederzeit durchgeführt werden. Besondere Sachverhalte verlangen nach der Einberufung der ausserordentlichen GV: Bei Kapitalverlust (Art. 725 Abs. 1 OR) Bei Entlassung der von der GV bestellten Bevollmächtigten und Beauftragten aus ihrer Funktion (Art. 726 Abs. 2 OR) Wenn Aktionäre, die mindestens 10% des AK vertreten dies verlangen (Art. 699 Abs. 3 OR). Für die ordentliche und die ausserordentliche GV gelten die gleichen Verfahrensund Formvorschriften. Bei der Universalversammlung ist eine GV bei der sämtliche Aktionäre anwesend oder vertreten sind. Diese Art der GV kommt bei kleinen Aktiengesellschaften oder Einmann-Aktiengesellschaften und Konzerngesellschaften mit 100%-Beteiligung vor. Bei dieser Versammlung müssen die Einberufungs- und Traktandierungsvorschriften nicht eingehalten werden (Art. 701 OR). Die Vorschriften über die Durchführung gelten aber weiterhin. Bei der Universalversammlung darf über alle Geschäfte Beschluss gefasst werden, für die die GV zuständig ist. Allerdings nur so lange wie alle Aktionäre anwe28 send sind. Verlässt ein Aktionär die Versammlung, ist die Universalversammlung aufgehoben und es können keine Beschlüsse mehr gefasst werden. b. Einberufung der Generalversammlung Einberufungsrecht Grundsätzlich beruft der VR die GV ein. Er entscheidet über die Einberufung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sofern die Statuten nichts anderes vorschreiben (Art. 699 Abs. 1 OR). Nötigenfalls kann die Revisionsstelle die GV einberufen (Art. 699 Abs. 1 OR). Dies ist der Fall, wenn der VR nicht mehr in der Lage ist die GV einzuberufen oder wenn er dies aus anderen Gründen unterlässt. Insbesondere kommen folgende Situationen in Frage: Der VR ist nicht mehr handlungsfähig. Der VR unterlässt wissentlich und willentlich die Einberufung der GV (z. B. im Falle von Kapitalverlust). Die Revisionsstelle tritt zurück und will die GV davon in Kenntnis setzen. Die Revisionsstelle hat bei der Prüfung der Bücher derart schwerwiegende Mängel festgestellt, dass sie die GV darüber informieren muss (Art. 729b Abs. 1 OR). Ebenfalls können die Liquidatoren die GV einberufen (Art. 699 Abs. 1 OR), sofern die Liquidation nicht vom VR durchgeführt wird (Art. 740 Abs. 1 OR). Weiter können die Anleihensgläubiger die GV einberufen, sofern die an der GV behandelten Gegenstände die Anleihensgläubiger betreffen (Art. 1157 OR). Aktionäre die zusammen mindestens 10% des Aktienkapitals vertreten, können beim VR die Einberufung einer GV schriftlich verlangen (Art. 699 Abs. 3 OR). Mit dem Begehren um Einberufung der GV sind die Verhandlungsgegenstände und die Anträge mitzuteilen. Das Einberufungsrecht schliesst also das Traktandierungsrecht mit ein (vgl. Art. 700 Abs. 2 OR). Entspricht der VR dem Begehren nicht innert einer angemessenen Frist, können die Aktionäre den Richter anrufen, welcher die Einberufung anordnet (Art. 699 Abs. 4 OR). Die Partizipanten haben grundsätzlich kein Einberufungsrecht, ausser die Statuten räumen ein solches ein. An der GV selber kann ohne entsprechende Traktandierung der Antrag auf Einberufung einer ausserordentlichen GV gestellt werden (Art. 700 Abs. 3 OR). Zeitpunkt und Form der Einberufung Die GV muss mindestens 20 Tage vor dem Datum, an dem die GV stattfinden soll, einberufen werden (Art. 700 Abs. 1 OR). Die Namenaktionäre sind schriftlich zur GV einzuladen, die Inhaberaktionäre durch öffentliche Publikation im SHAB oder in der von den Statuten vorgeschriebenen Form (Art. 696 Abs. 2 OR). In der Einberufung sind der Ort und die Zeit der Versammlung sowie die Verhandlungsgegenstände und die Anträge des VR bzw. der anderen zur Einberufung ermächtigten Personen anzugeben. c. Traktandierung Die Gegenstände über die Verhandelt wird, müssen von der Stelle bekannt gegeben werden, welche die GV einberuft (i. d. R. vom VR). Ebenso sind die Anträge dieser Stelle den Aktionären bekannt gegeben werden. Aktionäre, die zusammen mindestens Aktien im Nennwert von einer Million Franken vertreten, können die Traktadierung von Verhandlungsgegenständen verlangen (Art. 699 Abs. 3 Satz 2 OR). Der Unterschied dieses Traktandierungsrechtes zum Einberufungsrecht von Art. 699 Abs. 3 Satz 1 OR ist, dass diese Aktionäre nur Gegenstände traktandieren können, die bei der nächsten, ohnehin stattfindenden GV behandelt werden müssen. Das Einberufungsrecht hingegen umfasst das Recht eine 29 ausserordentliche GV einzuberufen und die Traktandierung der Verhandlungsgegenstände fest zu legen. Die Aktionäre, welche Aktien von mindestens 10% des Nominalwertes des AK vertreten sollen nach herrschender Lehre auch Gegenstände traktandieren lassen können, wenn sie nicht über ein Nominalkapital von einer Million Franken vertreten. Ebenso können die Aktionäre welche einen Gegenstand traktandieren wollen, die Traktandierung durch den Richter durchsetzen lassen, falls der VR sich weigert den Gegenstand zu traktandieren. Grundsätzlich darf nur über traktandierte Gegenstände beschlossen werden. Über nicht traktandierte Gegenstände darf zwar diskutiert aber nicht abgestimmt werden. Ausnahmen bilden die Einberufung einer ausserordentlicher GV und die Durchführung einer Sonderprüfung (Art. 700 Abs. 3 OR). d. Auflage des Geschäfts- und Revisionsberichtes Der Geschäfts- und der Revisionsbericht sind spätestens 20 Tage vor Durchführung der GV am Sitz der Gesellschaft aufzulegen (Art. 696 Abs. 1 OR). Darüber sind die Aktionäre zu informieren (Art. 696 Abs. 2 OR). Des weiteren können die Aktionäre verlangen, dass ihnen eine Kopie dieser Unterlagen zugestellt wird (Art. 696 Abs. 3 OR). Meist legen die Gesellschaften der Einladung zur GV eine Kopie dieser Unterlagen bei. e. Rechte der Partizipanten Die Partizipanten haben ein Recht über die Einberufung der GV, die Traktanden und die Anträge gleichzeitig mit den Aktionären informiert zu werden (Art. 656d Abs. 1 OR). Die Partizipanten müssen ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Beschlusse der GV am Sitz der Gesellschaft und den im HR eingetragenen Zweigniederlassungen zur Einsicht aufliegen (Art. 656d Abs. 2 OR). f. Einladung der Revisionsstelle und der Konzernrechnungsprüfer Der Revisor muss grundsätzlich anwesend sein, wenn die Jahresrechnung abgenommen wird und über die Verwendung des Bilanzgewinnes abgestimmt wird. Ebenso muss der Revisionsbericht vorliegen (Art. 729c Abs. 1 OR). Ist kein Revisor anwesend sind die Beschlüsse anfechtbar. Die GV kann jedoch mit einstimmigem Beschluss auf die Anwesenheit des Revisors verzichten (Art. 729c Abs. 3 OR). Der Revisionsbericht muss immer vorliegen, ansonsten sind die Beschlüsse nichtig (Art. 729c Abs. 2 OR). Der VR muss daher die Revisionsstelle und falls die Pflicht zur Konzernrechnung besteht den Konzernrechnungsprüfer zur GV einladen. g. Zulassungsprüfung Der VR muss die erforderlichen Massnahmen treffen, dass die Stimmrechte korrekt ausgeübt werden können (Art. 702 Abs. 1 OR und Art. 716a Abs. 1 Ziff. 6 OR). Dazu gehört die Zutrittskontrolle zur GV. Namenaktien Namenaktionäre sind grundsätzlich zutrittsberechtigt, wenn sie im bis zu einem bestimmten Stichtag im Aktienbuch als stimmberechtigter Aktionär eingetragen sind. Will sich ein im Aktienbuch als stimmberechtigter Namenaktionär vertreten lassen, muss er den Vertreter schriftlich ermächtigen (Art. 689a Abs. 1 OR). Das Aktienbuch wird an einem Stichtag vor der GV geschlossen, Eintragungen sind ab diesem Tag nicht mehr möglich. Die Vinkulierung wirkt sich auf den Übergang des Stimmrechtes aus (vgl. S. 15 ff.). Dies stellt einige Probleme, da eventuell Personen, die im Aktienbuch eingetragen sind, nicht stimmberechtigt sind oder andere Personen, die nicht im Aktienbuch eingetragen sich, stimmberechtigt sind. Die AG hat eine bestimmte Frist den Erwer30 ber von vinkulierten Namenaktien anzuerkennen. Erwirbt jemand die vinkulierten Namenaktien kurz vor der GV, kann es dazu kommen, dass er nicht an der GV teilnehmen kann, weil er noch nicht im Aktienbuch eingetragen ist (z. B. X erwirbt 2 Tage vor der GV vinkulierte Namenaktien. Die AG hat 20 Tage Zeit um dem Aktienerwerb zuzustimmen. X kann nicht an der GV teilnehmen). Jedoch darf das Aktienbuch frühestens 20 Tage vor der GV geschlossen werden (X erwirbt 21 Tage vor der GV vinkulierte Namenaktien der Y AG. Er stellt am gleichen Tag eine Gesuch um Eintrag ins Aktienbuch. Die Y AG meldet sich innert 20 Tagen nicht, X darf an der GV als stimmberechtigter Aktionär teilnehmen). Nehmen Personen unbefugterweise an der GV teil oder üben Personen das Stimmrecht aus die dazu nicht befugt sind, kann der entsprechende Beschluss angefochten werden (Art. 691 Abs. 2 OR). Dazu gehört die Übertragung des Stimmrechts auf andere Personen um Stimmrechtsbeschränkungen zu umgehen (Art. 691 Abs. 1 OR). Inhaberaktien Die Inhaberaktionäre weisen sich durch die Präsentation des Inhaberpapiers aus. Der VR kann jedoch eine andere Form des Besitzausweises anordnen (Art. 689a Abs. 2 OR). Von dieser Möglichkeit macht der VR oftmals Gebrauch, da es unpraktisch erscheint, wenn der Aktionär ganze Stapel von Inhaberpapieren mit sich herumtragen müsste. So genügt oft die Präsentation einer Depotbescheinigung der Bank. Zutrittskarten Von grossen Aktiengesellschaften werden oft Zutrittskarten ausgestellt. Diese sind vom Gesetz zwar nicht vorgesehen aber zulässig, zumal sie die Zutrittskontrolle erheblich erleichtern. h. Vertretung des Aktionärs Der Aktionär muss sein Stimmrecht an der GV nicht persönlich ausüben, sondern er kann sich vertreten lassen. Der Vertreter muss selber nur Aktionär sein, wenn die Statuten dies vorschreiben (Art. 689 Abs. 2 OR). Grundsätzlich sind zwei Arten der Vertretung zu unterscheiden: Die individuelle und die institutionelle Vertretung. Der Vertretung liegt mit Ausnahme der vom Gesetz vorgesehenen Vertretungen ein Auftrags- oder wenn bei der Stimmrechtsvertretung auch weniger typisch ein Arbeitsverhältnis zu Grunde. Der Vertreter hat nach den Weisungen des Vertretenen zu stimmen (Art. 389b Abs. 1 OR, Art. 397 Abs. 1 OR und Art. 321d OR). Die entgegen der Weisung des Vertretenen abgegebene Stimme ist für die Gesellschaft jedoch trotzdem verbindlich. Der Vertreter hat sich bei Namenaktien durch eine schriftliche, vom Aktionär unterzeichnete schriftliche Vollmacht auszuweisen (Art. 689a Abs. 1 OR). Die Vertretung des Inhaberaktionärs erfolgt durch Übertragung der Aktie auf den Vertreter. (Art. 689a Abs. 2 OR). Hat der Aktionär die Inhaberaktie verpfändet, verleiht oder hinterlegt, ist die Vertretung nur mit schriftlicher Vollmacht des Aktionärs möglich. Organvertreter Der Organvertreter ist ein Organ der AG oder eine von der AG abhängige Person (Art. 689c OR). Die Gesellschaft kann den Aktionären anbieten, sich durch einen Organvertreter vertreten zu lassen. Der Organvertreter handelt zwar nach den Weisungen der vertretenen Aktionäre (Art. 689b Abs. 1 OR), muss aber keine Weisungen von den Aktionären einholen. Weiter kann der Organvertreter die Vertretung ablehnen, wenn er Weisungen von Aktionären erhält, gegen die Anträge des VR zu stimmen und den entsprechenden Aktionär an den unabhängigen Stimmrechtsvertreter verweisen. Erhält der Organvertreter keine Weisungen folgt er den Anträgen des VR. 31 Unabhängiger Stimmrechtsvertreter Bezeichnet die AG einen Organvertreter, muss sie gleichzeitig einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter bezeichnen (Art. 689c OR). Der Stimmrechtsvertreter steht sowohl im Auftragsverhältnis zur AG als auch zu den vertretenen Aktionären. Bezahlt wird er von der AG. Die Unabhängigkeit des unabhängigen Stimmrechtsvertreter bemisst sich nach der Unabhängigkeit der Revisionsstelle (Art. 727c OR). Dieser Vertreter darf weder vom VR noch vom Mehrheitsaktionär abhängig sein, er darf weder Arbeitnehmer der AG sein noch darf er Aufträge und Arbeiten für die AG ausführen, die seine Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten. Der unabhängige Stimmrechtsvertreter hat nicht die Pflicht Weisungen der Vertretenen einzuholen. Er hält auch keine Voten, er stimmt nur ja oder nein oder enthält sich der Stimme. Ohne Weisung der vertretenen Aktionäre stimmt der unabhängige Stimmrechtsvertreter im Sinne des VR. Depotvertreter Als Depotvertreter gelten die dem Bankgesetz unterstellten Institute und die gewerbsmässigen Vermögensverwalter, die Aktien des Vertretenen im Depot halten und diese Aktionäre an der GV vertreten (Art. 689d Abs. 3 OR). Die Depotvertreter müssen vor jeder GV bei den Vertretenen Weisungen einholen (Art. 689d Abs. 1 OR). Falls keine Weisungen eintreffen oder diese verspätet eintreffen stimmt der Depotvertreter nach den allgemeinen Weisungen des Vertretenen. Fehlen auch solche stimmt er im Sinne des VR (Art. 689d Abs. 2 OR). Bekanntgabe der Vertretungsverhältnisse durch die institutionellen Stimmrechtsvertreter Die institutionellen Stimmrechtsvertreter müssen die Gesellschaft vor Beginn der GV über die von ihnen vertretenen Stimmen informieren (Art. 689e Abs. 1 OR). Machen die Vertreter nicht über alle Aktien Angaben, so gelten die nicht bekannt gegebenen Aktien als unbefugt vertreten (Art. 691 Abs. 3 OR). Die so gefällten Beschlüsse sind anfechtbar, sofern die Gesellschaft nicht beweisen kann, dass die vom betreffenden Vertreter abgegebenen Stimmen ohne Einfluss waren (Art. 689e Abs. 1 OR). Der Vorsitzende hat die von den institutionellen Stimmrechtsvertretern gemachten Angaben an die GV weiterzugeben (Art. 689e Abs. 2 OR). Die Angaben sind zu protokollieren (Art. 702 Abs. 2 OR). Werden die Angaben nicht weitergegeben und fordert ein Aktionär die Weitergabe der Angaben, sind die Beschlüssen anfechtbar (Art. 689e Abs. 2 OR). i. Leitung und Protokoll Leitung der GV Der VR bereitet die GV vor (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 6 OR). Zur Vorbereitung gehört auch die Bestimmung über den Vorsitz der GV. I. d. R. sitzt der Verwaltungsratspräsident der GV vor. Der Vorsitzende eröffnet und schliesst die GV, erteilt und entzieht das Wort und ist für die korrekte Beschlussfassung besorgt. Weiter kann der Vorsitzende eine Redezeitbeschränkung einführen, bei langen, unsachlichen oder ehrverletzenden Voten das Wort entziehen oder Teilnehmer nach erteilter Verwarnung des Saales verweisen. Weiter ergreift der VR Massnahmen, um die Anzahl der stimmberechtigten Aktionäre und deren Vertreter festzustellen (Art. 702 Abs. 1 OR), was einer Eintrittskontrolle bedarf. Zudem bestimmt der Vorsitzenden einen Stimmenzähler und den Protokollführer. Protokoll der GV 32 Der VR ist für die Führung des Protokolls zuständig. Meistens wird das Protokoll vom Sekretär des VR geführt. Das Protokoll beinhaltet nach Art. 702 Abs. 2 OR: das Ergebnis der Abstimmungen und Wahlen die Anzahl, Art, Nennwert und Kategorie der von Aktionären, Organvertreter, unabhängigem Stimmvertreter und Depotvertreter vertretenen Aktien die von Aktionären gestellten Anträge, Begehren um Auskunft und erteilten Antworten sowie von den Aktionären zu Protokoll gegebenen Erklärungen Bei späteren rechtlichen Auseinandersetzungen ist das Protokoll von grossem Beweiswert. Z. B. fehlt es dem Aktionär bei der Verantwortlichkeitsklage an der Aktivlegitimation, wenn er die Décharge erteilt hat. Der Aktionär muss deshalb zu Protokoll geben, dass er die Décharge nicht erteilt habe. Die Aktionäre haben das Recht ins Protokoll einzusehen (Art. 702 Abs. 2 OR). Das Protokoll ist deshalb mindestens zehn Jahre aufzubewahren (Art. 962 Abs. 1 OR). j. Beschlussfassung und Wahlen Damit ein positiver Beschluss gefällt werden kann oder Wahlen gültig zustande kommen, muss eine bestimmte Stimmenzahl abgegeben werden (Beschlussquorum) oder eine bestimmte Anzahl Aktionäre anwesend sein (Präsenzquorum). Die im Gesetz verankerten Beschlussquoren (Art. 703 OR und Art. 704 OR) können durch die Statuten verschärft jedoch nicht herabgesetzt werden. Will die GV verschärftes Quorum einführen, muss sie mit der für diesen Bereich notwendigen Mehrheit entscheiden (Art. 704 Abs. 1 OR). Für die Herabsetzung eines erhöhten statutarischen Quorums ist die gleiche Mehrheit erforderlich, die bei dessen Einführung galt (sog. Siegwart-Regel; Umkehrschluss von Art. 704 Abs. 2 OR). Bsp.: die Y AG beschliesst, dass Änderungen des Gesellschaftszweckes nur noch einstimmig eingeführt werden können. Für die Änderung des Gesellschaftszwecks ist nach Art. 704 Ziff. 1 OR die Zwei-Drittels-Mehrheit der vertretenen Stimmen und die absolute Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte notwendig. Die Änderung kann also nur mit dieser Mehrheit eingeführt werden. Zwei Jahre später möchte die Y AG diese Änderung wieder rückgängig machen. Dabei ist das selbe Beschlussquorum wie bei der Einführung der Änderung notwendig und nicht etwa die Einstimmigkeit. Die Statuten können Präsenzquoren vorsehen. Für die Abschaffung von Präsenzquoren gilt ebenfalls die Siegwart-Regel. Die Stimme in der GV muss persönlich oder durch einen Vertreter abgegeben werden. Sog. Zirkulationsbeschlüsse sind nicht zulässig. Allgemeine Beschlüsse und Wahlen werden mit der absoluten Mehrheit der vertretenen Aktienstimmen abgegeben (Art. 703 OR), d.h. eine Stimmenthaltung hat die gleiche Wirkung wie eine Nein-Stimme. Bsp.: Bei der GV der Y AG sind 1'000 Stimmen anwesend oder vertreten. Bei der Beschlussfassung werden 900 Stimmen abgegeben. Davon lauten 451 Stimmen auf ja. Bei der Mehrheit der vertretenen Stimmen beträgt das absolute Mehr 501 Stimmen, also ist der Antrag abgelehnt, bei der Mehrheit der abgegebenen Stimmen betrüge das absolute Mehr 451 Stimmen und der Antrag wäre angenommen. Für besonders wichtige Beschlüsse sieht Art. 704 OR ein doppeltes Quorum von zwei dritteln der vertretenen Aktienstimmen und der Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte. Somit haben die Stimmrechtsaktien (vgl. S. 6) keine Wirkung. Das doppelte Quorum gilt abschliessend für Beschlüsse über: Änderung des Gesellschaftszweckes Einführung von Stimmrechtsaktien 33 Genehmigte oder bedingte Kapitalerhöhung Kapitalerhöhung aus Eigenkapital (sog. Ausgabe von Gratisaktien) Kapitalerhöhung durch Sacheinlage oder zwecks Sachübernahme und die Gewährung besonderer Vorteile Einschränkung oder Aufhebung des Bezugsrechts Sitzverlegung der Gesellschaft Beschlüsse über die Aufgabe der Gewinnstrebigkeit (Art. 706 Abs. 1 Ziff. 4 OR) und der Verzicht auf die Anwesenheit des Revisors bei der Abnahme der Jahresrechung (Art. 729c OR) müssen einstimmig gefällt werden. Der Stichentscheid des Präsidenten bei Stimmengleichheit ist im Gesetz nicht vorgesehen, kann aber statutarisch eingeführt werden. 4. Sonderversammlungen Für gewisse Entscheidungen sieht das Gesetz Sonderversammlungen vor: Die Vorzugsaktionäre müssen über die Aufhebung oder Einschränkung ihrer Vorrechte gesondert beschliessen (Art. 654 Abs. 2 und 3 OR). Die Partizipanten müssen gesondert über die Einschränkung ihrer Mitwirkungsrechte befinden, welche von der GV bereits beschlossen wurden (Art. 656f Abs. 4 OR). Diese Regelung kann jedoch durch die Statuten aufgehoben werden. Die Genusscheinberechtigten befinden gesondert, wenn alle ihre Rechte aufgehoben werden sollen (Art. 657 Abs. 4 OR). Bei der Ausgabe von Options- und Wandelanleihen bildet die Anleihensgläubiger die Gläubigergemeinschaft (Art. 1157 OR). Beschliesst die GV über einen Gegenstand der eine dieser Sonderversammlungen betrifft, muss diese ebenfalls zustimmen. III. Verwaltungsrat 1. Zugehörigkeit zum Verwaltungsrat a. Wahl, Voraussetzungen für Wählbarkeit und Amtsantritt Wahl Der VR besteht aus mindestens einer natürlichen Person (Art. 707 Abs. 1 OR). Juristische Personen und Handelsgesellschaften sind nicht in den VR wählbar, sondern nur natürliche Personen als ihre Vertreter (Art. 707 Abs. 2 OR). Diese Personen werden ad personam gewählt, d.h. die gewählten Personen können nicht beliebig ausgetauscht werden. Die GV wählt den VR. Der VR darf unter keinen Umständen frei gewordene Sitze selbst neu besetzten, solche Beschlüsse sind nichtig (Art. 706b Ziff. 3 OR). Die gewählten Personen müssen die Wahl annehmen. Eine Ausnahme besteht, wenn öffentlich-rechtliche Körperschaften Aktionär einer AG sind. Diese Körperschaften dürfen einen Vertreter in den VR entsenden, ohne dass die GV diesen Gewählt hat (Art. 762 OR). Grundsätzlich wählt der VR seinen Präsident selber und bestimmt den Sekretär. Letzterer ist nicht Mitglied des VR und muss nicht Aktionär sein (vgl. Art. 712 OR). Die Mitglieder des VR sind mit Namen, Vornamen und Wohnsitz im HR einzutragen (Art. 641 Ziff. 9 OR). Voraussetzungen für die Wählbarkeit Der VR muss zur Mehrheit aus Schweizer Bürgern mit Wohnsitz in der Schweiz bestehen (Art. 708 Abs. 1 OR). Für Holdinggesellschaften, deren Beteiligungsgesellschaften mehrheitlich im Ausland domiziliert sind, gilt dieses Erfordernis nicht. Zudem 34 muss ein zur Vertretung befugtes Mitglied muss in der Schweiz wohnhaft sein (Art. 708 Abs. 2 OR). Diese Vorschriften sind mit dem Völkerrecht nicht vereinbar. Heute werden die HR-Führer angewiesen, die Vorschrift von Art. 708 OR so auszulegen, dass unter Schweizerbürgern auch EU- und EFTA-Staatsangehörige zu verstehen sind. Das Wohnsitzerfordernis bleibt bestehen. Nach der GmbH-Revision soll Art. 708 OR gestrichen werden. Es soll nur noch gefordert werden, dass ein zur Vertretung befugtes Mitglied (VR oder Geschäftsführer) Wohnsitz in der Schweiz hat. Eine weitere Wählbarkeitsvoraussetzung ergibt sich aus Art. 727c Abs. 1 OR. Demnach dürfen Revisoren nicht zugleich VR-Mitglieder sein. Voraussetzungen für den Amtsantritt Der Verwaltungsrat setzt sich aus Aktionären zusammen (Art. 707 Abs. 1 OR). Wird eine Person gewählt, die nicht Aktionär der Gesellschaft ist, muss dieser mindestens eine Aktie erwerben um sein Amt antreten zu können. Partizipanten können nur in den VR gewählt werden, wenn die Statuten dies vorsehen (Art. 656e OR). In der Lehre ist umstritten ob der Partizipant zugleich auch Aktionär sein muss, wenn sein Amt als VR antreten möchte. Im Rahmen der GmbH-Revision soll das Erfordernis der Pflichtaktie gestrichen werden. b. Vertretung von Akteinkategorien, Aktionärsgruppen und Partizipanten Vertretung von Aktienkategorien Bestehen bezüglich der Stimm- und Vermögensrechte verschiedene Kategorien (Bsp. Stimmrechts- oder Vorzugsaktien) so muss jede Aktienkategorie durch einen Aktionär im VR vertreten sein (Art. 709 Abs. 1 OR). Dies gilt nur bezüglich den Stimm- und Vermögensrechten nicht bezüglich der anderen Aktienarten (z. B. Namen- und Inhaberakten). Die entsprechende Aktionärskategorie kann nicht einen Kandidaten entsenden, sondern lediglich einen Kandidaten der GV zur Wahl vorschlagen. Diesen wählt sie in einer Sonderversammlung aus. Diese darf die Wahl des Kandidaten allerdings nur aus wichtigen Gründen (z. B. mangelnde berufliche Qualifikation) ablehnen. Wählt die GV trotzdem einen anderen Kandidaten, können die Aktionäre der betroffenen Kategorie den Beschluss anfechte. Vertretung von Aktionärsgruppen Die Statuten können vorsehen, dass einzelne Aktionärsgruppen (z. B. Minderheits-, Mitarbeiter- oder Familienaktionäre) je einen Vertreter des VR stellen dürfen (Art. 709 Abs. 2 OR). Wäre dies vorgesehen, kommt das gleiche Verfahren wie bei den Aktienkategorien zur Anwendung. Vertretung von Partizipanten Die Statuten können vorsehen, dass die Partizipanten einen Vertreter im VR stellen (Art. 656e OR). Auch hier wäre das Verfahren gleich wie bei den Aktienkategorien und –gruppen. Umstritten ist ob der gewählte Vertreter der Partizipanten auch Aktionär werden muss um sein VR-Mandat antreten zu dürfen. Die herrschende Lehre verneint dies. c. Amtsdauer Die Amtsdauer beträgt nach der dispositiven gesetzlichen Regelung drei Jahre. Die Statuten können längere Amtszeiten vorsehen. Die längste Amtszeit beträgt sechs Jahre (Art. 710 OR). Die Wiederwahl ist unbeschränkt möglich. Eine Altershöchst35 grenze gibt es nicht. Die Statuten sehen regelmässig siebzig Jahre als Höchstgrenze vor. Das VR-Mandat kann ausserdem bei Tod, Abberufung oder Demission oder bei Handlungs- oder Urteilsunfähigkeit des entsprechenden VR-Mitglieds enden. d. Entschädigung Die Mitglieder des VR können durch Tantiemen oder Honorare entschädigt werden. Tantiemen werden aus dem Bilanzgewinn ausbezahlt. Sie bedürfen einer Grundlage in den Statuten (Art. 627 Abs. 1 Ziff. 2 OR). Tantiemen dürfen erst ausbezahlt werden, wenn den Aktionären eine Dividende von 5% des Aktiennennwertes ausbezahlt wurde. Aus steuertechnischen Gründen haben Tantiemen eine geringe praktische Bedeutung. Dagegen stellen Honorare steuerlich abziehbaren Aufwand dar und kommen in der Praxis viel häufiger vor. Honorare werden meist vertraglich festgelegt, können aber auch ganz oder teilweise vom Erfolg abhängig gemacht werden. e. Entzug oder Beschränkung der Vertretungsbefugnis, Entzug der Vertretungsmach, Einstellung in der Funktion, Abberufung oder Rücktritt Entzug oder Beschränkung der Vertretungsbefugnis Der Gesamtverwaltungsrat kann einem Mitglied die Vertretungsbefugnis entziehen oder beschränken. Dieser Entzug bzw. Beschränkung wirkt nur gegen innen, gegen aussen hat der VR weiterhin Vertretungsmacht. Entzug oder Beschränkung der Vertretungsmacht Die Statuten oder das Organisationsreglement können Angaben über die Beschränkung oder den Entzug der Vertretungsmacht enthalten. Ein VR-Mitglied muss aber immer zur Vertretung befugt sein (Art. 718 Abs. 3 OR). Der Entzug oder die Beschränkung der Vertretungsmacht ist im HR einzutragen. Abberufung Einzelne oder mehrere Mitglieder des VR können von der GV jederzeit abberufen werden (Art. 705 OR). Die Statuten können hierfür ein erhöhtes Beschlussquorum vorsehen, insofern die Abberufung faktisch noch möglich ist (Bsp. nicht einstimmige Zustimmung). Im Falle der Abberufung hat der entsprechende VR Entschädigungsansprüche aus der schuldrechtlichen Beziehungen zur AG. Zu denken ist etwa an die Kündigung des Auftrages zur Unzeit (Art. 404 Abs. 2 OR). Rücktritt Jeder VR darf jederzeit zurücktreten. Dieses Recht darf weder durch Statut noch Reglement eingeschränkt werden. Die Gesellschaft muss das Ausscheiden des VR unverzüglich beim HR anmelden. Nimmt sie dies nicht innert 30 Tagen vor, kann der ausscheidende VR selber die Löschung beim HR anmelden (Art. 711 Abs. 2 OR). 2. Organisation und Arbeitsweise des Verwaltungsrats a. Organisation Der VR hat unter anderem die unentziebare Aufgabe, die Organisation der AG festzulegen (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 2 OR). Zu diesem Grund erlässt er ein Organisationsreglement. Weiter kann der VR seinen Präsidenten selber bestimmen (Art. 712 OR). Die Statuten können aber vorsehen, dass die GV den VR-Präsidenten wählt. Weiter 36 bestimmt der VR den Sekretär. Dieser ist nicht Mitglied des VR und muss deshalb auch nicht Aktionär sein. Der VR darf die Vorbereitung und Ausführung einzelner organisatorischer Aufgaben einzelnen Mitgliedern des VR zuordnen oder Ausschüsse bilden (Art. 716a Abs. 2 OR). Die Entscheidkompetenz und die Verantwortung verbleibt jedoch immer beim Gesamt-VR. b. Einberufung Die VR-Sitzung wird vom Präsidenten oder vom Sekretär im Auftrag des Präsidenten einberufen. Jedes Mitglied kann vom Präsidenten unter Angabe der Gründe verlangen, eine Sitzung einzuberufen (Art. 715 OR). Weigert sich der Präsident, kann das Mitglied die Leistungsklage gegen die AG auf Einberufung einer VR-Sitzung anstrengen. Die Einberufung der VR-Sitzung ist an keine Formvorschriften gebunden. Die Einberufungsfrist bemisst sich nach Treu und Glauben. c. Beschlüsse Der VR fasst seine Beschlüsse durch Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Art. 713 Abs. 1 OR). Ein VR kann sich nicht durch Vollmacht vertreten lassen. Ein nicht anwesender VR kann also nicht mit stimmen. Er darf seine Stimme auch nicht vorgängig schriftlich abgeben. Hingegen sind schriftliche Zirkulationsbeschlüsse ausdrücklich zulässig, allerdings nur wenn alle VR-Mitglieder einverstanden sind (Art. 713 Abs. 2 OR). Bei Stimmengleichheit kommt dem Vorsitzenden der Stichentscheid zu (Art. 713 Abs. 1 OR). Die Statuten können jedoch den Stichentscheid ausschliessen. Bei Nichtigkeit der VR-Beschlüsse gelten die selben Folgen wie bei nichtigen GVBeschlüssen (Art. 714 OR i. V. m. Art. 706b OR). Die VR-Beschlüsse sind hingegen nicht anfechtbar (Art. 706 OR). d. Protokoll Der Sekretär führt ein Protokoll über die VR-Sitzungen. Das Protokoll wird vom Präsidenten unterzeichnet. Im Protokoll sind nicht nur die Beschlüsse festgehalten sondern auch die dazugehörigen Beratungen und Argumente (Art. 713 Abs. 3 OR). e. Auskunfts- und Einsichtsrecht Allgemeines Das Einsichts- und Auskunftsrecht von Art. 715a OR bedeutet auch eine Einsichtsund Auskunftspflicht. Auf Grund der Sorgfaltpflicht muss sich der VR alle Informationen beschaffen, die für die pflichtgemässe Erfüllung seiner Tätigkeiten notwendig sind. Grundsätzlich kann jedes Mitglied des VR Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen (Art. 715a Abs. 1 OR). Daneben können die VR-Mitglieder auch in die Bücher und Akten der Gesellschaft einsehen, allerdings nur soweit es für die Aufgabenerfüllung notwendig ist (Art. 715 Abs. 4 OR). Wird ein Gesuch um Auskunftserteilung abgelehnt, entscheidet der Gesamt-VR (Art. 715a Abs. 5 OR). Gegen den Entscheid es Gesamt-VR besteht kein Rechtsmittel. Informationspflicht während der Sitzungen Während der VR-Sitzungen sind sämtliche VR zur Auskunft verpflichtet. Die Auskunft muss an der Sitzung selber erteilt werden (Art. 715a Abs. 2 OR). Wird Auskunft von Personen, die nicht anwesend sind verlangt, müssen diese beigezogen werden. Die Auskunftspflicht betrifft alle Geschäfte. Informationspflicht ausserhalb der Sitzungen Ausserhalb der Sitzungen sind die mit der Geschäftsführung betrauten Personen auskunftspflichtig. Die Auskunftspflicht beschränkt sich auf den allgemeinen Ge37 schäftsgang. Auskünfte über einzelne Geschäfte bedürfen der Ermächtigung des Präsidenten (Art. 715a Abs. 3 OR). 3. Aufgaben des Verwaltungsrates a. Exklusivorgan mit Subsidiärkompetenz Das dispositive Gesetzesrecht sieht die subsidiäre Kompetenzvermutung beim VR vor, d.h. der VR ist für alle Aufgaben zuständig, die das Gesetz nicht einem anderen Organ zuschreibt (Art. 716 OR). b. Geschäftsführung Die Geschäftsführung betrifft die innere Leitung der Gesellschaft. Bei der Geschäftsführung geht es nicht um die Formulierung der Unternehmensstrategie sondern eher um operative Aufgabenbereiche. Grundsätzlich ist der Gesamt-VR für die Geschäftsführung zuständig (Art. 716b Abs. 1 OR). Er kann diese Kompetenz an einzelne VR-Mitglieder (Delegierte) oder an Dritte (Direktoren, CEO) delegieren (Art. 716 Abs. 2 OR). Für die Delegation der Geschäftsleitung bedarf es einer statutarischen Grundlage (Art. 716b Abs. 1 OR) und eines Organisationsreglements in dem die Details der Delegation geregelt sind (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 2 OR). c. Vertretung Die Vertretung ist das Gegenstück der Geschäftsleitung, sie wirkt nach aussen. Vertretungsermächtigung Grundsätzlich sind alle Verwaltungsräte zur Vertretung der Gesellschaft nach aussen befugt (Art. 718 Abs. 1 OR). Die Statuten oder das Organisationsreglement können jedoch andere Regelungen vorsehen. Dies ist insbesondere bei grösseren Gesellschaften oft der Fall. So werden die Vertretungsbefugnisse auf einzelne Verwaltungsräte (Delegierte des VR), Dritte (Direktoren, CEO) oder mit besonderen Vollmachten ausgestattete Mitarbeiter (Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte, Handelsreisenden, Agenten) übertragen. Oft wird in den Statuten oder im Organisationsreglement die Kollektivunterschrift vorgesehen. Die Delegation der Vertretungsbefugnis an Delegierte und Direktoren (Art. 718 Abs. 2 OR) und an Prokuristen (Art. 721 OR) bedarf eines VR-Beschlusses. Mindestens ein Mitglied des VR muss zur Vertretung befugt sein (Art. 718 Abs. 3 OR) und den Wohnsitz in der Schweiz haben (Art. 708 Abs. 2 OR). Umfang und Beschränkung der Vertretungsmacht Die Vertretungsmacht beschreibt inwiefern der Vertreter die Gesellschaft durch seine Handlungen bindet, also inwieweit der Vertreter die Gesellschaft vertreten kann. Die Vertretungsbefugnis umschreibt inwiefern der Vertreter die Gesellschaft binden darf. Tritt also jemand gegenüber einem gutgläubigen Dritten mit Vertretungsmacht auf ohne zur Vornahme des entsprechenden Handlung befugt zu sein, bindet er die Gesellschaft trotzdem, kann aber von der Gesellschaft zur Verantwortung gezogen werden. Die Vertretungsmacht umfasst alle Rechtshandlungen die der Gesellschaftszweck mit sich bringen kann (Art. 718a Abs. 1 OR). Diese Formulierung wird vom BGer sehr weit ausgelegt. Sie beinhaltet alle Handlungen die der Gesellschaftszweck möglicherweise mit sich bringt, d.h. die durch den Gesellschaftszweck nicht geradezu ausgeschlossen sind (BGE 116 II 320, S. 323). Diese Formulierung gilt für Delegierte und Direktoren im Sinne von Art. 718 Abs. 2 OR jedoch nicht für Prokuristen und andere Bevollmächtigte. 38 Prokuristen dürfen alle Handlungen vornehmen, die der Gesellschaftszweck mit sich bringt, jedoch nicht die Veräusserung und Belastung von Grundstücken (Art. 458 ff. OR). Handlungsbevollmächtigte dürfen alle Handlungen vornehmen, die der Zweck des Geschäfts gewöhnlich mit sich bringt. Sie dürfen jedoch keine Wechselverbindlichkeiten eingehen, keine Darlehen aufnehmen, keine Prozesse führen und keine Grundstücke veräussern oder belasten (Art. 462 OR) Handelsreisende dürfen mit schriftlicher Ermächtigung Geschäfte abschliessen und alle Rechtshandlungen die diese Geschäfte mit sich bringen abschliessen. Sie dürfen jedoch ohne schriftliche Ermächtigung weder Zahlungen entgegennehmen noch Zahlungsfristen bewilligen (Art. 348b OR). Der VR kann die Vertretungsmacht einschränken. Einschränkungen sind im HR einzutragen, damit sie Dritten entgegengehalten werden können. Im Interesse des Rechtsverkehrs kommen nur die Kollektivunterschrift (gemeinsame Vertretung) oder die Beschränkung der Vertretung auf die Hauptniederlassung oder auf die Zweigniederlassung in Frage. Andere Beschränkungen haben nur Wirkung gegen innen. Sie können dem gutgläubigen Dritten nicht entgegengehalten werden (Art. 718a Abs. 2 OR). Erlangt der Dritte Kenntnis von der Beschränkung der Vertretungsmacht, ist sein guter Glaube zerstört. Form der Zeichnung Die zeichnungsberechtigten Mitglieder des VR und Direktoren haben ihrem Namen die Firma voranzustellen, damit ihre Zeichnung die Gesellschaft bindet (Art. 719 OR). Prokuristen haben nach Art. 26 HRegV in ihrem Namen und der Firma sowie einem Zusatz der auf die Prokura hindeutet zu zeichnen (z. B. pp od. ppa). Handlungsbevollmächtigte zeichnen mit i. V. Gegen aussen ist somit klar, dass diese Personen nicht als natürliche Personen zeichnen sondern in Vertretung einer AG. Eintrag ins Handelsregister Der VR muss die Vertretungsberechtigten im HR anmelden. Die Eintragung erfordert: eine notariell beglaubigte Kopie des VR-Beschlusses über die Ernennung zum Vertreter und eine notariell beglaubigte Unterschrift des Vertreters, dieser kann die Unterschrift alternativ auch vor dem HR-Führer leisten (Art. 720 OR). Für Prokuristen gilt das selbe Verfahren, diese werden jedoch nicht im HR eingetragen (Art. 458 Abs. 2). d. Unübertragbare und unentziehbare Aufgaben Wie der GV weist das Gesetz dem VR einige unübertragbare und unentziehbare Aufgaben zu (Art. 716a OR). Diese können weder auf andere Organe übertragen, noch durch Beschluss entzogen werden oder delegiert werden. Eine anders lautende Statutenbestimmung ist nichtig (Art. 706b Ziff. 3 OR). Der VR kann die Vorbereitung, Ausführung oder Überwachung an einzelne Mitglieder oder Ausschüsse übertragen (Art. 716a Abs. 2 OR). Die Entscheidkompetenz und die Verantwortung verbleibt aber beim VR. Oberleitung der Gesellschaft und Erteilung der nötigen Weisungen (Art. 716a Ziff. 1 OR) Die Oberleitung der Gesellschaft ist die wichtigste Aufgabe des VR. Die Oberleitung bedeutet mit anderen Worten die Formulierung der Unternehmensstrategie, wofür der VR auch die Verantwortung trägt. Darüber hinaus erteilt der VR die nötigen Weisungen an die Geschäftsleitung und beaufsichtigt diese bei der Durchführung. Weitere unübertragbare und unentziebare Kompetenzen des VR 39 Art. 716a OR legt weitere unübertragbare und unentziehbare Kompetenzen des VR fest. Diese Kompetenzen sind im Grunde genommen eine Ergänzung der Oberleitung der Gesellschaft: die Festlegung der Organisation der Gesellschaft und im Falle der Delegation der Geschäftsführung das Erstellen eines Organisationsreglements nach Art. 716b Abs. 2 OR (Ziff. 2). der Aufbau und die Organisation des Rechnungswesen, die Kontrolle der internen Finanzabläufe sowie die voraussichtliche finanzielle Planung (Ziff. 3) die Ernennung der zur Geschäftsführung befugten Personen und deren Abberufung (Ziff. 4) die Überwachung der Geschäftsführung (Ziff. 5) Des weiteren ist der VR für die Erstellung der Jahresrechung und des Jahresberichtes (und evtl. der Konzernrechnung) zuständig (Art. 662 Abs. 1 OR). Auch wenn der VR den Geschäftsbericht nicht selbst erstellt, ist er für diesen verantwortlich. Er muss den Geschäftsbericht ausdrücklich genehmigen. Des weiteren ist der VR für die Vorbereitung der GV zuständig. Dies beinhaltet: Auflegen oder Versenden des Geschäfts- und des Revisionsberichtes Aufstellen der Traktandenliste Einladung der Aktionäre und Informieren der Partizipanten Vorlage der Jahresrechung (evtl. Konzernrechnung) an die Revisionsstelle Formulieren eines Antrages für die Gewinnverwendung Formulieren der weiteren Anträge Sicherstellen der Eintrittskontrolle, der Protokollierung und der Stimmenzählung Des weiteren trifft den VR die Pflicht den Richter im Falle der Überschuldung anzurufen (Art. 725 OR). 4. Pflichten des Verwaltungsrates a. Sorgfaltspflicht Die Sorgfaltspflicht nach Art. 717 Abs. 1 OR umfasst im wesentlichen folgende vier Bereiche: Sorgfalt in der Annahme des Mandates (keine fachliche und persönliche Überforderung, keine Interessenkollision) Sorgfalt in der Erfüllung der Aufgaben Sorgfalt in der Organisation Sorgfalt in der Auswahl der Untergebenen Der Massstab der Sorgfalt ist objektiv zu bestimmen, d. h. wie ein gewissenhafter und vernünftiger Mensch in der entsprechenden Situation gehandelt hätte. b. Treuepflicht Der VR hat die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen zu wahren (Art. 717 Abs. 1 OR). Konkret darf er nichts tun oder unterlassen, was den Interessen der Gesellschaft schadet. Besteht ein direkter Interessenkonflikt zwischen dem VR und der Gesellschaft darf der VR sein Amt nicht antreten (Bsp. ein VR ist gleichzeitig VR einer Konkurrenzgesellschaft). Ergibt sich später ein Interessenkonflikt muss der VR die Interessen der Gesellschaft über seine persönlichen Interessen stellen. Er muss nicht in den Ausstand treten. Der befangene VR sollte sich aber beim entsprechenden Beschluss der Stimme enthalten. 40 Verwaltungsräte die einzelnen Aktionärskategorien oder –gruppen vertreten, müssen die Interessen der Gesellschaft über die Interessen dieser Kategorien bzw. Gruppen stellen. Der VR darf sein Wissen, dass er auf Grund seiner Tätigkeit erlangt hat, nicht zum eigenen Vorteil ausnützen. Obwohl dies der Gesellschaft nicht per se schadet, erfüllt ein solche Handeln den Insidertatbestand (Art. 161 StGB). Kontrahiert ein VR mit der Gesellschaft, muss er so vorgehen, wie die Gesellschaft mit einem Dritten vorgehen würde. c. Gleichbehandlungspflicht Der VR hat die Aktionäre gleich zu behandeln (Art. 717 Abs. 2 OR). Die Gleichbehandlung gilt nicht absolut sondern im Sinne der Gleichbehandlung unter den gleichen Voraussetzungen (Gleiches gleich und Ungleiches ungleich). Die Gleichheitsbehandlung stellt einen Schutz der Minderheitsaktionäre dar, insofern dass die Gleichbehandlung nicht nur bei GV-Beschlüssen (vgl. Art. 706 Abs. 2 Ziff. 3 OR) zu beachten ist, sondern auch bei versteckten Massnahmen des VR. 5. Kapitalverlust und Überschuldung a. Begriffe Aktienkapital, Reserven und Eigenkapital Art. 725 OR spricht von Aktienkapital. Dieser Begriff ist insofern unvollständig, dass unter Aktienkapital die Summe von AK und Partizipationskapital zu verstehen ist. Das Eigenkapital bemiss sich aus dem Aktienkapital und den Reserven. Die Reserven können in gesetzliche und freie Reserven unterteilt werden. Zu den gesetzlichen Reserven zählen: die allgemeine gesetzliche Reserve (Art. 671 OR) die Reserve für eigenen Aktien (Art. 671a OR) die Aufwertungsreserve (Art. 671b OR) Zu den freien Reserven zählen insbesondere: die in den Statuten vorgesehenen Reserven ohne Zweckbindung (Art. 672 Abs. 2 OR) die von der GV in Einzelfall beschlossenen und den Voraussetzungen von Art. 674 Abs. 2 Ziff. 2 OR genügenden Reserven (z. B. Reserven für die ausgeglichene Gestaltung der Dividende) Unterbilanz, Kapitalverlust und Überschuldung Eine Unterbilanz liegt vor, wenn ein Verlustvortrag in der Bilanz ausgewiesen werden muss. Dies ist der Fall, wenn der Verlust nicht mehr mit den Reserven wettgemacht werden kann. Gesetzliche Folgen hat eine Unterbilanz erst im Falle des Kapitalverlustes (Art. 725 Abs. 1 OR) und der Überschuldung (Art. 725 Abs. 2 OR). b. Kapitalverlust Im Falle des Kapitalverlustes nach Art. 725 Abs. 1 OR zeigt die Bilanz folgendes Bild: Bilanz Umlaufvermögen Fremdkapital Anlagevermögen Verlustvortrag Eigenkapital Der Bilanzverlust gleich viel oder mehr als die Hälfte des Eigenkapitals aus. In Art. 725 Abs. 1 OR wird zwar die Jahresbilanz als massgebend genannt, liegt jedoch bereits während des Geschäftsjahres ein Kapitalverlust vor, muss der VR eine Zwi41 schenbilanz und –erfolgsrechtung erstellen oder erstellen lassen. Die Bewertung erfolgt zu Fortführungswerten. Alle gesetzlichen Reserven dürfen aufgelöst werden, um den Bilanzverlust zu beseitigen (Art. 671 Abs. 3 OR). Nützt dies nichts, muss der VR eine ausserordentliche GV einberufen und Sanierungsmassnahmen beantragen (Art. 725 Abs. 1 OR). Die Massnahmen müssen beschlussreif sein, die GV muss also nur noch zustimmen oder ablehnen. Zu denken ist etwa an folgende Massnahmen: Operationelle Massnahmen wie Redimensionierung, Verkauf von Geschäftsbereichen, Auswechseln des Managements, etc. Buchhalterische Massnahmen o Auflösung von Reserven oder Rückstellungen o Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen: Nach Art. 670 OR dürfen im Sanierungsfall Grundstücke und Beteiligungen zu Marktwerten bilanziert werden (Auflösung von stillen Zwangsreserven). Die so entstandene Reserve ist in der Bilanz gesondert auszuweisen. o Herabsetzung des AK: Im Falle einer Unterbilanz darf das AK im vereinfachten Verfahren herabgesetzt werden (Art. 735 OR siehe S. 24). Dies ist auch möglich wenn kein Kapitalverlust sondern „nur“ eine Unterbilanz vorliegt. o Erhöhnung des AK o Umwandeln von Fremdkapital in Eigenkapital mit Zustimmung der Gläubiger c. Überschuldung Im Falle der Überschuldung zeigt sich folgendes Bild: Bilanz Umlaufvermögen Anlagevermögen Fremdkapital Verlustvortrag Eigenkapital Der Bilanzverlust ist grösser als das Eigenkapital. Liegt eine Überschuldung vor oder besteht die Besorgnis, dass es zu einer Überschuldung kommen könnte schreibt Art. 725 Abs. 2 OR vor, dass der VR wie folgt tätig wird: Besteht die Besorgnis, eine Überschuldung könnte vorliegen, erstellt der VR je eine Zwischenbilanz zu Fortführungs- und zu Liquidationswerten und legt diese der Revisionsstelle vor. Die Revisionsstelle prüft, ob die Forderungen der Gläubiger noch gedeckt sind und zwar auf Grund der Bilanz zu Fortführungs- und zu Veräusserungswerten. Sind die Forderungen der Gläubiger bei beiden Bilanzen nicht mehr gedeckt, benachrichtigt die Revisionsstelle den Richter, welcher den Konkurs über die Gesellschaft eröffnet. Wenn die Überschuldung offensichtlich ist, hat die Revisionsstelle die Pflicht den Richter zu benachrichtigen, wenn der VR dies unterlässt (Art. 729b Abs. 2 OR). Der Richter muss nicht benachrichtigt werden, wenn einzelne Gläubiger im Ausmass der Überschuldung einen Rang zurücktreten und auf die Geltendmachung ihrer Forderungen verzichten, so lange die Überschuldung besteht. Der Richter kann den Konkurs aufschieben, wenn der VR oder ein Gesellschaftsgläubiger dies verlangt, und Aussicht auf Sanierung der Gesellschaft besteht (Art. 725a Abs. 1 OR). Bewilligt der Richter den Konkursaufschub, trifft er Massnahmen um das Vermögen zu erhalten. I. d. R. wird er einen Sachwalter nach bestellen und die Befugnisse des VR und der Geschäftsleitung beschränken (Art. 725a OR). 42 IV. Revisionsstelle 1. Wahl, Rücktritt und Abberufung a. Wahl und Amtsdauer Die GV wählt einen oder mehrere Revisoren sowie Ersatzleute. Die Wahl der Ersatzleute ist fakultativ (Art. 727 Abs. 1 OR). Die Amtsdauer der Revisoren beträgt maximal drei Jahre, die Wiederwahl ist unbeschränkt möglich (Art. 727e Abs. 1 OR). Die Revisoren werden vom VR beim HR angemeldet (Art. 641 Ziff. 10 OR), nachdem sie ihre Wahl angenommen haben. Die Revisoren stehen in einem auftragsähnlichen Verhältnis zur Gesellschaft. Die Revisionsstelle ist weder an Weisungen vom VR noch vom Mehrheitsaktionär gebunden. Sie muss unabhängig sein (Art. 727c Abs. 1 OR). Tritt der Revisor von seinem Amt zurück, läuft seine Amtsdauer ab oder wird er abberufen, muss dies unverzüglich beim HR angemeldet werden. Nach 30 Tagen, kann der Revisor selber beim HR die Löschung beantragen, falls der VR untätig bleibt (Art. 727e Abs. 4 OR). b. Abberufung Die GV kann den Revisor jederzeit und ohne Angabe von Gründen abberufen (Art. 705 Abs. 1 OR). Allfällige Entschädigungsansprüche wie etwa aufgelaufene Honorare oder Schadenersatz aus Kündigung zur Unzeit nach Art. 404 Abs. 2 OR bleiben vorbehalten (Art. 705 Abs. 2 OR). Jeder Aktionär kann die Abberufung des Revisors verlangen, wenn dieser z. B. wegen mangelnder fachlicher Qualifikation oder fehlender Unabhängigkeit die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt (Art. 727e Abs. 3 OR). c. Rücktritt Der Revisor kann jederzeit unter Angabe der Gründe zurücktreten (Art. 727e Abs. 2 OR). Tritt der Revisor zurück, hat die AG ein Problem, denn es fehlt ihr ein Organ. Der VR muss unverzüglich eine ausserordentliche GV einberufen, die einen neuen Revisor wählt. Diesem Problem kann durch die Wahl von Ersatzleuten vorgebeugt werden. d. Richterliche Behebung einer Vakanz Erlangt der HR-Führer Kenntnis, dass bei einer AG die Revisionsstelle fehlt, setzt er der betreffenden Gesellschaft eine Frist zur Wahl eines neuen Revisors (Art. 727f Abs. 1 OR). Ernennt die AG innert dieser Frist keine neue Revisionsstelle, beantragt der HR-Führer beim Richter die Ernennung einer Revisionsstelle (Art. 727f Abs. 2 OR). Die AG kann diesen Revisor nur aus wichtigen Gründen ablehnen (Art. 727f Abs. 4 OR). 2. Gesetzliche Anforderungen an Revisoren a. Wohnsitz bzw. Sitz Als Revisionsstelle sind natürliche Personen, Handelsgesellschaften (Kollektiv- und Kommanditgesellschaft, GmbH, Kommandit-AG und AG) und Genossenschaften wählbar (Art. 727d OR). Handelsgesellschaften und Genossenschaften sind verantwortlich, dass die mit der Revision betrauten Personen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen (Art. 727d Abs. 2 OR). Mindestens ein Revisor muss den Wohnsitz bzw. den Sitz in der Schweiz haben oder eine im HR eingetragene Zweigniederlassung in der Schweiz haben (Art. 727 Abs. 2 OR). b. Allgemeine Befähigung Der Revisor muss befähigt sein, die Revision durchzuführen. Die besondere Befähigung ist in der Verordnung vom 15. Juni 1992 über die fachlichen Anforderungen an besonders befähigte Revisoren (SR 221.302) festgelegt worden. Über die allgemeine 43 Befähigung der Revisoren besteht keine gesetzliche Grundlage, Rechtsprechung zu diesen Thema fehlt bis heute auch. Die Anforderungen an Ausbildung und Erfahrung des Revisors sind im Einzelfall zu prüfen. Fachlich nicht ausgebildete Personen und Familienmitglieder sind von der Revision ausgeschlossen (Art. 727a OR). c. Besondere Befähigung Das Gesetz nennt in Art. 727b Abs. 1 OR Voraussetzungen, wenn ein besonders befähigter Revisor die Revision der Gesellschaft vorzunehmen hat: wenn die Gesellschaft Anleihensobligationen ausstehend hat (Ziff. 1) wenn die Aktien der Gesellschaft an der Börse kotiert sind (Ziff. 2) wenn in zwei aufeinander folgenden Jahren zwei der folgenden Grössen erfüllt: o Bilanzsumme von 20 Millionen Franken (Ziff. 3 lit. a) o Umsatzerlös von 40 Millionen Franken (Ziff. 3 lit. b) o 200 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt (Ziff. 3 lit. c) Zudem müssen folgende Prüfungen immer von einem besonders befähigtem Revisor vorgenommen werden: Prüfungsbestätigung bei der bedingten Kapitalerhöhung (Art. 653f OR) Prüfung der Konzernrechnung (Art. 731a Abs. 1 OR) Feststellung, dass bei einer Kapitalherabsetzung die Forderungen der Gläubiger gedeckt sind (Art. 732 Abs. 2 OR) Bestätigung, dass bei der vorzeitigen Verteilung des Liquidationsergebnisses die Schulden getilgt und nach den Umständen angenommen werden kann, dass keine Drittinteressen gefährdet sind (Art. 745 Abs. 3 OR) Prüfungsbericht bei Fusion, Spaltung und Umwandlung von Rechtsträgern (Art. 15, 40 und 62 FusG) Der Bundesrat hat gestützt auf Art. 727b Abs. 2 OR die Verordnung vom 15. Juni 1992 über die fachlichen Anforderungen an besonders befähigte Revisoren (SR 221.302) erlassen. Die Voraussetzungen der besonderen Befähigung erfüllen danach: diplomierte Wirtschaftsprüfer diplomierte Treuhand- und Steuerexperten und diplomierte Buchhalter/Controler ab einer Berufserfahrung von fünf Jahren Hochschulabsolventen der Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften und Absolventen der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule mit einer Berufserfahrung von zwölf Jahren gleichwertige ausländische Ausbildungen werden anerkannt juristische Personen gelten als besonders befähigt wenn eine leitende Person die Anforderungen erfüllt Der VR ist verantwortlich, dass der der GV vorgeschlagene Revisor die Anforderungen erfüllt. d. Unabhängigkeit Die Revisoren müssen sowohl vom VR als auch vom Mehrheitsaktionär unabhängig sein (Art. 727c Abs. 1 OR). Der Revisor darf insbesondere nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sein und darf auch keine sonstigen Arbeiten für die Gesellschaft ausführen die mit dem Prüfungsauftrag unvereinbar sind (Art. 727c Abs. 1 OR). Ein Aktionär oder ein Gläubiger kann verlangen, dass diese Anforderungen auch bezüglich der Gesellschaften des Konzerns gelten (Art. 727c Abs. 2 OR). 44 3. Aufgaben der Revisionsstelle a. Allgemeine Prüfung nach Gesetz Die Revisionsstelle prüft, ob die Buchführung, die Jahresrechnung und die Verwendung des Bilanzgewinnes den gesetzlichen und statutarischen Vorschriften entspricht (Art. 728 OR). Der Revisor überprüft ob die Buchführung ordnungsgemäss ist (rechnerisch korrekt, vollständig, belegt) und die spezifischen aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften eingehalten werden. Die Revisionsstelle überprüft stichprobenweise, ob die verbuchten Aktiven tatsächlich vorhanden sind und die Passiven korrekt verbucht wurden und ob die Kapitalschutzvorschriften eingehalten wurden. Dem Revisor ist Zugang zu allen Dokumenten zu gewähren, die er für die Überprüfung benötigt und der VR muss auf vom Revisor gestellte Fragen schriftlich antworten (Art. 728 Abs. 2 OR). Über die bei der Überprüfung erfahrenen Geschäftsgeheimnisse bewahrt der Revisor Stillschweigen (Art. 730 OR) Der Konzernprüfer überprüft, ob die Konzernrechnung den gesetzlichen Vorschriften und den Konsolidierungsvorschriften entspricht (Art. 731a Abs. 1 OR). Die Überprüfung der materiellen Geschäftsführung fällt in die Kompetenz des VR und nicht des Revisors. Der Revisor erstattet der GV schriftlich Bericht und stellt einen Antrag. Dieser kann auf Genehmigung, Genehmigung mit Einschränkungen oder Abweisung lauten. Der Revisionsbericht muss die Namen der Prüfer enthalten und diese müssen bestätigen, dass sie unabhängig und befähigt sind (Art. 729 OR). Der besonders befähigte Revisor erstellt einen Erläuterungsbericht zu Handen des VR (Art. 729a OR). Darin erläutert er das Vorgehen und das Ergebnis der Überprüfung. Die GV darf über die Jahresrechnung und über die Gewinnverwendung nur beschliessen, wenn der Revisionsbericht vorliegt und der Revisor anwesend ist um zusätzliche Auskünfte zu erteilen (Art. 729c Abs. 1 OR). Liegt der Revisionsbericht nicht vor, ist der entsprechende Beschluss nichtig, ist der Revisor nicht anwesend und hat die GV nicht auf die Anwesenheit verzichtet, ist der entsprechenden Beschluss anfechtbar (Art. 729c Abs. 2 OR). Stellt der Revisor Verstösse gegen Gesetz oder Statuten fest, informiert er den VR bzw. in wichtigen Fällen die GV schriftlich (Art. 729b Abs. 1 OR). b. Spezielle Prüfung nach Gesetz Die Revisionsstelle hat neben der periodischen Prüfung der Jahresrechnung hat die Revision weitere Prüfungsaufgaben: Prüfung des Gründungsberichtes bei der qualifizierten Gründung (Art. 635a OR) Prüfung des Kapitalerhöhungsberichtes bei der ordentlichen und genehmigten Kapitalerhöhung (Art. 652f Abs. 1 OR), sofern ein solcher erstellt werden muss (Art. 652f Abs. 2 OR) Prüfung des Kapitalerhöhungsberichtes bei der bedingten Kapitalerhöhung nach Abschluss des Geschäftsjahres (Art. 653f OR) Prüfungen bei Fusionen (Art. 15 FusG und Art. 81 FusG), Spaltungen (Art. 14 FusG) und bei der Umwandlung von Rechtsträgern (Art. 62 FusG) Prüfung der Aufwertung von Liegenschaften und Beteiligungen (Art. 670 OR) Prüfung des Zwischenabschlusses bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung (Art. 725 Abs. 2 OR) Prüfung der konstitutiven Kapitalherabsetzung (Art 732 Abs. 2 OR) Prüfung der vorzeitigen Verteilung des Liquidationsergebnisses (Art. 745 Abs. 3 OR) 45 Revisionsbericht bei Sitzverlegung einer ausländischen Gesellschaft in die Schweiz (Art. 162 IPRG) c. Weitere gesetzliche Aufgaben Die Revisionsstelle hat das Recht die GV einzuberufen, wenn der VR sich dazu weigert, oder hierzu nicht mehr in der Lage ist (Art. 699 Abs. 1 OR). Bei offensichtlicher Überschuldung muss die Revisionsstelle den Richter benachrichtigen, wenn der VR dies unterlässt (Art. 729b Abs. 2 OR). d. Aufgaben gemäss Statuten oder Generalversammlungsbeschluss Der Revisionsstelle können durch die Statuten weitere Aufgaben zugeteilt werden. Die Revisionsstelle darf keine Aufgaben des VR und keine Aufgaben die ihre Unabhängigkeit gefährden können übernehmen (Art. 731 Abs. 1 OR). Die Revisionsstelle darf hingegen Sachverständige zur Prüfung der Geschäftsführung entsenden (Art. 731 Abs. 2 OR). E. Rechtstellung des Aktionärs I. Grundsätze der aktienrechtlichen Mitgliedschaft 1. Kapitalbezogenheit Die Kapitalbeteiligung des Aktionärs ist bei den vermögensrechtlichen und den nichtvermögensrechtlichen Rechten des Aktionärs massgebend. Der Aktionär ist in erster Linie ein Investor oder ein Kapitalgeber. Die einzige Pflicht des Aktionärs ist denn auch die Liberierungspflicht (Art. 680 Abs. 1 OR). 2. Anonymität Das Gegenstück zur Kapitalbezogenheit ist die Anonymität (société anonyme). Die Persönlichkeit ist grundsätzlich nicht von Bedeutung. Dieser Grundsatz wird durch zwei gesetzliche Bestimmungen durchbrochen. Erstens muss der Inhaberaktionär, der seine Rechte ausüben will, seinen Namen gegenüber der Gesellschaft preisgeben (Art. 685b Abs. 3 OR und Art. 685d Abs. 2 OR). Zweitens müssen börsenkotierte Gesellschaften bekannt geben, wer an ihnen massgeblich beteiligt ist (Art. 663c OR und Art. 20 BEHG). 3. Gleichbehandlungsprinzip Das Gleichbehandlungsgebot ist in Art. 706 Abs. 2 Ziff. 3 OR für Beschlüsse der GV und in Art. 717 Abs. 2 OR für Handlungen des VR geregelt. Art. 653d Abs. 2 OR statuiert zudem ein Gleichbehandlungsgebot zwischen Wandel- und Optionsberechtigten und Aktionären. Träger des Gleichbehandlungsgebotes sind demnach die Aktionäre, Adressaten der VR und die GV. Inhalt des Gleichbehandlungsgebotes ist die Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. Das Gleichbehandlungsprinzip gilt nicht absolut. Ungleichbehandlungen können zulässig sein, wenn er verhältnismässig und durch ein überwiegendes Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist. Statutarische Ungleichbehandlungen sind möglich, wenn das Gesetz dies vorsieht (z. B. Stimmrechtsaktien). Bei den Schutzrechten und bei den Mitwirkungsrechten (Abgesehen vom Stimmrecht) ist das Gleichbehandlungsgebot beinahe absolut verwirklicht. 4. Sachlichkeitsgebot Das Sachlichkeitsgebot ist in Art. 706 Abs. 2 Ziff. 2 OR allgemein festgehalten. Daneben befinden sich weitere Bestimmungen, nach denen die AG nur unter Angaben von sachlichen Gründen in die Rechte der Aktionäre eingreifen darf. Ist der Eingriff ein schwerer, muss die Einschränkung erforderlich und unumgänglich sein, zudem ist ein wichtiger Grund anzugeben. Beispiele von solchen Bestimmungen sind die Auf46 hebung des Bezugrechtes (Art. 652b Abs. 2 OR), die Begünstigung oder Benachteiligung bei Zuteilung von Vorwegzeichnungsrechten (Art. 653c Abs. 2 und 3 OR), die Ablehnung des Eintragungsgesuches bei vinkulierten Namenaktien (Art. 685b Abs. 1 OR und die Auflösung der Gesellschaft aus wichtigem Grund (Art. 736 Ziff. 4 OR). 5. Pflicht der schonenden Rechtsausübung Die Gerichtspraxis entwickelte das Prinzip der schonenden Rechtsausübung (BGE 121 III 219, S. 238; BGE 117 II 290, S. 302). Dieses Prinzip besagt, dass zur Erreichung bestimmter berechtigter Ziele immer die Mittel ergriffen werden müssen, welche am wenigsten in die Rechte des Aktionärs eingreifen (vgl. Erforderlichkeit aus dem öffentlichen Recht). 6. Rechtsmissbrauchsverbot Das Gleichbehandlungsprinzip, das Sachlichkeitsprinzip und der Grundsatz der schonenden Rechtsausübung finden ihren Ursprung in Art. 2 ZGB. Trotz dieser speziellen Aktionärsrechte, kann Art. 2 ZGB immer noch angerufen werden, wenn ein aktienrechtliches Prinzip verletzt wird. II. Schranken der Kapitalherrschaft und des Mehrheitsprinzips 1. Individual- und Minderheitenschutz a. Aktienrechtliche Grundprinzipien Die aktienrechtlichen Grundprinzipien (Gleichbehandlung, Sachlichkeit, schonende Rechtsausübung) stellen Durchbrechungen der Kapitalherrschaft und des Mehrheitsprinzips dar. b. Unentziehbare Rechte Das Gesetz definiert Rechte die den Aktionär nicht entzogen werden können oder dem Aktionär nur mit dessen Zustimmung entzogen werden können (unentziehbare Rechte). GV-Beschlüsse, die solche Rechte entziehen, sind nichtig (Art. 706b OR). Art. 706b OR statuiert die absolut unentziehbaren Rechte. Werden diese durch GV-Beschlüsse beschränkt oder entzogen, sind die entsprechenden Beschlüsse nichtig. Als absolut unentziebare Rechte gelten: die unentziebaren Kernrechte wie das Recht auf Teilnahme an der GV, das Mindeststimmrecht und die Klagerechte die anderen vom Gesetz zwingend gewährten Rechte wie das Vertretungsrecht die unentziehbaren Kontrollrechte wie das Recht auf Bekanntgabe des Geschäftsberichts, das Auskunfts- und Einsichtsrecht und das Recht auf Einsetzung eines Sonderprüfers das Recht auf Erhaltung der Grundstrukturen der AG das Recht auf Einhaltung der Bestimmungen zum Kapitalschutz Weiter können nach Art. 706 OR GV-Beschlüsse, die sonstige Aktionärsrechte gesetzes- oder statutenwidrig beschränken oder entziehen angefochten werden. Ficht niemand diese Beschlüsse an, entfalten diese Wirkung. Die (nur) dem Anfechtungsschutz unterliegenden Rechte sind demnach nur beschränkt unentziehbar. c. Qualifizierte Beschlussquoren Die qualifizierten Beschlussquroren stellen einen formellen Minderheitenschutz dar. Über die in Art. 704 Abs. 1 OR abschliessend aufgezählten Gegenstände (z. B. Änderung des Gesellschaftszwecks, Einführung von Stimmrechtsaktien, Vinkulierung von Namenaktien, Einschränkung oder Aufhebung des Bezugsrechtes) kann nur mit 47 doppeltem Quorum von zwei Dritteln der vertretenen Aktienstimmen und der absoluten Mehrheit der vertretenen Aktiennominalwerten beschlossen werden. d. Von einer Aktionärsminderheit durchsetzbare Rechte Aktionäre die Aktien im Nennwert von mindestens einer Million Franken vertreten, können die Trakdandierung von Verhandlungsgegenständen verlangen (Art. 699 Abs. 3 OR). Aktionäre die Aktien im Nennwert von mindestens zwei Millionen Franken oder 10% des Aktienkapitals vertreten, können beim Richter Antrag auf Einsetzung eines Sonderprüfers stellen (Art. 697a OR) Aktionäre die 10% des Aktienkapitals vertreten können die GV einberufen und die Traktanden aufsetzen (Art. 699 Abs. 3 OR). Des weiteren können diese Aktionäre die Konzernrechnung verlangen (Art. 663e Abs. 3 Ziff. 3 OR) und auf Auflösung der AG aus wichtigem Grund klagen (Art. 736 OR) 2. Vom Grundsatz der Kapitalherrschaft abweichende Aktionärsrechte a. Stimmrechtsaktien siehe zu den Stimmrechtsaktien S. 14 f. b. Statutarische Stimmrechtsbeschränkungen Die Statuten können vorsehen, dass das Stimmrecht der Besitzer mehrere Aktien beschränkt ist (Art. 692 Abs. 2 OR). Dies geschieht z. B. durch Einführung von Quoten (z. B. 5% des Nennwertes des AK). Besitzt ein Aktionär mehrere Aktien deren Nennwert im Total über dem Quorum liegt, ruht das Stimmrecht der überzähligen Aktien. Die Einführung solcher Quoten bei der Festlegung der Statuten ist unproblematisch. Wird eine solche Quote später eingeführt, müssen sachliche Gründe vorliegen. Werden einem oder mehreren Aktionären das Stimmrecht entzogen, müssen gewichtige sachliche Gesellschaftsinteressen vorliegen. Die Einführung einer Stimmrechtsquote alleine um einem Grossaktionär das Stimmrecht zu beschränken, dürfte unzulässig sein. c. Vorzugsaktien siehe zu den Vorzugsaktien S. 15 III. Rechte des Aktionärs 1. Vermögensmässige Rechte des Aktionärs a. Recht auf Dividende (Recht auf Anteil am Bilanzgewinn) Das Recht auf Dividende umfasst ein Recht auf einen verhältnismässigen Anteil am Bilanzgewinn, soweit dieser nach Gesetz oder die Statuten zur Verteilung unter den Aktionären bestimmt ist (Art. 660 Abs. 1 OR). Das Recht auf Dividende kann zwar von der GV (z. B. durch den Beschluss über die Gewinnverwendung) beschränkt werden, es besteht aber ein Anspruch auf Dividende. Werden dem Aktionär über Jahre hinweg, Dividenden vorenthalten oder die Jahresrechnung derart manipuliert, dass nie ein Bilanzgewinn vorliegt, hat dies der Aktionär nicht hinzunehmen. Die Dividenden werden im Verhältnis zu den auf den Nominalwert der Aktien einbezahlten Beträge berechnet (Art. 661 OR). Die Statuten können Vorzugsaktien oder Genusscheine vorsehen, die eine höhere bzw. eine Dividende ohne Beteiligung ermöglichen. Sind solche Vorrechte nicht vorgesehen, dürfen die Statuten einzelnen Aktionären, Aktionärskategorien oder -gruppen höhere Dividenden zuweisen. Eine entsprechende Bestimmung ist nichtig. 48 Die Beschlussfassung über die Bemessung und Verteilung der Dividenden ist an folgende Voraussetzungen geknüpft: Der Dividendenbeschluss gründet auf einer geprüften und von den Aktionären genehmigten Jahresbilanz. Die Gesellschaft hat Gewinn erzielt und Verluste vergangener Jahre ausgeglichen (Art. 675 Abs. 2 OR). Zudem sind die erforderlichen Zuweisungen an die Reserven erfolgt (Art. 671 ff. OR). Der Revisionsbericht muss vorliegen (Art. 729c Abs. 1 und 2 OR). Die Revisionsstelle muss den Antrag des VR über die Gewinnverwendung aus seine Kompatibilität mit dem Gesetz und den Statuten geprüft haben und der GV schriftlich Bericht erstattet haben (Art. 728 Abs. 1 OR). Die Gesellschaft hat den Geschäfts- und den Jahresbericht 20 Tage vor der GV aufgelegt und die Aktionäre darauf hingewiesen (Art. 696 OR) Die Revisionsstelle ist an der GV anwesend oder die Aktionäre haben einstimmig auf Anwesenheit des Revisors verzichtet (Art. 729c Abs. 1 und 2 OR). Die Dividenden kann in bar oder in Naturalleistungen (z. B. Gratisfahrten bei einer Bergbahn) ausgeschüttet werden. Weiter sind folgende Formen der Dividendenausschüttung möglich: Gratisaktien Wahldividende: Der Aktionär kann zwischen Geld und Gratisaktie entscheiden Kapitalerhöhung verbunden mit attraktiven Bezugsrechten öffentlich angebotene Aktienrückkäufe in Verbindung mit einer Kapitalherabsetzung b. Weitere vermögenmässige Rechte Recht auf Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft (Art. 620 Abs. 3 OR) Das Recht auf Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft (Art. 620 Abs. 3 OR) kann dem Aktionär mit einstimmigem GV-Beschluss entzogen werden (Art. 704 Abs. 2 Ziff. 4 OR). Recht auf Anteil am Liquidationsergebnis (Art. 660 Abs. 2 OR) Dem Aktionär kommt nach Art. 660 Abs. 2 OR ein Anteil am Liquidationsergebnis zu. Die Statuten können Ausnahmen vorsehen. Der Aktionär profitiert somit vom gewachsenen Wert seiner Einlage. Dem Aktionär kann der Liquidationsanteil erst ausbezahlt werden, nachdem alle Gläubiger befriedigt wurden. Der Liquidationsanteil wird an Hand des einbezahlten Betrages und nicht nach dem Nennwert der Aktien bemessen. Recht auf Bauzinsen (Art. 676 OR) Grundsätzlich kann das AK nicht verzinst werden (Art. 675 Abs. 1 OR). Während der Gründungsphase bis zum Beginn des Betriebes der Gesellschaft von den Aktionären bereitgestellte Kapital kann verzinst werden (Art. 676 Abs. 1 OR). Recht auf Benutzung der gesellschaftlichen Anlagen Die Statuten können den Aktionären eine Recht einräumen, die gesellschaftseigenen Einrichtungen und Anlagen unentgeltlich oder zu bevorzugten Bedingungen zu benutzen. 2. Nicht-vermögensmässige Rechte des Aktionärs a. Mitwirkungsrechte Stimmrecht (Art. 692 OR) Das Stimmrecht umfasst das Stimm- und Wahlrecht des Aktionärs an der GV. Es richtet sich grundsätzlich nach der Kapitalbeteiligung. Die Statuten können durch Stimmrechtsaktien vom der Bemessung des Stimmrechts nach der Kapitalbeteiligung 49 absehen und das Stimmrecht beschränken. Im Gesetz finden sich Bestimmungen, die das Stimmrecht einschränken: Ruhende Stimmrechte eigener Aktien (Art. 659a Abs. 1 OR und Art. 659b Abs. 1 OR) Übergang des Stimmrechts bei vinkulierten Namenaktien mit Zustimmung der Gesellschaft bei nicht börsenkotierten Gesellschaften (Art. 685c Abs. 2 OR) Ruhende Stimmrechte bei ausserbörslich erworbenen vinkulierten Namenaktien börsenkotierter Gesellschaften bis zur Anerkennung durch die Gesellschaft (Art. 685f Abs. 2 OR) Ausschluss des Stimmrechts der an der Geschäftsführung beteiligten Aktionäre bei der Erteilung der Décharge (Art. 695 OR) Der Aktionär hat im Gegensatz zum VR keine Treuepflicht. Er kann sein Stimmrecht also auch im Falle von Interessenkonflikten ausüben. Die Statuten können das Stimmrecht statutarisch einschränken. In Frage kommt eine Beschränkung des Stimmrechts bei Besitzern mehrerer Aktien oder untereinander verbundener Aktionäre. Jeder Aktionär muss aber mindestens eine Stimme haben (sog. Virilstimmrecht, Art. 692 Abs. 2 OR). Wird das Stimmrecht durch die Statuten beschränkt sind folgende Voraussetzungen zu beachten: die Beschränkung des Stimmrechts muss sachlich gerechtfertigt sein die Beschränkung muss im Hinblick auf das zu erreichende Ziel verhältnismässig sein und das Gleichbehandlungsgebot muss beachtet werden Recht auf Teilnahme an der GV (Art. 689 OR) Das Recht auf Teilnahme an der GV ermöglicht dem Aktionär, seine Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft auszuüben. Aus dem Recht auf Teilnahme an der GV ergeht, dass das Stimmrecht ausschliesslich an der GV ausgeübt werden kann. Zirkulationsbeschlüsse und Delegiertenversammlungen sind nicht zulässig. Wird ein Aktionär ungerechtfertigterweise nicht zur GV zugelassen, kann er den Beschluss anfechten, sofern die Gesellschaft nicht beweisen kann, dass der Beschluss auch gefällt worden wäre, wenn der betreffende Aktionär anwesend gewesen wäre (Art. 691 Abs. 3 OR analog). Meinungsäusserungs- und Antragsrecht (Art. 700 Abs. 4 OR) Jeder Aktionär darf sich an der GV zu den traktandierten Gegenständen äussern und Anträge stellen. Vertretungsrecht (Art. 689 Abs. 2 OR) Der Aktionär darf sich durch einen Dritten an der GV vertreten lassen. Dieser braucht nicht Aktionär zu sein, ausser die Statuten sähen dies vor. Die Stellvertretung kann in zwei Arten erfolgen: bei der institutionellen Stellvertreter wird der Aktionär entweder durch einen Organvertreter, einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter oder einen Depotvertreter vertreten bei der individuellen Stellvertreter besorgt der Aktionär seinen Stellvertreter selber. Der Vertreter muss schriftlich bevollmächtigt sein (Art. 689a OR). Einberufungs- und Traktandierungsrecht (Art. 699 Abs. 2 und 3 OR) Aktionäre, die mindestens 10% des Aktienkapitals vertreten können verlangen, dass eine GV einberufen wird (Art. 699 Abs. 2 OR). Aktionäre, die Aktien im Nennwert von mindestens einer Million Franken vertreten, können verlangen, dass Gegenstände traktandiert werden. Dies gilt auch dann, wenn diese Aktionäre weniger als 10% des Aktienkapitals vertreten (Art. 699 Abs. 3 OR). Das selbe Recht steht auch Aktionären zu, die 10% des Akti50 enkapitals vertreten, auch wenn der Nennwert dieser Aktien weniger als eine Million Franken ausmacht. Von den Aktionären traktandierte Gegenstände sind in der Einberufung bekannt zu geben (Art. 700 Abs. 2 OR). Aktionäre die das gesamte Aktienkapital vertreten, können ohne die formellen Einberufungsvorschriften zu beachten, die Universalversammlung abhalten (Art. 701 Abs. 1 OR). Passives Wahlrecht (Art. 707 Abs. 1 OR) Alle Aktionäre können sich grundsätzlich in den Verwaltungsrat wählen lassen. Recht auf Vertretung im VR (Art. 709 OR) Bestehen unterschiedliche Aktionärskategorien, muss jeder Kategorie mindestens ein Vertreter im VR zugestanden werden. Dies gilt sowohl für unterschiedliche Kategorien dem Stimmrecht und der vermögensmässigen Aktien, nicht jedoch der Ausgestaltung der Aktien (Art. 709 Abs. 1 OR). Nach Art. 709 Abs. 2 OR kann die Sonderversammlung der entsprechenden Aktionäre einen Kandidaten vorschlagen. Die GV darf diesen Kandidaten nur aus wichtigen Gründen nicht wählen. Die Statuten können weiter je einen Vertreter von einzelnen Aktionärsgruppen im VR vorsehen (z. B. Minderheitsaktionäre, Mitarbeiteraktionäre, Familienaktionäre). Ebenso kann ein Vertreter der Partizipanten statutarisch vorgesehen sein (Art. 656e OR). b. Informations- und Kontrollrechte Recht auf Bekanntgabe des Geschäfts- und Revisionsberichts (Art. 696 OR) Die Aktionäre können verlangen, dass der Geschäftsbericht, die Jahresrechnung, die Erfolgsrechnung, die Bilanz, der Anhang, evtl. die Beteiligungsverhältnisse bei Publikumsgesellschaften und evtl. die Konzernrechnung (Art. 662 ff. OR) und der Revisionsbericht ihnen während eines Jahres nach der GV jederzeit zur Verfügung gestellt werden (sog. institutionelles Informationsrecht Art. 696 Abs. 3 OR). Zudem muss die Jahresrechnung (Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang) und der Revisionsbericht 20 Tage vor der GV am Sitz der Gesellschaft zur Einsichtnahme aufliegen und die Aktionäre müssen davon unterrichtet werden (Art. 696 Abs. 1 und 2 OR). Auskunfts- und Einsichtsrecht (Art. 697 OR) Art. 697 OR regelt das individuelle Informationsrecht. Der Aktionär darf an der GV vom VR Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft und von der Revisionsstelle Auskunft über das Ergebnis der Prüfung verlangen (Art. 697 Abs. 1 OR). Es kann vorgesehen werden, dass die Fragen vor der GV dem VR oder der Revisionsstelle schriftlich zu stellen sind, damit sich diese genügend vorbereiten und die nötigen Abklärungen treffen können. Das Auskunftsrecht umfasst grundsätzlich alle Informationen die im Zusammenhang mit den Aktionärsrechten stehen. Der Umfang des Auskunftsanspruchs ist jedoch beschränkt: Gegenstand des Auskunftsrechts sind Informationen allgemeiner Natur, nicht Auskünfte über Einzelheiten der Geschäftsführung. Der Aktionär muss ein aktuelles Rechtschutzinteresse an der Erteilung der Auskunft haben. Zudem muss ein Sachzusammenhang zwischen dem Begehren und dem traktandierten Gegenstand bestehen (Art. 697 Abs. 2 OR). Die Auskunft darf verweigert werden, wenn Geschäftsgeheimnisse oder schützenswerte Interessen entgegenstehen (Art. 697 Abs. 3 OR). Da den Aktionär keine Treuepflicht trifft, ist diese Bestimmung verständlich. Der Auskunft kann 51 jedoch nur verweigert werden, wenn die Gefährdung des Geschäftsgeheimnisses durch konkrete Vorbringen behauptet werden kann und wahrscheinlich ist (BGE 109 II 47, S. 50). Das Einsichtsrecht des Aktionärs (Art. 697 Abs. 3 OR) bezieht sich auf die Geschäftsbücher und die Korrespondenz zu den Geschäftsbüchern. Das Einsichtsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn dadurch keine Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden und die GV oder der VR den entsprechenden Aktionär zur Einsichtnahme ermächtigt. Das Auskunfts- und das Einsichtsrecht dürfen nicht über die gesetzlichen Möglichkeiten hinaus beschränkt werden. Der Aktionär kann auf die Durchsetzung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts klagen (sog. Informationsklage, Art. 697 Abs. 4 OR). Recht auf Einleitung einer Sonderprüfung (Art. 697a ff. OR) Das Institut der Sonderprüfung ermöglicht es den Aktionären konkrete Sachverhalte durch einen Sonderprüfer abklären zu lassen. Es stellt damit einen Ausgleich zwischen dem Auskunftsrecht der Aktionäre und dem Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft her. Gegenstand der Sonderprüfung sind bestimmte Sachverhalte (Art. 697a Abs. 1 OR). Als Sachverhalte gelten Tatsachen. Nicht der Sonderprüfung unterliegen Rechtsfragen, Ermessensentscheide und Fragen der Angemessenheit oder der Zweckmässigkeit von Gesellschaftsentscheiden. Die Sonderprüfung ermöglicht keine umfassende Überprüfung der Geschäftsführung, sie ist auf bestimmte Sachverhalte beschränkt. Jeder Aktionär hat das Recht den Antrag auf Einleitung einer Sonderprüfung zu stellen, sofern er ein Rechtsschutzinteresse an der Abklärung eines Sachverhaltes hat und vorgängig ein Auskunftsbegehren gestellt hat (Art. 697a Abs. 1 OR). Über die Durchführung entscheidet die GV mit absolutem Mehr (Art. 703 OR). Die Statuten können höhere Quoren vorsehen. Die Mehrheit muss nach dem Nominalwert der Aktien berechnet werden, die Stimmrechtsaktien bleiben ohne Wirkung (Art. 693 Abs. 3 Ziff. 3 OR). Entspricht die GV dem Antrag des Aktionärs nicht, können Aktionäre die zusammen mindestens 10% des Aktienkapitals oder einen Nennwert von zwei Millionen Fr. auf sich vereinigen innert dreier Monate beim Richter die Einsetzung eines Sonderprüfers beantragen (Art. 697b Abs. 1 OR). Die Aktionäre müssen glaubhaft machen, dass die Gründer oder die Organe das Gesetz oder die Statuten verletzt und damit die Gesellschaft oder die Aktionäre geschädigt haben (Art. 697b Abs. 2 OR). Der Richter setzt den Sonderprüfer nach Anhörung der Gesellschaft und des ursprünglichen Antragsstellers ein (Art. 697c Abs. 1 und 2 OR). Der Sonderprüfer unterbreitet dem Richter einen Bericht, der sein Ergebnis enthält aber die Geschäftsgeheimnisse wahrt (Art. 697e OR). Der Richter stellt den Bericht der Gesellschaft zu, welche beantragen kann, dass gewisse Stellen gestrichen werden um Geschäftsgeheimnisse oder andere schützenswerte Interessen zu wahren. Schliesslich räumt der Richter der Gesellschaft und den Antragsstellern eine Frist ein, innert der sie Stellung nehmen können und weitere Fragen stellen können. Die Kosten für die Sonderprüfung trägt grundsätzlich die Gesellschaft, ausser die Umstände rechtfertigen es, die Kosten ganz oder teilweise den Antragstellern aufzuerlegen (Art. 697g OR). Weitere Informations- und Kontrollrechte Recht auf Einsicht in das Protokoll der GV (Art. 702 Abs. 3 OR für die Aktionäre, Art. 656d Abs. 2 OR für die Partizipanten) 52 Recht auf Bekanntgabe der Organisation bei Übertragung der Geschäftsführung (Art. 716b Abs. 2 OR) Recht auf unabhängige und sachkundige Revisoren (Art. 727b OR, Art. 729c Abs. 2 OR und Art. 727e Abs. 3 OR). c. Klagerechte Jedem Aktionär stehen diese Klagerechte zu: Anfechtungsklage von Beschlüssen die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen (Art. 706a Abs. 1 OR) Anfechtungsklage bei Nichtbekanntgabe der durch unabhängige Stimmrechtsund Depotvertreter vertretenen Stimmen (Art. 689e Abs. 1 OR) Anfechtungsklage bei Teilnahme Unbefugter (Art. 691 OR) Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von GV- und VR-Beschlüssen (Art. 706b OR und Art. 714 OR) Verantwortlichkeitsklage (Art. 752 ff. OR) Auflösungsklage (Art. 625 Abs. 2 OR, Art. 643 Abs. 3 OR und Art. 736 Ziff. 4 OR) Recht auf Rückerstattung von unzulässigen Gewinnausschüttungen an bösgläubige Aktionäre oder Verwaltungsräte und denen nahe stehende Personen (Art. 678 OR) Anfechtungs- und Verantwortungsklage bei Verletzung des Fusionsgesetzes (Art. 106 FusG) 3. Rechte auf Beibehaltung der Beteiligungsquote Siehe zum Bezugs- und Vorwegzeichungsrecht S. 22 f. IV. Pflichten des Aktionärs Art. 680 Abs. 1 OR sieht die Liberierung seiner gezeichneten Aktien als einzige Pflicht vor. Die Statuten dürfen dem Aktionär keine weitern weder vermögens- noch nicht-vermögensmässigen Pflichten auferlegen (Art. 680 Abs. 1 OR). Das BEHG schreibt den Grossaktionären von börsenkotierten Gesellschaften allerdings vor, den Erwerb ihrer Beteiligungen offen zulegen (Art. 20 BEHG) und sämtlichen Aktionären ein Kaufangebot zu unterbreiten, wenn eine Bestimmte Beteiligungsquote an einer Unternehmung erreicht wird (Art. 22 BEHG). V. Aktionärbindungsverträge 1. Begriff und rechtliche Qualifikation Aktionärsbindungsverträge sind Verträge unter Aktionären mit denen sich die Vertragspartner zu einem bestimmten Verhalten verpflichten. Zu denken ist an abgestimmtes Stimmverhalten oder die Einräumung von Vorkaufs-, Vorhands- oder Kaufrechten. Ebenso ist die Einführung von persönlichkeitsbezogenen Aspekten wie der Treuepflicht oder eines Konkurrenzverbotes häufig. Aktionärsbindungsverträge werden regelmässig mit einer Konventionalstrafe gesichert. 2. Wirkung Die Aktionärsbindungsverträge entfalten nur unter den Vertragsparteien Wirkung. Gegenüber der Gesellschaft wirken sie nicht. Die Gesellschaft kann einem Aktionärsbindungsvertrag auch nicht gültig beitreten. Missachtet eine Vertragspartei den Aktionärsbindungsvertrag, ist die Gesellschaft davon nicht betroffen. Stimmt ein Aktionär also anders als vereinbart, ist seine Stimme trotzdem gültig. 53 VI. Erwerb, Verlust und Übertragung der Mitgliedschaft 1. Erwerb Die Mitgliedschaft an der Aktiengesellschaft kann nur bei der Gründung und bei der Kapitalerhöhung originär erworben werden. Hauptsächlich erfolgt erwirbt man die Mitgliedschaft an einer AG derivativ (durch Rechtsgeschäft) durch Kauf einer Aktie von einem bisherigen Mitglied. Die Veräusserung der Aktie ist die einzige Möglichkeit des Austrittes. 2. Übertragung a. Inhaberaktien Die Übertragung der Inhaberaktien erfolgt wie bei den anderen Inhaberpapieren nach sachenrechtlichen Prinzipien. Erforderlich sind: gültiges Grundgeschäft Besitzübergabe Verfügungsbefugnis des Veräusserers oder gutgläubiger Erwerb b. Namenaktien Die Übertragung von Namenaktien folgt erstens nach den sachenrechtlichen Regeln der Eigentumsübertragung (Art. 684 Abs. 2 OR). Sodann muss auf der Namenaktien wie bei den Ordrepapieren üblich ein Übertragungsvermerk (Indossament) angebracht werden (Art. 968 OR i. V. m. Art. 1001 ff. OR). Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird der Erwerber Eigentümer der Aktien und kann sich ins Aktienbuch eintragen lassen. Dieser Eintrag erlaubt ihn die Aktionärsrechte auszuüben (Art. 686 Abs. 4 OR). Beim Erwerb abhanden gekommener Aktien wird der Erwerber geschützt, sofern er nicht bösgläubig oder grob fahrlässig gehandelt hat (Art. 1006 Abs. 2 OR i. V. m. Art. 968 Abs. 1 OR). Bei der sog. Sammelverwahrung erfolgt die Übertragung der Aktien nach den Regeln der Zession. Es bedarf einer schriftliche Zessionserklärung des Veräusserers (siehe dazu S. 14). Die Vinkulierung erschwert die Übertragung von Namenaktien zusätzlich (siehe S. 15 ff.). c. Rektaakiten Aktien können durch die Statuten als Rekaaktien ausgestaltet sein. Die Rektaaktien sind Namenpapiere im Sinne von Art. 974 OR. Rektaaktien werden nicht durch Indossament sondern durch Zession übertragen (Art. 164 ff. OR). Dazu bedarf es: einer schriftlichen Abtretungserklärung der Übergabe der Aktienurkunde der Verfügungsbefugnis des Veräusserers 3. Verlust a. Kaduzierung Der Aktionär kann ausgeschlossen werden, wenn er die von ihm gezeichneten Aktien nicht voll liberiert. Der VR muss in dazu erst aufgefordert haben. Unterlässt der Aktionär die Liberierung weiterhin kann der VR dem Aktionär erklären, er habe die Rechte aus seinen Aktien und die darauf geleisteten Teilzahlungen verloren (Art. 681 OR). b. Aberkennung Wurde ein Erwerber auf Grund von falschen Angaben ins Aktienbuch eingetragen, darf die Gesellschaft den Eintrag streichen (Art. 686a OR). Damit kann die Gesellschaft einen Aktionär aberkennen. 54 c. Weitere Ausschlussgründe oder Austrittsrechte Wegen der kapitalbezogenen Struktur sieht das Gesetz keine Austrittsrechte des Aktionärs vor. Ob die Statuten derartige Rechte einräumen dürfen ist umstritten, wird aber mehrheitlich abgelehnt. Die übernehmende Gesellschaft kann den Aktionären der übernommenen Gesellschaft eine finanzielle Abfindung anstelle von Mitgliedschaftsrechten anbieten (Art. 8 FusG). Erwirbt ein Aktionär mehr als 98% der Aktien einer börsenkotierten Unternehmung können die restlichen Aktien für kraftlos erklärt werden (Art. 33 BEHG). Aktionäre die mehr einen Drittel der Stimmrechte auf sich vereinigen, müssen den anderen Aktionären ein Übernahmeangebot machen (Art. 32 BEHG). Mit der Liquidation der Gesellschaft ist die Mitgliedschaft beendigt. F. Rechtsschutz und Verantwortlichkeit I. Rechtsschutz 1. Klage auf Feststellung der Nichtigkeit a. Grundprinzip Die Nichtigkeit von GV oder VR Beschlüssen, die gravierende Gesetzes- oder Statutenverstösse enthalten, kann durch Klage festgestellt werden (Art. 706b OR und Art. 714 OR). Diese gesetzlichen Bestimmungen knüpfen an die Rechtsprechung des BGer an, wonach Beschlüsse, die mit öffentlichen Interessen, aktienrechtlichen Fundamentalprinzipien oder zentralen Bestimmungen zum Schutze der Gläubiger unvereinbar waren für nichtig erklärt wurden (BGE 93 II 30). b. Aktiv- und Passivlegitimation Aktivlegitimiert ist jeder der ein schützenswertes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit hat (BGE 115 II 468, S. 473). Darunter fallen Aktionäre, Partizipanten, Gläubiger und sogar der VR. Die Nichtigkeit ist von Amtes wegen vom Richter und vom HR-Führer zu beachten (BGE 114 II 68, S. 71) Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit steht in Konkurrenz zur Anfechtungsklage. Passiv legitimiert ist die Gesellschaft. Die Klage auf Nichtigkeit ist am Sitz der Gesellschaft einzureichen. Die Zuständigkeit für Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen kann auf ein Schiedsgericht übertragen werden. c. Nichtigkeitsgründe Drei Gruppen von Beschlüssen sind nichtig (Art. 706b OR): Eingriffe in die unentziehbaren Kernrechte des Aktionärs (Ziff. 1) Eingriffe in die Kontrollrechte des Aktionärs (Ziff. 2) Missachtung der Grundstrukturen der AG und die Verletzung der Kapitalschutzbestimmungen (Ziff. 3) Als unentziehbare Rechte dürfen folgende Reche weder entzogen noch beschänkt werden (Art. 706b Ziff. 1 OR): Recht auf Teilname an der GV (Art. 689 Abs. 1 OR) Mindeststimmrecht (Art. 692 Abs. 2 OR) Klagerechte andere vom Gesetz zwingend gewährte Rechte Zu den weiteren im Gesetz zwingend gewährten Aktionärsrechten gehören insbesondere: das Recht auf Vertretung (Art. 689 Abs. 2 OR) 55 das Antragsrecht (Art. 700 Abs. 2 und 3 OR) das Recht auf Antrag einer Sonderprüfung (Art. 697b Abs. 1 OR) das Recht auf Dividende in seinem Grundsatz (Art. 660 Abs. 1 OR) Die unentziebaren Kontrollrechte dürfen nicht über das gesetzlich zulässige Mass hinaus beschränkt werden. Als unentziehbare Kontrollrechte gelten insbesondere (Art. 706b Ziff. 2 OR): Recht auf Bekanntgabe des Geschäfts- und Revisionsberichts (Art. 696 Abs. 1 OR) Auskunfts- und Einsichtsrecht (Art. 697 OR) Recht auf Einleitung einer Sonderprüfung (Art. 697a ff. OR) Recht auf Orientierung über Organisation der Geschäftsführung (Art. 705 Abs. 1 OR) Gegen die Grundstrukturen der AG wird verstossen, wenn z. B. eine persönliche Haftung der Aktionäre oder eine Nachschusspflicht eingeführt würde oder gesetzliche Organe abgeschafft würden oder den Partizipanten das Stimmrecht verleiht würde. Weiter darf die GV keine Beschlüsse fällen, die die Kapitalschutzbestimmungen ignorieren (Art. 706b Ziff. 3 OR). Dies wäre insbesondere der Fall, wenn Aktien unter pari emettiert würden oder die Statuten ein Austrittsrecht zu Lasten der Geschäftskasse vorsehen würden. Zudem sind Beschlüsse, die schwerwiegende formelle Mängel, wie z. B. das fehlen der Beschlussfähigkeit der GV oder Beschlüssen einer Universalversammlung wenn nicht alle Aktionäre anwesend sind oder schriftliche Zirkulationsbeschlüsse nichtig. Beschlüsse die gegen zwingendes Handelsregister- oder Wirtschaftsaufsichtsrecht sowie Strafrecht verstossen, sind ebenfalls nichtig. d. Fristen, Kosten und Wirkung Die Nichtigkeit kann jederzeit festgestellt werden. Dies ist darin begründet, da die Beschlüsse ja von Anfang an nichtig waren. Bei der Nichtigkeitsklage kommen die üblichen Kostenfolgen zur Anwendung. Eine Sonderbestimmung wie bei der Anfechtungsklage besteht nicht. Nichtige GV- und VR-Beschlüsse sind ex tunc nichtig. Einem gutgläubigen Dritten kann die Nichtigkeit eines Beschlusses jedoch nicht entgegengehalten werden. 2. Anfechtungsklage a. Grundprinzip Anfechtbar sind nur GV-Beschlüsse, die gegen das Gesetz, die Statuten oder gegen ungeschriebene Rechtsgrundsätze wie das Prinzip der schonenden Rechtsausübung verstossen (Art. 706 OR). Die Anfechtungsklage ist ein unentziebares Aktionärsrecht. Anfechtbar sind GV-Beschlüsse, die einen nicht so schwerwiegenden Rechtsverstoss beinhalten, als dass sie nichtig wären (z. B. geringe und mittelschwere Formfehler, einfache Verstösse gegen die unentziehbaren Kernrechte der Aktionäre oder gewöhnliche Statutenverletzungen und Ermessensfehler). b. Aktiv- und Passivlegitimation Jeder Aktionär ist grundsätzlich zur Anfechtungsklage aktivlegitimiert. Der Aktionär kann jedoch einen Beschluss nicht anfechten, wenn er ihm zugestimmt hat ausser er hat sich im wesentlichen Irrtum nach Art. 23 f. OR befunden. Ein derartiges Verhalten wäre widersprüchlich und verstiesse gegen Treu und Glauben (Art. 2 ZGB). Aktivlegitimiert sind auch die Partizipanten und die Aktionäre die wegen Vinkulierungsvorschriften kein Stimmrecht haben. Nicht legitimiert sind die Genusscheinsinhaber und die Gläubiger (BGE 115 II 468, S. 473). 56 Die Anfechtung kann nur geltend gemacht werden, wenn eine ausreichendes Rechtsschutzinteresse des Klägers besteht. Die Anfechtung darf nicht widersprüchlich oder als Druckmittel geltend gemacht werden. Die Berufung auf Gesellschaftsinteressen genügt als Anfechtungsgrund (BGE 122 III 279, S. 282). Bei formellen Fehlern muss geprüft werden, ob die Verletzung kausal für die Beschlussfassung war, d. h. wäre der Beschluss ebenso ausgefallen, wenn die Verletzung entfallen wäre. Passiv legitimiert ist die Gesellschaft. Die Klage ist am Sitz der Gesellschaft einzureichen. Die Anfechtungsklage steht in Konkurrenz zur Klage auf Feststellung der Nichtigkeit. Eine Schiedsgerichtsvereinbarung ist zulässig. c. Anfechtungsgründe Die Anfechtung muss einen konkreten Verstoss zum Gegenstand haben, besteht lediglich die Möglichkeit eines Verstosses, kann die Anfechtungsklage nicht angestrengt werden. Die Angemessenheit oder die Zweckmässigkeit eines GVBeschlusses kann nicht gerichtlich überprüft werden. Angefochten können Beschlüsse, die: Gesetz oder Statuten verletzen (Art. 706 Abs. 2 OR). Dabei kann die Anfechtungsklage gegen alle verstossenden Beschlüsse ergriffen werden, die nicht von der Nichtigkeit betroffen sind. das Sachlichkeitsgebot oder das Gleichbehandlungsgebot verletzen (Art. 706 Abs. 2 Ziff. 2 und 3 OR) die Gewinnstrebigkeit der AG ohne Zustimmung aller Aktionäre aufheben (Art. 706 Abs. 2 Ziff. 4 OR) gefällt werden, während der Vorsitzende die Vertretung der Aktien nicht bekannt gibt (Art. 689e Abs. 2 OR). unter der Mitwirkung von Unbefugten gefällt werden, sofern die Gesellschaft nicht nachweisen kann, dass die Kausalität nicht gegeben ist (Art. 691 Abs. 3 OR). über die Abnahme der Jahresrechnung und die Verwendung des Bilanzgewinnes gefällt werden, während der Revisor nicht anwesend ist (Art. 729c Abs. 2 OR). d. Fristen, Kosten und Wirkung Die GV-Beschlüsse können innert zweier Monate ab der GV angefochten werden. Danach ist das Recht auf Anfechtung verwirkt (Art. 706a Abs. 1 OR). Die Kostenfolgen bei Anfechtung liegen im Ermessen des Richters. Der Richter muss das Ermessen sachgerecht ausüben (Art. 706a Abs. 3 OR). Die Anfechtung wirkt bei Gutheissen der Klage ex tunc. Der Richter kann nicht gestaltend in den Beschluss eingreifen, sondern diesen nur kassieren. 3. Auflösungsklagen a. Mangelhafte Gründung Wurde die AG unter Missachtung von Gesetz oder Statuten gegründet, haben Aktionäre und Gläubiger das Recht auf Auflösung der AG zu klagen, sofern sie ein schützenswertes Interesse vorbringen können (Art. 643 Abs. 3 OR). Der HR-Eintrag heilt grundsätzlich Gründungsmängel. Der Richter hat deshalb abzuwägen, ob das Interesse der Aktionäre und Gläubiger an Auflösung der Gesellschaft oder das Interesse von Dritten die sich gutgläubig auf den HR-Eintrag verlassen haben überwiegt (Art. 643 Abs. 2 OR). Art. 52 ZGB besagt, dass widerrechtliche und unsittliche juristische Personen keinen Rechtsbestand zu erlangen vermögen. Das BGer spricht dem HR-Eintrag auch 57 in solchen Fällen heilende Wirkung zu (BGE 112 II 1, S. 6 f.; BGE 110 Ib 105, S. 109 und weitere). Diese Praxis wird in der Lehre stark kritisiert. b. Fehlende Organe oder Aktionäre Unterschreitet die Zahl der Aktionäre nach der Folge die gesetzliche Mindestzahl oder fehlen die vorgeschriebenen Organe, können Aktionäre und Gläubiger auf die Auflösung der Gesellschaft klagen (Art. 625 Abs. 2 OR). Stellt der HR-Führer fest, dass VR fehlt, muss er der AG eine Frist zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustand stellen. Handelt die Gesellschaft innert dieser Frist nicht, kann der HR-Führer die Gesellschaft von Amtes wegen auflösen (Art. 708 Abs. 4 OR). Die Auflösungsklage ist am Sitz der Gesellschaft einzureichen. Der Richter wird der Gesellschaft regelmässig eine Frist zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes stellen. Handelt die Gesellschaft nicht, entscheidet der Richter nach freiem Ermessen. Fehlt es an einem Organ, kann der Richter einen Beistand nach Art. 393 Abs. 4 ZGB bestellen. c. Auflösung aus wichtigem Grund siehe S. 64 f. II. Verantwortlichkeit 1. Prospekthaftung a. Anknüpfungspunkt Anknüpfungspunkt der Prospekthaftung nach Art. 752 OR ist: der Emissionsprospekt (Art. 652a OR) der Kotierungsprospekt nach Art. 32 ff. des Kotierungsreglements der SWX Informationen die an potentielle Investoren gemacht wurden, um diese zur Zeichnung von Aktien bzw. Obligationen zu veranlassen Nicht betroffen sind Mitteilungen die nicht an potentielle Investoren gerichtet sind. b. Aktiv- und Passivlegitimation Aktivlegitimiert sind: die Zeichner der Aktien bzw. Obligationen spätere Käufer von Effekten, wenn der Prospekt bzw. Mitteilung für den Kauf kausal war Passiv legitimiert sind: alle Personen, die an der Erstellung des Emissionsprospektes bzw. der Mitteilungen beteiligt waren (z. B. Organe, beratende Anwälte, Buchprüfer) jede Person, die an der Verbreitung beteiligt ist (z. B. Banken, Effektenhändler) c. Haftungsvoraussetzungen Schaden Der Schaden liegt in der Differenz zwischen dem aktuellen Wert des Wertpapiers heute und dem hypothetischen Wert den das Papier haben würde, wenn die Information im Emissionsprospekt korrekt gewesen wäre. Dieser Schaden ist äusserst schwierig nachzuweisen, da der Wert eines Wertpapiers von vielen Faktoren beeinflusst wird. Widerrechtlichkeit Die Widerrechtlichkeit liegt in unrichtigen oder irreführenden Angaben im Prospekt bzw. der Mittelung oder wenn der Inhalt des Prospektes den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. 58 Unrichtige Angaben sind Angaben, die den Tatsachen nicht entsprechen. Irreführende Angaben sind Angaben die unübersichtlich oder täuschend wiedergegeben werden oder relevante Tatsachen die verschwiegen werden (BGE 112 II 172, S. 176 f.). Kausalität Die Mangelhaftigkeit des Prospektes muss für den Schaden natürlich und adäquat kausal sein. Die hypothetische Kausalität genügt. Verschulden Jedes Verschulden genügt, um die Haftung nach Art. 752 OR zu begründen. Dabei wird ein objektiver Verschuldensmassstab angewendet. 2. Gründungshaftung a. Anknüpfungspunkt Anknüpfungspunkt der Gründungshaftung ist die qualifizierte Gründung (Art. 753 Ziff. 1 OR), die Eintragung ins HR (Art. 753 Ziff. 2 OR) und die Entgegennahe von Zeichnungen (Art. 753 Ziff. 3 OR). b. Aktiv- und Passivlegitimation Aktivlegitimiert sind: die Gesellschaft die Aktionäre die Gläubiger Passiv legitimiert sind alle Personen, die an der Gründung mitgewirkt haben. c. Haftungsvoraussetzungen Schaden Der Schaden liegt in der Differenz zwischen dem gezeichneten und dem liberierten AK. Widerrechtlichkeit Die Widerrechtlichkeit liegt in der Verletzung von Informationspflichten, insbesondere in unkorrekten Angaben oder der Verschleierung oder dem Verschweigen von relevanten Tatsachen. Im Vordergrund steht die Nicht-Einhaltung der Vorschriften über die qualifizierte Gründung. Widerrechtlich ist z. B. der Verzicht auf Erstellung eines Gründungsberichts, die Sachübernahme an Statt der Barliberierung, die Verschleierung oder Überbewertung von Sacheinlagen, die mangelnde Verrechenbarkeit einer Schuld bei der Liberierung durch Verrechnung, die Abgabe eines gefälschten Einzahlungsscheines oder die Scheineinzahlung des AK. Kausalität Die widerrechtliche Handlung muss für den Schaden natürlich und adäquat kausal sein. Verschulden Für die Haftung aus qualifizierter Gründung (Art. 753 Ziff. 1 OR) und die Haftung aus Eintragung ins HR (Art. 753 Ziff. 2 OR) genügt leichte Fahrlässigkeit. Für die Haftung aus Entgegennahe von Zeichnungen zahlungsunfähiger Personen (Art. 753 Ziff. 3 OR) muss ein entsprechendes Wissen vorhanden sein. 3. Organhaftung a. Anknüpfungspunkt Anknüpfungspunkt der Organhaftung nach Art. 754 OR sind die den Organen durch Gesetz, Statuten oder Reglementen auferlegten Pflichten. 59 b. Aktiv- und Passivlegitimation Aktivlegitimiert sind: die Gesellschaft die Aktionäre die Partizipanten die Gesellschaftsgläubiger Passiv legitimiert sind: die Verwaltungsräte die mit der Geschäftsführung betrauten Personen die mit der Liquidation betrauten Personen die sog. faktischen Organe, Personen die tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheidungen treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmen (BGE 117 II 570, S. 571; BGE 117 II 432, S. 441 f.) c. Haftungsvoraussetzungen Schaden Der Schaden liegt in der Differenz zwischen dem tatsächlichen Zustand des Vermögens und dem Vermögensstand, wie er ohne das schädigende Ereignis gewesen wäre. Erfasst sind somit der tatsächliche Verlust (damnum emergens) und der entgangene Gewinn (lucrum cessans) Von Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen mittelbarem und unmittelbarem Schaden. Ein Gesellschaftsgläubiger ist durch das fehlerhafte Verhalten eines Organs meist nur mittelbar geschädigt, nämlich dadurch, dass der Gesellschaft Haftungssubstrat entzogen wurde. Eine unmittelbare Schädigung eines Gläubigers liegt vor, wenn ein Organ den Gläubiger im Sinne von Art. 41 OR direkt schädigt. Der Aktionär ist unmittelbar geschädigt, wenn die Sorgfaltswidrigkeit des Organs direkt Auswirkungen auf sein Vermögen hatte. Dies ist z. B. der Fall, wenn ihm Bezugsrechte entzogen (Art. 652b Abs. 2 OR), Dividenden nicht gewährt werden (Art. 660 Abs. 1 OR) oder er über ein Übernahmeangebot falsch informiert wird (Art. 29 Abs. 1 BEHG). Widerrechtlichkeit Die Handlung eines Organs ist widerrechtlich, wenn ein Verstoss gegen eine durch Gesetz oder die Statuten auferlegte Pflicht vorliegt. Dabei wird von einem objektivierten Sorgfaltsmassstab ausgegangen. Schutzobjekt sind die Interessen der Gesellschaft. Von besonderer Bedeutung ist die Pflichtverletzung bei der Delegation von Aufgaben an untergeordnete Organe. Delegiert der VR unübertragbare Aufgaben, liegt bereits eine Pflichtverletzung vor (Art. 716a OR). Art. 754 Abs. 2 OR sieht einen Entlastungsbeweis vor. Der VR kann sich von der Haftung befreien, wenn der Beschluss innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen erfolgte und wenn das delegierende Organ die nötige Sorgfalt bei der Auswahl, Instruktion und Überwachung des delegierten Organs angewandt hat (cura in eligendo, instruendo et custodiendo). Sodann wirkt jede befugte Delegation an eine Drittperson haftungsbefreiend (Art. 716b OR und Art. 718 Abs. 2 OR). Abgesehen von der Delegation sind folgende Konstellationen sorgfaltswidrigen Handels vorstellbar: mangelnde Finanzkontrolle und Finanzplanung (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 3 OR) verdeckte Gewinnausschüttung an einzelne Aktionäre (Art. 678 OR) oder Nichteinhalten der Kapitalschutzvorschriften (Art. 725 OR) 60 Nichteischreiten bei offensichtlichen Unregelmässigkeiten in der Geschäftsführung (BGE 97 II 403, S. 411 ff.) Unterlassen der Benachrichtigung des Richters bei fehlenden Sanierungsaussichten (Art. 725 OR, BGE 116 II 533, S. 541) Verletzung der Treue- und Sorgfaltspflichten durch spekulative Anlage von 80% des Gesellschaftsvermögens (BGE 99 II 176, S. 179 f.) oder Erfüllung von Straftatbeständen bei der Gewährung eines hoch riskanten Darlehens (BGE 122 IV 279, S. 281) Mangelnde Umsetzung von Corporate Governance Empfehlungen Kausalität Das widerrechtliche Verhalten natürlich und adäquat kausal für den Schaden sein. Verschulden Jedes Verschulden genügt, um die Haftung nach Art. 754 OR zu begründen. Dabei wird ein objektiver Verschuldensmassstab angewendet. Als objektiver Massstab für die massgebende Sorgfalt gilt die Sorgfalt die ein gewissenhafter und vernünftiger Mensch aus dem selben Verkehrskreis wie die Verantwortlichen unter den gleichen Umständen angewendet hätte (BGE 112 II 172, s. 180). 4. Revisionshaftung a. Anknüpfungspunkt Bei der Revisionshaftung handelt es sich um eine spezielle Organhaftung. Anknüpfungspunkt ist die Tätigkeit der Revisionsstelle bei der Prüfung der Jahresrechnung, evtl. der Konzernrechnung, der Gründung, der Kapitalerhöhung oder der Kapitalherabsetzung (Art. 755 OR). Die Revisionsstelle wird nur haftbar, wenn sie als Organ handelt. Handelt sie auf speziellen Auftrag haftet sie nach Auftragsrecht, ebenso der Sonderprüfer (Art. 398 OR). b. Aktiv- und Passivlegitimation Aktivlegitimiert sind: die Gesellschaft die Aktionäre die Partizipanten die Gesellschaftsgläubiger Passiv legitimiert sind: die Revisionsstelle alle mit der Prüfung der Jahresrechnung, evtl. der Konzernrechnung, der Gründung, der Kapitalerhöhung und der Kapitalherabsetzung befassten Personen. c. Haftungsvoraussetzungen Die Haftungsvoraussetzungen entsprechen denen der Organhaftung (siehe S. 60 f.) 5. Durchsetzung von Verantwortlichkeitsansprüchen a. Unmittelbarer und mittelbarer Schaden Die Unterscheidung zwischen mittelbarem und unmittelbaren Schaden ist für die Aktivlegitimation bei der Verantwortlichkeitsklage gegen die Organe (Art. 744 f. OR) von besonderer Bedeutung. Von einem unmittelbaren Schaden wird ausgegangen, wenn sich das schädigende Verhalten, direkt auf das Vermögen des Gläubigers bzw. des Aktionärs ausgewirkt hat (BGE 122 III 176, S. 190 f.). Ein unmittelbarer Schaden liegt nur bei Verstoss gegen die folgenden Rechtsgrundlagen vor: 61 Verletzung eines absoluten Rechts (Art. 41 OR) Verletzung einer Schutznorm ausserhalb des Aktienrechts, die vor Schädigungen der eingetretenen Art schützen soll (Art. 41 OR, BGE 110 II 391, S. 394 f.) Verletzung einer aktienrechtlichen Norm, die ausschliesslich Gläubiger oder Aktionäre schützt Vertrauenshaftung und culpa in contrahendo Somit ist nur der Schaden unmittelbar, der direkt bei Aktionär bzw. Gläubiger unabhängig von einer Schädigung der Gesellschaft eintritt (BGE 122 III 176, S. 190). Liegt sowohl ein unmittelbarer und ein mittelbarer Schaden vor, hat der Geschädigte nach den Vorschriften über den mittelbaren Schaden vorzugehen. Der mittelbare Schaden entsteht durch die Schädigung der Gesellschaft. Dieser wird Haftungssubstrat bzw. Vermögen entzogen. Die mittelbare Schädigung schmälert den Wert der Beteiligung des Aktionärs und gefährdet die Erfüllung der Forderung des Gläubigers. Von einem mittelbaren Schaden ist auszugehen, wenn sich die Schadenersatzansprüche auf Verletzung von Rechtsgrundlagen stützt, welche: die Gesellschaft schützen (z. B. Sorgfaltspflicht) welche neben den Aktionären oder Gläubigern auch die Interessen der Gesellschaft schützen Der mittelbare Schaden der Aktionäre umfasst die Wertminderung ihrer Beteiligung. Der mittelbare Schaden der Gläubiger bemisst sich nach dem der Gesellschaft zugefügten Schaden (BGE 122 III 166 ff.). b. Wirkung der Décharge-Erteilung Erteilen die Aktionäre an der GV die Décharge, erklären sie keine Verantwortlichkeitsklage anzustrengen. Die Décharge wirkt sich nur auf die zum Zeitpunkt der GV bekannt gewordenen Tatsachen (BGE 95 II 320, S. 328 ff.). An die Décharge sind die Gesellschaft und die zustimmenden Aktionäre gebunden. Die nicht zustimmenden Aktionäre und die Gläubiger können weiterhin eine Verantwortlichkeitsklage anstrengen. c. Verjährung Art. 760 Abs. 1 OR sieht eine relative und eine absolute Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen vor. Die relative Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre ab Kenntnis des Schadens und der ersatzpflichtigen Person. Die absolute Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre ab der schädigenden Handlung. d. Durchsetzung von Ansprüchen Die Durchsetzung von Ansprüchen aus Verantwortlichkeitshaftung unterscheidet sich nach dem, ob die Gesellschaft aufrecht steht oder in Konkurs geraten ist. Die Gesellschaft ist jederzeit berechtigt, auf Ersatz des Verantwortlichkeitsschadens zu klagen (Art. 756 Abs. 1 OR). Aktionäre können jederzeit auf Ersatz des mittelbaren Schadens klagen. Steht die Gesellschaft noch aufrecht, geht die Leistung des Schadenersatzes an die Gesellschaft (Art. 756 Abs. 1 OR). Die Gläubiger haben kein Klagerecht auf Ersatz des mittelbaren Schadens, wenn die Gesellschaft aufrecht steht, da sie keinen Schaden erlitten haben (BGE 117 II 432, S. 438 f.). Nach Eintritt des Konkurses können neben den Aktionären auch die Gläubiger auf Eratz des Verantwortlichkeitsschadens klagen. Das Gesetz sieht aber eine Prioritätenordnung vor: 62 Die Konkursverwaltung als Vertretung der Gesellschaft, kann entscheiden, ob sie einen Anspruch geltend machen will (Art. 757 Abs. 1 OR). Verzichtet sie darauf, steht den Aktionären und den Gläubigern das Klagerecht zu. Klagt ein Aktionär oder ein Gläubiger gegen die Gesellschaft im Konkurs, dient das Prozessergebnis vorab zur Deckung der der Forderungen des Klägers, unter Berücksichtigung der konkursrechtlichen Rangordnung. Dabei steht der Gläubiger vor dem Aktionär. Der Gläubiger klagt dabei nicht aus eigenem Recht, sondern in Vertretung der Gläubigergesamtheit (BGE 122 III 176, S. 189 f.; BGE 117 II 432, S. 439). e. Solidarität und Rückgriff Der Richter hat nach pflichtgemässem Ermessen bei der Festlegung der Ersatzpflicht den Grad des Verschuldens zu berücksichtigen. Die Herabsetzungsgründe von Art. 43 f. OR kommen zur Anwendung. Der Gläubiger kann auf mehrere Ersatzpflichtige zugreifen, bis der gesamte Schaden gedeckt ist. Die Ersatzpflicht ist auf Grund der differenzierten Solidarität am Verschulden des Ersatzpflichtigen zu bemessen. Sofern mehrere Personen verantwortlich sind, ist es notwendig eine Regressordnung aufzustellen. Der Richter kann nach Art. 759 Abs. 3 OR die Rückgriffsordnung nach Massgabe der Umstände und der Verantwortlichkeitssituation festlegen. f. Kostenfolgen und Gerichtsstand Der Richter kann die Kostenfolgen nach pflichtgemässem Ermessen zwischen den klagenden Aktionären und Gläubigern und der Gesellschaft aufteilen (Art. 756 Abs. 2 OR). Der Gerichtstand befindet sich am Sitz der Gesellschaft oder am Wohnsitz bzw. Sitz der beklagten Partei (Art. 29 GestG). Die Parteien können allerdings einen Gerichtsstand vereinbaren (Art. 9 GestG). Die Schiedsgerichtsbarkeit ist ebenfalls zulässig. G. Auflösung und Liquidation I. Auflösung 1. Allgemeines Mit der Auflösung endigt die rechtliche Existenz der Gesellschaft. Die Gesellschaft wird im HR gelöscht (Art. 746 OR, Art. 88 f. HRegV). Der Auflösungsbeschluss bewirkt aber noch nicht das Ende der Gesellschaft. Er ändert lediglich den Gesellschaftszweck, der fortan in der Liquidation der Gesellschaft besteht. Die Auflösung kann in zwei verschiedenen Verfahren durchgeführt werden. Das Liquidationsverfahren bestimmt sich durch das OR. Das Konkursverfahren führt zur Liquidation auf dem Weg der Zwangsvollstreckung. Die Regeln des SchKG kommen zur Anwendung. 2. Auflösungsgründe a. Auflösungsbeschluss Die Gesellschaft kann jederzeit durch Beschluss der GV aufgelöst werden (Art. 736 Ziff. 2 OR). Die GV kann den Auflösungsbeschluss allerdings widerrufen (BGE 123 III 473). b. Statutarische Auflösungsgründe Die Gesellschafter können die Auflösung der Gesellschaft durch die Statuten (Art. 736 Ziif. 1 OR) vorsehen, indem sie die Dauer der Gesellschaft beschränken (Art. 627 Ziff. 4 OR) oder die Dauer vom Eintritt einer Bedingung abhängig machen. 63 c. Konkurseröffnung Der Konkurs zieht die Auflösung nach sich. Ein Gläubiger oder die AG selber können den Konkurs beim Richter beantragen (Art. 171 SchKG, Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG und Art. 309 SchKG bzw. Art. 725 Abs. 2 OR und Art. 192 SchKG). Das richterliche Konkurserkenntnis löst die Zwangsvollstreckung aus (Art. 197 ff. SchKG). Nach Abschluss des Konkursverfahrens wird die Gesellschaft im HR gelöscht (Art. 939 Abs. 3 OR, Art. 66 Abs. 2 HRegV). d. Übrige Auflösungsgründe Die AG kann aus weiteren Gründen aufgelöst werden: bei fehlen der vorgeschriebenen Organe (Art. 625 Abs. 2 OR, Art. 727f OR) bei fehlenden Nationalitäts- oder Wohnsitzerfordernissen der Mitglieder des VR (Art. 708 Abs. 4 OR) bei Gründungsmängeln (Art. 643 Abs. 3 OR) bei fehlenden verwertbaren Aktien (Art. 89 HRegV) bei unsittlichem oder widerrechtlichem Zweck (Art. 52 ZGB) 3. Auflösung aus wichtigen Gründen a. Klage Die Gesellschaft kann gegen ihren Willen auf Klage vom Richter aufgelöst werden (Art. 736 Ziff. 4 OR). Aktivlegitimiert zur Klage sind Aktionäre, die mindestes 10% des Nennwertes der jeweiligen Aktienkategorie halten (Art. 736 Ziff. 4 OR), so wie die Partizipanten unter den gleichen Voraussetzungen (Art. 656a Abs. 2 OR). Die Klage richtet sich gegen die Gesellschaft, welche durch den VR vertreten wird. b. Wichtige Gründe Wichtige Gründe sind in erster Linie sachliche Gründe, denen aber auch ein persönliches Motiv zugefügt werden kann. Typischerweise findet die Auflösungsklage aus wichtigen Gründen bei Gesellschaften statt, wo Abhängigkeits- und Treueverhältnisse zwischen den Aktionären bestehen. Die wichtigen Gründe müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Auflösung der Gesellschaft sein. Die Interessen der Minderheitsaktionäre müssen derart verletzt sein, dass das Interesse Dritter am Weiterbestand der Gesellschaft geringer zu bewerten ist. Die Auflösungsklage gilt als ultima ratio. Sie kann aber nicht von der erfolglosen Ergreifung punktueller Massnahmen (z. B. Anfechtungsklage, Sonderprüfung) abhängig gemacht werden. Sie ist jedoch erst dort zu ergreifen, wenn punktuelle Massnahmen nicht genügen, um die Minderheitsinteressen durchzusetzen. Die Auflösungsklage aus wichtigem Grund wird von der Rechtsprechung nur sehr zurückhaltend gut geheissen. Einige Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen, dass extreme Situationen vorliegen müssen: desaströse Geschäftsführung: Die Erbinnen einer Mehrheitsbeteiligung von 78% einer Boutique führten die AG innert kurzer Zeit an den Rande des Ruins (BGE 126 III 266). Der Mehrheitsaktionär missachtete die Kontrollrechte des Minderheitsaktionärs über zehn Jahre hinweg und zweigte übermässige Mittel aus der AG für sich ab, um den Gewinn tief zu halten (BGE 105 II 114). Auszahlung von Geldbeträgen, Gewährung von Darlehen und Abschluss von Verträgen zu Gunsten der Mehrheitsaktionäre aber zum Schaden der Gesellschaft (BGE 84 II 44). 64 c. Richterliche Entscheidung Heisst der Richter die Auflösungsklage gut, ersetzt der Entscheid des Richters den Entschied der GV. Die Auflösung wirkt ex nunc. Anstatt die Gesellschaft aufzulösen, kann der Richter andere sachgemässe und den Beteiligen zumutbare Lösungen treffen (Art. 736 Ziff. 4 OR). Der Richter kann etwa das Kapital der Gesellschaft herabsetzen oder die Gesellschaft zwingen, die Aktien des Minderheitsaktionärs zu übernehmen (Unter Vorbehalt von Art. 659 ff. OR). II. Liquidation 1. Wesen und Zweck Zweck der Liquidation ist es, den Aktionären den Liquidationserlös auszuzahlen. Neben der Kapitalherabsetzung ist die Liquidation die einzige Durchbrechung des Verbots der Einlagenrückgewähr (Art. 680 Abs. 2 OR). Zudem muss sichergestellt werden, dass alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfüllt werden. Die Liquidation erfolgt deshalb einem vorgeschriebenen Verfahren. Das Liquidationsverfahren wird durch den Auflösungsbeschluss der GV (Art. 738 OR) oder den Auflösungsentscheid des Richters (Art. 736 Ziff. 4 OR) ausgelöst und endet mit der Löschung der AG im HR (Art. 746 OR). Die AG bleibt nach der Auflösung der Gesellschaft bestehen. Ihr Zweck wird aber geändert, er lautet auf Durchführung der Liquidation. Die Auflösung wird dem HR mitgeteilt (Art. 737 OR) und veröffentlicht (Art. 933 Abs. 2 OR). Im HR wird der Gesellschaftsfirma „in Liquidation“ zugefügt (Art. 746 OR). Die Organe der AG bleiben bestehen. Die Zuständigkeit des VR ist jedoch auf die Durchführung der Liquidation beschränkt. Die VR verpflichtet die AG nur noch für Handlungen die für die Durchführung der Liquidation notwendig sind und nicht in den Zuständigkeitsbereich der Liquidatoren fallen (Art. 739 Abs. 2 OR). Die Revisionsstelle behält ihre Aufgaben. Insbesondere muss sie den Richter bei offensichtlicher Überschuldung benachrichtigen (Art. 729b Abs. 2 OR). 2. Ablauf a. Ernennung der Liquidatoren Die Durchführung der Liquidation obliegt i. d. R. den Liquidatoren. Diese bilden ein zusätzliches ausserordentliches gesetzliches Organ. Ihnen steht die Vertretung der Gesellschaft für alle zur Liquidation gehörenden Geschäfte zu (Art. 743 Abs. 3 OR). Sie verpflichten die Gesellschaft auch aus unerlaubter Handlung (Art. 743 Abs. 4 OR und Art. 55 Abs. 2 ZGB). I. d. R. werden die Liquidatoren von der GV ernennt (Art. 740 Abs. 1). Wird die Gesellschaft aus wichtigem Grund aufgelöst, bestimmt der Richter die Liquidatoren (Art. 740 Abs. 4 OR). Subsidiär nimmt der VR die Funktion des Liquidators wahr (Art. 740 Abs. 1 OR). Die GV kann die von ihr ernennten Liquidatoren jederzeit abberufen (Art. 741 Abs. 1 OR). Falls ein Aktionär oder ein Gläubiger dies verlangt, kann der Richter den Liquidator aus wichtigem Grund absetzen (Art. 741 Abs. 2 OR). b. Verwertung der Aktiven und Begleichung der Schulden Die Liquidatoren beendigen die laufenden Geschäfte der Gesellschaft (Art. 742 ff. OR), ziehen die ausstehenden Forderungen ein und erfüllen die offenen Verpflichtungen der Gesellschaft. Weiter verwerten sie die Aktiven der Gesellschaft (Art. 743 Abs. 1 OR). Über ihre Arbeit legen die Liquidatoren Rechenschaft ab. Sie erstellen eine Anfangs- und eine Schlussbilanz sowie eine Zwischenbilanz bei dauernder Liquidation 65 (Art. 742 Abs. 1 und 5 OR). Sie müssen alle Aktionäre und alle Gläubiger gleich behandeln. Bei eingetretener Überschuldung benachrichtigen sie den Richter (Art. 743 Abs. 2 OR und Art. 725 Abs. 2 OR). c. Verteilung des Liquidationsergebnisses Der Erlös der Verwertung der Aktiven wird nach Bezahlung aller Schulden unter den Aktionären und Partizipanten verteilt (Art. 745 Abs. 1 OR). Massgebend für den Anteil je Aktionär ist der liberierte Betrag des Kapitals (Art. 661 OR). Weiter sind statutarische Privilegien einzelner Aktionäre zu beachten (Art. 745 Abs. 1 OR, Art. 660 Abs. 3 OR). Nach durchgeführter Liquidation wird die AG im HR gelöscht (Art. 746 OR) 3. Schutz der Gläubiger a. Schuldenruf Die Gläubiger der Gesellschaft müssen öffentlich aufgefordert werden, ihre Ansprüche einzugeben. Die Mittelung an die Gläubiger erfolgt durch Mitteilung an die bekannten oder aus den Geschäftsbüchern ersichtlichen Gläubiger, durch die in den Statuten vorgesehene Form und durch dreifache Veröffentlichung im SHAB (Art. 742 Abs. 2 OR und Art. 745 Abs. 2 OR). Das Liquidationsergebnis darf erst ein Jahr nach der letzen Veröffentlichung des Schuldenruf im SHAB unter den Aktionären verteilt werden (Art. 745 Abs. 2 OR). Wenn ein besonders befähigter Revisor bestätigt, dass alle Schulden getilgt sind und nach den Umständen angenommen werden kann das keine Interessen von Dritten gefährdet sind, kann das Liquidationsergebnis früher verteilt werden (Art. 745 Abs. 3 OR). b. Stille Liquidation Bei der stillen Liquidation wird kein Auflösungsbeschluss gefasst und kein Liquidationsverfahren durchgeführt. Dieses Vorgehen verletzt die zwingenden dem Gläubigerschutz dienenden Vorschriften. Der HR-Führer darf einem Antrag auf Löschung nicht stattgeben, wenn dem Antrag kein Schuldenruf vorausging (Art. 746 OR). Der HR-Führer kann einen solchen Antrag als Anzeige wonach die Gesellschaft keine verwertbaren Aktiven mehr hat uminterpretieren und die Gesellschaft auffordern, ihm innert dreissig Tagen ein begründetes Interesse an Aufrechterhaltung der Eintragung der AG mitzuteilen (Art. 89 HRegV). 66