Seminar: Aspekte der Wissensrepräsentation in der Computerlinguistik Dr. Kai-Uwe Carstensen Dan Rulf, Eveline Zeller SS2002 02.05.2002 Psychologische Aspekte der Wissensrepräsentation Wir beziehen uns in unserem Referat im Wesentlichen auf die Ergebnisse von Forschungen von Eleanor Rosch, wie sie von George Lakoff dargelegt wurde (Lakoff, 1987, 39-55). Lakoff, George (1987). Women, fire, and dangerous things. Chicago: The University of Chiago Press. Kategorisierung 1. Klassische Ansätze Grundannahme der Klassischen Theorie: - alle Mitglieder einer Kategorie haben dieselben Eigenschaften, wodurch die Kategorie definiert wird - alle Mitglieder haben den gleichen Status - Beispiel Kategorie 'Vögel': Eigenschaft 'Flügel' trifft auf alle Elemente zu. Diese spezifische Eigenschaft ist also ausnahmslos Teil der Definition für diese Kategorie - Jedoch: 'Fliegen' scheint typisch für Vögel, trifft aber nicht auf alle Elemente dieser Kategorie zu Erweiterung der Klassischen Theorie: - Kategorienelemente sind durch Familienähnlichkeit miteinander verbunden - Es gibt für jede Kategorie bessere und schlechtere Beispiele – also sind auch nicht alle Elemente gleich zentral - Es gibt sowohl Kategorien mit klaren, festdefinierten Grenzen (Vogel) und Kategorien mit unscharfen Grenzen (Rot) Erkenntnis von Rosch: - Asymmetrien zwischen den einzelnen Elementen (Protoyp-Effekte) - Assymmetrien strukturell innerhalb einer Kategorie (Basic-Level Effekte) 2. Prototyp-Effekte Beispiel der Sprache 'Dani' (Neu Guinea): - zwei unterscheidende Bezeichnungen für Farben: - - Seite 1 'Mili': dunkle und kalte Farben wie schwarz, grün und blau 'Mola': helle und warme Farben wie weiss, rot und gelb. Sprecher dieser Sprache können mehr als zwei Farben konzeptuell unterscheiden, obwohl ihre Sprache nur zwei Kategorien von Farben unterscheidet widerspricht der These von Whorf, dass Sprache das konzeptuelle System ihrer Sprecher determiniert. erfundene Farbnamen, die einzelne Farben benennen: Bezeichnungen für Grundfarben konnten sehr viel besser im Gedächtnis behalten werden als solche für Mischfarben. Grundfarben sind in diesem Fall Prototypen Seminar: Aspekte der Wissensrepräsentation in der Computerlinguistik Dr. Kai-Uwe Carstensen Dan Rulf, Eveline Zeller SS2002 02.05.2002 Definition von Prototypen: - Unterkategorien oder Kategorieelemente, die einen speziellen kognitiven Status haben: z.B. Status eines sogenannten 'besten Beispiels' - Elemente von Kategorien werden als repräsentativere Mitglieder eingeschätzt als andere Elemente. - Beispiel Kategorie 'Vögel': 'Rotkehlchen' repräsentativer als 'Emu' - Die repräsentativsten Elemente sind also Prototypen einer Kategorie Definition Prototyp-Effekt: - Asymmetrie zwischen mehr und weniger repräsentativen Elementen innerhalb einer Kategorie - Status von Elementen innerhalb einer Kategorie ist also unterschiedlich (vs. Klassische Theorie) Von diesen Annahmen ausgehende weitere Untersuchungen: 1) Charakterisieren Prototyp-Effekte die Struktur einer mental repräsentierten Kategorie? 2) Sind Prototypen konsitutionelle Elemente von mentalen Repräsentationen? Erkenntnisse: - Prototyp-Effekte zeigen, dass Kategorien innere Strukturen haben, und dass sie ein Resultat aus solchen Strukturen sind. - Aus den empirischen Prototyp-Effekten selbst können aber keine Rückschlüsse auf die Struktur gemacht werden. - Keine Schlüsse darauf, wie Prototypen erlernt werden - Keine Modellbildung möglich, die Voraussetzungen über Beschaffenheit oder Eigenschaften von Prototypen voraussagen oder bestimmen könnte - - Begriff Prototyp selbst nur eine Vereinfachung, Praxis: Beurteilung des Grades von Prototypikalität Beispiel Kategorie 'Möbel': 'Stuhl' nicht in jedem Fall Prototyp dieser Kategorie, hat einen hohen Grad an Prototypikalität, dh. viele Probanden würden dieses Element nennen, wenn sie das 'beste Beispiel' definieren müssten Kategorien müssen eine interne Struktur haben, die Teil eines Konzeptes sein muss 3. Basic-Level Effekte Idee: - Ein Objekt kann auf verschiedene Weise benannt werden – alle diese Begriffe bilden eine Kategorie. In der Regel erscheint einer der Begriffe am natürlichsten – er hat einen speziellen Status und gehört zum Basic-Level Seite 2 Seminar: Aspekte der Wissensrepräsentation in der Computerlinguistik Dr. Kai-Uwe Carstensen Dan Rulf, Eveline Zeller SS2002 02.05.2002 Merkmale: - Das Basic-Level (‘Hund‘) ist in der Mitte einer Hierarchie angeordnet; weiter oben stehen spezifische Kategorien (‘Dalmatiner‘), weiter unten generelle Kategorien (‘Tier‘) - Basic-Level-Elemente werden sehr schnell identifiziert und anhand der Gestalt eindeutig wahrgenommen - Basic-Level-Begriffen korrelieren oft mit einer Bewegung oder Aktion - Die Begriffe auf Basic-Level sind oft sehr kurz, werden am häufigsten gebraucht, am einfachsten gelernt und erinnert - Das meiste Wissen ist auf dem Basic-Level gespeichert 4. Erlernen von Kategorisierungen Bisherige Untersuchungen: - Kinder im Alter von drei Jahren sind noch nicht fähig Kategorien zu bilden Rosch: - Untersuchungen über Kategorisierungsfähigkeit vor allem auf übergeordnetem Level, nicht auf dem Basic-Level - Dreijährige können auf Basic-Level perfekt kategorisieren, Schwierigkeit ist übergeordneter Level - jüngere Kinder ebenfalls schon fähig, Basic-Level Kategorien zu bilden, haben aber andere Lösungen als Erwachsene, innerhalb ihres Verständnisses dennoch logisch Erkenntnisse: - Basic-Level Kategorien entsprechen frühester und natürlichster Form des Kategorisierens logischste Vorgehensweise, die Welt einzuteilen und sich so ein mentales Bild der Welt zu schaffen. - Prinzipien anhand welcher eine Kategorie gebildet wird, sind elementar und wahrscheinlich universell - Kategorisierungen sind von bildender Person abhängig 5. Cue Validity Idee: - Kategorien erscheinen in Systemen; solche Systeme schliessen kontrastierende Kategorien mit ein. - Auf dem Basic-Level sind die Kategorien so unterschiedlich als möglich. Dafür werden die Ähnlichkeiten innerhalb der Kategorie und die Unterschiede zwischen den Kategorien so stark als möglich betont - Die cue validity für Kategorien ist die Summe aller individuellen (d.h. für jedes Element der Kategorie) cue validities eines bestimmten Merkmals assoziiert mit der Kategorie. Beispiel: - Wenn man ein lebendes Wesen mit Kiemen sieht, kann man sicher sein, dass es sich um einen Fisch handelt. Kiemen hat daher eine cue validity von 1.0 für die Kategorie Fisch und eine cue validity von 0 für alle anderen Kategorien auf diesem Level. Seite 3