Prof. Dr. Rainer Prätorius - Verwaltungslehre I/II (Vorlesung + Übung) Übung am 18.05.2010 FT 10 (Gruppe: Burger, Dagci, Pospiech, Shin, Taddigs) Referat: Verwaltung und Grundgesetz Teil II Wie organisiert das Grundgesetz Verwaltung in Deutschland ? Grundlegende Prinzipien der Verwaltung in Deutschland sind bereits in der Verfassung, dem Grundgesetz, festgelegt. Einige Eigenschaften des Verwaltungsapparates folgen aus übergeordneten Verfassungs- und/oder Staats-Organisations-Prinzipien (z.B. dem Föderalismusprinzip), andere sind in einzelnen Artikeln des Grundgesetzes explizit genannt und beschrieben. Einige der für die Verwaltung in Deutschland wichtigsten Artikel und Maßgaben sind: Art. 28 GG: Verfassung der Länder Art. 33 GG: Selbstverwaltungsgarantie, Garantie des Berufsbeamtentums Art. 65 GG: Garantie der Ministerverantwortlichkeit , Ressortprinzip Art. 80 ff. GG: Föderalismus Selbstverwaltungsgarantie: Art. 28 GG Art. 28 GG enthält für kommunale Körperschaften (=Gemeinden) Rahmenvorschriften. Diese legen einen zweistufigen Aufbau des Staatsgefüges auf einen sog. „zweigliedrigen Bundesstaat“ fest. Es wird also nur zwischen Bund und Ländern differenziert. Was die Staatsorganisation bezüglich der Gemeinden betrifft, so gehören diese zur Gliederung eines Landes. Gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wird den Gemeinden die sog. „Garantie der kommunalen Selbstverwaltung“ zugesichert. Anders ausgedrückt bedeutet dies, den Gemeinden wird das Recht zugesprochen, sämtliche Angelegenheiten der Örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in Eigenverantwortung zu regeln. Durch diese Garantie der kommunalen Selbstverwaltung wird das Prinzip der demokratischen Dezentralisation umgesetzt. Für den einzelnen Bürger wird das System auf diese Weise greifbar und überschaubar. Auf kommunaler Ebene werden Verwaltung und örtliche Politik sozusagen gebündelt. Landkreise (und andere Gemeindeverbände) haben nach Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen des gesetzlich geregelten Aufgabenbereiches (d.h. keine allumfassende Selbstverwaltungsgarantie wie oben). Daraus folgt, dass den Landkreisen vom Gesetzgeber Selbstverwaltungsaufgaben übertragen, oder auch entzogen werden können. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG legt fest, dass auch in Gemeinden und Kreisen eine Vertretung für das Volk existieren muss, welche aus Wahlen hervorgeht. Was Gemeinden betrifft, so besteht gemäß Art. 28 Abs. 1 S.4 GG die Möglichkeit an Stelle einer gewählten Körperschaft (z.B. Rat) eine Gemeindeversammlung zu setzen – also unmittelbare Demokratie auszuüben. Art. 28 Abs. 2 GG garantiert, dass es institutionell im Staatsaufbau Gemeinden zu geben hat. Allerdings wird der Bestand einzelner Gemeinden nicht geschützt. Die kommunale Selbstverwaltung verteilt Kompetenzen zwischen Staat und den Gemeinden. Ausschlaggebendes Kriterium hierfür ist der lokale Bezug einer Verwaltungsaufgabe. Prinzipiell gilt in Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises die Vermutung für eine Zuständigkeit der Gemeinden (=Aufgaben, die sich in Reichweite, auf Zusammenleben und die örtliche Gemeinschaft beziehen). Beispiele hierfür sind: Wasserversorgung, lokale Kultur/Freizeit, kommunale Infrastruktur, etc. Über Zeit und Art der Aufgabenwahrnehmung können Gemeinden in eigener Verantwortung entscheiden (Gebiets-, Personal-, Planungs-, Finanz- und Organisationshoheit). Zudem garantiert Art. 28 Abs. 2 GG Rechtsschutz, falls die Selbstverwaltungsgarantie verletzt sein sollte. Der Rechtsweg steht somit offen. Gemeinden können also vor den zuständigen Gerichten klagen, oder gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG Verfassungsbeschwerde einlegen. Erwähnt werden sollte allerdings, dass in Art. 28 Abs. 2 GG kein Grundrecht enthalten ist. Wie oben schon erwähnt, können Gemeinden die Angelegenheiten der Örtlichen Gemeinschaft „nur im Rahmen der Gesetze“ regeln. Folglich gilt die Selbstverwaltungsgarantie nicht vorbehaltlos. Somit können Art und Weise der Ausführung der Aufgaben einer Gemeinde über förmliche Bundes/Landesgesetze sowie untergesetzlichen Rechtsnormen geregelt werden. Kommt es zu gesetzlichen Regelungen von Selbstverwaltungsaufgaben, muss stets der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie beachtet werden (quasi: Gemeinde muss ausreichend Spielraum zur Aufgabenausübung haben). Garantie des Berufsbeamtentums: Art. 33 GG Zunächst eine kurze Begriffsklärung. „Öffentlicher Dienst“ bezeichnet die Rechtsstellung derjenigen Personen, die öffentliche Aufgaben mittelbar oder unmittelbar für den Staat wahrnehmen. Dies betrifft folglich die gesamte Verwaltung sowie die Rechtspflege. Bevor näher auf die Grundsätze des Beamtentums eingegangen wird, soll in aller Kürze die Entstehungs- bzw. Entwicklungsgeschichte des modernen Berufsbeamtentums dargestellt werden. Dies führt uns zurück in die Zeit des frühen Absolutismus. Zunehmend wurde die Staatsgewalt auf die Landesfürsten vereinigt. Um Reformen des staatlichen Verwaltungsbetriebes durchsetzen zu können bedurfte es eines Stabes, dessen Bedienstete gegenüber dem Fürsten persönlich verpflichtet und loyal sein sollten. Darüber hinaus sollten sie fachlich vorgebildet und hauptberuflich tätig sein. Sie wurden vom Fürsten besoldet. In der Zeit des aufgeklärten Absolutismus erfuhr ihre Rechtsstellung eine Ausgestaltung in Beamtengesetzen, den sog. „Dienstpragmatiken“. Da sich nun auch der Monarch als „Diener des Staates sah“, wurden die bis dato als „Fürstendiener“ bekannten Bediensteten mehr und mehr als „Staatsdiener“ verstanden. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert hielt der Verfassungsstaat die persönliche Treue- und Gehorsamsbindung an den Monarchen aufrecht, allerdings wurden die Beamten auf die Achtung von Gesetz und Verfassung verpflichtet. Mit der Revolution von 1918 wird das persönliche Treueband zum Monarchen endgültig beseitigt und durch eine überpersönliche Treuepflicht gegenüber der demokratisch- republikanischen Grundordnung ersetzt. Durch Gewährleistung des Berufsbeamtentums auf Lebenszeit – verfassungsmäßig festgeschrieben – sollte der Praxis des „Beutesystems“ vorgebeugt werden (Beutesystem: Beamtenpositionen im Wechsel an Anhänger der stärksten Partei zu vergeben). Das Berufsbeamtentum weißt sich durch Sachkunde aus, wird nach dem Leistungsprinzip ausgewählt, ist stets unparteiisch und dient dem Staat grundsätzlich auf Lebenszeit. Gemäß Art. 33 Abs. 5 GG ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln. Unter „hergebrachten Grundsätzen“ wird ein Kernbestand beamtenrechtlicher Grundsätze verstanden, die allgemein und während eines längeren Zeitraumes als verbindlich anerkannt/gewahrt worden sind. Im Folgenden sollen die fünf wichtigsten davon aufgezeigt werden: Dienst- und Treuepflicht der Beamten: (Beispiele: Pflicht zur Verfassungstreue, Gehorsamspflicht, Pflicht zur Unparteilichkeit/Amtsverschwiegenheit) Der Tatsache, dass es sich um ein öffentlich- rechtliches Dienst- und Treueverhältnis handelt wird in Art. 33 Abs. 4 GG Rechnung getragen. Beamtenverhältnis als Lebensberuf: Folglich ist der Grundtyp des Beamten der Beamte auf Lebenszeit. Beamter auf Probe/ auf Widerruf, etc. sind Übergangsformen. Der Beamte soll dem Beruf seine volle Arbeitskraft widmen, woraus eine Einschränkung von Nebentätigkeiten folgt. Rechtliche und wirtschaftliche Absicherung: Dies ist als Ausgleich dafür, dass sich der Beamte schon in seiner Ausbildung auf den öffentlichen Dienst als Lebensberuf eingestellt hat und sich diesem voll widmet. Ferner soll so die Unabhängigkeit, also die sachliche und unbefangene Amtsausführung gewährleistet werden. Leistungsprinzip (Art.33 Abs. 2 GG): Hiernach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Ebenso erfolgen Beförderungen nach dem Leistungsprinzip. Die Kriterien für die Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung werden je von dem zu übertragendem Amt bestimmt. Inkompatibilität: Es besteht eine Unvereinbarkeit zwischen der Stellung als Beamter und anderen öffentlichen Ämtern. Die Stellung als Angehöriger der Exekutive (Beamter) ist unvereinbar mit der Annahme eines Bundes-/Landtagsmandats. Hierzu müsste sich der Beamte vorher dazu verpflichten, seine dienstrechtliche Stellung ruhen zu lassen. Ministerverantwortlichkeit und Ressortprinzip Art. 65 GG: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbstständig und unter eigener Verantwortung. [...]“ Das Ressortprinzip Die Arbeit der Bundesregierung wird durch 3 Prinzipien geleitet: - Kanzlerprinzip Kabinettsprinzip Ressortprinzip Das Ressortprinzip sieht vor, dass jedes Ressort - das heißt jedes Teilgebiet der Exekutive mit den ihm unterstellten Behörden - von einem Minister geleitet wird. Der Minister leitet sein Ressort innerhalb der vom Kanzler bestimmten politischen Richtlinien selbstständig. Eine Einmischung in Ministeriumsangelegenheiten seitens des Bundeskanzlers ist unüblich, sie findet nur sehr selten statt. Wird der Kanzler doch einmal aktiv, so in der Regel in Form von für die Minister und ihre Ministerien bindenden Grundsatz- bzw. Richtlinien-Entscheidungen. Ein wichtiges Recht des Ministers ist, zu entscheiden auf welcher Ebene – auf ministerieller, oder auf nachgeordneter behördlicher Ebene – eine Aufgabe zu versehen ist. Ministerverantwortlichkeit Die Garantie der Ministerverantwortlichkeit, die in Art. 65 GG niedergelegt ist, ist entscheidend für die oberste Ebene des Verwaltungsapparates in Deutschland. Der Verwaltungsapparat besteht in der Hauptsache aus den verschiedenen Behörden, die als Organe der Exekutive Gesetze, Verordnungen und politische Maßgaben in alltägliches Entscheiden und Handeln umsetzen. Jede Behörde untersteht wiederum einem Ministerium und damit dem jeweiligen Minister. In Deutschland besitzt dieser eine Fülle von Kompetenzen. Er besitzt grundsätzlich die Entscheidungskompetenz in seinem Ressort und trägt die volle Verantwortung für die Handlungen seines Ministeriums sowie der unterstellten Behörden. Er besitzt ebenfalls die Personalhoheit in seinem Bereich. Auch innerhalb des Kabinetts arbeiten die Minister im Regelfalle eigenständig. Ausnahmen sind lediglich spezielle Fälle, in denen Kabinettsbeschlüsse gesetzlich erforderlich sind. Dieses schwach ausgeprägte Kollegialprinzip unterscheidet Deutschland von anderen Ländern wie z.B. Schweden, in denen Entscheidungen regelmäßig im Kabinett getroffen werden, was die Verantwortung der einzelnen Minister stark verringert. Das Föderalismus-Prinzip Das Föderalismus-Prinzip gehört zu den Staats-Struktur-Prinzipien der Bundesrepublik Deutschland. Es betrifft vor allem die Ausführung der Bundesgesetze, die Bundesverwaltung und auf einigen Gebieten das Verhältnis von Bund und Ländern (Art. 83 – 89 GG). Wichtig sind im Zusammenhang mit dem Föderalismus-Prinzip vor allem: - Art. 83 GG Art. 84 Abs.1 Satz 1 GG Art. 84 Abs.2 GG Art. 85 Abs.4 GG Art. 86 GG Art 91 a, b und c GG Art 91d GG - Grundsatz der Länderexekutive - Länderverwaltung und Bundesaufsicht - Bundesauftragsverwaltung durch die Länder - Bundeseigene Verwaltung Die meisten der Artikel in diesem Teil des Grundgesetzes sind selbsterklärend. Art. 83 GG „ Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt.“ Art. 84 Abs.1 Satz 1 GG „ Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren.“ Art. 84 Abs.2 GG „ Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen.“ Dies gilt gemäß den Grundsätzen der ausschließlichen / konkurrierenden Gesetzgebung dann, wenn ein begründetes Interesse für eine bundesweite, einheitliche Regelung vorliegt. Noch Art. 84 Abs.2 GG „Werden Mängel, die die Bundesregierung bei der Ausführung der Bundesgesetze in den Ländern festgestellt hat, nicht beseitigt, so beschließt auf Antrag der Bundesregierung oder des Landes der Bundesrat, ob das Land das Recht verletzt hat. Gegen den Beschluss des Bundesrates kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden.“ Art. 85 Abs.4 GG „ Die Bundesaufsicht erstreckt sich auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung. Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke Bericht und Vorlage der Akten verlangen und Beauftragte zu den Behörden entsenden.“ Art. 86 GG „ Führt der Bund die Gesetze durch bundeseigene Verwaltung oder durch bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts aus, so erlässt die Bundesregierung, soweit nicht das Gesetz Besonderes vorschreibt, die allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Sie regelt, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, die Einrichtung der Behörden.“ Beispiele hierfür sind Auswärtiger Dienst, Bundesfinanzverwaltung, Schifffahrt. Bundeswasserstraßen und Art. 91a – d GG Art. 91 a-c GG regel(n)t Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern sowie spezielle Aspekte der Verwaltungszusammenarbeit. Wichtig sind hier unter anderem die Wirtschaftsstruktur, der Küstenschutz, sowie die Forschung an und außerhalb von Hochschulen. Art. 91 d GG: „Bund und Länder können zur Feststellung der Leistungsfähigkeit Vergleichsstudien durchführen und die Ergebnisse veröffentlichen.“ ihrer Verwaltungen Quellen - Andreas Heusch, (2003): Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Staatsorganisationsrecht, Berlin - Reinhold Zippelius, (2008): Deutsches Staatsrecht, München - Jörn Ipsen, (2005): Staatsorganisationsrecht, Luchterhand - Jörg Bogumil (2005): Verwaltung und Verwaltungswissenschaft in Deutschland. Einführung in die Verwaltungswissenschaft, Wiesbaden