Rolf Sistermann: Robinson, das Universum und die - RPI

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Rolf Sistermann: Robinson, das Universum und die Feiertage der Religionen
nach dem Bonbonmodell
Problemorientierte Unterrichtseinheiten in Praktischer Philosophie in den
Klassen 5 und 6
In: ZDPE H.1/ 2011
1. Ausgangssituation
„Können wir nächste Stunde auch einmal selber etwas über das Weltall vortragen?“ Vor mir stehen Manjola
und Iman, zwei türkische Mädchen aus der Klasse 5, die ich seit einem halben Jahr in Praktischer
Philosophie unterrichte. Vor den Weihnachtsferien habe ich das Thema angekündigt. In der ersten Stunde
nach den Weihnachtsferien haben sie ihre Fragen gestellt: „Warum fließt den Menschen auf der anderen Seite
der Erde das Blut nicht in den Kopf?“ „Wieso dreht sich die Erde?“ „Wie ist das Weltall entstanden?“
„Warum kann man nur nachts die Sterne sehen?“ „Gibt es Aliens?“ „Warum gibt es Planeten?“ „Was ist am
Ende des Weltalls?“ „Wer hat das Weltall geschaffen?“ „Ist es vielleicht von selbst entstanden?“ Das ging mit
entsprechenden Nachfragen und Erläuterungen eine ganze Stunde so. Wir haben alle Fragen gesammelt, sie
geordnet und die Liste in der Klasse aufgehängt. Einige Schüler (mitgemeint sind natürlich im folgenden
auch und, wie das Beispiel zeigt, in besonderem Maße die Schülerinnen) achteten dann genau darauf, dass
auch alle im Laufe der Reihe zur Sprache kamen. Es waren sicher nicht nur philosophische Fragen. Viele
hätte man auch im Erdkundeunterricht behandeln können. Nachfragen bei Kollegen ergaben allerdings, dass
dies nur selten noch der Fall ist. Bei den meisten Fragen lassen sich, wie ich noch zeigen werde, durchaus
elementare philosophische Gedanken anschließen. Auf jeden Fall zeugen sie von einem brennenden Interesse
der Schüler an dem Thema. Wie sehr die Schüler das Thema beschäftigt, zeigt auch der Wunsch Manjolas
und Imans, selbst etwas dazu vortragen zu dürfen. Ich bin natürlich damit einverstanden. In der nächsten
Stunde kommen mir auf der Treppe Eren und Onur mit zwei wunderbaren OHP Folien über die Planeten des
Sonnensystems entgegen. „Die haben wir gemacht!“ behaupten die zwei Schlitzohren unter Protestgeschrei
der beiden Mädchen, denen sie die Folien entwendet haben. Als ich die Jungen auffordere, dazu einen
Vortrag zu halten, geben sie es kleinlaut zu. Die beiden Mädchen aber machen es mit Bravour. Sicher haben
die Eltern ihnen beim Erstellen der Folie mit verschiedenen Abbildungen aus dem Internet geholfen. Aber zu
den Bildern auch sinnvolle Erklärungen geben zu können, ist für Schülerinnen einer Klasse 5 schon eine
Leistung.
Unterricht in Praktischer Philosophie gab es an dem Gymnasium in Köln- Mülheim, an dem ich unterrichtet
habe, wie an vielen Schulen in NRW, lange Jahre nur in Klasse 9 und 10, dann nämlich, wenn die Schüler
religionsmündig geworden und sich in größeren Zahlen vom Religionsunterricht abgemeldet hatten. Die
Einrichtung eines verpflichtenden Ersatzunterrichts war nicht zuletzt auch im Interesse der Religionslehrer,
denen es nicht weiter zuzumuten war, einen Unterricht durchzuführen, der in Konkurrenz zu Freistunden
und/ oder Skatspielen stand. Die relativ wenigen Schüler in den unteren Klassen, die nicht am
Religionsunterricht teilnahmen, weil sie keiner christlichen Konfession angehörten, wurden mehr oder
weniger sinnvoll von wechselnden Kollegen betreut, die von dieser Aufgabe nicht immer begeistert waren.
Nachdem ich als Fachseminarleiter an einigen wenigen anderen Kölner Schulen Praktische Philosophie in
Klasse 5 und 6 gesehen hatte, drängte ich darauf, diesen Unterricht auch an unserer Schule einzuführen. Ich
hatte Stunden erlebt, in denen die Schüler mit Eifer bei der Sache waren und ein erstaunliches primäres
Interesse an den Tag legten, das nicht ungenutzt bleiben durfte. Köln- Mülheim ist neben Berlin- Kreuzberg
sicher einer der Stadtteile mit dem höchsten Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund. Nachdem sich
die Zahl der Neuanmelder, die keiner christlichen Konfession angehörten, plötzlich verdoppelt hatte, war es
dann soweit. Es wurden zwei Gruppen mit je 18 Schüler und Schülerinnen eingerichtet, die ich dann in den
letzten zwei Jahren meiner Tätigkeit an der Schule unterrichten konnte.
2.
Problemorientierte Planung nach dem Bonbonmodell
Die Planung des Unterrichts war vor allem durch zwei Prinzipien bestimmt, durch die Hinführung am
Leitfaden eines Jugendbuches und durch die Ausrichtung des Lernprozesses an einem Modell, das man in
Form eines Bonbons darstellen kann (siehe zum Bild des „Bonbons“ unten die Graphik).
Natürlich kann es im Unterricht in den Klassen 5 und 6 nicht primär um Kompetenz im Umgang mit Texten
gehen. Vielmehr sollte der Unterricht den Schülerinnen und Schülern in erster Linie Mut zu machen, „sich
ihres eigenen Verstandes zu bedienen“ (Kant). Es ist schon viel erreicht, wenn die Schüler lernen, ihre
eigenen Ansichten und die ihrer Mitschüler ernst zu nehmen und aufeinander zu hören. Andererseits ist es
2
auch für Schüler in der 5. und 6. Klasse auf die Dauer unbefriedigend, wenn es bei einem unverbindlichen
Gespräch bleibt und sie nur ihre Meinungen über die angesprochenen Fragen austauschen. Schüler wollen
gerade in diesem Alter auch etwas Neues kennen lernen. In der gemeinsamen Ausrichtung auf ein zu
lösendes Problem lassen sich Schüler- und Inhaltsorientierung miteinander verbinden1.
Aus der Intention eines problemorientierten Philosophieunterrichts ist das Bonbonmodell entstanden, ein
Lernprozessmodell, das sich im Wechsel zwischen eng geführten und breit gestreuten Unterrichtsbeiträgen in
der Form eines Bonbons darstellen lässt. Wenn man Lernen als Problemlösen begreift, müssen bestimmte
Lernphasen beachtet werden, deren Länge sehr unterschiedlich sein kann, deren Abfolge jedoch unabdingbar
ist.
In der Hinführung sollte möglichst breit etwas aufgegriffen werden, das den Schülern unmittelbar zugänglich
ist, von dem sie schon einmal gehört haben, von dem sie mehr wissen wollen und das sie mit ihrer
Lebenswelt verbinden können. Es geht dabei nicht unbedingt um das Anknüpfen an Alltagserfahrung.
Schüler erwarten vom Unterricht gerade auch Kontrasterfahrungen.2 Ich spreche in dieser Phase bewusst
nicht von Einstieg, sondern von Hinführung. Denn es geht nicht darum, sich wie ein Dieb in einem dunklen
Hühnerstall langsam an das Problem heranzutasten, über dies und jenes zu reden und, wenn alle Fragen wie
die Hühner durcheinander flattern, irgendwo zuzugreifen, sondern möglichst zügig zu einer eng begrenzten
und von allen nachvollziehbaren Problemstellung zu kommen. Besonders in dieser Altersstufe, aber nicht nur
dort, muss der Zugang zu anspruchsvolleren Texten oder anderen Arbeitsmedien dadurch erleichtert werden,
dass diese jeweils an eine klare Problemstellung angebunden werden, mit der sich die Schüler beschäftigen
können, bevor sie das betreffende Arbeitsmedium erhalten. Sie haben damit die Möglichkeit, in einer
selbstgesteuert intuitiven Problemlösungsphase eigene Antworten zu finden, die sie in der anschließenden
angeleitet kontrollierten Problemlösungsphase mit den Antworten des Arbeitstextes in Beziehung setzen
können. Entscheidend ist es, eine qualifizierte Frage zu finden, die die Schüler dazu bringt, ein Bewusstsein
für das zu behandelnde Problem zu entwickeln und mögliche Lösungen zu antizipieren. Sinnvollerweise hält
man die intuitiven Lösungen an der Tafel fest, damit sie in der Festigungsphase mit den in der kontrollierten
Problemlösungsphase aus dem Arbeitstext gewonnenen Antworten verglichen werden können. In der
anschließenden Transferphase können die Schüler das Gelernte auf andere Situationen übertragen, erweitern,
anwenden und problematisieren. In der eingangs geschilderten Unterrichtssituation fühlten sich die beiden
Schülerinnen offensichtlich angeregt, das erworbene Wissen über das Weltall anzuwenden und zu erweitern.
Der Lehrer arrangiert also nach dem Bonbonmodell mit den Schülern zusammen einen Lernprozess, in dem
die Schüler selbst feststellen können, welchen Fortschritt sie in der Beschäftigung mit den Medien in der
kontrollierten Problemlösungsphase gemacht haben. Der Lernprozess braucht nicht mit dem Ablauf einer
Unterrichtsstunde identisch zu sein, sondern kann sich auch schon einmal über mehrere Unterrichtstunden
hinziehen oder kann in einer Stunde mehrmals stattfinden. Vor allem die selbstgesteuert- intuitive
Problemlösungsphase kann unterschiedlich lang sein. Je nachdem, wie ausführlich die Schüler ihre Lösungen
ausarbeiten und einbringen wollen, kann sie zehn Minuten, eine ganze Stunde oder sogar mehrere Stunden
umfassen. Wichtig ist nur, dass der Lehrende und möglichst auch der Lernende weiß, in welcher Lernphase
er sich jeweils befindet.
Die Phasierung entspricht den in Deutschland zuerst von Heinrich Roth beschriebenen Lernphasen, die hier
jedoch anders benannt und akzentuiert werden. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass im
Bonbonmodell nicht wie bei Roth nur zwischen Entwerfen und Ausführen der Lösungen, sondern zwischen
den selbstständig- intutiv und den angeleitet- kontrolliert gefundenen Lösungen unterschieden wird. Beide
Phasen sind in einem Unterricht, der ebenso schüler- wie inhaltsorientiert sein will, unabdingbar.
In den verschiedenen Lernphasen kommen wenigstens in Ansätzen auch die unterschiedlichen
philosophischen Methoden zur Anwendung, die die Fachverbände Ethik und Philosophie in einem
Diskussionspapier 2006 als besondere Standards herausgestellt haben. Systematischer und philosophisch
fundiert sind diese von Ekkehard Martens in seiner Methodik des Philosophieunterrichts beschrieben
worden3. Man könnte die verschiedenen Methoden den einzelnen Lernphasen folgendermaßen zuordnen:
1
2
3
„Ein Problem ist somit etwas, das uns wesentlich ist- das uns in unserem Begriff von uns selbst berührt. [..] Im
Problem gelangen Welt und Selbst zur bewußten Entsprechung.“ V. Gerhardt: Selbstbestimmung, Stuttgart 1999, 47
„Schule muß Kontrasterfahrung durch hochspezifizierte Lern- und Erfahrungssituationen anbieten, gerade Abstand
von Gewohntem statt der Verdoppelung des alltäglichen Situationsmix.“ Ziehe, Th.: Adieu 70er Jahre! Jugendliche
und Schule in der zweiten Modernisierung, in: „Pädagogik“, 7-8/1996, S. 35ff. .
Martens, E.: Methodik des Ethik- und Philosophieunterrichts. Philosophieren als elementare Kulturtechnik.
Hannover: Siebert 2003; Zusammenfassung: Ders.: Ein integratives Methodenparadigma der Unterrichtsgestaltung.
In: Steenblock, V. (Hrsg): Philosophiekurse. Münster: Lit 2004. S. 155ff.
3
In der Hinführungsphase geht es darum, dass die Schüler mit phänomenologischen Methoden etwas
wahrnehmen, das zur „Problemkonstituierung“ führt.
In der selbstgesteuert-intuitiven Problemlösungsphase sollen sie mit spekulativen Methoden weiterführenden
Einfällen nachgehen.
In der angeleitet-kontrollierten Problemlösungsphase sollen sie mit hermeneutischen Methoden Texte
verstehen lernen.
In der Festigungsphase geht es um die Klärung von Argumenten und Begriffen mit Hilfe analytischer
Methoden.
In der Transferphase schließlich sollen sie mit Hilfe dialektischer Methoden „Auseinanderssetzungen führen
können“.
Zusammengenommen ist damit ein natürlicher Lernprozess beschrieben, in dem offene und geschlossene
Phasen bzw. weitere und engere Fragestellungen miteinander wechseln. Daraus ergibt sich eine Synopse in
der vergleichenden Benennung durch Roth, Martens, Sistermann und dem Diskussionspapier der
Fachverbände.
1.Stufe
Motivation
der (1.)Phänomenologische
Methode:
Etwas
wahrnehmen
können
und
2.Stufe der
Schwierigkeiten
3.Stufe
Lösungen
Wahrnehmungen,Beobachtungen und
Erfahrungen differenziert und
systematisch beschreiben,
verstehen und erklären
(2.)Probleme
konstituieren
Konflikte bearbeiten
Gespräche führen
der (3.)Spekulative
Methode:
Einfälle haben können
Fantasie und Kreativität
entwickeln Texte verfassen
Texte und andere Medien auf
ihren ethisch-philosophischen
Gehalt hin erschließen
Fragen und erkunden
4.Stufe des Tuns und (4.)Hermeneutische
Ausführens
Methode:
Jemanden
verstehen können
5.Stufe
Behaltens
Einübens
des (5.)Analytische
und Methode:
Argumente
und Begriffe klären
können
6.Stufe
des
Bereitstellens,
der
Übertragung
und
der
Integration
des
Gelernten
(H.
Roth,
Pädagogische
Psychologie
des
Lehrens
und
Lernens,
12.A.1970,208ff)
(6.)Dialektische
Methode:
Auseinandersetzungen
führen können
Begriffe erklären und angemessen
verwenden
Werte klären; Argumentieren und
Kritik üben; Handeln
(Rolf Sistermann in: Zeitschrift für
Didaktik der Philosophie und
Ethik, Heft 1/2005 und Heft 4/2008
)
(Methodenkompetenzen
nach Diskussionspapier der
Fachverbände Ethik und
Philosophie zu Bildungsstandards
für die Sek. I (EU 4/06, S.44))
(E. Martens, Methodik
des
Ethikund
Philosophieunterrichts, 2003)
In dem systematischen Wechsel zwischen den Phasen subjektiver Aneignung und der Vermittlung von
Expertenwissen entspricht das Bonbonmodell dem, was Diethelm Wahl als Sandwich-Prinzip bezeichnet.
Das Sandwich-Prinzip schreibt vor, zwischen möglichst kurze und informative kollektive Lernphasen
4
möglichst umfangreiche Phasen des aktiven und selbstgesteuerten Lernens einzuschieben.4 Allerdings betont
Wahl zu wenig, dass ein kontrollierbarer Lernfortschritt auch bei selbstgesteuertem Lernen eine
überschaubare und begrenzte Problemstellung voraussetzt, deren Lösung in einem ebenso überschaubaren
Rahmen auf den Begriff gebracht und durch Wiederholung gefestigt werden sollte.
Eine ähnliches Schema des Lehr- / Lernprozesses hat Josef Leisen entworfen. Er unterscheidet folgende
sechs Stufen: (1) Problemstellung entdecken, (2) Vorstellungen entwickeln, (3) Lernmaterial bearbeiten, (4)
Lernprodukt diskutieren, (5) Lernzugewinn diskutieren und (6) Vernetzen und Transferieren. Dabei gibt er
jedoch im Unterschied zum Bonbonmodell der Hinführung zur Problemstellung keinen besonderen
Stellenwert. Außerdem wird nicht deutlich, dass die eigentliche Problemstellung enger sein muss als die
breiter angelegte Hinführung.5
Schließlich entspricht der problemorientierte Unterricht nach dem Bonbonmodell auch den von Anita Rösch
zusammengestellten fünf Kompetenzbereichen6.
In der Hinführungs- und Problemstellungsphase geht es tendenziell um Wahrnehmen und Verstehen,
in der selbstgesteuert intuitiven Phase um Interagieren und Sich Mitteilen,
in der angeleitet kontrollierten Phase um Analysieren und Reflektieren,
in der Festigungsphase um Sich Orientieren und Handeln,
in der Transferphasen um Argumentieren und Urteilen.
3. Hinführung durch literarische Texte, z.B. Robinson
Bei der Hinführung zu einer mehr oder weniger ausformulierten Problemstellung setzen viele
Unterrichtsmaterialien auf erfundene Personen im Alter der Schüler in einer konstruierten Alltagssituation.
Da heißt es dann etwa: „Annika und Isabel sind Schülerinnen der sechsten Klasse im HohenheimGymnasium. Auf dem Heimweg sehen sie plötzlich....“ Manchmal tauchen die Namen bei verschiedenen
Fragen wiederholt auf, so dass die Schüler sie schon kennen. Trotzdem bleiben sie meist sehr blass und
verwechselbar und geben wenig Anlass, sich mit ihren Problemen zu identifizieren. In einem Lehrbuch
finden drei Elfjährige z.B. auf einem Dachboden alte Bücher mit Mythen und Sagen und lesen sich
gegenseitig begeistert daraus vor. Auch jüngere Schüler merken bald, dass sie mit diesen Kunstfiguren
geködert werden sollen und sind entsprechend verstimmt, also wenig motiviert, sich mit deren Fragen zu
beschäftigen.
Phantasievoller und spannender sind dagegen Ausgangstexte, die klassischer oder moderner Kinder- und
Jugendliteratur entnommen sind. Die vorgestellten Protagonisten sind den Schülern zwar nicht so vertraut
wie die Kinder von nebenan, aber dafür lebendiger und interessanter, wenn sie sich einmal in deren Situation
versetzt haben. Viele Lehrbücher greifen sie deshalb auf, lassen sie aber meist nur einmal mit einer halben
Seite zur Sprache kommen, um zu einer bestimmten Frage hinzuführen. Damit sind Chancen verschenkt und
der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Ein Lehrbuch z.B. 7(welches?) geht auf den Klassiker
Robinson Crusoe von Daniel Defoe ein, beschränkt sich aber darauf, die Bilanz vorzustellen, die Robinson
auf seiner einsamen Insel über die Vorteile und Nachteile seiner Situation anstellt. Didaktisch sinnvoller
wäre es, bei möglichst vielen Fragen eines Fragenkreises auf sein Schicksal zurückzukommen, so dass die
Schüler schon dadurch immer wieder einen Anknüpfungspunkt finden. Eines der Grundprobleme des
Unterrichts in Praktischer Philosophie und Ethik ist, dass dem Lehrer nach einem mehr oder weniger
intensiven Studium die Zusammenhänge der verschiedenen Fragen eines Fragenkreises8 (NRW, bitte für die
Wahl, D.: Lernumgebungen erfolgreich gestalten. Vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln. Bad Heilbrunn 2006. S.
95ff.
5
Josef Leisen: Kompetenzorientiert unterrichten mit dem Lehr-Lern-Modell
http://www.leisen.studienseminar-koblenz.de/uploads2/02%20Der%20Kompetenzfermenter%20-%20Ein%20LehrLern-Modell/1%20Kompetenzorientiert%20unterrichten%20mit%20dem%20Lehr-Lern-Modell.pdf
4
6
7
8
Anita Rösch , Wohin steuert der Ethikunterricht?Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, EU 1/2010
Abenteuer Menschsein 5/6, Berlin: Cornelsen/ Volk und Wissen 2006, 28f
Nach dem Kernlehrplan für Praktische Philosophie Sek. I in NRW sollen folgende Fragenkreise behandelt werden
1. Die Frage nach dem Selbst
2. Die Frage nach dem Anderen
3. Die Frage nach dem guten Handeln
4. Die Frage nach Recht, Staat und Wirtschaft
5. Die Frage nach Natur, Kultur und Technik
6. Die Fragen nach Wahrheit, Wirklichkeit und Medien
:
5
Nichtkundigen kurz in einer Fußnote auflisten) selbstverständlich sind, den Schüler aber natürlich nicht. Sie
sollen ja gerade erst nach und nach vermittelt werden. Solange ihnen die inhaltlichen Zusammenhänge noch
nicht vertraut sind, kann das Schicksal einer interessanten Figur als roter Faden dienen.
Ich habe deshalb am Anfang meines Unterrichts in der Klasse 5 bei der Frage nach dem Ich, dem ersten
Fragenkreis des Kernlehrplans NRW von 2007, verschiedene Situationen aus dem Leben Robinsons
Crusoes herangezogen, den Schülern dazu gekürzte Textausschnitte gegeben9 und mit Problemstellungen
verbunden. Anschließend erhielten sie eine Übersicht über den gesamten Inhalt des Buches, die sie als
Grundlage für einen Quiz nutzen konnten.
1. Die Entscheidung über Robinsons künftiges Leben im Gespräch mit dem alten Vater (1): „Er fragte
mich, welche anderen Gründe als meine Sucht nach Abenteuern mich bestimmen könnten, Vaterhaus
und Heimat preiszugeben, wo ich die besten Aussichten hätte, mein Glück zu machen, und bei Fleiß
und Beharrlichkeit ein ruhiges, sorgenfreies Leben führen könnte.“
Problemstellung: Was soll aus mir werden?
Aufgabe: Gib ihm einen Rat als Freund.
2. Nachdem das Schiff, auf dem Robinson von Brasilien nach Afrika reisen wollte, an einer einsamen
Insel im Sturm gestrandet ist und alle Gefährten ertrunken sind, hat er noch einmal Gelegenheit, auf
einem kleinen Floß eine Anzahl von Gegenständen zu bergen, bevor das Schiff mit der nächsten Flut
endgültig verschwindet (31).
Problemstellung: Was brauche ich wirklich zum Leben?
Aufgabe: Welche 10 Gegenstände würdest du mitnehmen?
3. Robinsons Bilanz, nachdem ihm endgültig klar geworden ist, dass er für unabsehbare Zeit allein auf der
Insel bleiben muss (37):
Das Böse:
Das Gute:
Ich bin auf ein wüstes, trostloses
Eiland [Insel] ohne alle Hoffnung
auf Befreiung verschlagen.
Aber ich lebe und bin nicht, wie alle meine Gefährten,
ertrunken.
Ich bin vereinsamt und von aller Welt
geschieden, dazu verurteilt, ein
elendes Dasein zu führen.
Jedoch bin ich auch erlesen aus der ganzen
Schiffsmannschaft, vom Tode verschont zu bleiben, und der,
welcher mir das Leben wunderbar erhalten hat, kann mich
auch aus dieser elenden Lage wieder erlösen.
Ich bin von der Menschheit getrennt,
ein Einsiedler, verbannt vom
Menschengeschlechte.
Trotzdem bin ich auf diesem öden Orte nicht Hungers
gestorben.
Ich habe keine Kleider, um meine
Blöße zu bedecken.
Aber ich befinde mich in einem heißen Klima, wo ich
Kleider, hätte ich sie, schwerlich tragen könnte.
Ich bin ohne Verteidigungsmittel
gegen irgend einen gewaltsamen
Angriff von Menschen oder Tieren.
Allein ich bin an eine Insel verschlagen, wo ich keine wilden
Tiere zu sehen bekomme, wie ich sie an der afrikanischen
Küste sah. Was wäre aus mir geworden, hätte ich dort
Schiffbruch gelitten?
Problemstellung Wie fühle ich mich allein gelassen als einzelner Mensch?
Aufgabe: Wie sieht meine Lebensbilanz zur Zeit aus? Was ist gut? Was ist schlecht an meiner
Situation?
4. Ergänzung der Lebensbilanz (31):
9
7. Die Frage nach Ursprung, Zukunft und Sinn.
Die im folgenden aufgeführten Seitenzahlen beziehen ich auf die Übersetzung von K. Altmüller, die im Internet
heruntergeladen werden kann: http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=404&kapitel=1#gb_found
6
Ich habe keine [Menschen-] Seele,
um mit ihr zu reden, oder mich von
ihr trösten zu lassen.
Aber Gott schickte durch wunderbare Fügung das Schiff so
nahe ans Land, dass ich so viele Dinge daraus holen konnte,
die zur Befriedigung meiner Notdurft selbst dienen oder mir
die Mittel zur Befriedigung derselben an die Hand geben
werden, so lange ich lebe.
Problemstellung: Woher bekomme ich meine Zuversicht?
Aufgabe: Welche Bedeutung hat der Gedanke an Gott für Robinsons Bilanz? Könnte man sein
Schicksal auch anders sehen? Wie zum Beispiel? Was hältst du von Robinsons Glaube an Gott?
Auch den Fragenkreis 2 des Kernlehrplans Praktische Philosophie/NRW, in dem des um die Frage nach dem
Anderen geht, könnte man in Anknüpfung an die Erzählungen von Robinson und seinem Gefährten Freitag
behandeln. Unterschiede im Verhältnis von Herr und Diener, Schüler und Lehrer und dem unter Freunden
könnten hier genauer beleuchtet werden (115ff).
Schließlich könnten auch Fragen des Fragenkreises 7, die Fragen nach Ursprung, Zukunft und Sinn, im
Anschluss an Texte aus Robinson Crusoe behandelt werden. Der Versuch Robinsons, Freitag „in der
Erkenntnis des wahrhaftigen Gottes zu unterweisen“, nimmt in dem Buch einen breiten Raum ein. Allerdings
überfordern die dort gestellten Fragen, wie z.B. »Aber, wenn Gott ist so viel mächtiger als der Teufel, warum
nicht todt ihn macht er, so daß er nicht kann schaden mehr?«(122), nicht nur den selbsternannten Missionar
(„Diese Frage verdutzte mich ungemein.“), sondern wahrscheinlich auch das Verständnis der Schüler in der
5. und 6. Klasse. Im Kernlehrplan sind sie deshalb den 9. und 10 Klassen vorbehalten. In der 5. und 6. Klasse
empfiehlt der Kernlehrplan, sich im Fragenkreis 7 auf die Themen „Vom Anfang der Welt“ und „Leben und
Feste in unterschiedlichen Religionen“ zu konzentrieren.
In zwei ausführlichen Unterrichtsreihen bin ich dem nachgekommen. Aus den dabei gemachten Erfahrungen
sind zwei Kapitel des Unterrichtswerks „Weiterdenken“ Bd. A entstanden, dass 2009 im Schroedelverlag
erschienen ist. Das Unterrichtswerk liegt nun abgeschlossen für die Sek. I in zwei Bänden plus
Lehrerhandbüchern vor. Band A für die Klassen 5 bis 7, Band B für die Klassen 8 bis 10. Der Band C für die
Sek. II wird Anfang 2012 erscheinen. Alle haben zwei besondere Merkmale. Einmal haben wir uns bemüht,
möglichst viele Textausschnitte aus einem zu dem jeweiligen Fragekreis passenden Jugendbuch in das
entsprechende Kapitel aufzunehmen und diese als Hinführung für die jeweiligen Lernprozesse zu nutzen.
Zum anderen sind die einzelnen Unterthemen konsequent nach dem Bonbonmodell aufgebaut. Die Aufgaben
und Materialien sind den Phasen dieses Lernprozessmodells zugewiesen. Die Zuordnung wird in den
zugehörigen Lehrerhandbüchern durch folgende Icons markiert:
a) Hinführungsphase

b) Problemstellungsphase
?
c) intuitive Problemlösungsphase

d) kontrollierte Problemlösungsphase 
e) Festigungsphase

f) Transferphase

Im folgenden werde ich die beiden Unterrichtsreihen zum Universum und den Festen der Religionen
vorstellen, aus denen die Kapitel 7 und 8 in Band A hervorgegangen sind, und dabei exemplarisch auf die
Möglichkeiten der Arbeit mit dem Bonbonmodell eingehen und die in den Lehrerhandbüchern benutzten
Icons verwenden.
4. Vom Universum und vom Staunen über das Leben
Eine Unterrichtsreihe, die sich nach den Vorgaben des Kernlehrplans nur mit dem Universum beschäftigt,
steht in der Gefahr, sich in der Vermittlung naturwissenschaftlichen, speziell astronomischen Wissens zu
erschöpfen. Ich habe deshalb einen zweiten Schwerpunkt hinzugenommen und die Reihe „Vom Universum
und vom Staunen über das Leben“ genannt. Als Hinführung zur Beschäftigung mit diesem zweiten
Schwerpunkt erwiesen sich Textausschnitte aus Jostein Gaarders Buch von 1996, „Hallo,ist da jemand?“ als
besonders geeignet. In dem Buch erzählt ein norwegischer Astronom von einer traumhaften Begegnung in
seiner Kindheit mit einem Jungen von einem fernen Planeten. Dabei tauschen die beiden Jungen in
kindgemäßer, aber informativer und anregender Weise ihr Wissen über die Entstehung des Lebens und den
Aufbau des Weltalls aus. Ergänzend habe ich als roten Faden einen lange vergriffenen Jugendroman
hinzugezogen, den ich selbst als Zehnjähriger immer wieder gelesen habe und der, wie ich feststellen konnte,
7
auch die heutigen Schüler noch fesseln kann, „Auf unbekanntem Stern“ von A. Kolnberger. Das Buch
erzählt eine abenteuerliche Science- Fiction- Geschichte von der gescheiterten Landung eines Raumschiffs
auf einem unbekannten Planeten in einem früheren Stadium der Entwicklung. Wie Robinson ist Peter Bergen
der einzige Überlebende in einer fremden Welt mit unheimlichen Lebewesen. Er erlebt die Verlorenheit im
Weltall, trifft auf Urzeittiere und schließlich auch auf menschenähnliche Wesen, durch die er mit der Frage
nach seiner Bestimmung konfrontiert wird.
Menschen von zwei Sternen
Vor ihm stand der Mensch. War es ein Mensch? Ein Wesen stand ihm gegenüber, so bizarr und seltsam, dass
er nicht wusste, sollte er den Anblick grässlich oder schön
empfinden. Ein Lebewesen, das aufrecht stand und an dessen
Armen und Beinen sich grünliche, fischflossenartige
Hautlappen vibrierend bewegten. [...]Das war also ein
Mensch dieses Planeten; dieses echsenhaft gebildete und
doch wieder so schön anzusehende Wesen. [...] Bergen trat
auf es zu, die beiden Hände vorgestreckt: „Ich komme von
der Erde“, sprachen seine Lippen, aber vor Erregung kam
nur ein verschlucktes, hilfloses Krächzen aus seinem Mund.
Seine Stimme oder die Bewegung seiner Hände musste das
Menschenwesen erschreckt haben. Die Hautlappen spannten
sich plötzlich, es warf die Arme hoch, und wie ein grotesker
Vogel schnellte es sich in die Luft. Mit großen fliegenden
Sprüngen hetzte es davon. [...]
In dieser Nacht schlief Peter Bergen nicht, so ungestüm war
alles in ihm aufgewühlt. Immer und immer wieder ließ er die
einzelnen Phasen des Geschehens dieser Minuten an seinem
Geist vorüberziehen, sah diesen Menschen vor sich mit
seinem Schuppenleib und den vibrierenden Flugflossen. Wie geschmeidig dieser Körper war, dieses glatte,
faltenlose Gesicht: Das war eine Menschenfrau gewesen!
[...] Ob dieses Mädchen ihn für ein Tier, einen anderen Menschen oder einen Gott gehalten hatte: Diese
Menschen würden wissen wollen, wer dieses Wesen war, das einem von ihnen im großen Wald begegnete.
[...]
Peter Bergen brauchte nicht lange zu warten. Er sah, als er am nächsten Tage wieder am Rande des Waldes
stand und in das Tal hinabschaute, dort etwas Unbestimmtes sich bewegen. Später unterschied er zehn bis
zwölf dunkle Punkte, die sich der Höhe näherten. Er beobachtete die eigenartige Weise ihrer Fortbewegung.
Sie schienen weder richtig zu laufen, noch eigentlich zu fliegen, sondern machten große Sprünge, wobei ihre
Flughäute gespannt waren. [...] Sie schienen ihn gesehen zu haben, denn sie blieben stehen. Er erkannte das
Mädchen unter ihnen. Die anderen waren vermutlich Männer, denn sie waren größer und kräftiger gebaut
und hielten in den Händen verschiedene Dinge, große Steine, Keulen, bogenartige Hölzer und Speere.
[...] Sie redeten nicht, sie bewegten sich nicht. Welch großer Augenblick! Keine Furcht, keine Unsicherheit
hemmte Bergens Denken, und er empfand [...] die Einmaligkeit und Größe dieser Stunde.
Sie standen sich noch immer gegenüber, die Menschen von zwei Sternen, und sahen sich unverwandt,
unbeweglich an. Warum kamen sie nicht näher? Sollte er sie anrufen, sie auffordern herzukommen? Nein,
das war sinnlos. Wie sollten sie begreifen, was er sagte, und was hätte er sprechen sollen? Vielleicht: „Hallo,
boys“, oder sollte er vielleicht „Grüß Gott“ sagen oder „Guten Tag“. [...] Und von einem glücklichen
Instinkt getrieben hob er den Arm und riss einen Zweig von dem Baum, unter dem er stand. Dann ging er
ruhig und ohne Hast den halben Weg auf die anderen zu und legte mit deutlich sichtbarer Geste diesen auf
den Boden. „Komm“, wollte er sagen, „komm mir auf halbem Wege entgegen, du Mensch, wenn du eine
Seele hast wie ich, die dich und mich über die Tiere erhebt und uns zu Brüdern macht. So anders auch die
Hülle ist, in der diese lebt, lass uns die Hände reichen.“ Und der Mensch des fremden Sternes verstand
diesen Akt der Freundschaft.
An eigenartigen Lauten, die die Männer von sich gaben, erkannte er, dass sie miteinander sprachen. Jetzt
gingen sie auf die Stelle zu, wo der Zweig lag und legten – ein Glücksgefühl stieg in ihm auf, als er es sah –
ihre Waffen vor ihm zu Boden. [A. Kolnberger: Auf unbekanntem Stern, 104--108]
Die spannend erzählte Begegnung Peter Bergens mit den Flügelmenschen machte den Schülern deutlich,
wie schwierig die Verständigung mit Lebewesen sein kann, die immerhin noch menschenähnlich sind.
8
? Aus den vorangegangenen Lerneinheiten wussten die Schüler, dass es innerhalb unseres Sonnensystems
keine bewohnbaren Planten gibt, dass ein Raumschiff bis zur nächsten Sonne Alpha Centauri mehr als
40000 Jahre brauchen würde und dass es also nie zu solch einer Face-to-Face Begegnung kommen wird.
Wohl aber ist es möglich, eine Botschaft mit einer unbemannten Rakete ins All zu schicken, die in fernen
Zeiten von völlig unbekannten intelligenten Lebewesen empfangen und entziffert werden könnte. Daraus
ergab sich die Aufgabe: Wie müsste eine solche Botschaft aussehen, in der die Menschen sich anderen
Lebewesen im All vorstellen, die sich in einer unbekannten, vielleicht völlig anders geartete Sprache
verständigen?
 In der selbstgesteuert intuitiven Problemlösung haben die Schüler phantasievolle schriftliche oder
bildliche Botschaften entworfen und dabei überlegt, was den Menschen in besonderer Weise auszeichnet.
Viele haben einen Menschen gezeichnet oder einfache Zahlenverhältnisse aufgeschrieben. Wenn sie die
Größe des Menschen im Verhältnis zu Tieren oder Häusern dargestellt haben, haben andere sie daran
erinnert, dass den anderen Lebewesen diese sicher auch unbekannt sind. Einige wussten, dass es in
verschiedenen Kulturen unterschiedliche Arten gibt, Zahlen darzustellen, z.b. die römischen Ziffern.
Als sie hörten, dass die Astronomen Sagan und Drake 1972 tatsächlich eine solche Botschaft ins All
gesandt haben, waren sie gespannt, wie diese das Problem gelöst haben. Sie erhielten in der kontrollierten
Problemlösung folgende Materialien:
Grüße ins All
Die kosmischen Grußbotschaften auf den 1972 gestarteten Jupiter-Sonden Pioneer 10 und 11 [...] werden
mit Sicherheit nicht in den nächsten 44 000 Jahren gelesen werden – so lange dauert es nämlich, bis die
Raumroboter den nächsten Fixstern passieren.
Das menschliche Paar [...] steht vor der Raumsonde Pioneer 10, um so die Körpergröße des Menschen
darzustellen. Links von ihnen befindet sich die „Pulsarkarte“, die sich Frank Drake ausdachte, um den
Bestimmungsort unseres Sonnensystems anhand der Entfernungen zu 14 verschiedenen Pulsaren [Sterne mit
starker pulsierender Strahlung] zu identifizieren.
Die [...] Länge der jeweiligen Linien steht für ihre Entfernung von dem zentralen Punkt, der Sonne. [...] Auf
dem unteren Rand der Karte fügte Carl Sagan die Sonne und die Planeten hinzu, deren Durchmesser in dem
Vielfachen
von
Wasserstoffwellenlängen
angegeben wurden. Auf der Flugbahn, die vom
dritten Planeten ausgeht, befindet sich die
schematische Darstellung von Pioneer 10. Man
sieht, wie sich die Raumsonde zwischen dem
größten und dem geringelten Planeten
emporhebt.
Mit Hilfe des Textes „Grüße ins All“ konnten die
Schüler die Nachrichtenplatte entschlüsseln.
Besonders interessierte Schüler konnten eine
ausführlichere Erklärung im Internet unter
http://www.science-at-home.de/platte.php
finden.
 Der Vergleich der Nachrichtenplatte der beiden
Astronomen mit den eigenen Entwürfen diente der Festigung.
In der Transferphase diskutierten die Schüler darüber, wieweit eine solche Botschaft überhaupt sinnvoll
ist. Einige, die Filme wie „Independence Day“ (Roland Emmerich, 1996) gesehen hatten oder von
unheimlichen Invasionen von Aliens gehört hatten, brachten dementsprechende Bedenken ein, die von
anderen als unrealistisch bestritten wurden. Um den distanziert reflektierenden Blick „from nowhere“ (Th.
Nagel) auf unsere Lebenswelt zu vertiefen, lautete die Hausaufgabe folgender Maßen:
Stell dir vor, dass heute Nacht ein Raumschiff von einem anderen Planeten in der Nähe deiner Schule
gelandet sei. Die Aliens können sich unsichtbar machen und schwärmen aus, unsere Erde zu erkunden. Einer
von ihnen sitzt unsichtbar in deiner Klasse. Schreibe auf, welchen Bericht er möglicherweise an seine
Zentrale senden könnte.
5. Schöpfungserzählungen und Feiertage der Religionen
Der zweite Schwerpunkt, unter dem der Fragenkreis 7 (Die Frage nach Ursprung, Zukunft und Sinn.)
nach dem Kernlehrplan NRW in Klasse 5 und 6 behandelt werden soll, heißt „Leben und Feste in
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unterschiedlichen Religionen“. Eine problemorientierte Unterrichtsreihe über die Feste unterschiedlicher
Religionen zu entwerfen, ist jedoch nicht einfach. Einerseits kann es nicht damit getan sein, möglichst viele
hintereinander zu reihen, die die Schüler dann mit oberflächlich folkloristischem Interesse unter dem
Gesichtspunkt „Fremde Länder- fremde Sitten“ als Kuriositäten wahrnehmen. Andererseits kann man schon
auf Grund der Pluralität der Religionen und dem in den Richtlinien vorgeschriebenen Überwältigungsverbot
nicht dem Absolutheitsanspruch der jeweiligen Religionen folgen. Die Beschäftigung mit unterschiedlichen
Religionen im Philosophie- und Ethikunterricht muss vielmehr zum Ziel haben, Respekt und Toleranz
gegenüber fremden Traditionen zu fördern. Dazu ist es sinnvoll, einerseits das Gemeinsame und Verbindende
zwischen den Religionen herauszustellen, aber andererseits auch ein Verständnis der Besonderheiten aus
einem Wissen über die Ursprünge zu entwickeln. Um dem gerecht zu werden, habe ich mich bei der
Behandlung der drei großen abrahamitischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam, auf die
Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Sabbat, Sonntag und Freitagsgebet und deren Zusammenhang mit
den Schöpfungsvorstellungen konzentriert.
Mit den von mir im achten Kapitel von „Weiterdenken“, Bd. A, zusammengestellten Materialien und
Aufgaben können die Schüler lernen,
1. wie der Sabbat in der babylonischen Gefangenschaft der Juden entstanden ist und als Ersatz für den
verlorenen gegangenen Tempel zum Zentrum ihres Glaubens wurde
2. dass dies in bewusster Absetzung gegen die babylonische Gestirnsreligion geschah
3. dass diese in der Verehrung des Himmelsgottes Marduk, der die Welt aus dem getöteten Drachen
Tiamat erschuf und allen andern Göttern ihren Platz am Himmel gab, die unumschränkte Herrschaft
Nebukadnezars als Stellvertreter Marduks legitimierte
4. dass der in dieser Zeit entstandene erste Schöpfungsbericht der Bibel die sieben Tage nicht etwa wie
im Kreationismus als wörtliche Zeitangabe verstand, sondern als Hymnus auf den Sabbat als Krone
der Schöpfung
5. dass im Christentum dieses Verständnis übernommen wurde, aber nun nicht der letzte, sondern der
erste Tag der Woche als Tag der Auferstehung Christi gefeiert wurde
6. dass auch Mohammed die Rede von den sechs Tagen der Schöpfung übernommen hat, aber, weil
nach seinem Glauben Gottes Schöpfungskraft nie ermüdet, nicht der siebte, sondern der Abend des
sechsten Tages durch besondere Gebete gefeiert wird.
7. Da besonders die Behandlung islamischer Traditionen in einer Klasse mit überwiegend muslimischer
Schülerschaft auf großes Interesse stößt, aber auch hoch emotionalisiert ist, hat es sich als sinnvoll
erwiesen, eine kurze Reihe über hinduistische Opferfeste vorzuschalten, um erst einmal aus der
Distanz über Religion reden zu können.
Ein Jugendbuch zu finden, das in angemessener Weise zur Hinführung in alle vier Religionen dienen könnte,
erwies sich als unmöglich. Der anspruchsvolle Aufbau der Reihe verlangte jedoch, einen altersgemäßen,
unverfänglichen Anfang zu finden, bei dem möglichst alle Schüler sich angesprochen fühlen und mitreden
können. Da die babylonische Gestirnsreligion als Ursprung der Astrologie gilt, bot sich ein Buch an, in dem
es um Mädchenfreundschaften, erste Klassenparties, Verliebtheiten und vor allem um immer neue
Diskussionen geht, wieweit man sich von den Sternzeichen leiten lassen soll: „Astro – Girls“ von Anita van
Saan. Es hat zwar erst einmal nichts mit Schöpfungserzählungen und den Feiertagen der Religionen zu tun,
kann aber zur Hinführung in die gesamte Reihe dienen. Es thematisiert auf eine altergemäße Weise die
Frage, welchen Einfluss die Sterne auf unser Leben haben und wieweit dieses von kosmischen Mächten
gelenkt wird. Die Schüler können im Anschluss daran lernen, dass die sieben symbolischen Tage der ersten
biblischen Schöpfungserzählung in direkter Auseinandersetzung mit diesem Sternglauben entstanden sind.
Zum Abschluss also hier die in das Religionskapitel einführende erste Unterrichtseinheit mit den Icons für
die Unterrichtsphasen aus dem Lehrerhandbuch.
Nora und Lily sprechen über ihre Klassenkameradin Lenna.
„Außerdem steht ja bekanntlich in jeder
Interesse an Horoskopen
„Vor allem Lenna mit ihrer Astrologie. Wie ist das
Zeitschrift ein anderes Horoskop. Findest du
mit dir? Richtest du dein Leben auch nach dem
nicht? Weißt du überhaupt, woher das Wort
Tageshoroskop aus?“
Horoskop kommt?“
„Vielleicht sollte ich das.“ Lily fuhr sich mit der
Lily schüttelte den Kopf.
Bürste durch ihre Haare und zwang sich zu einem
„Vom griechischen horoskopion, übersetzt heißt es
Lächeln. „Vielleicht hätte ich dann bessere
Stundenschauer. Das war ein Werkzeug, mit dem
Noten.“
man die Stellung der Planeten bei der Geburt
„Das wage ich zu bezweifeln“, lachte Nora.
bestimmt hat, und aus der Planetenkonstellation
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hat man dann das Schicksal gedeutet.“
das herauslesen, was man will. Und deshalb
„Echt?“
kannst du das Ganze auch nicht ernst nehmen.“
„Ja. Und ich versteh nicht, wie man auch heute
„Die Horoskope in den Zeitschriften vielleicht, ja,
noch an diesen Quark glauben kann. Also ich lese
die sind auch viel zu allgemein. Lenna hat mir
das Horoskop höchstens mal zur Unterhaltung.
gesagt, dass jeder sowieso ein ganz persönliches
Und du? Nimmst du die Astrologie wirklich
Horoskop brauchte. So eines, bei dem Geburtsort
ernst?“
und Geburtszeit und so berücksichtigt sind.“
„Na ja, manchmal steht im Horoskop schon was
„Trotzdem“, sagte Nora und tippte sich an die
drin, was passt ...“
Stirn, „wie sollen die Planeten denn mein Leben
„Also, ich bin Sternzeichen Jungfrau. Einmal
beeinflussen? Denk doch mal nach! [...]“
habe ich versehentlich im Horoskop beim
„Versteh mich nicht falsch, ich mag [Lenna]. Aber
Skorpion gelesen und habe das nicht gleich
zurzeit kommt sie mir einfach ein bisschen gaga
gemerkt. Passt ja echt toll, fand ich. Dann habe
vor.“
ich den Fehler bemerkt und bei Jungfrau
„Sie will Ben und Flo miteinander verkuppeln,
nachgeschaut. Das hat auch auf mich gepasst,
weil die beiden vom Tierkreiszeichen her so gut
obwohl da was ganz anderes stand. Man kann das
harmonieren. Hast du das gewusst?“[45--47]
alles irgendwie so interpretieren und im Grunde
? 1 Nora, Lily und Lenna haben unterschiedliche Meinungen zu Horoskopen. Wie unterscheiden
sie sich?
2 Liest du Horoskope? Glaubst du an den Einfluss der Sternzeichen?
Alles Zufall oder Schicksal? – ein Test
Schicksal und Horoskope – glaubst du daran?
Oder hältst du das alles für Hokuspokus? Mach
den Test und finde heraus, wie deine Einstellung
deine Beziehung zu Jungs oder Mädchen
beeinflusst. Lies die Fragen durch und kreuze
jeweils die Antwort an, für die du dich
entscheidest.
1. Du denkst an deine(n) beste(n) Freund(in). Im
selben Moment klingelt das Telefon. Sie ist dran ...
(MA) Witzig, dass wir gleichzeitig aneinander
denken.
(MY) Das passiert uns öfter. Wir haben einfach
einen magischen Draht zueinander.
(MO) Reiner Zufall. Das hat nichts mit
übersinnlichen Fähigkeiten zu tun.
2. Hast du deinen Glücksbringer immer dabei?
(MY) Klar! Ohne meinen Talisman gehe ich nie
aus dem Haus. Und er hat mir auch schon oft
Glück gebracht.
(MA) Zu wichtigen Dates oder Klassenarbeiten
nehme ich meinen Glücksbringer schon mit.
Schaden kann er ja nicht.
(MO) Eigentlich habe ich gar keinen Talisman.
Ich trage die Kette mit meinem Glücksstein, weil
sie mir gefällt.
3. Liest du dein Horoskop?
(MA) Ja, oft. Ich glaube aber nur daran, wenn
was Gutes drinsteht.
(MO) Ab und zu. Aber hinterher ärgere ich mich
meistens darüber, weil es fast nie stimmt.
(MY) Immer! Schließlich möchte ich wissen, wie
meine Sterne stehen.
4. Zu euch nach Hause kommt der Schornsteinfeger. Als er geht, schüttelt er dir die Hand.
(MY) Super, das bringt Glück! Die Hand wasche
ich heute nicht mehr.
(MO) Na toll. Ich bin sowieso schon spät dran.
Jetzt muss ich mir auch noch mal die Hände
waschen.
(MA) Ob das wirklich Glück bringt? Mal schauen,
wie der Tag heute läuft.
5. In letzter Zeit scheinst du vom Pech verfolgt.
Was unternimmst du dagegen?
(MA) Ich bleibe entspannt. Manchmal läuft es
eben besser, manchmal schlechter.
(MY) Zeit für einen neuen Talisman! Mein alter
scheint ausgedient zu haben.
(MO) Ich versuche, positiv zu denken. Die nächste
Glückssträhne kommt bestimmt.
Schreibe in dein Heft die Zahlen 1--5
untereinander und daneben die Buchstaben vor
der Antwort, die am meisten auf dich zutrifft. Die
Buchstaben, für die du dich am häufigsten
entschieden hast, stehen für deinen Typ:
(MY) Mystic Girl/ boy
Ob es Magie und das Übersinnliche gibt? Aber
klar! Du glaubst an Schicksal und Horoskope [...].
Überlass nicht alles der Vorsehung. Letztendlich
hängt dein Glück nicht von übernatürlichen
Kräften, sondern von dir ab!(....).
(MA) Magic girl /boy
Mit Horoskopen und Co. gehst du spielerisch um.
Ein bisschen glaubst du schon an Magie und
Schicksal, auch wenn du es vielleicht nicht so
nennst. Du weißt genau, wann du mit deinem Kopf
und wann du mit deinem Gefühl entscheiden
sollst. (….)
(MO) Modern girl/boy
Mit Magie hast du nicht viel am Hut. Okay, ab
und zu liest auch du dein Horoskop – du würdest
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dich aber nie davon beeinflussen lassen. Du bist
jemand, der mit beiden Beinen auf der Erde steht
und sein Schicksal selbst in die Hand nimmt. (.....)
3. Im Lauf des Jahres steht die
Sonne von der Erde aus gesehen
vor
zwölf
verschiedenen
Sternzeichen.
In
welchem
Sternzeichen ist jemand bei der
Konstellation [der Stellung der
Sterne zueinander] auf dem
nebenstehenden Bild geboren?
4 Wie beurteilen die Psychologen
Eysenk und Nias im folgenden Text
die
Glaubwürdigkeit
der
Astrologie? Schreibe die wichtigste
Aussage ins Heft.
 5. Was hat sich ihrer Ansicht nach
heute gegenüber den alten
Zeiten geändert?
(Quelle: Zeitschrift GZSZ nach: Anita van Saan.
Astro Girls, München: arsEdition 2006, 50ff)
Über die Glaubwürdigkeit der Astrologie.
Wer an die Astrologie glauben möchte, sollte sich vor Augen halten, dass es für ihre Lehren keine
wissenschaftliche Grundlage gibt. In alten Zeiten glaubten die Menschen an die Vorhersagen und Ratschläge
[...], weil die Astrologie ein selbstverständlicher Bestandteil ihres magischen Weltverständnisses war.
Himmelskörper galten als Wohnsitz oder Zeichen der Götter, die in direkter Beziehung zu Ereignissen auf der
Erde standen. Von den riesigen Entfernungen zwischen der Erde und den Planeten und Fixsternen hatte man
keinerlei Vorstellung. Jetzt, da man diese Entfernungen berechnen kann und auch berechnet hat, können wir
erkennen, wie unendlich klein die Gravitations [Schwerkraft-]- und anderen Kräfte sind, die von den fernen
Planeten und den unabsehbar weiter entfernten Fixsternen ausgehen. Es ist einfach ein Irrtum sich
vorzustellen, dass die im Augenblick der Geburt von Sternen und Planeten ausgeübten Kräfte in irgendeiner
Weise unsere Zukunft formen könnten. Auch ist es nicht richtig, dass die Positionen entfernter Himmelskörper gewisse Tage oder Zeitabschnitte für ein bestimmtes Handeln geeigneter machen oder dass das
Sternzeichen, unter dem jemand geboren wurde, darüber entscheidet, wie sehr oder wie wenig er mit anderen
Menschen zusammenpasst. [...] In unsicheren Zeitläufen sehnen sich viele nach der Bequemlichkeit, sich bei
ihren Entscheidungen leiten und lenken zu lassen. Sie glauben nur zu gern an ein Schicksal, das von Kräften
außerhalb ihrer eigenen Kontrolle vorherbestimmt ist. Wir müssen jedoch alle [...] erkennen, dass unsere
Zukunft bei uns selber liegt und nicht in den Sternen.(Hans Jürgen Eysenck/David Nias, 1984)
6. Sucht aus verschiedenen Zeitschriften Horoskope zu einem bestimmten Sternzeichen.
Untersucht, wieweit sie übereinstimmen.
Besonders der Test „Alles Zufall oder Schicksal?“ in der intuitiven Phase hat den Schülern gefallen. Sie
waren mit Begeisterung dabei und haben weitere mögliche Testfragen zu Aberglauben und Magie
vorgeschlagen. Am Schluss der Unterrichtsreihen wurden die im Lehrerhandbuch abgedruckten MultipleChoice- Tests zu den zehn wichtigsten Begriffen des jeweiligen Kapitels durchgeführt. Die Ergebnisse
zeigten, dass die meisten Schüler, vor allem die Mädchen, die angestrebten Wissensstandards erreicht
hatten. Allerdings hatten auch einige Jungen demnach vieles nicht mitbekommen. Meine beiden
Schlitzohren Eren und Onur gehörten natürlich auch dazu.
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