06.12.2004 Erste Hilfe und Akutversorgung von Verletzten Prof. Fialka Erstversorgung von akuten Sportverletzungen Bei äquivalenter Krafteinwirkung idente Verletzungsfolgen wie im Straßenverkehr! Def.: Verletzungsschwere vom Ausmaß der äußeren Gewalteinwirkung abhängig. Aber: jede Sportart hat klassische Verletzungsmuster! Für eine adäquate sportmedizinische Betreuung nötig: Kenntnis über sportartspezifische Verletzungsmuster Vorbereitung auf nötige Diagnostik und Therapie Schaffung einer na die Veranstaltung angepasste Logistik (cave: Großveranstaltungen!) Möglichkeiten für den Sportarzt: Akute Diagnostik: an der Sportstädte nur klinische Untersuchung möglich, in der erweiterten Frühphase (KH, Ordination,..)auch angepasste Diagnostik Akute Therapie: abhängig von der Ausrüstung und der Logistik. v.a. akute Schmerztherapie Eine der schwierigsten Entscheidungen: Spielfähigkeit nach Verletzung; Druck durch Verein, Sportler, Zuseher, Sponsoren,... Sportarzt ist Gesundheitsadvokat des Sportlers! Typische Verletzungsmuster: Schädel: Motorsport, Alpinsport, Fußball, Handball, Kampfsport, Reiten(5% der Verletzungen, aber 50% der tödlichen Verletzungen!),.. Wirbelsäule: Motorsport, Alpinsport, Reiten,.. Stamm: (selten!) Motorsport, Alpinsport,... Obere Extremität: Tennis, Golf, Basketball, Handball, Volleyball,... Untere Extremitäten: Fußball, Alpinski, Basketball, Hallensport, Leichtathletik,... 1 06.12.2004 Erste Hilfe und Akutversorgung von Verletzten Prof. Fialka Schädel – Hirn – Trauma: Motorsport, Alpinsport, Fußball, Handball, Kampsportarten, Reiten,... NICHTS TRINKEN! Verletzungen: Gehirnschädel, Gesichtsschädel, Kombinationsverletzungen Im Regelfall entsprechende Traumanamnese (Hochrasanttrauma, Zusammenstöße mit Gegner,...) Äußere Verletzungszeichen: je nach Gewalteinwirkung Klinisch: Lokaler DS (Druckschmerz), Schwellung, (v.a. Nasenbein, Jochbogen) Neurologischer Status: Erinnerungslücke, Bewusstlosigkeit, Orientiertheit Hohe Anzahl an Gesichtsschädelverletzungen in bestimmten Sportarten, wie z.B.: Fußball (54%), Inline Skating (15%), Reiten (9%) Helmpflicht im Eishockey hat zu einer Reduktion der Gesichtsverletzungen geführt. Aber: Zunahme der schweren HWS (Halswirbelsäule) Läsionen (Schmerzen im Nacken, v.a. bei Flexion oder Extension) Falsches Sicherheitsgefühl erhöht die Risikobereitschaft! Klinisch: Lokaler DS im Nacken (v.a. bei Flexion oder Extension) Neurologischer Status: aktive Beweglichkeit der Extremitäten Offenes SHT: Klinisch: Lokalstatus klar Therapie: steriler Wundverband Intrakranielle Raumforderung: Blutung (oder Ödem) Verlagerung von Hirnanteilen Hirndrucksteigerung Bei weiterer Hirndrucksteigerung: Verlagerung von Mittelhirnanteilen in Richtung Schädelbasis 2 06.12.2004 Erste Hilfe und Akutversorgung von Verletzten Prof. Fialka Therapeutische Ziele: Ad Perfusionsverminderung: Sicherung Ad venöse Abstrombehinderung: Korrekte Lagerung des Patienten (keine Seitverdrehung des Kopfes, eventuell harte Schanzkrawatte, Oberkörper 20° - 30° Hochlagern, wenn RR (Blutdruck) es erlaubt) Memo: SHT – Therapie präklinisch: Sicherung der Oxygenisierung Volumentherapie Lagerung Wirbelsäulenverletzungen: Motorsport, Alpinsport, Reiten, Radsport,... v.a. HWS, selten: LWS (Lendenwirbelsäule) und BWS (Brustwirbelsäule) „mit kompletter Neurologie“ „mit inkompletter Neurologie“ „progrediente Neurologie“ „ohne Neurologie“ cave: Momentaufnahme Mountainbike – BMX Große Diskrepanz zwischen Wettkampfsport und Amateure. Geringes Risikobewusstsein Häufig Gesichtsschädel mit HWS kombiniert Bergung und Lagerung sekundärer Schäden: Überdistraktion bei (oberer) HWS Läsionen: Zuggewicht >2kg bei hohem Instabilitätsgrad führt zu messbarer Zunahme von neurologischen Ausfällen. [Jaenneret 1991] 3 06.12.2004 Erste Hilfe und Akutversorgung von Verletzten Prof. Fialka Goldstandard in der Notfallsversorgung Konsens: rascher, schonender Transport (Vakuum, Schanzkrawatte, cave: Distraktion!) Bergung: Vakuum, händisch, Schaufeltrage Abdominaltrauma Stumpfes Beckentrauma: Sturz aus großer Höhe (Alpinsport, Paragleiten), Motorsport, Kompression (Gegnerkollision) Penetriertes Bauchtrauma: Pfählungsverletzung (Rarität!) Schweres Thorax- und Abdominaltrauma Pectoralissehnenruptur Kraftsport Therapie: Initial Kryo (Eistherapie), NSAR, sek.: Heparinsalbe (OP?) Obere Extremität Tennis, Golf, Basketball, Handball, Volleyball,.. Clavicularfraktur, Schulterluxation, AC Gelenksläsionen Handgelenksverletzungen: Frakturen, Diskusverletzung,..) Schultergelenk: Frakturen: Hochrasant (Alpinsport, Radsport, Reiten,..) v.a. Clavicula, selten Humerus, Radius Luxationen: Schultergelenk (Alpinsport, Kontaktsport,...), AC Gelenk (Radsport, Inlineskating,..) Posttraumatische Instabilitäten, Posttraumatische Rotationsmanschettenläsionen (partiell, selten total) Verletzungsmechanismus: Begleitverletzungen: Abscherverletzungen des knorpeligen Pfannenrandes („Limbus“) Impressionsbruch am Oberarmkopf („Hill-Sachs-Delle“) Abriss von Muskelansätzen („Tub-Maius Abriss“) 4 06.12.2004 Erste Hilfe und Akutversorgung von Verletzten Akuttherapie: Mitella (Dreieckstuch) Kein Repositionsversuch ohne Röntgen! Ausnahme: chronisch rezidive Luxation AC Gelenksluxation Tossy I – II: Klinisch schwer zu diagnostizieren Gehaltene Aufnahmen, lokaler DS, MAA Test Tossy III: klinisch eindeutig Verletzungsursache: direkter Sturz Klinisch: Lokalstatus: Claviculahochstand Therapie: Kryo, NSAR, ev. Tornisterverband weitere Abklärung Ellbogenfraktur und Luxationen Direktes Trauma oder Krafteinwirkung über langen Hebel Fingerverletzungen Meist Kapselbandverletzungen Untere Extremität Fußball, Alpinski, Hallensport, Leichtathletik,... Muskelzerrungen / -rupturen Knie(band)verletzungen (ACL, PCL, MCL, Meniskus) Sprunggelenksluxationen Frakturen nur bei entsprechend hoher Gewalteinwirkung Frakturen und Luxationen Reposition – steriler Verband Vermeidung sekundärer Weichteilschäden Ziehen in Längsachse, Schienung aller benachbarten Gelenke 5 Prof. Fialka 06.12.2004 Erste Hilfe und Akutversorgung von Verletzten Prof. Fialka Klinische Diagnostik bei Knieverletzungen Klinische Untersuchung Anamnese Allgemeine – Sportspezifische – Inspektion Asymmetrie Muskelatrophie Palpation Intramuskulärer Erguss Beweglichkeit ROM Aktive (cave: Schmerzhemmung) – Passive – Bandstabilität Seitenbänder (Valgus- / Varusstrest) Kreuzbänder (Schubladen test, Lachmann) Bandstabilität Seitenbänder Prüfung in ca. 10°-15° Beugestellung (objektiver Befund) In Steckstellung falsch negativer Befund (v.a. dorsome der Kapslen) bei Instabilität in Steckstellung Ruptur der dorsalen Kapseln Befund: „neg. oder + - +++ positiv aufklappbar“ Kreuzbänder Schubladentest Prüfung in ca. 90° Beugestellung Versuch den Unterschenkel nach ventral zu ziehen („Schubladenphänomen“) Falsch neg. Befund bei Muskelspannung möglich Befund: „neg. oder + - +++ pos.“ (5, 10, >10 mm im Seitenvergleich) Lachmanntest Prüfung in ca. 15° Beugestellung Ersuch den Unterschenkel passiv nach ventral zu ziehen (vgl. „Schubladenphänomen“) Zusätzlich Außenrotation Falsch neg. Befund bei Muskelspannung kaum möglich Befund: „neg. oder + - +++ pos., mit hartem / weichen Anschlag) 6 06.12.2004 Erste Hilfe und Akutversorgung von Verletzten Prof. Fialka Radiologische Diagnostik: Nativröntgen in 2 Ebenen Beurteilung der Gelenkflächen ... der Weite der Gelenksspalte ... der mechanischen Achse ... selten knöcherne Ausrisse gehaltene Aufnahme Sprunggelenksverletzungen Therapiedomäne: Einsatz unmittelbar am Spielfeldrand verhindert die Entstehung großer Hämatome: Kryo!!! Tape oder Orthese Weitere Abklärung Cave: Spielfähigkeit Klinische Untersuchung: Sitzender Patient Kniegelenk 90° gebeugt Möglichst entspannte Muskulatur (cave: Fehlbefund bei Schmerzen) „Forciert Supination“ im Seitenvergleich „ventrale Talusvorschub“ im Seitenvergleich „Druck auf die ventrale Syndesmose“ Druck auf die hohe Fibula“ „Eversionstest oder Fricktest“ 7 06.12.2004 Erste Hilfe und Akutversorgung von Verletzten Prof. Fialka Funktionelle Verbände Def.: Selektiver Schutz des verletzen Struktur, bei Erhaltung der Funktion des Gelenks oder der Extremität. Grundprinzip: Funktionszügel, die parallel zur verletzten anatomischen Struktur verlaufen TAPE: Wann lege ich einen Tapeverband an? Indikation: Distorsion (Muskel, Sehnen, Bänder) Weichteilhämatome (Contusion) Pattialruptur (Muskel, Sehnen, Bänder) Relative Indikationen: Komplette Ruptur (eventuell postoperativ) Allg. postoperativ (Trainingsbeginn) Kontraindikationen: Fraktur Stoffwechsel: Durch funktionelle Nachbehandlung höherer Stoffwechsel als bei vollständiger Immobilisierung. Proprioception: Geringer negativer Effekt auf intra- und intermuskuläre Koordination durch Einsetzbarkeit aller aktiven Trainingselemente. kürzere Rehab Phase 8 06.12.2004 Erste Hilfe und Akutversorgung von Verletzten Prof. Fialka Wirkprinzip: Funktion: Entlastung der betroffenen anatomischen Struktur, d.h. Kraftumleitung über die „Funktionszügel“ auf die „Ankerzügel“. Zusätzliche therapeutische Möglichkeiten: Erholung der Funktion der betroffenen Extremitäten Therapeutischer Effekt: Volumsreduktion durch Flüssigkeitsverschiebung Memos: Funktioniert nur mit Kurz- oder Ultrakurzzugbinden (vgl. Zinkleimverband) Polterung: Ohne Polsterung entstehen Druckspitzen Mit Polster gleichmäßige Druckverteilung Polster direkt auf der Haut befestigen (Leukospray oder Klebepolster) Kann nicht dislezieren, stört nicht die Funktionalität des Verbandes 9