Mathematics. - Die Nullstellen der Hermiteschen Polynome. Von O. BOTTEMA. (Communicated by Prof. W. VAN DER WOUDE). (Communicated at the meeting of May 31. 1930). 1. Die Hermiteschen Polynome Hn (x) kann man definieren durch die erzeugende Funktion : e- tl+2t" t" 00 =I n=O (1 ) Hn (x) . -, ; n sie genügen der Gleichung: (2) während ihre explizite Darstellung lautet: n (n - 1) Hn (x) = (2 x)n - -1-'- (2 x)n-2 + ... • (3) Sie sind bemerkenswert durch ihre Orthogonalitätseigenschaften und durch ihre Anwendbarkeit in der mathematisch en Statistik. Auf STURM geht der Satz zurück, dass die Nullstellen von Hn (x) sämtlich reell und positiv sind. Aus (3) geht übrigens hervor, dass neben einer Nullstelle ~ auch immer die Nullstelle -~ vorkommt. Wiederholt sind Abschätzungen für die Länge des Nullstellenintervalls angegeben worden. durch die Ableitung einer oberen Grenze für die grösste Null~ stelle. HILLE I) der vor einigen Jahren eine ausführliche Bibliographie der Hermiteschen Polynome abfasste. nennt in dieser Hinsicht Arbeiten von HERMITE, LAGUERRE, MARKOFF und WATSON. Bezeichnet man die grösste Nullstelle von Hn (x) mit X n so geht aus einer WATSONschen Untersuchung hervor: Xn < V2n (4) HILLE selbst zeigt: Xn< V2n-2 • (5) während eine frühere Arbeit von LAGUERRE eine kompliziertere Abschätzung gibt, welche aber keinenfalls bes ser ist als: Xn < V2n-11 I) HILLE. A dass of reciprocal functlans. Ann. of Math. Vol. 27 (1926) pag. 427. (6) 496 Die Grenze gilt immer von einem gewissen n an. Die Ungleichungen (4). (5) und (6) sind alle von der Form (7) wo d eine konstante Zahl ist. Nun kann man aus der HILLEschen Arbelt folgern. dass der Koeffizient 2 von wesentlicher Bedeutung und nicht durch einen kleineren zu ersetzen ist. Es erhebt sich die Frage. ob man die genannten Abschätzungen verschärfen kann durch den Nachweis einer Ungleichung (7) mit d > 11. Es zeigt sich nun. dass man d durch eine willkürliche Konstante ersetzen kann. also dass von einer gewissen. von d abhängigen Zahl an. gilt xn<V~-d Die Differenz 2n-x~ übersteigt also mit wachsendem n jede endliche Zahl und wir werden zeigen. dass die Zunahme mindestens der Ordnung n'/, ist. Wir beweisen also die Ungleichung: Xn < V 2n-Cn'/, • (8) wo C eine konstante Zahl bedeutet. Diese Abschätzung is offenbar wesentlich besser als die früheren . Es ergibt sich übrigens noch. dass auch eine von HILLE herrührende untere Grenze für X n verschärft werden kann. 2. Die Methode. welcher wir falgen. ist rein algebraisch. Wir benutzen weder die Orthogonalitätseigenschaften. noch die Tatsache. dasz Hn (x) eine Lösung einer gewissen linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung ist. sondern stützen uns lediglich auf die Rekursionsformel: Hn+1(x) - 2x . Hn (x) + 2n Hn-I (x) = 0 (n ~ 1) . (1 ) Durch diese Beziehung und Hl (x) - 2x Ho (x) =0 sind die Hermiteschen Polynome vollständig bestimmt. Es zeigt sich nun. dass man Hn (x) in der Form einer Determinante schreiben kann. wobei nur die Elemente der Hauptdiagonale und die benachbarten von N uIl verschieden sind. Man hat nämlich: 2x 0 0 2 2x 1 0 2x 0 i 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Hn(x) = n~l 0 0 0 0 0 0 2x 2 (n-2) 0 2x 2(n-1) (2) 0 1 2x Entwickelt man die Determinante nach den Elementen der letzten Zeile (oder Kolonne). dann findet man. dass sie der Gleichung (1) genügt. 497 Wir multiplizieren jetzt die i~te Kolonne mit (i 1. 2..... n); man bekommt dann: = 2x2 2ix o 8 2i-l. 0 0 80 16x 48 (i-I)! 0 0 0 Hn (x) =K. (3) o o 2n-1 (n-I) I 0 .. 0 2 n- l (n-I)12 n (n-I)/x wo K eine gewisse Konstante ist. Wir sehen also. dass Hn (x) einer symmetrischen Determinante proportional ist. Da ausserdem x in den Gliedern nur linear vorkommt. kann man die Determinante auffassen als die Diskriminante eines Büschels quadratischer Formen. Die Gleiehung Hn (x) 0 hat also den Charakter einer s.g. À.~ oder säkularen Gleichung. Stellen wir die Variablen der quadratischen Formen durch Xi (i= 1. 2..... n) vor. dann ist Hn (x) proportional der Diskriminante von: = QI wo + XQ 2' (4) Einem in der analytisch en Geometrie und in der Theorie der kleinen Schwingungen oft benutzten Satze zufolge. hat die Gleiehung I QI +xQ21=O in dem Fall. dass eine der beiden quadratischen Formen positiv definit ist. immer nur reelIe und sämtlich verschiedene Wurzeln. Bei uns ist Q2 positiv definit. Wir haben also: Die Nullstellen von Hn (x) sind sämtlich reell und verschieden. Es handelt sieh jetzt darum. ei ne obere Grenze für die Nullstellen abzuleiten. Wir betrachten dazu die Funktion : Gn (x) = Hn (x + p). wo p eine konstante positive Zahl ist. Aus dem Vorhergehenden folgt. dass G n (x) der Diskriminante des Büschels KI +XK2 proportional ist. wo 1 K I =QI+pQ2_ p i2 i .(i-I)IX/+2I 2i .i!X X+I I K 2 =Q2 - i ~ (5) I 2 i • (i-I)IX/ I Wir knüpfen jetzt an einen andren Satz über die säkulare Gleichung 33 Proceedings Royal Acad. Amsterdam, Vol. XXXIII, 1930. 498 an. denjenigen nämlich. welcher besagt. dass ihre Wurzeln sämtlich negativ sind. wenn beide quadratischen Formen positiv definit sind. Die Nullstellen von G (x) sind also sämtlich negativ. falls KI positiv definit ist. Oder: ist p eine solche Zahl. dasz die quadratische Form n KI =p I 2i . (i - n-l I)! X/+ 2 I 2i . il Xi X i+1 I I positiv definit ist. dan sind sämtliche Nullstellen von Hn (x) kleiner als p. Um also Ungleichungen x" <p zu finden. werden wir eine hinreichende Bedingung für p ableiten müssen. wobei KI positiv definit wird. 3. Zu diesem Zwecke führen wir zuerst die Form KI in eine einfachere Gestalt über. indem wir die Variablen XI Iinear transformieren. Der positiv definite Charakter der Form ist dieser Transformation gegenüber invariant. Wir setzen I (i = 1. 2 .... n) . X I =!21 .p . (i-l)/!-2"Yi (1) und bekommen dann (2) Die Form KI ist von verhältnismässig einfacher Art. indem in ihr neben den rein quadratischen Gliedern. welche alle denselben Koeffizienten haben. nur solche gemischten Glieder vorkommen. welche zwei Variablen enthalten. deren Indizes auf einander folgen. Durch diesen Umstand ist es möglich. die Bedingung für das Definitsein durch eine Reihe ein~ facher Bedingungen zu ersetzen. jede von der Art. welche bei einer binären Form auftritt. Wir verfahren nun folgenderweise. Die Koeffizienten der quadratisch en Glieder werden jeder als die Summe von zwei nicht negativen Zahlen geschrieben : (i = 1. 2..... n) (3) wo Man bekommt dann KI =="T ~ (1 - kd Y/ + 2 (2~2}/' Yi Yi+1 + kl+1 Y/+ I ~. (4) Eine hinreichende Bedingung {ür das Positivdefinitsein von KI lautet also: (1 - ki) ki+1 ~ 2 i 2 p (i= 1. .... (n - 1)•• . (5) woraus eine gewisse Grenze für p folgt. Diese hängt also von den Konstanten 499 kj ah. und durch eine geeignete Wahl für diese Zahlen wird man die Ahschätzung verbessern können. Wir werden sehen. dass eine einfache Annahme für kj schon ein befriedigendes Resultat gibt. Setzen wir nämlich =1 kn kl • =t (i = 1. 2..... (n - 1)) so hat man 1 n-l 2 p2 wo raus hervorgeht "2;::: (i= 1. ...• (n - 2)) • 2 . . . (6) >- ~ 2 (n - 12) • p ;;;.--' Die quadratische Form Kl ist (für n- n;::: 3) also gewiss positiv definit. wenn p2 ;::: 2n - 4. Wir haben somit das Ergebnis: [st X n die grösste Nullstelle von Hn (x). dann ist: < V 2n - Xn 4 (n ;::: 3). (7) . eine Ahschätzung. welche die von WATSON und von übertrifft. HILLE schon 4. Wir treffen jetzt eine andere Wahl für die Konstanten kj. Es sei N eine willkürliche ganze Zahl und es gelte n > N. Wir setzen dann: kj = kj t n- i (1 ~ i ::::; n - +1 = 2 (n _ i) + 1 (n - N ! N) < i ::::; n - Die Bedingungen (3,5) gestalten sich dann zu 1 i i;::: 2 2 (1 ~ i n - N) < p . (1) 1) . . . . (2) 1 N n-N ].·2N-l;::: 2p2 --:--,-(n_-~i"-)2_ >- _i_ 4 (n - i)2 - 1 :-- 2 p 2 (n - <i ~ n - N 1). Kl wird also positiv definit sein. wenn p den folgenden Ungleichungen genügt: . . • . (a) (1 ~i< n -N) 2N 1( 2 _____ -cp:;::::;-~n- p2 ;::: -4 (n - i)2 - 1 i (n _ i)2 . "2 N) (jJ) '" (n - N < i ::::; n - 1) 33* 500 a) und (3) sind befriedigt. wenn . (a') p2 ;;: 2 (n - N) Der Ausdruck 4 (n - i)2 - 1 _ 1 0)2 4 ( (n - t n - I0)2 • welcher im rechten Glied von (1') steht. wird grösser. wenn (n-i) zunimmt; 1 er ist also höchstens 4 - N2; (1') wird mithin Genüge geleistet. wenn (r') Nun ist aber. von einem gewissen n an. das rechte Glied von (a') grösser als dasjenige von (r'); oder wenn p2;;: 2 (n-N). so ist von einem gewissen von N abhängigen Wert für n an. die quadratische Form KI positiv definito Wir haben also den Satz: Von einem gewissen n an ist Xn < V2n -d, (4) wo d eine willkürliche Zahl islo 5. Die Differenz 2n-x2 übersteigt also bei wachsendem n jede endliche Zahl. Wir wollen die Ordnung der Steigung in Bezug auf n untersuchen. Wir setzen dazu: n-i+ 1 k i = 2 (n - i) 1 (1 ~ i ~ n - 1) . + (1) Die Bedingungen (3; 5) werden dann: (n - i)2 i i (n - i)2 - 1 ;;: 2 p 2 (2) KI ist also positiv definit. wenn 2 p;;: i (n - i)2 - 1 i _ i (n - i)2 . "2 - 2 1- 2 (n - i)2 0 . (3) Die Ableitung nach t der Funktion (4) verschwindet, wenn 4 (n - oder (n - t)3 t)3 + t (n - =n +t t) - t n = O. 501 Diese Gleichung hat eine reelIe Wurzel für (n-t). welche offenbar das Maximum von (4) anweist. Diese Wurzel ist kleiner als ( ; )'/. (dem sie sich nähert bei wachsendem n). ab er für n> 1 ist sie grösser (~ )"'. als Die Funktion (4) und damit die rechte Seite von (3) ist also kleiner als 2n-2 (3n)'/' Wir [inden also die Ungleichung: Xn < V2n-2. 3-'/·. n'/, (5) 6. Wir lei ten mit der obigen Methode noch eine untere Grenze für X n ab. Von HILLE rührt eine Ungleichung folgender Form her: Xn> V2n-Cn'/, (1) wo C eine konstante Zahl ist. Der HILLEsche Beweis gründet sich auf eine Eigenschaft der oszillierenden Lösungen linearer Differentialgleichungen zweiter Ordnung. Wir zeigen. dass der Exponent 2/3 zu 1/ 2 herabgedrückt werden kann. Wir stellen die Behandlung des Kettenbruches mi voran. welchen wir folgenderweise definieren: ·mi+l Wenn i .... 00. sa konvergiert = mi a (1 -mi) a>O. (2) wenn a;:: 4 und zwar zu (3) ist a < 4. sa findet Divergenz statt. Man hat (4) Hieraus geht hervor: wenn a < 4. dann ist ml+l-mi> O. sa lange mi< 1. Bei wachsendem i nimmt mi zu. wenn mi den Wert 1 noch nicht überschritten hat. Die Zunahme ist. wenn i um eins zunimmt. je 1 1 mindestens ~-4· 502 Ist also ia s;;:"'l:-a A-' dann hat die Reihe > wenigstens ein Glied. das 1. Nach diesem Hilfssatz greifen wir auf die Behandlung der quadratisch en Form KI zurück. Wir mach en für die Konstanten kt folgende Annahmen: (l-k i)k i + I =2 i p2' . (5) d.h. wir nehmen in den Bedingungen (3; 5) immer das Gleichheitszeichen. Die kt sind dann so scha rf wie möglich bestimmt. Wenn in der auf diese Wei se definierten Reihe eine Zahl I vorkommt. dann ist KI gewiss nicht posititiv definit. Die Zahlen kt hängen von p ab; wir setzen > (6) < < wo 0 0 2 und t eine vorläufig unbestimmt gelassene ganze Zahl ist. Man hat nun 1 (7) kt> 0 (1 -'- kt +i ) kt +i + 1 > 2 (2 - 0) <n Hieraus folgt (8) wenn die Zahlen mi den Gleichungen (1 - mi) mi+1 = 2 (2 1_ 0) (9) genügen. Die Zahlen mi bilden aber eine Reihe der Art. wie wir sle 10 dem Hilfssatz betrachtet haben. und zwar eine wo a = 2 (2-0) < 4. Der Ausdruck A ia wird hier zu i (2-0) "'l:-a 0 < ~. 0 In der Reihe mit l;;:~. o kommt also gewiss eine Zahl >I dieses der Fall in der Reihe kt ktH . . . . . • ktH, KI ist also gewiss nicht positiv definit. wenn vor; um so mehr ist 503 welche Ungleichung nach Substitution übergeht in p2 < (2 - v) ( n - ~) . Für die Nullstelle x" gilt also (10) Das Maximum der rechten Seite wird angenommen für v wo raus hervorgeht x; 2 n - 8 n'/, . > = 4n-'f,. (11) Wir haben also folgendes Resultat: Ist X n die grösste Nullstelle des Hermiteschen Polynomes Hn (x). so hat man: V2n - Cl n'/'<xn < V2n - C 2 n'/·. wo Cl und C 2 konstante Zahlen slnd. 7. Wir haben schon die Bemerkung gemacht. dass die obige Methode Natur ist. Die wiederholte Anwendung der Eigenschaften der säkularen Gleichung zwei er definiten quadratischen Formen ist nicht von wesentlicher. nur von praktischer Bedeutung. Denkt man sich die Eigenschaften z. B. mittels des STuRMschen Theorems bewiesen. so erscheint die Anwendung lediglich als ein Mittel den Beweis kürzer zu redigieren. Die Anwendbarkeit der Methode ist übrigens nicht auf die Hermiteschen Polynome beschränkt. Das Nullstellenintervall verwandter Polynome. welche ebenfalls durch eine gewisse Rekursionsformel definiert werden können. vor allem die von LEGENDRE und von LAGUERRE. kann man in · analoger Weise untersuchen. rein~algebraischer