Den Schmerz in seine Schranken weisen. Was Schmerzpatienten wissen sollten. Ihr Arzt – Der wichtigste Partner in der Schmerztherapie Eine erfolgreiche Schmerztherapie hängt ganz besonders vom Miteinander von Arzt und Patient ab. Denn das, was Ihr Arzt sachlich feststellt, nämlich Schmerzursache und Schmerzart, muss zusammen gesehen werden mit Ihren persönlichen Empfindungen wie Schmerzstärke und Schmerzdauer. Je besser Sie sich Ihrem Arzt verständlich machen können, desto besser kann er auf Ihre Therapiebedürfnisse eingehen und Ihnen in der genau richtigen Wirkstärke die optimale Darreichungsform verordnen, wie z. B. Retardtabletten. Sie haben ein Recht auf angemessene Schmerzbehandlung, denn Schmerzen sollten so gut wie möglich behandelt werden. Die Gebrauchsinformation zu Ihrem Präparat ist ein vom Gesetzgeber gefordertes Informationsblatt, das den Patienten informieren soll, ihn aber auch oft überfordert. Deshalb diese kleine Aufklärung. Sie soll die häufigsten Fragen zur Schmerzbehandlung beantworten, die ärztliche Sprechstunde ergänzen und zeigen, was der Hersteller des Präparats für Sie tun kann. Erster Ansprechpartner für Sie aber ist und bleibt Ihr Arzt. Was ist das – Schmerz? Schmerzen sind – einfach gesagt – Signale, die von den Nervenfasern des Körpers an das Gehirn weitergeleitet werden. Sie können durch Kälte oder Hitze, Druck oder Verletzungen, Entzündungen oder Verschleißerscheinungen ausgelöst werden. Aber erst im Gehirn werden diese Signale in Schmerzempfindungen umgewandelt. Die Schmerzwahrnehmung ist ausgesprochen individuell. Was der eine kaum als Schmerz wahrnimmt, empfindet ein anderer als ausgesprochen quälend. Diese unterschiedliche Schmerzempfindung macht die Therapie für Ihren Arzt schwierig, denn Schmerz ist nicht wie Fieber objektiv messbar. Die ganze Bandbreite des Schmerzes Vom Nadelstich bis zur Zerrung, vom leichten Kopfschmerz bis zum Phantomschmerz nach Amputation von Gliedmassen; die Skala des Schmerzes ist groß. Dabei ist auch die Schmerzart, also wie ein Schmerz empfunden wird, schwer zu beschreiben. Man spricht von bohrenden oder drückenden Schmerzen, von stechenden oder dumpfen, von lokalisierbaren oder diffusen. Grundsätzlich ist aber eine Unterscheidung richtig und wichtig; die Trennung zwischen akutem (plötzlich auftretendem und nur vorübergehend anhaltendem) Schmerz und chronischem Schmerz, das heißt langandauerndem Schmerz. Schmerz als Frühwarnsystem des Körpers Der sogenannte akute Schmerz tritt plötzlich auf, zum Beispiel nach Verletzungen oder Entzündungen. Er ist in seiner Funktion ein wichtiges Warnsignal und meldet, wenn etwas im Körper nicht in Ordnung ist. Es gilt zunächst, die schmerzauslösenden Ursachen zu behandeln. Im zweiten Schritt ist auch der Schmerz zu lindern, denn er hat dann seine Alarmfunktion erfüllt. Je rascher der Schmerz zurückgeht, umso besser. Aber die Behandlung der schmerzauslösenden Ursache steht natürlich im Vordergrund. Wenn der Schmerz von Dauer ist. Dauerhafte oder, wie der Arzt sagt, chronische Schmerzen entwickeln sich, wenn die schmerzverursachende Grunderkrankung lange anhält oder nicht zu beseitigen ist. Beispiele sind starke Rückenschmerzen, Verschleiß an den Gelenken, Nervenschmerzen wie Gürtelrose, Phantom- oder Tumorschmerzen. Der chronische Schmerz hat seine ursprüngliche Signalfunktion verloren und wird zum sinnlosen Schmerz. Er stellt für viele Patienten eine größere Belastung dar als die zugrunde liegende Krankheit selbst. Deshalb müssen chronische Schmerzen konsequent behandelt werden. Denn Sie als Patient sollen so schmerzfrei wie möglich leben können. Der Schmerz und seine Stärke. Zwar ist Schmerz nicht objektiv messbar. Dennoch kann Ihr Arzt Sie bitten, Ihre Schmerzen auf einer Schmerzskala subjektiv selbst zu bewerten. Ganz links müssen Sie sich absolute Schmerzfreiheit vorstellen, rechts den größten vorstellbaren Schmerz. Die Stärke Ihrer Schmerzen müssen Sie dann entsprechend auf der Skala einstellen. Ihre Bewertung der Schmerzen hilft dem Arzt bei der Orientierung ebenso wie Schmerztagebücher. In diesen können Sie die Schmerzstärke im Verlauf eines Tages festhalten. Handeln und behandeln. Natürlich müssen chronische Schmerzen ausreichend und wirkungsvoll behandelt werden. Nicht-medikamentöse Methoden wie Bewegungstherapie, Massagen oder Akupunktur erzielen dabei gute Resultate. Auf Arzneimittel kann aber meistens nicht verzichtet werden. Gerade wenn starke Schmerzen ununterbrochen anhalten, die Nacht über andauern, besonders quälend sind und über einen längeren Zeitraum behandelt werden müssen, sind starke Präparate gegen starke Schmerzen gefordert. Denn diese Medikamente sollen für Schmerzlinderung auch während der Nacht sorgen und über den gesamten Zeitraum gut verträglich sein. Schmerzpräparate sind vielseitig wie der Schmerz. Die moderne Schmerztherapie hat für nahezu jede Schmerzsituation Lösungen entwickelt. Dazu gehören unterschiedliche Wirkstärken, aber auch eine Vielzahl von Darreichungsformen. Sehr erfolgreich, weil besonders patientenfreundlich und einfach in der Handhabung, ist die sogenannte Retardtablette. Der 24-Stunden-Vorteil der Retardtablette. Die Retardtablette ist eine sehr fortschrittliche Arzneimittelform. Sie setzt den Wirkstoff nicht mit einem Mal frei, sondern gibt ihn gleichmäßig über einen längeren Zeitraum, meist 12 Stunden, ab. Dadurch wird eine länger anhaltende schmerzlindernde Wirkung erzielt. Retardtabletten haben für Sie einige ganz wesentliche Vorteile. Weil sie bis zu 12 Stunden wirken, müssen sie nur zweimal täglich genommen werden. (z. B. morgens um 8.00 Uhr, abends um 20.00 Uhr). Nach der Einnahme am Abend haben Sie wegen der langanhaltenden Schmerzlinderung eine schmerzfreiere Nacht und einen ungestörteren Schlaf, eine ganz wesentliche Voraussetzung für einen guten nächsten Tag. Außerdem sind Retardtabletten meist auch verträglicher, weil der Wirkstoff entsprechend langsam abgegeben wird. Schmerzempfindung blockieren. Ihr Arzt hat Ihnen ein z. B. Opiathaltiges Präparat verordnet. Dieses Medikament macht sich ein Prinzip zunutze, nach dem auch die körpereigenen Schmerzhemmstoffe arbeiten. Nach einer schweren Verletzung, bei einem Unfall zum Beispiel, blockieren sie die Weiterleitung und Verarbeitung der Schmerzsignale in Rückenmark und Gehirn. Der Schmerz als Signal wird praktisch abgeschaltet. Weil Schmerzmittel wie Opiate dieses Prinzip perfekt nachahmen, haben sie sich bei der Behandlung starker und stärkster Schmerzen zuverlässig bewährt. Wirkung und Nebenwirkung. Natürlich ist eine starke und zuverlässige Wirkung bei starken Schmerzen besonders wichtig. Trotzdem kann es zu unerwünschten Wirkungen kommen. Mögliche Nebenwirkungen von Schmerzmitteln sind unter anderem Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Müdigkeit und Verstopfung. So unangenehm diese Nebenwirkungen auch sein können, treten sie meistens nur vorübergehend am Anfang der Behandlung auf. Nur die Verstopfung kann sich über die gesamte Behandlungsdauer hinziehen. Um ihr vorzubeugen, kann Ihr Arzt Ihnen ein darmregulierendes Mittel verordnen. Durch ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung (Vollkornbrot, Obst und Gemüse), viel Bewegung und reichlich Flüssigkeit, z. B. Tee oder Wasser können Sie der Verstopfung zusätzlich aktiv entgegenwirken. Bei Nebenwirkungen sollten Sie sich immer mit Ihrem Arzt besprechen. Schmerzlinderung ja – Abhängigkeit nein. Umfangreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass die vorschriftsmäßige Einnahme von Schmerzmitteln bei Schmerzpatienten nur äußerst selten zu einer Abhängigkeit führt. Während diese Mittel bei Gesunden eine stimmungsaufhellende Wirkung haben können, die zu einer erneuten Einnahme verführt, tritt eine solche Wirkung bei Schmerzpatienten in der Regel nicht auf. Vielmehr erfahren Schmerzpatienten bei konsequenter Einnahme nach einem festem Zeitschema (morgens 8.00 Uhr abends 20.00 Uhr) eine ununterbrochene und gleichmäßige Schmerzlinderung, die ein Verlangen nach einer erneuten Einnahme mit dem Risiko einer Abhängigkeitsentwicklung gar nicht erst entstehen lässt. Kurz: Die Bedenken vor Abhängigkeit sind somit für Schmerzpatienten bei korrekter Einnahme unbegründet! Mit Disziplin geht alles besser. Die richtige Einstellung. Nach dem Grundsatz, „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“, wird Ihr Arzt die Dosierung auf Ihren ganz persönlichen Schmerz einstellen. Nach diesem Schema muss er Ihre individuelle Basis finden. Dabei ist Ihre Rückmeldung für Ihren Arzt sehr wichtig. Sagen Sie, wenn Sie noch Schmerzen haben oder erneut Schmerzen auftreten. Ihr Arzt braucht Ihre Information für die optimale Einstellung Ihrer Behandlung. 1. Zunahme der Nebenwirkungen – zu hohe Dosierung 2. gute Schmerzlinderung – richtige Dosierung 3. zu geringe Schmerzlinderung – zu geringe Dosierung Ihre Behandlung geht mit der Zeit. Außer der Dosierung gibt er Ihnen ein Zeitschema zur Einnahme, z. B. 8.00 Uhr morgens und 20.00 Uhr abends. Daran sollten Sie sich unbedingt halten, um den Erfolg der Behandlung sicherzustellen. Mit einem Aufkleber z. B. am Badezimmerspiegel können Sie sich an die Einnahmezeit erinnern. Bitte ändern Sie auf keinen Fall Dosis oder Zeitschema, ohne vorher mit Ihrem Arzt zu sprechen. Sollten Sie einmal eine Tablette vergessen haben, achten Sie darauf dass zwischen zwei Einnahmen mindestens 8 Stunden liegen. Nach Einnahme der allerersten Retardtablette setzt die Wirkung erst nach ca. 1 Stunde ein. Warten Sie nicht mit der Einnahme, bis Sie die Schmerzen spüren. Sie erleiden nur unnötige Schmerzen und brauchen häufig höhere Dosen, um den gleichen schmerzstillenden Effekt zu erzielen. Außerdem erhöhen Sie das Risiko von Nebenwirkungen. Wichtig: Halten Sie sich mit Disziplin an das vom Arzt für Sie festgelegte Einnahmeschema. Auf den Anfang kommt es an. Die ersten Therapietage sind meist nicht die einfachsten. Ihr Arzt muss Ihr Schmerzmittel optimal auf Sie einstellen. Die Nebenwirkungen nach der Umstellung wie Schwindel, Übelkeit oder Müdigkeit können vorübergehend auftreten. Dennoch: Halten Sie sich an das Einnahmeschema und halten Sie Kontakt zu Ihrem Arzt. Er wird auftretende Nebenwirkungen entsprechend behandeln. Wenn der Schmerz nachgelassen hat, nehmen Sie das nie zum Anlass, die Behandlung abzubrechen. Von Helden und stummen Leidenden. Sie können durch aktive Mithilfe viel zum Behandlungserfolg beitragen. Besonders wichtig: Spielen Sie nicht den Helden oder den stummen Leidenden, der seinen Schmerz in sich trägt und still leidet. An Schmerzen ist nichts natürlich. Sprechend Sie offen mit Ihrem Arzt über Ihre Sorgen und Probleme: Verschweigen Sie Ihren Schmerz nie. Versuchen Sie, trotz chronischer Schmerzen so aktiv wie möglich am Leben teilzunehmen. Besonders wichtig: Körperliche Aktivitäten soweit möglich, Gruppentraining für Entspannungstechniken, Autogenes Training usw. Suchen Sie Kontakt zu Selbsthilfegruppen. Fragen Sie Ihren Arzt nach Adressen. Sprechen Sie ihn auf unterstützende Maßnahmen an wie Krankengymnastik, Massagen oder Wärmebehandlung. Ihr Gespräch mit dem Arzt. Ihr Arzt ist der wichtigste Ansprechpartner für Ihre Behandlung. Das Vertrauensverhältnis zu ihm ist besonders wichtig. Es spiegelt sich gerade im Gespräch Arzt und Patient. Da die Zeit für diese Gespräche häufig nicht unbegrenzt ist, bereiten Sie sich gut darauf vor. Ideal ist eine Liste aller Punkte, die Sie besprechen möchten. Das Aufschreiben Punkt für Punkt hilft Ihnen, Ihre Gedanken präzise zu formulieren. Das erleichtert sowohl Ihnen als auch Ihrem Arzt das Gespräch. Das Schmerztagebuch In ihm werden für die Behandlung wichtige Daten, wie z. B. die Einnahme der Tabletten, die Schmerzstärke, evtl. auftretende Nebenwirkungen usw., eingetragen. Das Schmerztagebuch wird meist bei der Behandlung länger dauernder Schmerzen eingesetzt. Es wird vollständig ausgefüllt zur Sprechstunde mitgenommen und dem Arzt vorgelegt. Schmerztagebücher, Patientenratgeber und Schmerzmeßliniare erhalten Sie in unserer Selbsthilfegruppe.