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29.10.2008
RA-Weiterbildung
Anästhesie
> Den Schmerz bekämpfen <
Begriffsbestimmung
Anaesthesia (griechisch) =
die absolute Unempfindlichkeit des Körpers gegenüber
 Temperaturreize
 Berührungsreize
 Schmerzreize
Wenn wir vom Themenbereich der Anästhesie sprechen, müssen wir auch vom Schmerz als eigenes
Unterthema sprechen, denn in erster Linie geht es in der Anästhesie um die Schmerzausschaltung.
Der Schmerz als Oberbegriff
Der Schmerz ist eine subjektive Empfindung jedes einzelnen Menschen.
Er ist eine unangenehme, sensorische und gefühlsmäßige Erfahrung, die mit einer akuten oder
potentiellen Gewebeschädigung einhergeht, oder in Form einer solchen Schädigung beschrieben
wird.
Fakt ist, dass jeder Mensch die Bedeutung von Schmerz schon im Kindesalter kennenlernt (hinfallen,
auf eine heiße Herdplatte fassen, usw.)
Es ist für unsere Arbeit wichtig, dass wir die vom Patienten empfundenen Schmerzen niemals
abwerten, denn:
PAIN IS WHAT THE PATIENT SAYS IT IS!
 SCHMERZQUALITÄT
 somatischer Schmerz
 Oberflächenschmerz (hell)
 Tiefenschmerz (dumpf)
 viszeraler Schmerz
 Eingeweideschmerz (Organe)
ausgelöst z.B. durch Koliken, welche meistens mit Übelkeit, Erbrechen und Schwitzen
einher gehen
 SCHMERZWAHRNEHMUNG IM GEHIRN (THALAMUS)
Der kleine Tom spielt mit seiner Schwester im Park fangen. Plötzlich stolpert Tom, fällt hin und
schürft sich dabei das linke Knie auf. Sekunden später fängt Tom an zu weinen.
Was ist passiert???
In Windeseile werden Nervenimpulse vom Knie über afferente Nervenbahnen zum Gehirn geleitet
und melden dort den Notstand: „linkes Knie aufgeschürft; Schmerzimpuls senden.“
Tom nimmt somit wahr, dass das Knie beim hinfallen Schaden genommen hat und bringt diese
Schmerzwahrnehmung durch weinen zum Ausdruck.
Ohne diese Weiterleitung von Nervenimpulsen ans Gehirn wäre Schmerzwahrnehmung
somit gar nicht möglich, doch an diesem Punkt greift die Anästhesie an.
Durch verschiedene Medikamente kann die Schmerzwahrnehmung verändert, aber auch
komplett ausgeschaltet werden.
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RA-Weiterbildung
 SCHMERZARTEN
 akuter Schmerz
als biologische Warnfunktion zum Schutz des Körpers (Bsp.: atemabhängiger Schmerz bei
akuter Lungenembolie)
 Perforation
erst reißt etwas mit akut starkem Schmerz ein, verliert sich und entwickelt nach und nach
einen sich wellenförmig verstärkenden Entzündungsschmerz.
(Bsp.: Magenulcusperforation)
 Koliken
ständig wiederkehrende Schmerzspitzen, die langsam abfallen, ein kurzes schmerzfreies
Intervall bilden um dann wieder akut aufzutreten.
(Bsp.: Nieren- oder Gallenkoliken)
 Entzündung
stetiges Ansteigen des Schmerzes ohne Schmerzfreiheit
(Bsp.: Appendizitis)
 chronischer Schmerz
ist ein ständiger, vollkommen sinn- und funktionsloser Schmerz, welcher eine emotionale,
physische, ökonomische und soziale Belastung für die Betroffenen darstellt.
(Bsp.: Dauerkopfschmerz)
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Durch die Subjektivität von Schmerzen, werden sie auch von jedem einzelnen Patienten
unterschiedlich stark empfunden.
Damit jedoch auch wir eine ungefähre Vorstellung von der Intensität bekommen, ist es hilfreich, den
Patienten seinen Schmerz auf einer Skala von 1 – 10 einstufen zu lassen.
Patienten, die einen Wert zwischen 0 und 2 angeben, sind noch glückliche Patienten.
Sie haben sicherlich ein medizinisches Problem, stellen für uns jedoch keinen weiteren „Risikofaktor“
dar.
Je höher der Schmerz jedoch eingestuft wird, umso vital bedrohter ist der Patient präklinisch, denn
Schmerzen haben Auswirkungen auf den gesamten Organismus, vor allem aber auf die Atmung und
das Herz-Kreislauf-System.
Herz-Kreislauf-System
Vasokonstriktion
Surfactant-Mangel
Atmung
Zunahme der Herzarbeit
Verlust der alveolären Integrität
Zunahme des O2-Verbrauchs am Herzen
Störung der Atemmechanik
Elektrische Instabilität
respiratorische Insuffizienz
Herzversagen
 SCHMERZREAKTION
Die physiologische Reaktion auf Schmerz (vor allem auf neue, unbekannte Schmerzen) ist
Angst.
Problematisch ist, dass diese Angst gleichzeitig die Schmerztoleranz minimiert, weshalb häufig
„aus einer Mücke ein Elefant“ gemacht wird.
 SCHMERZANAMNESE
Um genauere Auskunft über die Schmerzen zu bekommen, ist es hilfreich sich an folgendem
System entlang zu hangeln:
P (provozieren)
Was hat den Schmerz ausgelöst?
Was haben sie gemacht, bevor der Schmerz auftrat?
Q (Qualität)
Wie würden sie den Schmerz beschreiben?
R (Region)
Wo genau befindet sich der Schmerz?
Haben sie nur dort Schmerzen oder strahlt der Schmerz aus?
S (Stärke)
Wie stark ist der Schmerz auf einer Skala von 1 – 10?
T (Zeit)
Wann haben die Beschwerden begonnen?
Hatten sie diesen Schmerz vorher schon einmal?
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Gründe für eine Schmerztherapie im Rettungsdienst

Humanität
Entgegen der weitverbreiteten Meinung, dass die klinische Diagnostik durch präklinische
Analgesie erschwert wird, braucht heute kein Notfallpatient mehr Schmerzen ertragen
„JEDER PATIENT MIT SCHMERZEN HAT DAS RECHT AUF SCHMERZMITTEL“

Beseitigung vegetativer Begleitreaktionen, die vitale Funktionen beeinträchtigen

Wiederherstellung der Kooperationsbereitschaft des Patienten
ganz ohne oder mit weniger Schmerzen lassen sich die Patienten eher umlagern und zum RTW
transportieren
Basismaßnahmen der Schmerztherapie
Grundsatz (ähnlich der Notkompetenz)
Medikamente kommen erst dann zum Einsatz, wenn die weniger invasiven Maßnahmen ausgeschöpft
sind:
 persönliche Zuwendung zum Patienten durch psychische Betreuung (Placebo-Effekt)
Schmerzen nicht runterspielen sondern Verständnis für die Situation aufbringen
 Vermittlung von persönlicher Nähe und Geborgenheit
 Ruhigstellung von Frakturen
dem Patienten vorher erklären was man tut und das dabei noch mal zusätzliche Schmerzen
auftreten können
 schmerzlindernde Lagerung
den Vorschlag einer besseren, schmerzlindernden (z.B. Abdomenlage) Lagerung machen.
wird diese nicht akzeptiert, so hinlegen lassen, wie es für den Patienten am besten ist.
 Vermeidung unnötiger schmerzhafter Prozeduren
bei der Palpation immer dort beginnen, wo der Patient keine oder weniger Schmerzen angibt
Sind die Basismaßnahmen letztendlich doch ausgeschöpft, wird das medikamentöse Eingreifen des
Notarztes erforderlich, welcher in der Regel schrittweise oder schmerzorientiert vorgeht.
BtM
ASS
Metamizol [Novalgin]
Tramal + Novalgin
Tramal + ASS
Pethidin [Dolantin]
Piritramid [Dipidolor]
Fentanyl [Fentanyl]
Morphium [Morphin]
Tramadol, Pethidin, Piritramid, Fentanyl und Morphium gehören in die Gruppe der Opioide.
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Wirkstärke
1
0,1
0,7
100 - 300
0,1
Morphium
Pethidin
Piritramid
Fentanyl
Tramadol
Wirkbeginn
3 - 5 min.
1 - 2 min.
10 - 15 min.
1 - 2 min.
5 - 8 min.
Wirkdauer
3 - 5 Std.
2 - 3 Std.
4 - 6 Std.
20 - 25 min.
3 - 4 Std.
Halbwertzeit
1,7 - 4,5 Std.
3,5 - 4 Std.
4 - 10 Std.
2 - 4 Std.
6 - 9 Std.
Bei der Opioidgabe ist zu beachten, dass schon geringe Dosierungen zu Atemdepressionen
führen können.
Bei Überdosierung kann es sogar zur Sedierung kommen, daher in jedem Fall
Beatmungsbereitschaft herstellen!!!
Präklinische Narkose
Jede Narkose, egal ob klinisch oder präklinisch besteht aus drei Pfeilern:
NARKOSE
RELAXIERUNG
HYPNOSE
ANALGESIE
Analgesie
Schmerzfreiheit
Hypnose
erzeugen eines Schlafzustandes ähnlich einer Bewusstlosigkeit, wodurch das Erleben und die
Erinnerung an die Situation verhindert wird
Relaxierung
Erschlaffung der willkürlichen Skelettmuskulatur
5
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
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Indikationen zur präklinischen Narkose
akute respiratorische Insuffizienz
Polytrauma
Bewusstlosigkeit mit Aspirationsgefahr
SHT / Gesichtsschädelverletzungen
Verbrennungen / Inhalationstrauma

ausgeprägter Schock
Status asthmaticus / epilepticus
extreme Schmerzen
Lungenödem
Reposition / RTH-Transport
Besonderheiten der „Freiluftnarkose“
schwierige äußere Bedingungen
unbekannter, nicht nüchterner Patient
vorbestehende Störungen der Vitalfunktionen
häufig Hypovolämie
schlecht eingespieltes Team (RS/RA ok, wechselnder NA)
begrenzte Ausrüstung (?)
Trotzdem bietet die präklinische Narkose im Bezug auf den Umgang mit dem Patienten auch
häufig unterschätzte Vorteile:
 eine optimale Schmerztherapie
 Aspirationsschutz
 bessere alveoläre Ventilation und Oxygenierung
 verminderter O2-Verbrauch
Gefahren der präklinischen Intubation





Intubationsschwierigkeiten mit ggf. nachfolgender Hypoxie
RR-Abfall
Erbrechen / Aspiration (Patienten meistens nicht nüchtern → ABSAUGBEREITSCHAFT!!!)
allergische Reaktionen
Bronchiospasmus / Laryngospasmus
Material für die Narkoseeinleitung
Sauerstoff
Beatmungsbeutel
laufende Absaugpumpe
Laryngoskop
Tubus mit Führungsstab
Fixiermaterial
Stethoskop
Medis nach Arztanordnung
Vorbereitung des Patienten (falls möglich)




Information des Patienten durch den Arzt
Lagerung des Patienten
sicherer venöser Zugang
Monitoring (EKG, RR, SaO2, Kapnometrie)
Prinzip der Narkoseeinleitung







nach Möglichkeit Magensonde legen, absaugen und wieder entfernen
Oberkörper hoch lagern
Absaugung anschalten!!!
assistierte Maskenbeatmung (Präoxygenierung über 5 Minuten)
Medikamentenapplikation (Analgetikum → Hypnotikum → Relaxans)
Intubation und sofortige Blockung
Lagekontrolle (5 Punkte) dann sichere Fixierung
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Komplikationen während der Narkose




Erbrechen / Aspiration
 schnelles, gezieltes Absaugen
 nach Möglichkeit trotzdem intubieren
 endotracheale Absaugung
 Zielklinik informieren!!!
unzureichende Medikamentendosierung (Anzeichen)
 Spontanbewegung
 Gegenatmung
 Puls- und RR-Anstieg
 Tränenlaufen
 schwitzen
Herz-Kreislauf-Störungen / Anaphylaxie
 Narkoseausleitung erwägen
 medikamentöse Therapie (je nachdem welche Störung vorliegt)
 Infusionstherapie
maligne Hyperthermie
Narkoseführung
hören, sehen, fühlen
Monitoring (EKG, RR, SaO2, Kapnometrie)
regelmäßige Tubuskontrolle (Lage, Fixierung, Zug)
freie, nicht abgeknickte Schläuche???
ausreichende Narkosetiefe
nötige Medikamente immer griffbereit
Geräte, Werte und den Patienten beobachten
Zeichen nachlassender Narkosetiefe
Medikamente zur Narkoseeinleitung

Volumenmangel
Ketamin [Ketanest S]
Midazolam [Dormicum]

kardiale Risikopatienten
Etomidate [Hypnomidate] oder
Midazolam [Dormicum]

ggf. mit Fentanyl fortführen
Fentanyl oder
Morphin
Status epilepticus
Thiopental [Trapanal]

Status asthmaticus
Ketamin [Ketanest S]
Midazolam [Dormicum] ggf.
möglichst kein Atropin!!!
klinische Narkoseverfahren





Vollnarkose (TIVA, Gas oder Kombinationsnarkose aus beidem)
Spinal- u. Periduralanästhesie
Plexusanästhesie
i.v.-Regionale
Lokalanästhesie
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