Fall 7 Lösungsskizze // Amtshaftung zu 1): 1. Steht C mit Rücksicht gegenüber der Firma X zu? auf die Richtlinie 85/577/EWG ein Widerrufsrecht Fraglich ist, ob C den Vertrag wirksam widerrufen kann. Ein Widerrufsrecht aufgrund kodifizierten dänischen Rechts ist nicht möglich, da dies nach dänischem Zivilrecht nicht vorgesehen ist. In Betracht käme jedoch ein Widerrufsrecht aus der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie 85/577/EWG abzuleiten. Gemäß Art. 288 Abs. 3 AEU sind Richtlinien an die Mitgliedsstaaten gerichtet. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet die Richtlinien inhaltlich innerstaatlich umzusetzen. Grundsätzlich erzeugen sie vor ihrer Umsetzung keine unmittelbare Wirkung gegenüber den Bürgern. Von diesem Grundsatz kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden. a) mangelnde oder nicht ordnungsgemäße Umsetzung b) einschlägige Bestimmung der Richtlinie muss inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sein (sog. self-executing-Charakter) c) Fraglich ist allerdings, ob eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie auch im Verhältnis zwischen Privaten möglich ist. Gegen die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie auch gegenüber Privaten spricht jedoch, dass der EuGH die Rechtsfigur entwickelt hat, um diejenigen Mitgliedsstaaten zu sanktionieren, die die Richtlinie nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt haben (Sanktionsgedanke: Mitgliedsstaaten sollen aus gemeinschaftswidrigen Verhalten keinen Nutzen ziehen dürfen.). Gegenüber einem Privaten kann dieser Gedanke aber nicht greifen, da diesem die Nichtumsetzung nicht angelastet werden kann. zu 1): Hat C – wenn man ein Widerrufsrecht verneint – gegen Dänemark einen gemeinschaftsrechtlichen begründeten Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens? Der EuGH hat eine Haftung der Mitgliedsstaaten im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung, zu er nach Art. 19 EUV (Art. 220 EGV aF) ermächtigt ist, abgeleitet. Dabei werden folgende Grundsätze zu Grunde gelegt: Das Prinzip der praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts (sog. „effet utile“) macht es erforderlich, dass ein Rechtsinstitut der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung besteht. Weitere Grundlage dafür bildet das Treuegebot des Art. 4 Abs. 3 EUV (Art. 10 EGV aF): Aus dem in dieser Norm enthaltenden Gebot des gemeinschaftsfreundlichen Verhaltens ergibt sich auch die Verpflichtung, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben. Die nach dem Gemeinschaftsrecht gebotene Staatshaftung wird unter den Voraussetzungen gewährt, dass die verletzte Einzelnorm bezweckt, dem Einzelnen ein hinreichend bestimmtes Recht zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und das zwischen der Pflichtverletzung und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. a) Verleihung hinreichend bestimmter Recht durch die verletzte Norm bezweckt Da die bestreffende Vorschrift einem bestimmten, abgrenzbaren Personenkreis zugrunde kommt, der damit ein spezifisches Interesse an der Einhaltung der entsprechenden Norm aufweist, ist diese Voraussetzung erfüllt. b) hinreichend qualifizierte Rechtsverletzung (+), wenn ein Mitgliedsstaat die Grenzen, die seinem Ermessen bei der Ausgestaltung des Vertrages, offenkundig und erheblich überschritten hat. Hier hat der Mitgliedsstaat trotz Handlungsbedarf keinerlei Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie getroffen, so dass diese Voraussetzung erfüllt ist. c) Kausalität Zwischen der Verletzung des Gemeinschaftsrechts und dem Schaden des Anspruchstellers besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. C hat also gegen Dänemark einen gemeinschaftsrechtlichen begründeten Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens. zu 2) Angenommen, der Fall hätte sich in der Bundesrepublik Deutschland zugetragen: In welcher Weise ließe sich der Schadensersatzanspruch über das nationale Haftungsrecht realisieren? Wiederum ist davon auszugehen, dass dem C kein Widerrufsrecht zusteht. In Betracht zu ziehen ist ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Amtshaftung nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB. a) in Ausübung eines öffentlichen Amtes dies ist im Himblick auf den erforderlichen Gesetzgebungsprozeß unproblematisch erfüllt b) Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht Indem die Parlamentsabgeordneten es unterließen, die betreffende Richtlinie umzusetzen, haben sie gegen die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung aus Art.4 Abs. 3 EUV nF (ex. Art. 10 EGV) iVm Art. 288 AEU verstoßen und damit eine Amtspflichtverletzung begangen. Fraglich ist jedoch, ob diese Pflicht auch drittbezogen war. Nach der Rechtsprechung des BGH sind Schäden infolge legislativen Unterlassens nicht über Art. 34 GG iVm § 839 BGB ersatzfähig, da der Gesetzgeber im Sinne der Allgemeinheit tätig wird und nicht für einen bestimmten Dritten. Fraglich ist, ob sich eine andere Beurteilung nach dem Prinzip der praktischen Wirksamkeit sowie aus dem Gebot des gemeinschaftsfreundlichen Verhaltens ergeben müßte. Dies ist insoweit nicht notwendig, wenn sich eine mitgliedsstaatliche Haftung unmittelbar aus dem EU-Recht ergibt. Folglich ergibt sich ein Haftungsanspruch unter Heranziehung der vom EuGH aufgestellten Maßstäbe. Der gemeinschaftsrechtlich begründete Staatshaftungsanspruch ist dann innerstaatlich durchzusetzen.