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17. Lehreinheit:
Europäisches Schuldvertragsrecht, insbesondere Verbraucherschutztatbestände
Literatur: Grundmann, NJW 2000, 14.
I. Die wichtigsten gesetzgeberischen Akte der EG
EG-Recht
1. AGB-Richtlinie, ABI. EG 1993 L 95/29
2. Haustürwiderrufsrichtlinie, ABI. EG 1985 L 37/31 und
Fernabsatzrichtlinie, ABI. EG. 1997 L 144/19
3. Pauschalreise-Richtlinie, ABI. EG 1990 L 158/59
(Reisevertrag)
4. Verbraucherkredit-Richtlinie, ABI. EG 1986 L 42/48,
Änderung: ABL EG/61/14 etc
Deutsches Recht
305 ff.
312 ff.
§§ 651a ff. BGB
491 ff.
481 ff.
5. sog. Time-Sharing-Richtlinie, ABI. EG 1985 L 37/31
6. Vorschlag einer Dienstleistungshaftungs-Richtlinie
AB1
EG 1991 C 12/8 (Dienstleistungshaftung)
7. Kaufrechts-Richtlinie ABI. EG. 1999 L 171/92
kein Äquivalent im
deutschen Recht
§§ 437 ff. BGB
II. Die Bedeutung der EG-Verbraucherschutz-Richtlinien im deutschen Recht
EG-Richtlinien wie die genannten zum Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht müssen, damit
sie zwischen Privatrechtsubjekten Wirkung entfalten - ins nationale Recht umgesetzt werden, d. h.
durch nationale Normen übernommen werden. Möglich ist dies freilich auch dadurch, dass im
nationalen Recht bereits entsprechende Nonnen bestanden haben und beibehalten werden. Sind
EG-Richtlinien umgesetzt (wie in Deutschland zumindest mit einer gewissen Verspätung fast
durchweg der Fall), so zeitigen sie noch folgende Wirkung:
1. Deutsche Gesetze sind, wenn sie nicht im Einklang mit der Richtlinie und ihrer Auslegung
stehen, regelmäßig richtlinienkonform auszulegen (vgl. 8. Lehreinheit und die Ihnen
bekannte verfassungskonforme Auslegung). Das deutsche Recht ist also so auszulegen,
dass dasselbe Ergebnis erzielt wird wie in der Richtlinie vorgesehen.
2. Außerdem darf das nationale Recht zwar meist den Verbraucher stärker schützen als in
der Richtlinie vorgesehen. Die Regelung ist jedoch, soweit sie über den Standard der
Richtlinie hinausgeht, gegenüber einem Anbieter aus dem EG-Ausland nicht durchsetzbar,
wenn sie diesen de facto schwerer trifft als inländische Anbieter.
3. Wichtig ist auch die sog. Ausstrahlwirkung der Richtlinie. Folgendes ist gemeint: Wird
ein Konzept verwandt, um die Richtlinie umzusetzen, so wird dieses teilweise identisch
auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie verwandt. Beispiel:
Fehlerhaftigkeit iSv § 434 wird für den Verbraucherkauf als Voraussetzung für
Gewährleistungsrechte gesehen, gleichermaßen jedoch auch für den Kauf unter beruflich
Tätigen, den die Richtlinie eigentlich gar nicht erfasst. Der EuGH geht nun davon aus,
dass auch im zweiten Bereich die Richtlinie als das verbindliche „Original“ fungiert, dass
also auch für den Kauf zwischen beruflich Tätigen § 434 richtlinienkonform auszulegen
ist. Dies hat sehr große Bedeutung, denn auch das ganze Leistungsstörungsrecht hat teils
einheitliche Regeln, etwa § 323, die teils der Umsetzung der Kaufrechts-Richtlinie dienen
(vgl. § 437), teils nicht. Auch hier entfaltet die Richtlinie demnach Ausstrahlungswirkung,
nunmehr für die Rücktrittsregelung eines jeden (!) Vertrages.
4. Das nationale Recht darf den Verbraucher nicht weniger schützen als die EG-Richtlinie.
Fall:
EuGH EuZW 1996, 654 (Pauschalreisenrichtlinie) - aus dem Tenor:
"1. Sind keine Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie innerhalb der dafür festgesetzten Frist
getroffen worden, um das durch diese Richtlinie vorgeschriebene Ziel zu erreichen, so stellt dieser
Umstand als solcher einen qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar und
begründet daher einen Entschädigungsanspruch für die Geschädigten, soweit das durch die
Richtlinie vorgeschriebene Ziel die Verleihung von Rechten an den Einzelnen umfasst, deren
Inhalt bestimmbar ist, und ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat
auferlegte Verpflichtung und dem entstandenen Schaden besteht.
2. Das durch ... (die Richtlinie) ... über Pauschalreisen vorgeschriebene Ziel umfasst die
Verleihung eines Rechts an den Pauschalreisenden, mit dem die Erstattung der von diesem
gezahlten Beträge und seine Rückreise im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des
Veranstalters und/oder Vermittlers der Pauschalreise, der Vertragspartei ist, sichergestellt werden;
der Inhalt dieses Rechts ist hinreichend bestimmt."
III. Regelungsinhalte und Lücken im EG-Verbraucherschutz und EG-Schuldvertragsrecht
1. Das Verbraucherschutzrecht als Kernbereich des EG-Schuldvertragsrechts
Neben den EG-Richtlinien zum Verbraucherschutz gibt es kaum gesetzgeberische Akte
der EG mit schuldvertragsrechtlichem Inhalt, sieht man einmal vom Arbeitsrecht ab.
Wenn Sie sich das zur Vertragsautonomie und ihren Ausnahmen Gesagte
vergegenwärtigen, können Sie sich vorstellen, warum die EG-Kommission das
Verbraucherschutzrecht als so wichtige Materie im EG-Schuldvertragsrecht angesehen
hat. Noch klarer wird das Bild, wenn man auf die sog. Parteiautonomie
(Rechtswahlfreiheit, das Pendant zur Vertragsautonomie bei grenzüberschreitend
abgeschlossenen Verträgen) abstellt (vgl. Art. 3 – 9 Rom-I-VO).
2. Regelungsinhalt und -lücken einzelner gesetzgeberischer Akte der EG
Die wichtigste EG-Richtlinie, die Materien betrifft, die dem Allgemeinen Teil des
Bürgerlichen Rechts zuzuordnen sind, ist die AGB-Richtlinie. Folgende Unterschiede zum
deutschen Recht sind besonders markant:
a) Definiert werden AGB in der Richtlinie als Vertragsbedingungen, die der anderen Seite
"gestellt" werden, während es im deutschen Recht notwendig ist, dass diese
Vertragsbedingungen "für eine Vielzahl" von Verwendungen vorformuliert sind.
b) Eine Einbeziehungskontrolle kennt die AGB-Richtlinie nur ganz rudimentär.
c) Die Richtlinie enthält in Art. 5 AGB-RiLi positiv das Gebot, AGB transparent zu
gestalten.
d) Für die Inhaltskontrolle enthält die AGB-Richtlinie nur eine Generalklausel (und im
Annex einen unverbindlichen Katalog von näher spezifizierten Klauseln, die die
Mitgliedstaaten für unwirksam erklären können oder sollen), während das deutsche Gesetz
neben der Generalklausel mit §§ 308 und 309 sehr viel spezifischere Normen kennt.
Entsprechende Unterschiede können auch bei den anderen genannten EG-Richtlinien
festgestellt werden.
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