Gerhard Merkel, Psychologie Psychologie Gegenstand und Fragestellung der Psychologie I.) Psychologie im Alltag: „Die Psychologie geht uns alle als Menschen an“ 1.)Wirkungen der Psychologie auf den Alltag a.) Beispiele aus dem Alltag Wo begegnet uns Psychologie im Alltag? Schule/FH/Uni => Informationspsychologie Werbung => Werbepsychologie (z.B. Motivforschung) Sport => Sportpsychologie (z.B. Trainingsmethoden) Arbeit/Beruf => Kommunikationspsychologie (Körpersprache) Verkehr => Verkehrspychologie (z.B. Fahrverhalten, Unfallforschung) b.) Der tagtägliche Einfluß der Psychologie nach PROSKE Warum ist Psychologie in aller Munde? - Häufung von Lebenskonflikten => Jedermann ist von den Problemen der Psychologie betroffen Verlust von Werten/Normen => Verlust von Selbstsicherheit => Erwarten von Psychologie Antworten „Jeder“ kann mitreden „Modischer Trend“ => Selbsterfahrung, Esoterik Warum könnte es sein das Psychologie „von so gut wie allen so wenig“ verstanden wird? - Viele Begriffe in der wissenschaftlichen Psychologie werden anders verwendet als in der Alltagspsychologie (Wille, Trieb, Idiot, Intelligenz, Depression = Fachtermini) Begriffe werden verwendet, ohne daß ihre Bedeutung genau geklärt wird ( z.B. Frustration, Streß, Psychotherapie, Psychologie, Neurose, psychisch gestört etc. = Bedeutung nicht klar definiert) Psychologie ist vielschichtiger als es insbesondere die „populärwissenschaftliche Behandlung“ vermuten lässt (z.B. Kummer Ecke, Psycho Seite, Erziehungsberatung, Lebensberatung) Viele Erkenntnisse der wissenschaftlichen Psychologie werden in der Öffentlichkeit verfälscht dargestellt (z.B. Tests in Zeitschriften) „Grenzwissenschaften“ oder „Scheinwissenschaften“ werden mit der wissenschaftlichen Psychologie verbunden - Astrologie - Graphologie etc. Ambivalenz (Doppelwertigkeit) Interesse - Angst/Mißtrauen Ambivalente Einstellung der Öffentlichkeit zur Psychologie Viele Ergebnisse der psychologischen Forschung sind für den Laien sogar enttäuschend z.B. Glaube, 1 Gerhard Merkel, Psychologie Placebo Effekte (Pille mit Traubenzucker – Patient wird gesund – er glaubt) Rosenthal – Experimente (Neuer Dozent, vorher wird Schülern andere Charakterzüge des D erzählt, nach 1 Std. Vorlesung Auswertung eines Fragebogens => Vorgeformte Meinung) => Viele Erfahrungen der „Laien“ werden durch die wissenschaftliche Psychologie als richtig bestätigt/nachgewiesen! => Der Psychologe versucht das menschliche Seelenleben mit wissenschaftlichen Methoden systematisch zu beschreiben und zu erklären, in gewissen Grenzen Verhaltensweisen vorauszusagen und dementsprechend Ratschläge zu geben c.) Unterscheidung „naives“ psychologisches Wissen (Naive Verhaltenstheorie) wissenschaftlich psychologisches Wissen ( Wissenschaftliche Verhaltenstheorie) Merkmale und Funktionen der Privatpsychologie Charakteristische Merkmale der Privatpsychologie hohe Subjektivität, Orientierung an eigenen Erfahrungen Ansammlung von „Alltagsweisheiten“ „Schwarz – Weiß“ Denken, Verallgemeinerungen Stabilität gegenüber Veränderungen Funktionen der Privatpsychologie Ermöglicht schnelle Beurteilung von Personen Ermöglicht schnelle Orientierung in neuen Situationen Ermöglicht schnelles Reagieren Trägt zur eigenen „Sicherheit“ bei ABER: Privatpsychologie ist unkritisch: Erlaubt auch Diskriminierung von Menschen und Situationen Rechtfertigung eigener Handlungen ( = „Sündenböcke“) Unterschiede zwischen Privat- und Wissenschaftlicher Psychologie: vgl. Traxel Die moderne Psychologie ist eine empirische Wissenschaft deren Forschungsgegenstände beobachtbar und deren Aussagen Sprachlich eindeutig formuliert Nach bestimmten logischen Prinzipien aufgebaut und überprüft (vgl. Methoden) Und von anderen Personen nachprüfbar sind Vorteile der Privatpsychologie gegenüber der wissenschaftlichen Vorgehensweise vgl. Laucken Schnelle Orientierung in bestimmten Lebenssituationen (vgl. Funktionen der Privatpsychologie) „Naive“ Verhaltenstheorien sind in lebenspraktischen Situationen „leichter“ anwendbar als manche wissenschaftliche Theorie => zwischen „naiver“ und „wissenschaftlicher“ Psychologie besteht eine Interdependenz/ Wechselbeziehung => Fortschritte der wissenschaftlichen Verhaltenstheorie können die naive bereichern, aber diese lässt sich nicht alles aufdrängen, sondern bei „Common-Sense-Korrelative“ (gesunder Menschenverstand) Heckhausen 2 Gerhard Merkel, Psychologie Begriffserklärungen Psychologe: Hochschulstudium, Erforschung des menschlichen Verhaltens und damit verbundene seelischen Prozessen Psychiater: in der Regel ein Arzt, in offenen oder geschlossenen Anstalten, Erforschung, Diagnose und Therapie psychischer Krankheiten Psychotherapeut: Arzt, Zusatzausbildung, Neurosen-Behandlung, nicht nur Symptome beheben, sondern auch Verarbeitungsprozesse Psychose: Störungen in der Erlebnisverarbeitung und in der Geistestätigkeit Neurose: Verhaltensstörung 2.) Definition und Gegenstand der Psychologie a.) Was ist Psychologie Alltagsdefinitionen Bondy: „Psychologie ist die Lehre vom Seelenleben der Menschen und Tiere“ Ruch/Zimbardo: „Genau genommen bedeutet das Wort Psychologie de Wissenschaft von Psyche. Die Psychologen waren mit dieser Definition noch nie zufrieden, weil „Psyche“ ein überaus vager Ausdruck ist... “ „Die meisten zeitgenössischen Psychologen würden einer Definition der Psychologie als der Wissenschaft vom Verhalten der Lebewesen zustimmen. Mit Verhalten sind vor allem Aktivitäten und Prozesse gemeint, die objektiv beurteilt werden können. Ruch: Psychologie ist die Lehre vom Erleben und Verhalten des Menschen“ - Verhalten: Jene Vorgänge, die auch von den Personen der Außenwelt beobachtet werden können - Erleben: alle Vorgänge, die in unserer Innenwelt ablaufen und nur von uns selbst wahrgenommen werden können (= Bewußtseinsinhalte) b.) Der Mensch als Gegenstand der heutigen Psychologie - Der Mensch ist ein Lebewesen (empirische Basis) Der Mensch ist ein biologischer Organismus (naturwissenschaftliche Grundlage) Der Mensch ist ein soziales Wesen (sozialwissenschaftliche Fundierung) 3.) Psychologie als Wissenschaft: a.) Ziele der Psychologie - Zu erklären Zu kontrollieren/ überprüfen Zu verändern Zu beeinflussen b.) Rangordnung der Ziele 1. Beschreibung 2. Erklärung 3. Kontrolle, Veränderung, Anwendung der Erkenntnisse 1.) Beschreibung 3 Gerhard Merkel, Psychologie Unterscheidung zwischen dem, was tatsächlich beobachtet wurde, und dem was daraus geschlossen wurde 2.) Erklärung Zusammenhänge z.B. im Verhalten von Kindern und Eltern sind erklärt, wenn sie auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten zurückgeführt werden können. - Vorwissenschaftliche und wissenschaftliche Erklärungen - Erklärungsebenen (siehe Bsp.) => Ziel der Psychologie: möglichst allgemeine Erklärungen = Theorien Nutzen der Theorie: Erklärung von Zusammenhängen Vorhersage (Hypothesenbildung) Vorwisssenschaftliche Verallgemeinerungen „Wie die Alten sungen so zwitschern auch die Jungen“ „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ Wissenschaftliche Verallgemeinerung In vielen Fällen wird eine Ähnlichkeit (darf nicht zufällig sein) im Verhalten zwischen Eltern und Kindern beobachtet. Man kann von gesetzmäßigen Zusammenhängen sprechen. Gesetzmäßigkeit Ursache – Wirkung Zusammenhang Das Beobachten elterlicher Verhaltensweisen durch die Kinder ist die Ursache für die Ähnlichkeit im Verhalten zwischen Kindern und Eltern Die Ähnlichkeit im Verhalten zwischen Eltern und Kindern beruht auf gleichen Anlagen (Genen) Das Lernen – hier Imitationsund Beobachtungslernen – bestimmt das Verhalten Reifung, Entfaltung, Wachstum bestimmen das Verhalten (Gene!) Annahmen Theorien Empirismus „lernen“ Nativismus „angeboren“ Ziel der Psychologie wissenschaftlicher Art ist es, möglichst Allgemeine Erklärungen für die beobachtbaren Phänomene zu finden Solche allgemeinen Erklärungen, die für möglichst viele beobachtbare Sachverhalte zutreffen, nennt man Theorien -> psychologische Basis um Urteile zu fällen 3.) Veränderung, Kontrolle, Anwendung: Bedeutung der Anwendung von psychologischen Erkenntnissen z.B. Entwicklung von Lernprogrammen Pädagogische Aktivitäten Aber: auch negative Verwendung möglich! 4 Gerhard Merkel, Psychologie 4.) Fragestellungen der Psychologie V = f (P/R) Verhalten ist eine Funktion der Persönlichkeit und der einwirkenden Reize Bsp. Petra schubst Hans. Hans schlägt daraufhin Petra. => Komplexe Vorgänge müssen auf einfache reduziert werden Verwendung einfacher Modelle um zu Erklärungen zu kommen Um das Verhalten von Hans erklären zu können müßte man u.a. wissen: Welche Bedeutung haben für ihn verschiedene Reize? Welche manifesten Persönlichkeitsmerkmale von Hans bestimmen, wie einzelne Reize beantwortet werden? Was will Hans mit seinem Verhalten erreichen? Bewußt/unbewußt Welche Verhaltensalternativen hat er? Wie beeinflußt der Kontext (z.B. anwesende Personen) sein Verhalten? ... schon bei diesen wenigen Fragen ergeben sich Überschneidungen, z.B. ob sich Hans vom Kontext beeinflussen lässt hängt von seiner Persönlichkeitsstruktur ab, das gleiche gilt auch für seine Ziele, sein Verhalten, usw. 5.) Geschichte der Psychologie 1.) Anfang der Psychologie: Erforschung der Seele und ihre Zusammenhänge mit dem menschlichen Körper (ehemals Philosophie) Leib + Seele unabhängige Naturgegebenheiten (psychophysischer Parallelismus) bis 16 Jh. Leib + Seele beeinflussen sich gegenseitig (Psychophysischer Dualismus) Leib + Seele sind eine Einheit, eng miteinander verbunden (psychophysischer Monismus) 2.) Griechische Philosophie: a.) Plato (427 – 347 v. Chr.) Zweiheit von Körper und Seele 3teilung der Seele in begehrenden, ....................., Vernünftigen Teil b.) Aristoteles (384 – 323 v. Chr.) Unterteilung der Seele vegetative (Ernährung, Fortpflanzung Kognitive (Lust, Triebe) Rationale Seele c.) Ärzte Empedokles (ca 450 v. Chr.) Hippokrates (ca 400 v. Chr.) Galenus (201-130 v.Chr.) Kosmische Elemente: Luft, Erde, Feuer, Wasser Zuordnung der Elemente zu den Körpersäften Luft – Blut sanguinisches Temperament Erde – Schwarze Galle melancholisches Temperament Feuer – Gelbe Galle cholerisches Temperament Wasser – Schleim phlegmatisches Temperament => Die Menschen bewegende Kraft ist Luft 3.) Augustinus (354-430 n.Chr.) / Thomas von Aquin (1225-1274 n.Chr.) Augustinus – Vorreiter der Selbstbeobachtung (Lutrospektion?) - 3 Wirkungsweisen der Seele 5 Gerhard Merkel, Psychologie Gedächtnis, Intellekt, Willen 4.) 17/18 Jahrhundert / Europäische Philosophie a.) Descartes (1596-1650) „Denken ist die zentrale Eigenschaft der Seele“ -Tiere haben keine Seele - Handlungsweisen sind dem Menschen vererbt => Nativismus b.) David Hume (1711-1776) - Begriff der „Empirie“ wurde eingeführt c.) Philipp Melanchthon (1497-1560) - prägte den Begriff „Psychologie“ Christian Wolff -> prägte diesen Begriff in seiner „Rationalpsychologie“ 5.) Johann Friedrich Herbart (1776-1814) - Begründete die Psychologie als eigene Wissenschaft (Trennung von der Philosophie) - verwarf die These das man in der Psychologie keine Experimente durchführen durfte 6.) In den Folgejahren wurden neue psychologische Methoden entwickelt und Experimente durchgeführt: (-> Verwendung von naturwissenschaftlichen Methoden) a.) Ernst Webber (1795-1878) Gustav Fechner (1801-1887) Sie suchten Gesetze des Zusammenhangs zwischen Reizen und Empfindungen (z.B. bei Gewichten...subjektive Einschätzung eines Buchgewichtes nach 1 und 15 Minuten) b.) Ebbinghaus Selbstbeobachtungsverfahren zur Gedächtnisentwicklung c.) Binet (1857-1911) / Simon Legten 1905 erste Tests zur Messung des geistigen Entwicklungsstandes von Kindern vor (Behinderte aussondern), IQ Test 7.) Beginn der wissenschaftlichen Psychologie - Wilhelm Wundt (1832-1920) Gründung des ersten Instituts für experimentelle Psychologie an der Uni Leipzig Durch seine Schüler Cattell (1860-1944), Titchener (1867-1927), Spearman (1863-19..) Gelangte die experimentelle Psychologie nach England und in die USA 8.) Wilhem Dilthey (1833-1911) -> im Gegensatz zur naturwissenschaftlichen Psychologie Begründer der geisteswissenschaftlichen Psychologie -„Die Natur erklären wir, das Seelenleben aber verstehen wir“ - Versuch mit Hilfe der Intuition das seelische Erleben zu erforschen, Empathie II.) Richtlinien der Psychologie 1. 2. 3. 4. Behaviorismus (Lernpsychologie) Tiefenpsychologie (Psychoanalyse) Gestalttheorie (Ganzheitspsychologie) Kybernetisch orientierte Psychologie Beachte: 6 Gerhard Merkel, Psychologie - Die 4 Hauptrichtlinien sind nur Ansätze zum Verständnis des menschlichen Erlebens und Verhaltens Sie stellen keine umfassende Sicht des Menschen dar, sondern zeigen meist kleine Aspekte aus der Perspektive ihres inhaltlichen Ansatzes 1.) Der Behavriorismus = klare Vertretung der Lernpsychologie sieht den Menschen als „black box“ Grundlegende Begriffe: S = Stimulus = Reiz R = Response = Reaktion Reiz Reaktion Black B Black Box Stimulus -> Black Box -> Response a.) Mitbegründer/ extremster Vertreter: J. Watson !!! Das Verhalten des Menschen ist eine Reaktion auf einen Reiz, und die richtigen Handlungen (Reaktionen) auf einen bestimmten Reiz würden nach den Prinzipien der Häufigkeit, Neuheit der S-R Verbindung, gelernt. Aber: Erweiterung von Watsons Ansatz um sog. Innere Prozesse ( z.B. Triebe, Motive, Einstellungen, Ziele, etc.) b.) Durch Versuche von Thorndike, Skinner, Hull u.a. wurden Gesetzmäßigkeiten über den Erwerb von Verhaltensweisen gefunden (vgl. Lernpsychologie) Skinner: Maus muß Hebel betätigen um im Käfig an Futter zu kommen, lernt Verhalten Hebel betätigen. Hull: Bild, man kann alte oder junge Frau sehen, je nachdem wie man hinschaut c.) Behaviorismus => Positiv: Methodische Vorgehensweise wirkt belebend auf die Methode der ges. Psychologie => negativ: Verallgemeinerung von Tierversuchen auf den Menschen 2.) Die Gestalttheorie = Ganzheitspsychologie a.) Historischer Ausgangspunkt: ->Wahrnehmungsexperimente über sogenannte Scheinbewegungen u optische Täuschungen Wertheimer (1889-1943) Er folgerte aus dem Phänomen der Scheinbewegung, daß jene auf Einzelreize ausgehenden psychologischen Untersuchungen zu fehlerhaften Resultaten gelangen müßten, da der Mensch nicht Einzelreize, sondern ein Gesamtbild, eine Gestalt wahrnimmt, die sich von der Summe der Einzelreize unterscheiden könnte! Bsp.: „Blick aus dem Fenster“ -> Bäume, Häuser, etc. => Der Begriff der Gestalt wird nicht nur für die Wahrnehmung, sondern auch auf das Denken und andere psychische Prozesse angewendet! => Erleben und Verhalten ist ein dynamischer Prozeß, ein ständiges Entstehen und Verschwinden von Gestalten = ein kognitiver Prozeß Die Gestalt (Einheit/Ganzheit), die sich von der Umgebung abhebt, entsteht aus dem Zusammenwirken des Wahrnehmungsfeldes (Reize) und des inneren kognitiv-emotionalen Feldes. Aus der Dynamik beider Felder ergibt sich Aktivität des Organismus ( =Verhalten), die als ständig aufeinanderfolgende Gestalten aufgefaßt werden kann. b.) Gestaltgesetze 7 Gerhard Merkel, Psychologie 1.) zwischen Reizen und der Wahrnehmung besteht keine konstante Beziehung (subjektive Wahrnehmung) 2.) Psychische Prozesse (Wahrnehmung, Denken) unterliegen der Tendenz, Gestalten zu bilden ( Prinzip der guten Gestalt) c.) Vertreter der Gestalttheorie Köhler, Koffka neuer Vertreter: Metzger Begründer der Gestalttherapie: Perls / Goodman / Hefferline Feldtheorie: Kurt Lewin Kurt Lewin 30 er Jahre (emigrierte ´33 in die USA) : Experimente zur Erforschung des Verhaltens in der Gruppe (Erziehungsstile, Führungsstile) Feldtheorie des menschlichen Verhaltens: „ Innere Antriebskräfte des Menschen werden weitgehend durch die Kräfte der Umwelt (=Feld) ersetzt“ Feld = Gesamtheit aller Bedingungen des Lebens, die das Verhalten des Menschen beeinflussen und auf die es einwirkt. Mensch wirkt von sich Auf Umwelt ein (Mensch Beeinflusst) Mensch wird beeinflusst (nur Umwelt prägt würde heißen: alle aus Bronx müßten Verbrecher werden) Subjekt Objekt Wechselbeziehung Experiment: 3 Gruppen von Schülern 1.) Lehrer diktatorisch, totalitär 2.) Lehrer demokratisch, lässt Freiräume 3.) Laissez-faire, Lehrer lässt Schüler alles machen Leistungsverhalten: 1.) (relativ) konstant leistungsstark, war Lehrer abwesend extremes Leistungstief 2.) mind. Gleiches Niveau, auch in Abwesenheit! 3.) Tiefstand, Verhaltensniveau in Ab-/Anwesenheit gleich. Exkurs: Kommunikation (Gerhard Merkel) Kommunikation und Wahrnehmung Kommunikationskanäle durch verbale und non-verbale Mitteilungen Wir bilden Motive, Einstellungen, Vorurteile, Erwartungen, ein sogenanntes Wahrnehmungsgitter => ein Frembild/Eindruck subjektiver Art entsteht! Eine objektive Wirklichkeit oder Realität gibt es nicht! Es gibt nur subjektive Realität = Basis Konflikte sind nicht objektiv, die Entstehung und Lösung findet in den Köpfen der Menschen statt Grundsätze der Kommunikation: Nicht die Realität wird verändert, sondern die Vorstellung darüber 8 Gerhard Merkel, Psychologie Z.B. 1 ROT 2 ist O ein Buchstabe oder Zahl? Menschliche Kommunikation Kommunikation = Mitteilung, Verbindung, Verkehr ( Duden) Lat. Kommun = gemeinschaftlich, gemein Communication is message (Paul Watzlawick) Kommunikation heißt Mitteilung (sich gegenseitig mitteilen) Als Interaktion bezeichnet man einen ununterbrochenen Austausch von Mitteilungen zwischen zwei oder mehreren Personen (zwischenmenschliches Handeln = Interaktion) Kommunikation ist nicht nur sprachlicher Ausdruck, sondern umfaßt auch paralinguistische Phänomene ( Umgang mit Sprache) und Körpersprache Material der Kommunikation Kanäle: Der mit Abstand wichtigste Kanal ist der visuelle Kanal ca 70% tauschen wir über den visuellen Kanal aus ( auf alle Kommunikationssituationen bezogen) Visuell (sehen) 60 – 70 % Auditiv (hören) 15 – 20 % Gustatorisch (schmecken) Olfaktorisch (riechen) 10-15 % Taktil (berühren) Thermisch (wärme) relativ, abhängig von Situation Mitteilungen austauschen: 20 % verbal Wortwahl (individuell) Satzbau u.a. Aktiver Wortschatz (was man nutzt) 3000 – 4000 Wörter von 120 000 Passiver Wortschatz (was man versteht) 50 % Körpersprache ein Großteil davon ist kulturell unterschiedlich Mimik / Gestik Körperhaltung Augenkontakt Kommunikationsdistanzen Gehen / Schritt Aussehen / Kleidung Farben / Geruch u.a. 9 Gerhard Merkel, Psychologie 30 % Umgang mit der Sprache Lautstärke Tonfall Tonmodulation Stimmhöhe Artikulation Pausen Dialekt Sprachtempo u.a. Kommunikation und Wahrnehmung - Menschen die miteinander agieren, erzeugen Wirkungen und Gegenwirkungen Man muß erkenne, daß der oder die Kommunikationspartner in ihren Reaktionen in erster Linie davon bestimmt sind, wie ein Verhalten auf sie gewirkt hat und nicht davon wie es gemeint wurde. (wie das Verhalten angekommen ist = Basis der Reaktion) Physischer, psychischer IstZustand Selbstbild Wie man sich selbst sieht Fremdbild/Eindruck Meine Wirkung auf andere Feedback - Entscheidend dafür wie jemand bei anderen ankommt, ist einzig und allein das Fremdbild !!! Fremdbilder sind subjektive Eindrücke, Resultate eines von Einstellungen, Vorurteilen, Motiven, Zielen, Erwartungen, Wünschen(z.B. Anerkennung). Bedürfnissen und Gefühlen beeinflußten Wahrnehmungsaktes des Kommunikationspartners => ein Mensch besitzt mehrere Fremdbilder Beachte: Fremdbilder sind für den jeweiligen Kommunikationspartner immer subjektive Realität, auf die reagiert wird. In der Kommunikation müssen wir also in Wirkungen denken, das heißt in subjektiven Realitäten „Die Wirklichkeit finden nicht in der Realität statt, sondern in den Köpfen der Menschen“ Grundsätze der Kommunikation: - Bestimmte kommunikative Phänomene bleiben unerklärlich, solange sie nicht im Kontext gesehen werden Kommunikation ist eine Wechselbeziehung = die Beziehung zwischen den Kommunikatoren ist wichtig! Die Kommunikationsweisen jedes einzelnen bedingen die Kommunikationsweisen jeder anderen Person und umgekehrt. Jede Person beeinflußt wiederum individuell die jeweilige Umwelt und wird von ihr in einem FeedbackProzeß beeinflusst. 3.) Tiefenpsychologie 10 Gerhard Merkel, Psychologie a.) Grundannahme: Wir begehen Handlungen, dessen Ursachen uns nicht bewußt sind (=> unbewußte Wünsche, Motive Triebe etc.) Vertreter der Tiefenpsychologie: S. Freud (1856-1939) A. Adler ( 1870-1937) C. Jung (1875-1961) In der Psychoanalyse: Bewußtmachung der unbewußten Hintergründe des menschlichen Handelns, unbefriedigte Wünsche/unverarbeitete Konflikte aus der (frühen) Kindheit, Verhaltensanomalien bewußt machen b.) 4 Kernstücke der Psychoanalyse (Therapieform) nach Freud: 1.) Libido Theorie = Antriebskraft des menschlichen Verhaltens ( Energie der Sexualtriebe/angeboren) =>Libido durchläuft verschiedene Phasen: Orale Phase, Säuglingsalter bis ca 2/3 Jahre „alles wird in den Mund gestopft“ Anale Phase, bis 3/4 Jahre (Endet meist wenn Kind alleine auf Toilette geht, Ausscheidungsorgane sind interessant) Frühe genitale/phallische Phase, 4-6 Jahr, Kiga alter, Libido konzentriert sich auf die Geschlechtsorgane (harmlos) Latenzphase , 6-12 Jahr, Libido bezieht sich auf das Gegengeschlecht (Jungs hängen an ihren Müttern, evtl eifersüchtig auf Vater) Späte genitale/pupertär-genitale Phase (Pupertät) ab 12(Ödipuskonflikt, Ödipuskomplex) => alle Phase sollen durchlebt und nicht unterdrückt werden, sonst Störungen 2.) Aufbau der Psyche - „Child Ego“ „Adult Ego“ „Parents Ego“ Es ( Lustprinzip), Triebe, will sofortige Befriedigung seiner Bedürfnisse Ich (Realitätsprinzip), ausgleichendes Element zwischen „Über-ich“ und „es“ Über-Ich (moralische Instanz), Gewissen, Ge- und verbote, Werte, Übernommene Verhaltensweisen bis zum 7. Lebensjahr (das ist so, das gehört so) z.B. Streng erzogene Pers = starkes Über-Ich, sehen schw-weiß, „Das ist richtig!“ Es und Über-Ich kämpfen ständig miteinander, während das „Ich“ zu regulieren versucht 3.) Abwehrmechanismen: 1.) Projektion Vom Über-ich mißbillligte Wünsche werden auf andere Personen übertragen z.B. A würde gerne zu schnell fahren, B tuts, A mißbilligt was B tut 2.) Verschiebung Entladung von aufgestauten/verdrängten Wünschen auf „harmlosere“ Personen, vgl. Milgram (Vesuch mit Stromstößen) 3.) Rationalisierung Eigenes Verhalten wird durch Anlehnung an Autoritäten oder durch vordergründige Argumente „gerechtfertigt“ z.B. Kaufentscheidung wird nachträglich rational begründet“ 4.) Traumtheorie (Traumbuch): Der Mensch verarbeitet Probleme in Schlaf, träumt in verfremdeter Form => Analyse der Träume => Erkenntnisse über die Psyche 11 Gerhard Merkel, Psychologie 4. Kybernetisch orientierte Psychologie Bekannter Vertreter: Wiener Kybernetik: Wissenschaft von der Steuerung und Regelung von Systemen = Regelkreissysteme Annahme: technische, biologische, soziale Systeme folgen den selben Gesetzmäßigkeiten Hierarchie von Systemen: Statische Systeme Dynamische Systeme Rückkopplungssysteme => höhere/komplexe Systeme (vor allem soz. Systeme) Miller/Galanter/Pribram „Plans and the structure of behavior“ Menschliches Verhalten ist ein geplantes und strukturiertes System zielgerichteter Operationen (Handlungen) Kleinstes System des menschlichen Verhaltens ist ein in 4 Phasen ablaufender Regelkreis T O T E – Einheit T = Testphase (Prüfen) O = Operationsphase (Handeln) T = Testphase (erneutes Prüfen) E = Exitphase (ende des Vorgangs) Prozeß Anfang Ende (Feedback Element) System Bsp: Hammer in die Wand schlagen Prozeß: hat immer einen Anfang und ein Ende System: Anfang + Ende + Feedback III.) Disziplinen der Psychologie 1.) Allgemeine Psychologie Zentrale Themen sind: Wahrnehmung, Lernen und Gedächtnis, Denken/Intelligenz (kognitive oder soziale), Motivation (Biologisch=angeboren und psychologische=gelernt Theorien) versucht grundlegende für alle Menschen geltende Regelmäßigkeiten im Erleben und Verhalten zu finden! Latent vorhanden Motiv Bratwurst Auslösender Faktor Motivation Hunger Verhalten => Kauf Generell werden 6 Motivationstypen unterschieden, man muß herausfinden welches Motiv der jeweilige Mensch hat und es ihm dann anbieten 2.) Entwicklungspsychologie Beschreibung des Entwicklungsgeschehen der physischen, psychischen und sozialen Faktoren des menschlichen Verhaltens und Erlebens 12 Gerhard Merkel, Psychologie Anlage - Umwelt Problematik 3.) Pädagogische Psychologie Befaßt sich mit den Bedingungen des sozialen Erziehungsgeschehens auf allen Altersstufen Früherziehung, Schulpsychologie, Ausbildung, Erwachsenenbildung 4.) Differentielle Psychologie Abweichungen einzelner Personen oder Gruppen von den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten Galton/Binet/Stern: -Interindividuelle Differenzen 1 feststehendes Persönlichkeitsmerkmal z.B. Intelligenz, 2 Gruppen/Personen werden untersucht zu 1 bestimmten Zeitpunkt - Intraindividuelle Differenzen 1Persönlichkeitsmerkmal z.B. Intelligenz 1 Mensch zu 2 verschidenen Zeitpunkten wird untersucht 5.) Sozialpsychologie Befasst sich insbesondere mit der Umweltabhängigkeit (Sozialpsychologie), Individualismus und den verschiedenen Gruppenprozessen (Soziologie) Psychologische soziologische Sozialpsychologie 6.) klinische Psychologie klassisches Arbeitsgebiet -> Hauptarbeitsgebiet Aufgaben: Beratung, Vorbeugung, Diagnose, Therapie 3 verschiedene Diagnosegruppen: Organische Gehirnschäden (genetisch + Unfälle) Neurosen(Störungen, Abweichungen im Verhalten, Duschzwang, Sauberkeitsfimmel) Psychosen (Störungen in der Wahrnehmung, Erlebnisverarbeitung,Gedächtnisverarbeitung Schizophrenie verläuft in Schüben) IV.) Methoden der Psychologie 1.) Beobachtung: Systematische, bewußte, sorgfältige Wahrnehmung eines Ausdruckes, Handlung, Vorgangs Problematiken: Trennen von Beobachtung und Deutung Objektivität der Beobachtung Form der Selbstbeobachtung = Introspektion 2.) Befragung: Interview Meinungen und Tatsachen werden erfragt (-> Meinungsforschung/ Marktforschung) Exploration Vertieftes psychologisches Gespräch, Ursachen von Abnormitäten finden Erforscht Lebenssituation des Klienten (Anamnese) Tiefenpsychologisches Gespräch Klärung der Psychogenese Fragebogen Multiple choice Rating scales 13 Gerhard Merkel, Psychologie Sachgerechte Führung des Gesprächs Empathie!! Einfühlungsvermögen 3.) Ausdrucksdeutung Deutung der Körpersprache Graphologie ?! 4.) Experiment = absichtliches herbeiführen eines Vorganges unter planmäßiger Abwandlung seiner Bedingungen mit dem Zweck, die Gesetzmäßigkeiten des Vorganges zu erforschen Vorgänge müssen varierbar / wiederholbar sein Alle Variablen müssen planmäßig erfüllbar und kontrolliert werden können Nur eine Untersuchungsvariable darf verändert werden, die anderen müssen gleich gehalten werden Laborexperimente: künstliche Situation Feldexperimente: Realisierung einer Versuchsperson in realer Situation 5.) Test Eine Versuchsperson soll durch eine Aufgabenstellung unter bestimmten, genormten Bedingungen zu einer Äußerung, Reaktion veranlasst werden. Messung eines Persönlichkeitsmerkmales Vergleich/Einordnung der Leistung einer Person anhand der Leistung einer Vergleichsgruppe in diesem Test Catell hat den Begriff „Test“ eingeführt (mental test = Intelligenztest) vgl. Binet 3 Voraussetzungen Objektivität: gleiche Ergebnisse bei verschiedenen Testleitern Zuverlässigkeit (Reliabilität): Meßgenauigkeit auch bei längeren Zeitabständen Gültigkeit (Validität): Test mißt genau was der vorgibt (hat eine klare Wissenschaftliche Theorie dahinter) Projektive Tests (Rohrschach Test „Tintenklekse“),TAT Problem: wenn Laien Tests durchführen! Weitere Tests: HAWIE/HAWIK, hamburger Wechsler ... CFT, kulturfreier test FPI, freiburger persönlichkeitsInventor dZ konzentrations- belastungstest IST Intelligenz Struktur Test V.) Entwicklung der Persönlichkeit 1.) Theorien der Entwicklung und deren Determinanten: Theorien der Entwicklung: 1.) Praeformationstheorie 2.) Tabula-Rasa-Theorie 3.) Interaktionistischer Ansatz 1.) Praeformationstheorie Anlage, Genetisch Praeformations = lat. Vorherbildung Mensch trägt alle Fähigkeiten, Eigenschaften, Begabungen bereits von Geburt an in sich. Praeformationstheorie gründet sich auf den „Nativismus“ (Gegenteil = Empirismus9 14 Gerhard Merkel, Psychologie Pädagogischer Pessimismus (vgl. Comenius) 2.) Tabula-Rasa-Theorie Bipolare Version, Lernen (hängt vom sozialen Umfeld ab) Mensch ist bei seiner Geburt ein „unbeschriebenes Blatt / blanke Tafel“ Ursprung dieser Auffassung im „Empirismus“ Pädagoischer Optimismus (Bsp. Watson/ Leibnitz) Moderne Entwicklungstheorie „Milleutheorie“ 3.) Interaktionistischer Ansatz = Multifaktoreller Ansatz Menschliches Verhalten lässt sich nicht nur auf 1 Faktor zurückführen => Faktorenkomplex Zusammenwirken von Anlage und Umwelt Kind ist aber nicht nur passiver Empfänger von Anlagewirkungen und Umwelteinflüssen, sondern: Verhalten entwickelt sich durch ständige, aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt Vgl. Mensch <-> Objekt Mensch<->Subjekt Mensch ist beeinflußtes Objekt und beeinflussendes Subjekt Determinanten (Bestimmungsfaktoren) der Entwicklung 1.) Anlage Endogene Faktoren a) Jeder Mensch hat bestimmtes genetisches Material Genotypus vgl. moderne Gen-Forschung DNA, DNS Huxley „schöne Welt“ b) Befunde der Humangenetik: 22 Paare Chromosomen + xy Kombination xy = Mann xx = Frau Turnersyndrom Frauen, geistig behindert 44 + x Klinefeltersyndrom 44 + xxxy Downsyndrom (Trisomie 21) 45 + xy Oft junge o. alte Mütter, bekommen Mongolide Kinder, bleiben auf Stand von 2-3 Jährigen, Kleinwüchsig c) Zwillingsuntersuchungen Newman/Shields IQ Korrelation EZ .88 Relativität der Zwillingsforschung EZ = Eineiige Zwillinge ZZ .63 vgl. Penrose => Intelligenz genetisch bedingt ZZ = Zweieige Zwillinge 1.) EZ sind im Erscheinungsbild völlig gleich Aussehen, Haarfarbe, Größe 2.) Bisher keine völlig getrennt voneinander aufgewachsenen EZ 3.) Bei EZ: Übereinstimmung nimmt ab Bei Körpergröße am meisten Intelligenz weniger große Unterschiede 4.) Keine völlig gleichen EZ -> schon siamesische Zwillinge zeigen klare körperliche und geistige Unterschiede (kein 100%ig gleiches Genetisches Erbmaterial) -> Intrauterine Verhältnisse (im Mutterleib) 5.) Ergebnisse von Zwillingsforschung widersprechen sich: Newman <-> Gottschald d.) Tierexperimente Tyron 1940 Anlagedeterminiertheit 15 Gerhard Merkel, Psychologie Labyrinthintellligenz, 9x gekreuzte Generationen, dumme + dumme Ratten und intelligente + intelligente Ratten wurden gekreuzt => intelligente Ratten durchschnittl. 25 Fehler, dumme Ratten durchschnittl. 160 Fehler ! Umwelt wurde nicht beachtet! Tierexperiment von Cooper / Zubek 1958 Fehler Dumme Ratten Intelligente Ratten Einengende normale anregende Umwelt Gleicher Versuch wie Tyron nur Umwelt beachtet - Umweltbedingungen => Umwelt hat großen Einfluß 3 Experimente/Versuche mit dummen und intelligenten Ratten in Abhängigkeit von verschiedenen Umweltbedingungen (einengende, normale, anregende Umwelt) Fazit: Nicht nur die Anlage hat Bedeutung sondern auch die Lernumwelt e.) Familienforschung Galton / Darwin Kritik Fam. Bach/Strauss etc => Anlage ist bei der Entwicklung des Menschen (Verhalten) beteiligt, nicht jedoch ausschließlich Beachte! Anlage ist nicht unbedingt vererbt => intrauteriner Erwerb (Lernprozeß im Mutterleib) 2.) Umwelt exogene Faktoren Chemisch-physikalische Einflüsse direkt auf den Organismus, indirekt auf das Verhalten Soziokulturelle Einflüsse, direkt auf das Verhalten Diese beiden Gruppen lassen sich aufteilen nach dem Zeitabschnitt ihres Einflusses in Bezug auf die Geburt: Praenatal = vor der Geburt Perinatal = während der Geburt Postnatal = nach der Geburt a.) Chemisch-physikalische Einflüsse toxisch (=giftig) / Ernährung (Körpergröße) / Verletzungen / Krankheiten / Klima (Hautfarbe) / landschaftlich-geophysische Einflüsse praenataler Bereich 16 Gerhard Merkel, Psychologie Rauchen ( => Körpergröße) Drogen ( => Intelligenz/Hirnschädigung) Entwicklungsverzögerung Contergan ( => Schmerzmittel mit schlimmen Nebenwirkungen, zB Mißbildungen) Röteln ( => körperliche Mißbildungen) perinataler Bereich Sauerstoffmangel Druck auf den Kopf etc. => Hirnschädigung (Zerstörung von Zellen); Motorik, Psychischer Bereich postnataler Bereich toxhischer Einfluß (Alkohol, Drogen) -> debile Kinder von alkoholkranken Eltern Verletzungen Sauerstoffmangel Krankheiten (zB.Meningitis = Hirnhautentzündung) Impfungen => Hirnschädigungen, Sprache, Motorik b.) Soziokulturelle Einflüsse praenataler Bereich Schraml: „Gesamtes Erleben/Verhalten der Mutter, ihre Situation und ihr Milleu beeinflussen das Kind und seine Reifung“ perinataler Bereich interindividuelle Unterschiede Gerburtstrauma ( RANK) Atemnot / Beengtheit (leichte/schwere Geburt) Psychische Situation der Gebärenden (gewollt / ungewollt / soz.Absicherung / Geburtsvorbereitung) postnataler Bereich => Umwelteinflüsse nach der Geburt äußerst zahlreich Beispiele: 1) Hospitalismus (Spitz) -> anaklitische Deprivation (=Anregung) 2) Intelligenz Milleu (Speer) - Kinder von Schwachsinnigen 3) Sprache/Motivation – Umwelt (Bernstein/Heckhausen) restricted code / elaborated code (Oberschicht / Mittelschicht / Unterschicht) 4) Ethnologische Untersuchungen von: Mead Erikson Kardiner Sauberkeitserziehung, Haltung zum Materiellen Sioux-Tanala => es gibt indirekte und direkte Umwelteinflüsse auf die Entwicklung des Verhaltens Aber: Isolierte Betrachtung von Anlage und Umwelt bringt uns nicht weiter 2. Mechanismen der Entwicklung Reifung (Anlage) Lernen (Umwelt) 1. Reifung Reifung ist der genetisch gesteuerte Entwicklungsprozeß a.) Bsp. Für Reifungsvorgänge Entwicklung des Gehirns Sauberkeitserziehung (McGraw) 17 Gerhard Merkel, Psychologie b.) Reifung und Verhaltensentwicklung Schenk / Danzinger Dennis / Dennis Gesell / Thompson Untersuchungen beziehen sich primär auf psychomotorische Bereiche 2. Lernen Lernen ist der Prozeß, durch den Verhalten aufgrund von Interaktionen mit der Umwelt oder Reaktionen auf eine Situation relativ dauerhaft entsteht oder verändert wird, wobei auszuschließen ist, daß diese Veränderungen durch angeborene Reaktionsweisen, Reifungsvorgänge oder vorübergehende Zustände des Organismus (Ermüdung, Rausch) bedingt ist. 18