KUVERUM Lehrgang Kulturvermittlung/Museumspädagogik Logbucheinträge: ‚St. Petersburg’ (Ku 5) 'Was hat mich besonders beeindruckt und löst damit eine Veränderung meiner Einstellung zur Vermittlung aus?' Essenzen Sarah Es ist sehr gut möglich, dass die eine oder andere von euch Frauen, die eigenen Aussagen in ähnlicher Form wiederfindet. Meine Essenz aus der Russlandreise ist geprägt vom Austausch. Essenz: Vermittlung in Russland ist nicht losgelöst von der Ausstellung/vom Ausstellungsinhalt. = abhängig von kuratorischer Arbeit = abhängig von Inhalten Ziel der Vermittlung: Wissen vermitteln, lernen => Lernen wird durch Spiele vereinfacht Bsp. Hermitage, Kunstkamera, Kirow, Magazine Hermitage Ziel (von den beiden Vermittlerinnen in der Kunstkamera und im Magazin erläutert): Staunen. => Staunen über Inhalte: Repräsentation Rückschluss auf die eigene Arbeit: => Lernen von Inhalten steht nicht im Vordergrund => Über die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur soll: - die Wahrnehmung der Sinne geschärft werden - die kritische Auseinandersetzung mit dem Objekt stehen (Inhalt, Kontext, Wahrnehmung) - „Demokratisches“ Denken gefördert werden (kritisches Denken, Einbezug & Auseinandersetzung von/mit verschiedenen Positionen) - Selbstverantwortung gefördert werden (Bewusstsein für das eigene Sein und Tun erlangen, durch kritisches Denken eigene Meinung bilden und diese vertreten) - Bewusster Umgang mit Leben und Umwelt gefördert werden - Ausgangslage das Objekt sein, aber der Mensch im Zentrum stehen Lernen bildet weiter, nicht immer Inhalte Essenzen aus Beobachtungen: => Ziele überdenken. - Bsp. Magazine Hermitage, Blindenprogramm: graben oder Sinn sensibilisieren? => Kritische Auseinandersetzung mit dem verwendeten Material/den Methoden - überdenken, ob es dem Ziel gerecht wird => Umgang mit historischen Inhalten/Geschichte - Objektives Bewusstsein über Funktion der Institution/der Vermittlung als Ort der kritischen Auseinandersetzung => Vermittlung muss sich mit der Vermittlung auseinandersetzen Gallus Die Museumsbesuche in St.Petersburg waren anders. Die Vermittlung lernt im Museum. Will sie das, muss sie das? Sie tut. Reflektiert ist die Vermittlung nicht. Auch die Geschichte des Vermittelten nicht, nicht immer. Bildung setzt lernen voraus. Lernen allein reicht nicht. Vermittlung allein reicht nicht. Die Eigenleistung der Vermittlerin und der lernenden Person ist zentral. Beide müssen reflektieren und regelmässig fragen: Ist das was ich vermittle oder lerne das Richtige. Was bewirke ich damit und kann ich dafür die Verantwortung tragen. Was, wenn nicht? Jeannine Ich schliesse mich Sarahs umfassenden Essenzen an und möchte einer Frage noch einmal Raum geben: Kann es sein, dass wie Eugen sagte, in der Schweiz dem Wissen zu wenig Wert gegeben wird? Wir können lange Eigenständigkeit fördern und fordern, wenn dieser nicht solides Wissen zugrunde liegt, das Entscheidungs-Prozesse unterstützt. Gestern sind die Abstimmungsunterlagen gekommen. Da beginnt es. Wesentlich ist für mich, dass die Lust und das Gefühl von Verantwortung gefördert werden, dass sich jeder einzelne informiert, weiss wo und wie er an Informationen herankommt. Nur so können 1 wir auch der zunehmend emotionalisierten Politik und Medienlandschaft etwas entgegenhalten (Randgedanken dazu: ob diese Tendenz wohl daher kommt, dass effektiv immer wenig Entscheidungen überhaupt noch in der Schweiz gefällt werden? Ist der emotionale Politton Folge einer Hilflosigkeit?) . Für Vermittlung in allen Bereichen heisst das für mich, dass nicht nur das selbständige, kritische Denken, sondern auch die Lust an exaktem Denken gefördert werden soll. Dazu gehört auch transparentes Denken: die Grenzen des Wissens offenlegen, verschiedene Standpunkte durchdenken, Kontext schaffen. Was ich auch mitnehme, sind die Stunden im Kirov Museum und die Begegnung mit diesem Menschen. Da habe ich etwas erlebt, wovon ich wusste, dass es dies gibt auf der Welt, dem ich zuvor aber noch nie begegnet bin: Anna nannte ihn "der Mann ohne Eigenschaften". Wissensvermittlung?! Beatrice Liebe Jeannine Eure Fragestellung ist interessant und auch grundsätzlich. Ich denke tatsächlich auch, dass wir von der Wissensvermittlung allzu viel Angst haben. Abgesehen vom seelenlosen Fakten auswendiglernen lernen, gibt es ja auch Formen, die auch vergnüglich sein können. Zudem, denke ich,erleben bereits Kinder, dass Wissen stark, selbstbewusst und schliesslich freier macht. Ich denke wir drohen Kinder und Jugendliche nicht ganz ernst zu nehmen, wenn wir, neben der Förderunmg der Wahrnehmung, ihnen altersentsprechend nicht die Möglichkeit geben, ihre Beobachtungen zu benennen und ev. in ein Ordnungssystem einzufügen. Der Stolz etwas zu wissen, scheint mir der beste Lernmotivator überhaupt. Dabei bin ich sogar überzeugt, dass seelen- und gehaltvolle Wissensvermittlung auch die emotionale Kompetenz und das Verantwortungsgefühl stärkt, also ebenfalls seinen Betrag zur Entwicklung von interessierten und entscheidungsfähigen Staatsbürgern leistet. Wissen mit Essenzen bereichern Beatriz Sarah und Jeannine denken und schreiben mir aus der Seele. Ihr habt es auch in meinem Sinn auf den Punkt gebracht. Diese Reise hat mir einmal mehr aufgezeigt, dass es für mein Vermittlungsverständnis unheimlich wichtig ist, zu wissen warum ich etwas mache. Was ist meine Motivation, was will ich damit auslösen, bewegen und fo(ö)rdern? Wo und was ist meine Verantwortung? Wann und wie möchte ich diese weitergeben? Wenn St.Petersburg der Anfang war, leere Servietten mit Gedanken und Reflexionen zu beschreiben, hat sich für mich diese Reise gelohnt. Es freut mich ausserordentlich, wenn die Vermittlung sich kritisch und wissenschaftlich mit der Vermittlung auseinandersetzt. (Denke sogar, dass die Vermittlung auch auf politischer Ebene aktiv sein muss). Nun kann etwas Fruchtbares mit E i g e n s c h a f t e n entstehen. Beweglich, nicht starr Michèle Mich hat so Vieles beeindruckt, weil es so anders ist, als was ich kenne und im Alltag erlebe. Die Erlebnisse in Russland waren für mich teilweise eine Reizüberflutung gemischt mit vielen Fragezeichen, Befremdlichem aber auch eine Faszinierendem. Für die Vermittlung bleibt für mich unter vielen anderen Punkten die Tatsache, nicht starr zu sein. Ich möchte auf mein Gegenüber eingehen, einen Dialog suchen und wenn nötig auch zuerst vom Kontext reden um dann die Sache besser rüberzubringen. Vermittlung soll eingebettet daher kommen und Wünsche und Erwartungen müssen geklärt werden. Nicht starr sein, besser beweglich mit Rundumsicht!. 2 beeinDRUCKend Erika Beeindruckt hat mich vieles in verschiedenerlei Hinsicht. Beeindruckend waren die Grösse und die Pracht jedes einzelnen Details dieser Stadt. Beeindruckend war auch das Bewusstsein der Petersburger dessen, was sie haben. Deutlich war hier zu spüren: man will zeigen, was man hat! Wie das vor Ort gelaufen ist, haben wir alle erlebt. Aber wie will ich dies für mich umsetzen? Ich hatte oftmals den Eindruck, dass dadurch, dass man ein bestimmtes Programm durchziehen will, die Flexibilität fehlt, die Bedürfnisse einer Gruppe wahrzunehmen und auf diese einzugehen. Steif und starr wird am Programm festgehalten und aufkommende Wünsche und Bedürfnisse des Publikums auf später vertröstet. Erwartet wird dabei wohl eine gewisse Disziplin seitens des Publikums, vielleicht auch gerade deshalb, um die eigene entgegengebrachte Disziplin bei der strikten Programmplanung zu würdigen. Und an disziplinierten russischen Kindern mangelt es nicht. > Ich möchte mehr Bewegung. Ich möchte einen Dialog mit dem Publikum. Ich möchte wissen, was das Publikum will und welche Erwartungen / Wünsche es hat. Ich selber möchte flexibel genug sein, dies zu erkennen und der Situation entsprechend zu reagieren. Und ich möchte meine eigene Motivation, die hinter der Sache steckt, die ich tue, spüren – täglich neu, damit auch ich in Bewegung bleibe und sich nicht irgendwann verstaubter Routinismus einschleicht! Was man uns entgegengebracht hat, war auch eine Art der Vermittlung. Zwar nicht diejenige, die wir wohl selber gern erlebt hätten, aber doch hat man uns „vermittelt“, was und wie man mit Kindern arbeitet. Für mich nicht ansprechend genug. Gerne hätte ich mehr davon gesehen und selber ausprobiert, als nur die Theorie zu hören. Von daher ist die wirkliche Vermittlungsarbeit sehr schwer zu beurteilen. Vieles wurde uns darüber berichtet, ein reichhaltiges Programm – beeindruckend! Aber wie sieht die Praxis aus? Ein weiterer Punkt, der mich beschäftigt, ist die Einschränkung in der Vermittlungsarbeit durch die grossen Räumlichkeiten und weitläufigen Häuser. So beeindruckend grosse Häuser mit reichen Sammlungen auch sind, so viel man darin auch entdecken kann und so anziehend sie auch wirken – für mich habe ich herausgefunden, dass ich in einem solch grossen Haus nicht arbeiten möchte. Man ist stark eingeschränkt. Kinder können z.B. nicht selbst auf Streifzug geschickt werden. In einem Haus wie der Eremitage oder der Kunstkamera würden sie sich verlaufen oder in Bereiche kommen, die sie nicht betreten dürfen, wie im Magazin der Eremitage. Hier ist die Einschränkung sogar noch deutlicher spürbar durch die sterile und verbarrikadierte Aufmachung, die ständigen schweren Tür-Barrieren, die langen Gänge und dem Wechsel zwischen verschiedenen Stockwerken. Ohne die Anwesenheit der Mütter, wie wir es in der Eremitage gesehen haben, wäre es in einem so grossen und stark besuchten Haus sehr schwierig, die Kindergruppe beisammen zu halten, bei den weiten Strecken, die während einer Stunde zurückgelegt werden. Vielleicht aber ist genau das die Herausforderung für Innovationen in der russischen Vermittlungsarbeit…? Volle Museen Kontext Amanda Besonders beeindruckt hat mich, wie viele Menschen (jung und alt) die Museen besuchen. Museumsbesuche gehören zum Alltag, dürfen kosten und bringen etwas. Museen können auch wie Vereine sein, da bleibt man und verbringt einen Teil des Lebens dort. Es wird nicht langweilig, es geht nicht nur um Spass und Fertigkeiten, wie bei uns Sportlektionen oder Instrumentalunterricht. Die Leute ins Museum zu holen ist schon gegeben, also sollte auch eine tolle, anregende Vermittlung da sein. Vermitteln sollte die Teilnehmenden anregen nachzudenken und die Möglichkeit geben sich bewusster zu werden. Es sollten Möglichkeiten da sein sich selber Meinungen zu bilden, zu entdecken, zu erfahren und kritisch zu hinterfragen zu können. Sicherlich gehört dazu auch ein Teil der Wissensvermittlung, aber kann das Wissen nicht auch selbst entdeckt werden? In Russland war es oft zutexten mit Wissen. Wo bleibt das eigenständige Erfahren und Entdecken. Ich möchte in meiner Vermittlungsarbeit mehr Möglichkeiten selbst nachzudenken, eigenständig entdecken zu können und nicht nur zutexten. Ein Vermittlungsprogramm ist schnell mal gemacht, aber nun für mich auch wichtig zu hinterfragen, was möchte ich damit bewirken, stimmt der Inhalt mit den Zielen überein, ist es nicht nur einfach ein guter Ablauf, gute „Werkzeuge“ mit verschiedenen Sozialformen, ein lässiges Programm… Patricia Was mich berührt hat, ist dass es mir schwer gefallen ist, die Vermittlungsarbeit in Russland, wie wir sie erlebt haben, von einem objektiven Blickwinkel aus zu betrachten. Schnell war man mit Vorgehensweisen nicht einverstanden und hat vielleicht wertvolles übersehen. Der nötige Kontext wurde mir während unseres Gesprächs mit Eugen klarer (danke!). Einige Fragen nehme ich mit: In welchem kulturellen Kontext bewege ich mich? Welche übergreifenden Ziele werden durch diesen Kontext bestimmt und kommen so auch in der Vermittlung zum Vorschein? Demokratie, Werte, Selbständigkeit, Offenheit, Kritik, ... Welche Rolle spielt der Inhalt, das Wissen bei der Vermittlung? Welcher Inhalt ist wissenswert? 3 Dann kommt da noch die Frage nach dem Sinn der Vermittlung. Mir wurde der eigene Kontext klarer, bewusster. Ohne den Kontext zu kennen, ist es auch schwierig dieses rote Ei zu deuten, so spannend! Danke für den Abstand und die interessanten Gespräche rund um die Vermittlung. Nachhall Janine Russland hat mich beeindruckt. Das ist ganz klar fakt. Ich bin nicht euphorisch zurückgekehrt wie nach unserer Londonreise. St. Petersburg, eine besondere Stadt im unermesslich grossen Russland.... Es hallt in mir immer wieder nach, wie stark die Vermittlung in den besuchten Museen geprägt ist, von den Wertvorstellungen ihrer Gesellschaft. Fest beschäftigten mich Themen wie: Kultur als Erbe, Nationalstolz, Geschichte, Politisches System, Hierarchie. - Immer wieder haben wir grosse Kluften erlebt, zwischen dem was gesagt und gezeigt wurde. Waren wir genug nah dran? Wieso haben fast alle Vermittlerinnen ihr einstudiertes Programm hinuntergerattert? Was ist los mit der Geschichtschreibung im Land? Wieso dieser historische Kulturstolz überall? Ich merke auch Russland ist nicht so einfach zu verstehen, St. Petersburg mit seinem Westeuropäischen Touch, ist dennoch anders: 1988 wurde die Russische Avantgarde erstmalig öffentlich gezeigt (hat Irma das erzählt?) - Wahnsinnig, das ergibt eine andere Zeitrechnung. Dann all die Blicke zurück auf die Antiken Mythen und Figuren, aufs 18.,19. Jh. Die spannenden Begegnungen möchte ich noch aufzählen: Wohl gefühlt habe ich mich im Achmatova-Museum beim Gespräch mit der Leiterin im Büro, im "Rahmenzimmer" im Skulpturenmuseum, im Gespräch mit dem Journalisten, bei Diskussionen in der Gruppe, Anna Shibarova und ihre Familie. Schätze trage ich heim: 1m Entfernung zum Orchester während der Ballettaufführung Die schönen Zimmer im Guesthouse von John Das Antarktis Museum mit all seinen wunderbaren, ältlichen Modellen mit Tieren, U-Booten, ... Weihrauchgeruch und Gesänge am Karfreitagsgottesdienst in der Klosterkirche Die freudvolle Begegnung mit der Anna vom Skulpturenmuseum Die Leiterin des Achmatova Museums, die ihr Haus vielmehr zum Forum als zum Personenmuseum macht Kartoffelkauf: 25 Rubel oder 250 Rubel das Kilo - am selben Markt Wissensdusche geduldig Demokratisierung der Kultur Franziska Was ich dort erlebt habe, war das Geduldige der Kinder und Erwachsenen. Sie scheinen unter der Wissensdusche zu stehen und zu warten, bis sie der richtige Strahl trifft. Offen, neugierig. Das muss gar nicht geweckt werden: Geduldig AUF WISSEN WARTEN. SchweizerInnen sind ungeduldig, stellen uns vor die spannendste Düse, aktiv und fordernd. Und dieses nicht didaktisch unterstützte Warten hat mich beeindruckt. Neu möchte ich in der Schweiz solche Gelegenheiten einbauen, für mich und die Beteiligten: WISSENSVERMITTLUNG. Doch in Mischung mit andern Teilen. Und nicht als erstes. Das Entdecken und Erkunden soll weiterhin tragendes Element sein, aber neu dazu kommt russische Ruhe und Wissensteil rein in ein Vermittlungsprogramm als EINE der möglichen METHODEN deklariert. Claudia Eine Begegnung im Flugzeug hat mir nochmals eine andere Seite der russischen Kulturvermittlung gezeigt. Neben mir sass eine junge, attraktive Russin (gar nicht der Streber-Typ), etwa 25 Jahre alt. Sie erzählte mir, dass sie und ihre Freunde und Arbeitskollegen nach der Arbeit häufig in Symphonie-Konzerte gehen. Auch die Hermitage besucht sie regelmässig, am besten gefällt ihr die Gothik-Abteilung. Und in der Schweiz? Wieviele Jugendliche in der Schweiz haben Zugang zur klassischen Kultur? Abgesehen davon, dass sie „uncool“ sind, sind Theater, Oper, klassische Konzerte oder auch Museen bei uns vor allem der Bildungsschicht vorbehalten, Menschen, die häufig durch das Elternhaus oder die klassische Bildung an höheren Schulen Zutritt zu diesen Institutionen erlangten. Mich hat diese „Demokratisierung“ der russischen Kultur beeindruckt und dass die Jungen sich nicht in „Subkulturen“ abgrenzen (müssen). "Unsere Hermitage" - und das obwohl sie riesig und überladen ist. Ob das eine Frage der Mentalität ist („es ist gut, so wie es ist“), Stolz eines Volkes auf sein kulturelles Erbe, oder einfach gelungene Kulturvermittlung, bleibt für mich 4 offen. Jedenfalls wünschte ich mir auch in der Schweiz diesen unbeschwerten und selbstverständlichen Zugang zur Kultur. Cynthia Katharina Irma Bettina Susanna Alexa 'Kuverum 5-Gruppe' Modul 4: Mai 09 Zusammengestellt CS 5