Thema Nr. 9: Der Polymorphismus der Schnirkelschnecke (Cepaea nemoralis) Fragen: 1. Welche Phänotypen treten wo und in welchen Habitaten auf? 2. Wie erklärt sich das Vorhandensein so unterschiedlicher Typen am gleichen Ort? relevante Seiten (u.a.): Das meiste, das für den Vortrag gebraucht wird, finden Sie bereits im ersten Kapitel meines 70-seitigen Grundtextes „Buch-Kap 6_Polymorphismen“ auf S. 23 und 24. Literatur: Jones,J.S. (2009). A key to everything. Lab Times 14-19. Ref ID: 5840 Warum gibt es einen so verbreiteten stark ausgeprägten genetischen Polymorphismus? Historisch wurde dies meist als neutral ohne funktionale Relevanz betrachtet. Beispiel Cepaea: Es gibt in England 20 – 30 verschiedene Morphen in einer Population. Wieso dominiert nicht ein einziger Typ, der am besten angepasst ist? Heute ist bekannt, dass die treibende Kraft die Exposition zur Sonne ist. Cepaea-Schnecken sind Öko-Therme. Zu viel Sonne bedeutet Tod, zu wenig bedeutet, dass sie sich nicht genügend bewegen können und daher verhungern. Eine dunkelfarbige Schale absorbiert mehr Sonne als eine helle. Experimente zeigen, dass sich die unterschiedlichen Genotypen ganz unterschiedlich lange in der Sonne aufhalten. Das Ziel ist offenbar, dass viele Typen eine größere Vielfalt des Habitats bewohnen können. [Fragen: 1. Es scheint ausgeschlossen, dass alle Typen mit ihren unterschiedlichen Sonnenansprüchen alle die exakt gleichen Überlebens- und Fortpflanzungschancen haben. Warum verdrängt der eine Genotyp nicht den anderen? 2. Warum führt die unterschiedliche Einnischung nicht zur assortativen Paarung und damit zur (sympatrischen) Artbildung?] ____________________________________________________________ Eine weitere Arbeit: diese Arbeit hier im Auszug und zusätzlich als Original vorhanden: Anton,C. and Bossdorf,O. (2009). Die geheimnisvolle Vielfalt der Bänderschnecken. Biologie in unserer Zeit 39, 14-15: Wenn an einem warmen Tag leichter Regen fällt, werden sie in Scharen aktiv: Schwarzmündige Bänderschnecken (Cepaea nemoralis) gehen am liebsten auf Partner- oder Nahrungssuche, wenn sie einen nassen Untergrund haben. Der Schleim, auf dem die Schnecken gleiten, ist aufwändig zu produzieren und so ist es nicht verwunderlich, dass die Schnecken diese Kosten gern umgehen und feuchte Untergründe nutzen. Sind die Bedingungen ideal, kann man in Gärten, Parks oder Wäldern oft sehr viele Bänderschnecken auf engstem Raum beobachten. Dabei fällt die große Vielfalt der Gehäuse auf. Die Schalen können gelb, rot oder braun und durch bis zu fünf Bänder gemustert sein. Was sind die Gründe für diese Vielfalt? Biologen erforschen seit Jahrzehnten, ob die Farb- und Bänderungs-Varianten mit der Anpassung an verschiedene Lebensräume und Regionen erklärt werden kann. Variation ist eine Voraussetzung für Evolution. Nur wenn sich Individuen einer Art in bestimmten Merkmalen unterscheiden, diese Unterschiede erblich sind und - je nach Umweltbedingungen - zu unterschiedlichem Fortpflanzungserfolg führen, kann Evolution durch natürliche Selektion stattfinden. Der Zusammenhang zwischen dem Gehäusetyp von C. nemoralis und den auf dieses Merkmal gerichteten Selektions-Faktoren visuelle Selektion durch Fraßfeinde und klimatische Selektion - ist ein Musterbeispiel für Ökologische Genetik. Singdrosseln sind die Hauptfeinde der Bänderschnecke. Die britischen Ökologen Cain und Sheppard vermuteten, dass die Bänderung des Schnecken-Gehäuses in verschiedenen Lebensräumen einen mehr oder minder guten Tarneffekt hat. Um diese Hypothese zu testen, machten sie sich eine Besonderheit im Verhalten der Singdrossel zu Nutze. Die Vögel zerschlagen die Schalen der Schnecken an Steinen und suchen hierzu immer wieder die gleichen Stellen auf. An diesen so genannten „Drosselschmieden" findet man dann die vielen zerbrochenen Gehäuse der Schnecken. Cain und Sheppard verglichen die Häufigkeit der Gehäusetypen an den Drosselschmieden mit der in den umliegenden Wiesen. Sie stellten fest, dass an den Drosselschmieden der Anteil der gebänderten Gehäuse deutlich geringer war und erklärten dies dadurch, dass Singdrosseln die gebänderten Schnecken in der Vegetation schwerer entdecken können als die ungebänderten. Ob C. nemoralis Bänder trägt oder nicht, könnte aus einem zweiten Grund über ihr Schicksal entscheiden: Dunkle Gehäuse absorbieren die Wärmestrahlung, gelbe Gehäuse reflektieren sie stärker. Die Farbe der Gehäuse beeinflusst die Temperatur der darin lebenden Schnecke und somit zum Beispiel, wann sie in den kühlen Morgenstunden aktiv wird. Eine Schnecke mit dunklen Bändern, die mittags an einem Südhang kriecht, riskiert den Hitzetod. Bänderschnecken mit dunklen Schalen sind daher vor allem in Wäldern und an anderen schattigen Standorten zu finden. Cepaea nemoralis hat ein großes Verbreitungsgebiet, das sich von Norwegen bis nach Spanien erstreckt und von der Küste bis in die Alpen Höhenunterschiede von 1200 Metern abdeckt. Man findet C. nemoralis in so unterschiedlichen Lebensräumen wie Dünen, Wiesen oder Wäldern. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Vielfalt der Lebensräume und der innerartlichen Vielfalt von C. nemoralis? Bis heute haben Wissenschaftler keine schlüssige Antwort auf diese Frage. Zwar konnte in einzelnen Populationen der Einfluss von visueller und klimatischer Selektion auf die Zusammensetzung der Gehäusetypen gezeigt werden. Betrachtet man jedoch die Vielfalt der Bänderschnecken auf einer größeren Skala, dann ergibt sich ein komplexeres Bild. So dominiert zum Beispiel in manchen Regionen ohne erkennbaren Grund eine bestimmte Gehäuse-Variante. Um diese und andere biogeografische Rätsel zu lösen, und um den Einfluss der Klimaerwärmung auf die Bänderschnecken zu verstehen, haben Evolutionsbiologen aus ganz Europa nun das Projekt „Evolution Megalab" gestartet, an dem alle Natur-Interessierten teilnehmen können (siehe Kasten).