Das Bild des Kaisers Augustus in zeitgenössischen Dokumenten

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Universität Regensburg
Lehrstuhl für Alte Geschichte
Dr. Babett Edelmann
Wintersemester 2007/08
Do 16-18
Quellenübung
Das Bild des Kaisers Augustus in zeitgenössischen Dokumenten
08.11.07 - Der Tatenbericht des Augustus
Bitte besorgen Sie sich eine Ausgabe des Tatenberichts bis zur zweiten Sitzung!
z.B. Augustus, Res gestae. Tatenbericht (Monumentum Ancyranum), lat., griech., dt.,
übersetzt, kommentiert und herausgegeben von Marion Giebel, Stuttgart 1999. (Reclam)
22.11.07 – Jugend und Aufstieg des Octavian / Augustus
Nikolaos von Damaskus, Über das Leben und die Erziehung von Caesar Augustus I-XV
I (1) Die Menschen haben ihn so genannt zur Würdigung seines Ansehens und verehren ihn in
Tempeln und mit Opfern, auf Inseln und auf Kontinenten, in Städten und unter Völkern, und
vergelten ihm so seine Größe und die ihnen erwiesene Wohltätigkeit. Denn nachdem dieser
Mann den Gipfel der Macht und der Klugheit erreicht hatte, herrschte er über so viele
Menschen wie noch nie jemand seit Menschengedenken, und er zog die am weitesten
entfernten Grenzen, die die Römer je gehabt haben. Er gab nicht nur den Stämmen sowohl der
Griechen als auch der Barbaren eine ganz feste Ordnung, sondern er gewann auch ihre
Zuneigung, zuerst mit Waffengewalt, dann aber auch ohne Waffen, und zog sie willig auf
seine Seite, weil sein mildes Wesen für sie besser erkennbar wurde, und er brachte sie dazu,
auf ihn zu hören. Stämme wurden unterworfen, deren Namen die Menschen vorher noch nie
gehört hatten und die seit Menschengedenken niemals jemandem untertan gewesen waren,
sowohl diesseits des Rheins als auch jenseits des Ionischen Meeres, und die illyrischen
Stämme – man nennt sie Pannonier und Daker. (siehe dazu den Band »Über Heldentaten«)
II (2) Die Mächtigkeit der Klugheit und Tüchtigkeit dieses Mannes so gut wie möglich zu
schildern, sowohl im Bereich der Staatsführung in Rom wie auch in der Führung des Heeres
in großen Kriegen gegen innere wie auch gegen äußere Feinde, das ist die Vorlage für ein
rhetorisches und literarisches Kabinettstück, mit dem man sehr berühmt werden kann. Auch
ich werde seine Taten schildern, damit alle die historische Wahrheit erkennen können. Zuerst
aber will ich über seine Herkunft sprechen, über seine Anlagen, über seine leiblichen Eltern,
über die Umstände seines Aufwachsens von frühester Jugend an, und über seine Erziehung,
durch die er ein so bedeutender Mann wurde.
(3) Sein Vater war C. Octavius, ein Mann senatorischen Standes. Seine Vorfahren, die wegen
ihres Reichtums und wegen ihres anständigen Lebenswandels sehr angesehen waren,
hinterließen dem Verwaisten ihr Vermögen. Die eingesetzten Vormünder unterschlugen das
Geld; er aber nahm Abstand davon, seine Rechtsansprüche gegen sie durchzusetzen und gab
sich mit dem zufrieden, was übrig war.
III (4) Als Octavian etwa neun Jahre alt war, erregte er bei den Römern kein geringes
Aufsehen, da er in so jungen Jahren eine hohe Begabung erkennen ließ. Großen Beifall gab es
bei den Erwachsenen, als er vor zahlreichem Publikum eine Rede hielt. (5) Nach dem Tod der
Großmutter wuchs er bei seiner Mutter Atia und ihrem Gatten Lucius Philippus auf, der ein
Nachkomme derer war, die den Makedonen Philipp bezwungen hatten. Bei Philippus wuchs
Octavian wie bei einem Vater auf und weckte viele Hoffnungen; schon damals beeindruckte
er die vornehmsten seiner Altersgenossen. Sehr viele suchten seinen Umgang, und nicht
wenige von den jungen Männern, die sich Hoffnung auf eine politische Laufbahn machen
konnten. Täglich begleiteten ihn viele Jünglinge, Männer und Knaben seines Alters, sei es,
daß er sich zu Reitübungen außerhalb der Stadt begab, oder Verwandte oder andere Leute
besuchte. (6) Denn er übte sowohl seinen Geist in den schönsten Studien als auch seinen
Körper mit tüchtigen und militärischen Übungen. Seine Auffassungsgabe bei solchen
Aufgaben war schneller als die seiner Lehrer, so dass er dadurch in Rom viel Anerkennung
erhielt. Seine Mutter und ihr Mann Philippus kümmerten sich sehr um ihn. Jeden Tag fragten
sie die Lehrer und Beschützer, die sie dem Jungen gegeben hatten, was er getan habe, wohin
er gegangen sei, und wie und mit wem er den Tag verbracht habe.
IV (7) Als der Bürgerkrieg auf Rom übergriff, schickten die Mutter Atia und Philippus
Octavian auf eines seiner väterlichen Güter. (8) Er betrat das Forum, als er ungefähr vierzehn
Jahre alt war, um die toga praetexta abzulegen und dafür die weiße Toga anzulegen, das
Zeichen für die Aufnahme unter die Erwachsenen. (9) Das ganze Volk bestaunte ihn wegen
seines stattlichen Aussehens und des Glanzes seines Adels, als er anstelle des verstorbenen
Lucius Domitius unter die Pontifices aufgenommen wurde. Das Volk hatte bereitwillig für ihn
gestimmt. So opferte er, nach dem Wechsel seiner Toga und ausgezeichnet mit dem schönsten
2
Ehrenamt, den Göttern. (10) Obwohl er dem Gesetz nach unter die Männer aufgenommen
worden war, hinderte ihn seine Mutter daran, außer Haus zu gehen – es sei denn dorthin,
wohin er auch früher als Knabe gegangen war. Sie hielt ihn zur selben Lebensführung wie
bisher an, und er musste in demselben Raum wie vorher schlafen. Nur dem Gesetz nach war
er ein Mann, aber sonst wurde er behandelt wie ein Knabe. (11) Seine Kleidung änderte er
nicht in der geringsten Hinsicht, sondern hielt sich immer an die überkommene Tracht.
V (12) Auch die Tempel besuchte er an den üblichen Tagen, aber wegen der ihm eigenen
Anmut nur des Nachts, da viele Frauen ganz außer sich waren wegen seiner angenehmen
Erscheinung und seines glänzenden Adels. Obwohl sie ihm alle nachstellten, erwies er sich
als nicht verführbar. Einerseits schützte ihn seine Mutter und ließ ihn nicht aus den Augen,
und andererseits war er auch selbst schon besonnen, da er ja älter wurde. (13) Als die Feriae
Latinae bevorstanden, bei denen auch die Konsuln wegen des hergebrachten Opfers zum
Albanerberg gehen müssen und die Pontifices ihre Stellvertreter in der Rechtsprechung sind,
nahm Octavian inmitten des Forums auf dem Tribunal Platz. Sehr viele Menschen traten mit
Rechtsfragen an ihn heran, viele aber auch, ohne ein rechtliches Problem zu haben, sondern
nur, um den jungen Mann zu sehen: Denn für alle war er sehenswert, und damals besonders
wegen seines würdevollen Auftretens und seines Ansehens.
VI (14) Caesar hatte bereits seine Gegner in Europa bezwungen, über Pompeius in
Makedonien gesiegt und hatte Ägypten eingenommen, war aus Syrien und aus dem
Schwarzmeergebiet zurückgekehrt, und wollte nach Libyen aufbrechen, um die Reste des dort
noch bestehenden Krieges zu beenden. Der junge Caesar wollte ihn auf diesem Feldzug
begleiten, um auch militärische Erfahrungen zu sammeln. Als er aber bemerkte, dass seine
Mutter Atia dagegen war, widersprach er ihr nicht und schwieg stille. (15) Es war klar, dass
auch der ältere Caesar ihn aus Fürsorge nicht in den Krieg ziehen lassen wollte, damit er seine
Lebensweise angesichts seiner schwachen Konstitution nicht ändern müsse und sich sein
gesamtes Befinden nicht verschlechtere. Deswegen wurde er von der Teilnahme am Feldzug
freigestellt.
VII (16) Nachdem Caesar auch jenen Krieg beendet hatte, kehrte er nach Rom zurück; nur
sehr wenigen der in seine Hände geratenen Kriegsgefangenen hatte er verziehen, weil sie in
den früheren Kämpfen nicht zur Vernunft gekommen waren. Da ereignete sich Folgendes.
Agrippa war ein enger Vertrauter und Freund des jungen Caesar, mit ihm zusammen erzogen
und ihm kameradschaftlich ganz eng verbunden. Dessen Bruder hielt sich bei Cato auf; er war
von Cato sehr freundschaftlich behandelt worden und hatte am afrikanischen Feldzug
teilgenommen; jetzt befand er sich in Kriegsgefangenschaft. Obwohl Octavian bisher noch nie
etwas von Caesar erbeten hatte, wollte er um seine Freilassung bitten, zögerte aber aus
Respekt; zugleich sah er, wie Caesars Stimmung gegenüber den in jenem Feldzug
Gefangenen war. Als er Mut gefasst hatte, bat er um die Freilassung und erhielt sie. Darüber
war er sehr erfreut, denn er hatte den Bruder seines Freundes gerettet; auch von den anderen
wurde er gepriesen dafür, dass er seinen Ehrgeiz und seine Möglichkeit des Zugangs zu
Caesar für nichts eher eingesetzt hatte als für die Rettung eines Freundes.
VIII (17) Danach feierte Caesar seine Triumphe für den Feldzug in Afrika und die übrigen
von ihm geführten Kriege. Octavian, den er bereits zu seinem Sohn gemacht hatte, was er –
als sein nächster Verwandter – in gewisser Weise ja auch wirklich war, wies er an, seinem
eigenen Triumphwagen zu folgen, geschmückt mit militärischen Auszeichnungen, als ob er
sein Zeitgenosse in diesem Feldzug gewesen sei. In gleicher Weise durfte er auch bei den
Opfern und bei den Prozessionen zu Ehren der Götter ganz in seiner Nähe stehen, und die
übrigen erhielten den Befehl, ihm den Vortritt zu lassen. (18) Caesar hatte damals schon das
Amt eines Dictators inne, das höchste, das es nach römischem Herkommen gab, und stand in
seinem Vaterland in sehr hohem Ansehen. Der junge Mann war sowohl in den Theatern als
auch bei den Banketten an seiner Seite; er bemerkte, wie Caesar sich mit ihm so freundlich
wie mit einem eigenen Kind unterhielt, und gewann auf diese Weise ein wenig
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Selbstvertrauen, da ihn viele Freunde und Mitbürger darum baten, Caesar um etwas zu
ersuchen, was sie jeweils brauchten. Er hatte Erfolg bei den meisten Bitten, da er darauf
achtete, weder zur Unzeit vorzusprechen noch dann, wenn es Caesar hätte lästig sein können.
Er gab auf diese Weise nicht wenige glänzende Proben sowohl von Hilfsbereitschaft als auch
von angeborener Klugheit.
IX (19) Caesar wollte ihm auch Erfahrung bei der Ausrichtung von solchen Spielen
verschaffen; es gab zwei Theater, ein römisches, in dem er selbst die Aufsicht führte, und ein
anderes, das griechische, dessen Ausrichtung er Octavian übertrug. Er gab sich große Mühe,
seine Sorgfalt und seine Leutseligkeit dadurch zu zeigen, dass er auch an den heißesten Tagen
mit den längsten Spielen niemals seinen Platz verließ, bevor er nicht die Veranstaltung für
beendet erklärt hatte. Er wurde krank, weil er jung und solche Anstrengungen nicht gewöhnt
war. (20) Es ging ihm schlecht, und alle waren in großer Sorge, dass seine schwache
Gesundheit dadurch einen Schaden erleiden würde, am meisten von allen Caesar. Täglich war
er deshalb entweder selbst bei ihm und munterte ihn auf, oder er schickte Freunde, und den
Ärzten erlaubte er nicht, sich zu entfernen. Und als er einmal speiste, meldete jemand, dass
Octavian bewusstlos geworden sei und es ihm schlecht gehe. Da sprang Caesar auf und eilte
ohne seine Schuhe dorthin, wo der Kranke gepflegt wurde. Von den Ärzten erbat er voller
Sorge und ganz leidenschaftlich Auskunft und setzte sich zu ihm. Nachdem Octavian sich
wieder erholt hatte, war Caesar heiterer Stimmung.
X (21). Als er sich von der Krankheit erholt hatte und dieser Gefahr entronnen war, auch
wenn er sich immer noch körperlich schwach fühlte, musste Caesar wieder in den Krieg,
wozu er auch den Knaben schon vorher hatte mitnehmen wollen; Octavian war damals wegen
seiner Erkrankung nicht dazu imstande. Caesar ließ ihn unter der Obhut von vielen Dienern
zurück, die ihn bei einer genau geregelten Lebensführung beaufsichtigen sollten, und gab den
Befehl, er solle ihm nach seiner Genesung folgen; dann eilte er auf den Kriegsschauplatz.
Denn der älteste Sohn von Pompeius Magnus hatte in kurzer Zeit und wider Erwarten ein
großes Heer in der Absicht versammelt, seinen Vater zu rächen und nach Möglichkeit dessen
Niederlage wieder wettzumachen. (22) In Rom zurückgelassen, kümmerte sich Octavian
zunächst energisch um seinen Körper und genas schnell; danach trat er die Reise aus der
Heimat zum Heer an, der Weisung seines Onkels entsprechend – so nämlich nannte er ihn.
Viele hatten wegen der Größe der in ihn gesetzten Erwartungen den Wunsch, mit ihm
zusammen zu reisen, doch wies er alle zurück, sogar seine Mutter, wählte die flinkesten und
stärksten seiner Diener aus und beschleunigte seine Reise. Er legte die lange Strecke mit
unglaublicher Geschwindigkeit zurück und näherte sich Caesar, der damals schon den Krieg
innerhalb von sieben Monaten beendet hatte.
XI. (23) Als er in Tarraco eintraf, wollte keiner glauben, dass er in solchem Kriegsgetümmel
habe ankommen können. Da er Caesar dort nicht mehr antraf, nahm er noch mehr Mühen und
Gefahren auf sich. Er erreichte Caesar in Spanien bei der Stadt Calpia. (24) . Caesar umarmte
ihn wie einen Sohn und hieß ihn willkommen, hatte er ihn doch krank zurückgelassen und sah
ihn jetzt unerwartet wieder, nach der Überwindung vieler Gefahren, die vom Krieg und von
Räubern drohten. Er ließ ihn nicht mehr fort und behielt ihn in seiner unmittelbaren
Umgebung. Caesar lobte auch seinen Eifer und seine Anstrengung, dass er als erster von
denen angekommen war, die Rom verlassen hatten, und er legte Wert darauf, sich mit ihm
über vieles zu unterhalten und ihn auszufragen, um seine Begabung auf die Probe zu stellen.
Als Caesar erkannte, dass Octavian treffsicher, verständig und prägnant im Ausdruck war und
immer die passendsten Antworten gab, schloss er ihn in sein Herz und mochte ihn sehr. (25)
Danach wurde es erforderlich, nach Carthago Nova zu segeln; es wurde ihm befohlen,
zusammen mit fünf Sklaven dasselbe Schiff wie Caesar zu besteigen. Er selbst aber ließ aus
Zuneigung noch drei Freunde zusätzlich zu den Sklaven einsteigen und befürchtete, Caesar
würde ihn tadeln, wenn er dies erführe. Aber das Gegenteil war der Fall: Caesar freute sich
darüber, dass er ein treuer Freund sei und lobte seinen Wunsch, stets Männer, die sich um
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wackeres Verhalten bemühten, als Zeugen für all sein Tun um sich zu haben, und dass er
bereits jetzt großen Wert auf einen guten Ruf in der Heimat legte.
XII (26) Caesar kam also nach Carthago Nova, um mit denen zusammenzutreffen, die ihn
brauchten. Viele waren gekommen; die einen waren da wegen gerichtlicher Entscheidungen
über Streitfalle, die sie mit anderen hatten, die anderen kamen zur Klärung von
Verwaltungsfragen, und wieder andere kamen, um womöglich Auszeichnungen für ihre Taten
zu erhalten. Auch viele führende Persönlichkeiten aus anderen Städten waren dort
versammelt. (27) Die Saguntiner, die schweren Beschuldigungen ausgesetzt waren und
deshalb Hilfe brauchten, hatten bei Octavian Zuflucht gesucht. Er nahm sich ihrer an, und da
er gegenüber Caesar in öffentlicher Verhandlung sehr gut argumentierte, entlastete er sie von
den Vorwürfen und schickte sie in freudiger Stimmung nach Hause. Allen Leuten gegenüber
priesen sie ihn und nannten ihn ihren Retter. Deswegen strömten viele Leute zu ihm, um
seinen Schutz zu erbitten. Um diese Leute erwarb er sich große Verdienste, indem er die einen
von ihren Anklagen befreite, für die anderen Belohnungen erbat, und wieder anderen Ämter
verschaffte. Seine Milde, seine Freundlichkeit und seine Klugheit bei den Verhandlungen
waren in aller Munde. Caesar selbst ...
XIII (28) ... [vermied er es, Silbergeschirr anders als dem] überkommenen Brauch
entsprechend zu benutzen, noch bewegte er sich in Gesellschaft von trinkfreudigen jungen
Männern; bei Banketten hielt er sich niemals länger auf als bis zum Abend, und er nahm
keine Mahlzeit ein vor der zehnten Stunde, außer bei Caesar, Philippus oder bei Marcellus,
der seine Schwester geheiratet hatte, einem sehr besonnenen Mann vornehmster Herkunft
unter den Römern. (29) Das zurückhaltende Wesen, das sich für ein solches Alter schickt, wie
man annehmen darf – denn den anderen Tugenden ist erst in der Zeit danach ein Platz von der
Natur eingeräumt – stellte er sehr deutlich während seines übrigen Lebens auch bei seinen
Taten unter Beweis. (30) Deswegen schätzte Caesar ihn auch über alles und nicht, wie
manche glauben, allein aufgrund der Verwandtschaft. Er hatte sich freilich auch früher dazu
entschieden, ihn zu seinem Sohn zu machen, doch fürchtete er, er könne in der Hoffnung auf
eine solche Zukunft hoffärtig werden – das pflegt bei denen einzutreten, die, wenn sie im
Wohlstand aufwachsen, den Anstand vergessen und ihren Lebenswandel ändern. Deswegen
verbarg er seine Entscheidung und machte ihn erst im Testament zu seinem Sohn, da er keine
männlichen Nachkommen hatte, und er ernannte ihn zum Erben seines gesamten Vermögens.
Ein Viertel des Barvermögens verteilte er an andere Freunde und an die Bürger, was später
bekannt wurde.
XIV (31) Er bat ihn, zu seiner Mutter nach Hause fahren zu dürfen, und reiste nach der
Erlaubnis durch Caesar eilends dorthin. (32) Als er am Ianiculum war, nicht weit von Rom,
kam ihm der sogenannte Sohn des C. Marius mit großem Gefolge entgegen, der sich darum
bemühte, in die Familie aufgenommen zu werden; er hatte einige Frauen aus dem Haushalt
Caesars gewonnen, die ihm seine vornehme Abkunft bestätigten. Aber weder Atia noch deren
Schwester hatte er dazu bringen können, etwas Falsches über ihre Familie zu sagen. Die
Familie Caesars war nämlich verwandt mit der des Marius, jener junge Mann gehörte freilich
überhaupt nicht dazu. Damals kam er ihm mit großem Gefolge entgegen und bemühte sich
sehr, auch die Zustimmung des jungen Caesar für seine Aufnahme in die Familie zu
gewinnen. Viel Eifer für ihn gab es von den Bürgern in seiner Begleitung, die davon
überzeugt waren, dass er ein Sohn des Marius sei. (33) Octavian war in schrecklicher
Verlegenheit und überlegte, was zu tun sei. Ihn, dessen Herkunft ihm nicht bekannt war und
den seine Mutter auch nicht mit ihrem Zeugnis unterstützte, wie einen Verwandten zu
begrüßen, war unpassend; andererseits war es unangenehm für ihn, der sonst von höflicher
Zurückhaltung war, den jungen Mann und die vielen Bürger um ihn herum schroff
abzuweisen. Er distanzierte sich vorsichtig von ihm und antwortete, dass Caesar für alle das
Oberhaupt der Familie sei, der Schutzherr des Vaterlandes und des ganzen römischen
Reiches. Er müsse zu Caesar gehen und ihm seine Zugehörigkeit zur Familie erklären, und
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wenn er ihn überzeugt habe, würden auch alle anderen Mitglieder der Familie überzeugt sein,
wenn aber nicht, dann gäbe es für sie keine Gemeinsamkeit mit ihm. In der Zwischenzeit,
bevor Caesar davon unterrichtet sei, solle er weder an ihn herantreten noch irgendwelche
Ansprüche aufgrund seiner Verwandtschaft stellen. Diese verständige Antwort lobten die
Umstehenden; nichtsdestoweniger gab der junge Mann ihm das Geleit bis zu seinem Hause.
XV (34) Als er nach Rom kam, wohnte er in der Nähe des Hauses von Philippus und seiner
Mutter und verbrachte seine Zeit mit ihnen zusammen; nur dann war er nicht bei ihnen, wenn
er selbst einmal einige seiner Altersgenossen als Gäste bewirten wollte. Dies war aber nur
selten der Fall. (35) Während seines Aufenthaltes in der Stadt wurde er vom Senat zum
Patrizier gemacht.
(36) Der junge Caesar trank nicht und lebte maßvoll; auch etwas anderes, bewundernswertes
wussten seine Freunde: In einem Alter nämlich, in dem die jungen Männer am meisten
überschäumen vor Kraft, und unter ihnen ganz besonders die wohlhabenden, enthielt er sich
ein ganzes Jahr lang jeder sexuellen Betätigung und sorgte damit sowohl für seine Stimme als
auch für seine Körperkraft.
Cassius Dio, Römische Geschichte 45, 1-9
1 (1) [44 v. Chr.] So viel über die Tätigkeit des Antonius. Gaius Octavius Caepias – das war
sein Name als Sohn von Caesars Nichte Attia – stammte aus Velitrae im Volskerland und
hatte nach dem Verlust des Vaters Octavius im Hause seiner Mutter und ihres Gemahls Ludus
Philippus seine Erziehung erhalten, lebte aber dann, nachdem er herangewachsen war, im
Hause Caesars. (2) Denn Caesar, der selbst keine Kinder hatte und große Stücke auf den
jungen Mann hielt, liebte und hegte ihn und wollte ihn als Erben seines Namens, seiner Macht
und Alleinherrschaft hinterlassen. Großen Einfluss übte dabei auf ihn Attias nachdrückliche
Erklärung, sie habe das Kind von Apollo empfangen; denn als sie einmal in seinem Tempel
schlief, meinte sie, wie sie sagte, mit einer Schlange Verkehr zu haben, und dies war der
Grund, dass sie am Ende der entsprechenden Zeit einen Sohn gebar. (3) Bevor aber dieser das
Licht der Welt erblickte, glaubte sie im Traum zu sehen, wie ihr Leib zum Himmel
emporgetragen wurde und sich über die ganze Erde hin ausdehnte; und in der gleichen Nacht
dachte Octavius, dass die Sonne über ihrem Schoße aufgegangen sei. Das Kind aber war
kaum geboren, als ihm der Senator Negidius Figulus sogleich die absolute Herrschaft
prophezeite. (4) Am genauesten von seinen Zeitgenossen konnte nämlich dieser Mann die
Ordnung des Himmels und die Unterschiede zwischen den Sternen bezeichnen, was sie alles
für sich allein oder beisammen, durch ihre Konjunktionen oder Abstände bewirken, und hatte
sich dadurch in Verruf gebracht, als übe er irgendwelche verbotenen Künste aus. (5) Dieser
Negidius Figulus nun traf damals den Octavius, der sich wegen der Geburt seines Sohnes
etwas im Senat verspätet hatte – es fand nämlich gerade Sitzung statt –, und fragte ihn nach
dem Grunde seines Zuspätkommens. Sowie er ihn vernahm, rief er mit lauter Stimme: „Einen
Gebieter über uns hast du gezeugt!“ Octavius erschrak heftig darüber und wollte schon das
Kind töten, doch Negidius hielt ihn davon ab mit der Bemerkung, der Kleine könne
unmöglich solch ein Schicksal erleiden.
2 (1) So erzählte man damals von ihm. Während dann das Kind auf dem Lande aufwuchs,
entriss ein Adler seinen Händen ein Brot und stieg damit in die Höhe, senkte sich aber wieder
zur Erde nieder und gab es ihm zurück. (2) Als Octavius schon ein Knabe war und sich in
Rom aufhielt, träumte einmal Cicero, der Junge sei an goldenen Ketten vom Himmel auf das
Kapitol herabgelassen worden und habe von Iuppiter eine Peitsche erhalten. Er wusste nicht,
wer der Knabe war, doch als er ihm tags darauf auf dem Kapitol selbst begegnete, erkannte er
ihn und erzählte den Anwesenden sein Traumgesicht. (3) Catulus, der ebenfalls Octavius noch
nie gesehen hatte, meinte im Schlaf, alle vornehmen Knaben seien in feierlicher Prozession
auf dem Kapitol zu Iuppiter hingetreten, und der Gott habe bei der Zeremonie so etwas wie
ein Bild der Stadt Rom jenem Jungen in den Schoß geworfen. (4) Darüber erschrocken, stieg
6
Catulus zum Kapitol empor, um zum Gott zu beten, und fand dort Octavius, der aus
irgendeinem Grunde heraufgekommen war. Nun verglich er dessen Aussehen mit dem
Traumbild und überzeugte sich von der Richtigkeit des ihm zuteil gewordenen Gesichtes. (5)
Als Octavius, in der Folgezeit herangereift, in den Kreis der Jünglinge trat und
Männerkleidung anlegte, zerriss seine Tunika auf beiden Seiten von den Schultern ab und fiel
auf seine Füße herunter. Nun kündete zwar das Ereignis an sich nicht nur nichts Gutes als
Vorzeichen, sondern betrübte auch die Anwesenden, weil es sich gerade beim ersten Anlegen
der Männerkleidung zugetragen hatte; doch da kam Octavius die Bemerkung über die Lippen:
(6) „Ich werde also die ganze senatorische Würde unter meinen Füßen haben!“, und der
Ausgang bestätigte sein Wort. (7) Auf Grund dieser Beobachtungen setzte Caesar große
Hoffnungen auf ihn, nahm ihn unter die Patrizier auf und schulte ihn fürs Regieren, indem er
ihn sorgfältig in allen Künsten unterwies, die ein Mann besitzen muss, der dazu bestimmt
war, eine so gewaltige Macht gut und würdig auszuüben. (8) Er wurde nämlich in der
Redekunst ausgebildet, nicht nur in der lateinischen, sondern auch in der griechischen
Sprache, nachdrücklich im Kriegsdienst geübt und ebenso gründlich in die Politik wie in die
Kunst des Herrschens eingeführt.
3 (1) Dieser Octavius hielt sich nun damals, als Caesar ermordet wurde, gerade in Apollonia
am Ionischen Golfe auf, um seine Ausbildung zu vervollkommnen; er war nämlich im
Hinblick auf Caesars geplanten Partherkrieg dorthin vorausgeschickt worden. Als er hörte,
was geschehen war, fühlte er natürlich tiefen Schmerz, wagte aber nicht sogleich einen
Umsturz einzuleiten; wusste er ja noch nichts von seiner Adoption durch Caesar und seiner
Benennung als Erbe und musste überdies den ersten Meldungen entnehmen, dass das Volk
wegen des Ereignisses einer Meinung sei. (2) Sowie er aber nach Brundisium übergefahren
war und zugleich vom Testament wie auch von der Sinnesänderung des Volkes Kenntnis
erhalten hatte, wollte er von keinem Aufschub mehr wissen, zumal er über große Geldmittel
und zahlreiche Soldaten verfügte, die mit ihm zusammen vorausgeschickt worden waren. Er
nahm jetzt sogleich den Namen Caesar an, trat in sein Erbe ein und beschäftigte sich mit
öffentlichen Angelegenheiten.
4 (1) Damals hatten einige von ihm den Eindruck, er habe bei seinem Vorgehen voreilig und
verwegen gehandelt, späterhin jedoch erwarb er sich dank seinem Glück und seinen Erfolgen
durch diese Tat den Ruf der Tapferkeit. (2) Denn oftmals schon haben Leute, die sich
unbedacht auf Unternehmen einließen, dadurch dass sie mit ihnen erfolgreich ans Ziel kamen,
den Ruhm guter Urteilsfähigkeit erworben, während andere sich trotz bester Wahl ihrer Mittel
den Vorwurf der Torheit zuzogen, weil sie eben nicht das Glück hatten, ihre Pläne zu
verwirklichen. (3) Auch Octavius handelte in einer unsicheren und gefahrvollen Lage; denn
mit seinen achtzehn Jahren war er eben erst dem Knabenalter entwachsen und musste sehen,
dass seine Nachfolge in Erbschaft und Familie Neid und Tadel weckte; gleichwohl ging er auf
Ziele aus, derentwegen Caesar ermordet worden war, ohne dass man die Tat bestrafte, und
fürchtete auch weder seine Mörder noch Antonius und Lepidus. (4) Trotzdem glaubte man
nicht von ihm, dass er schlecht beraten gewesen sei, weil er sich eben als erfolgreich zeigte.
Der Himmel aber kündigte unverhüllt die ganze Verwirrung an, die den Römern daraus
erwachsen sollte. Als nämlich Octavius Rom betrat, umspannte ein großer, bunter
Regenbogen die ganze Sonne.
5 (1) So griff denn er, der früher Octavius, damals aber schon Caesar und später Augustus
hieß, in die Politik ein und meisterte und lenkte sie kraftvoller als jeder Mann in der Blüte
seiner Jahre und klüger als jeder Graukopf. (2) Zunächst kam er nämlich, so als wollte er nur
sein Erbe antreten, ganz Privatmann und mit nur wenigen Begleitern und ohne irgendwelchen
Prunk in die Stadt. Des weiteren richtete er gegen niemand Drohungen und ließ auch nicht
erkennen, dass er über die Geschehnisse empört sei und dafür Rache nehmen wolle. (3)
Antonius gegenüber verzichtete er nicht nur auf die Rückgabe der Gelder, die er zuvor
geraubt hatte, sondern machte ihm sogar noch den Hof, wiewohl er von ihm schlecht und
7
ungerecht behandelt wurde. Denn in Wort und Tat fügte ihm Antonius viele Kränkungen zu,
vor allem bei der Einbringung der lex curiata, nach der die Aufnahme des Octavius in die
Familie Caesars erfolgen sollte. (4) Zum Schein tat er nämlich selbst nur so, als bemühe er
sich um diese Angelegenheit, sorgte aber mit Hilfe einiger Volkstribunen immer wieder für
ihren Aufschub, damit Octavius, noch nicht gesetzlich als Sohn Caesars anerkannt, über
dessen Vermögen nicht verfügen könne und so auch in seinen sonstigen Unternehmungen
geschwächt sei.
6 (1) Caesar war über dieses Vorgehen natürlich ungehalten, fügte sich aber, da er ja kein
freies Wort ohne Gefahr aussprechen konnte, so lange drein, bis er die Masse für sich
gewonnen hatte, durch die, wie er wusste, sein Vater emporgekommen war. (2) Denn es war
ihm bekannt, dass die Masse über Caesars Tod erbittert war, er hegte daher die Hoffnung,
dass die Leute auch ihm als seinem Sohn ihre Neigung schenken würden. Weiterhin spürte er,
dass sie Antonius wegen seines Benehmens als magister equitum und auch wegen der von
ihm unterlassenen Strafverfolgung gegenüber den Caesarmördern hassten. Daher versuchte
Octavius, Volkstribun zu werden, um so einen Ausgangspunkt zur Führung des Volkes und
die aus dem Amt entspringende Macht zu gewinnen. (3) Er trat denn als Bewerber um die
verwaiste Stelle des Cinna auf, wurde jedoch durch die Anhänger des Antonius daran
gehindert. Gleichwohl gab er sich nicht zufrieden, zog vielmehr den Volkstribunen Tiberius
Cannutius auf seine Seite und ließ sich durch ihn dem Volke vorstellen. Und indem er das von
Caesar hinterlassene Geschenk als Vorwand benutzte, richtete er passende Worte an das Volk,
versprach ihm die sofortige Ausbezahlung des Geldes und erweckte bei den Leuten noch viele
weitere Hoffnungen. (4) Danach kam das Fest (aus Anlass) der Vollendung des
Venustempels. Einige hatten noch zu Lebzeiten Caesars seine Durchführung versprochen,
begnügten sich aber jetzt mit einer recht bescheidenen Art, wie sie es auch bei den
Zirkusspielen gelegentlich der Parilien machten; nun richtete Octavius, um die Gunst des
Volkes zu gewinnen, die Feier auf eigene Kosten aus und erklärte dies aus familiären
Gründen als persönliche Verpflichtung. (5) Damals ließ er weder den vergoldeten Stuhl
Caesars noch seinen mit Edelsteinen verzierten Kranz, wie es seinerzeit gesetzlich genehmigt
worden war, in das Theater bringen, und zwar aus Furcht vor Antonius.
7 (1) Als aber ein gewisser Stern an all jenen Tagen von Norden nach Westen erschien, den
einige als Kometen bezeichneten und dabei behaupteten, er kündige nur die gewöhnlichen
Ereignisse an, wollte die Mehrzahl dies nicht glauben, sondern schrieb die Erscheinung
Caesar zu, als sei er in die Unsterblichkeit eingegangen und unter die Zahl der Sterne versetzt.
Octavius fasste nun Mut und ließ eine eherne Statue von ihm mit einem Stern über dem
Haupte im Venustempel aufstellen. (2) Und weil auch diese Tat aus Angst vor dem Volke auf
keinerlei Widerstand stieß, wurden zuletzt auch andere Anordnungen, die vorher schon zu
Ehren Caesars beschlossen worden waren, in Vollzug gesetzt: Man nannte einen Monat nach
ihm Juli, und während gewisser Dankfeste für den Sieg wurde an einem besonderen Tag zu
Ehren seines Namens geopfert. Infolgedessen stellten sich auch die Soldaten, zumal einige
noch geldliche Zuwendungen empfangen hatten, bereitwillig auf Caesars Seite. (3) Nun lief
ein Gerücht um, und man hatte den Eindruck, dass sich etwas Ungewöhnliches anspinne.
Diese Erwartung gründete sich vornehmlich auf die Tatsache, dass Antonius dem Octavius,
als dieser einmal in einer Gerichtssitzung von einem hochgelegenen und deutlich sichtbaren
Platze aus, wie er es eben zu Lebzeiten seines Vaters gewohnt war, etwas mit ihm zu
besprechen wünschte, das nicht erlaubte, ihn vielmehr durch seine Liktoren herunterziehen
und hinausjagen ließ.
8 (1) Über solch ein Vorgehen waren alle sehr empört, nicht zum wenigsten deshalb, weil
Caesar nicht einmal mehr auf dem Forum erschien, um so den Hass auf seinen Nebenbuhler
zu lenken und die Masse für sich zu gewinnen. Antonius fühlte sich darüber beunruhigt und
erklärte eines Tages im Gespräch mit seiner Umgebung, dass er keinen Groll gegen Caesar
hege, vielmehr ihm sogar Wohlwollen schulde; er sei bereit, jeden Argwohn aus dem Wege
8
zu räumen. (2) Caesar erfuhr davon, worauf sich beide zu einer Aussprache trafen; einige
meinten sogar, sie hätten sich versöhnt. Denn beide kannten nur zu gut ihre gegenseitige
Einstellung, und da sie es augenblicklich für unzweckmäßig hielten, ihre Empfindungen auf
die Probe zu stellen, kamen sie einander entgegen und machten gewisse Zugeständnisse.
Tatsächlich hielten sie auch etliche Tage Ruhe, doch dann erneuerte sich ihr gegenseitiges
Misstrauen, entweder infolge eines wirklichen Anschlags oder auch bloß wegen einer
falschen Anschuldigung, wie es eben in einer solchen Lage zu geschehen pflegt, und weitere
Reibereien waren die Folge. (3) Versöhnen sich nämlich Männer nach heftiger Feindschaft,
dann erregen viele bedeutungslose oder rein zufällige Dinge ihr Misstrauen; um es kurz zu
sagen, sie fassen angesichts ihrer früheren Feindschaft alles und jedes als beabsichtigt und bös
gemeint auf. Und dabei verstärken noch die neutral Dazwischenstehenden die Gegensätze,
indem sie aus scheinbar gutem Willen gewisse Sachen hin- und herberichten und dadurch die
beiden Kontrahenten nur noch mehr reizen. (4) Denn es ist eine gar gewaltige Naturkraft, die
darauf abzielt, dass alle Machthaber miteinander in Streit liegen, sich deshalb an ihrer
Feindschaft freut und bei Anschlägen gegen sie mitwirkt. Und wer zuvor unter Verleumdung
zu leiden hatte, ist nur zu leicht geneigt, sich durch Worte täuschen zu lassen, die von
unverdächtigen Freunden ausgedacht sind. So kam es denn, dass auch diese beiden Männer,
die schon zuvor einander nicht getraut hatten, sich jetzt noch mehr denn je entfremdeten.
9 (1) Als nun Antonius den Aufstieg Caesars sah, machte er sich daran, das Volk zu ködern,
um zu sehen, ob er die Leute irgendwie von seinem Widersacher trennen und zu sich
herüberziehen könne. Er ließ daher ein Gesetz einbringen, wonach neben viel anderem Land
auch das Gebiet der Pontinischen Sümpfe, die ja schon aufgeschüttet und zu bebauen seien,
für Besiedlung durch Kolonisten freigegeben werden sollte. Dabei bediente er sich der Hilfe
seines Bruders Lucius Antonius, der das Tribunat bekleidete. (2) Denn alle die drei Brüder
Antonius hatten damals zugleich Ämter inne: Marcus war Konsul, Lucius Volkstribun und
Gaius Praetor. Diese Machtstellung vor allem befähigte sie, die damals über die
Bundesgenossen und Untertanen gebietenden Herren – ausgenommen die Mehrzahl der
Caesarmörder und einige andere ihnen als treu erscheinende Persönlichkeiten – aus ihren
Stellen zu entfernen und andere für sie auszuwählen. (3) Auch erlaubten sie einigen, im
Widerspruch zu Caesars Anordnungen, ihre Amtszeit ungewöhnlich lang auszudehnen. Und
so nahm Makedonien, das dem Marcus durch Los zugefallen war, sein Bruder Gaius in
Besitz, während sich Marcus selbst zusammen mit den nach Apollonia vorausgesandten
Legionen statt dessen der Gallia Cisalpina bemächtigte, die dem Decimus Brutus bestimmt
war; dank ihren Soldaten und Geldmitteln war sie ja eine gar mächtige Provinz. (4) Nachdem
diese Anordnungen beschlossen waren, wurde auch dem Sextus Pompeius, der bereits über
eine beachtliche Macht verfügte, Straflosigkeit bestätigt, obwohl ihm Caesar diese gleich den
anderen schon gewährt hatte. Weiterhin beschloss man, dass ihm alles, was an Silber und
Gold aus dem väterlichen Besitz in den Staatsschatz geflossen war, zurückerstattet werden
solle; was nämlich davon Ländereien waren, so hatte Antonius deren Hauptteil in Besitz und
wollte von einer Rückgabe nichts wissen.
Augustus, De vita sua (bei Plinius, Naturalis Historia 2, 94)
Genau an den Tagen meiner Spiele wurde ein Gestirn mit einem Schweif sieben Tage lang am
nördlichen Teil des Himmels erblickt. Es ging um die elfte Stunde des Tages auf und war hell
und für alle auf Erden sichtbar. Die Menge glaubte, durch dieses Gestirn werde angezeigt,
dass Caesars Seele unter die Wirkkräfte der unsterblichen Götter aufgenommen worden sei,
weshalb dieses (Himmels)zeichen dem Abbild seines Kopfes, das wir bald darauf auf dem
Forum weihten, hinzugefügt wurde.
Plinius’ Kommentar zu dieser Stelle: „Dies sind seine für das Publikum bestimmten Worte;
mit innerer Freude aber interpretierte er den (am Himmel erschienenen) Caesar so: dass er für
9
ihn geboren du er in ihm geboren sei – und wenn wir die Wahrheit bekennen wollen, so war
das die Rettung für die ganze Welt.“
Denar aus dem Jahr 19/18 v.Chr. mit de Darstellung des sidus Iulium
Cic. Att. 15,12,2 (ca. 10. Juni 44 v. Chr.)
In Octavian steckt nach meiner Beobachtung genug Intelligenz, genug Beherztheit, und er
macht den Eindruck, dass er gegenüber unseren Heroen so, wie wir es wünschten, gesinnt
sein werde. Aber welches Zutrauen man in sein Alter setzen darf, welches in seinen Namen,
welches in sein Erbe, welches in seine Erziehung das ist die große Frage. Sein Stiefvater hält
jedenfalls nichts davon – ich sah ihn in Astura. Doch muss man ihn ermutigen und, wenn
schon nichts anderes, von Antonius trennen.
Cic. Att. 16,8,12 (2. November 44)
(1) Am Abend des ersten erhielt ich einen Brief von Octavian. Er plant Großes. Die
Veteranen in Casilinum und Calatia hat er auf seine Seite gebracht. Kein Wunder, er gibt
jedem 500 Denare. Er plant, die übrigen Kolonien zu besuchen. Das läuft klar darauf hinaus,
dass unter seiner Führung Krieg mit Antonius geführt wird. Also werden wir, sehe ich, in
einigen Tagen unter Waffen stehen. Wem aber sollen wir folgen? Sieh auf den Namen, sieh
auf das Alter! Und er stellt Forderungen – vor allem an mich, heimlich mich mit ihm in Capua
oder nicht weit von Capua zu treffen. Kindisch ist es allerdings, wenn er glaubt, das könnte
heimlich geschehen. (2) Ich habe ihn brieflich unterrichtet, das sei weder notwendig noch
möglich. Er schickt mir einen gewissen Caecina aus Volaterra, einen seiner Vertrauten. Der
berichtet, dass Antonius mit der "Haubenlerchen-Legion" nach Rom marschiere, den
Munizipien Geldzahlungen auferlege, die Legion in voller Kampfbereitschaft marschieren
lasse. Er erwägt, ob er mit 3.000 Veteranen nach Rom aufbrechen oder Capua besetzen und
Antonius am Kommen hindern oder zu den makedonischen Legionen gehen solle, die am
Adriatischen Meer entlang ziehen und die er auf seine Seite zu bringen hofft. Diese haben
eine Spende des Antonius zurückgewiesen, wie Caecina jedenfalls erzählt, haben ihm heftige
Vorwürfe gemacht und ihn, als er zu ihnen sprechen wollte, einfach stehen gelassen. Langer
Rede kurzer Sinn: Er wirft sich zum Führer auf, und er glaubt, wir dürften uns ihm nicht
verweigern. Ich für meinen Teil habe ihm geraten, nach Rom zu marschieren. Denn ich
glaube, er wird das Stadtvolk und, wenn er Vertrauen erweckt, auch die besseren Kreise auf
seine Seite ziehen. 0 Brutus, wo bist Du? Welche Chance versäumst Du! Vorausgesagt habe
ich das freilich nicht, aber doch geglaubt, dass etwas Ähnliches kommen werde. Jetzt frage
ich Dich um Rat. Gehe ich nach Rom oder bleibe ich hier oder soll ich mich nach Arpinum –
Sicherheit bietet der Ort ja – flüchten? Nach Rom also, damit wir nicht vermisst werden,
wenn erwogen wird, was zu tun sei! Also löse mir das Problem. Niemals war ich in größerer
Ratlosigkeit.
10
Cic. Att. 16,9 (4. November 44 v. Chr.)
Zwei Briefe von Octavian für mich an einem Tag! Und zwar soll ich jetzt sofort nach Rom
kommen. Er wolle die Sache durch den Senat bringen. Ich antwortete ihm, dass der Senat
nicht vor dem 1. Januar zusammentreten könne, was ich wirklich glaube. Er aber setzt hinzu
„mit Deinem Rat“. Kurz und gut, er drängt, ich aber bin skeptisch. Ich habe kein Zutrauen zu
seinem Alter, ich weiß nicht, worauf er hinauswill. Ich will nichts ohne Deinen Pansa tun. Ich
fürchte Antonius' Stärke und möchte nicht die Küste verlassen. Andererseits fürchte ich, dass
dann in meiner Abwesenheit ein Glanzstück aufgeführt wird. Varro freilich hält nichts von
dem Plan des Knaben, ich schon. Starke Truppen hat er, Brutus kann er haben. Er geht ganz
offen zu Werke, stellt Einheiten in Capua auf und verteilt Gelder. Krieg steht unmittelbar
bevor.
Cic. Att.16,11,6 (5. November 44 v. Chr.)
Ich habe mich nicht in meiner Villa in Pompeji versteckt, wie ich doch geschrieben hatte,
zuerst wegen des Wetters, das nicht scheußlicher sein kann, dann weil täglich von Octavian
Briefe eingehen, dass ich die Sache in die Hand nehmen, nach Capua kommen, erneut den
Staat retten, auf jeden Fall nach Rom gehen solle: „Scheuten, es abzuschlagen und fürchteten
doch die Bejahung.“ Immerhin zeigte und zeigt er große Energie, nach Rom wird er mit
großem Gefolge kommen. Aber er ist noch ein Knabe. Denkt, dass der Senat gleich
zusammentritt! Wer wird da kommen? Wenn aber einer kommt, wer wird in unsicherer Lage
Antonius vor den Kopf stoßen? Am 1. Januar könnte er vielleicht Schutz bieten oder die
Sache wird vorher ausgefochten. In den Landstädten ist er bemerkenswert populär. Auf
seinem Weg nach Samnium kam er durch Cales, blieb über Nacht in Teanum. Prachtvoller
Empfang und Ermutigung. Hättest Du das für möglich gehalten? Deshalb also schneller nach
Rom, als ich beabsichtigt hatte. Sobald ich entschieden habe, werde ich schreiben.
Cic. Att. 16,14,1 (12. [1] November 44 v. Chr.)
Zu dem, was Du schreibst (ich habe am 11. drei Briefe von Dir erhalten): Ich stimme Dir voll
und ganz zu, dass, wenn Octavian große Macht gewinnt, die Maßnahmen des Tyrannen
weitaus stärkere Bestätigung erfahren würden, als es im Tempel der Tellus geschehen ist, und
dass dies zu Lasten des Brutus gehen würde. Wenn er aber unterliegt, so kannst Du sehen,
dass Antonius unerträglich wird. So weiß man nicht, wen man vorziehen soll.
Cic. Att. 16,15,3 (nach dem 12. November 44 v. Chr.)
Ich komme zur Politik. Wahrhaftig, über vieles hast Du in politischen Angelegenheiten klug
geurteilt, aber nichts ist klüger als dieser Brief: „Obwohl für den Augenblick dieser Knabe
Antonius ganz schön den Wind aus den Segeln nimmt, so müssen wir doch auf das Ende
warten.“ Doch was für eine Rede hat er vor dem Volk gehalten. Ich habe eine Kopie. Er
schwört: „So wahr ihm erlaubt sein möge, die Ehrungen seines Vaters zu erreichen“, und
dabei erhob er die Rechte zu der Statue (Caesars). Von so einem möchte ich nicht gerettet
werden! Aber wie Du schreibst, als sicherste Probe sehe ich den Tribunat unseres Casca an,
genau dazu habe ich Oppius gesagt, als er mich aufforderte, den jungen Mann und sein ganzes
Anliegen nebst der Veteranenschar zu meiner Sache zu machen, dass ich das keinesfalls tun
könne, bevor nicht evident sei, dass er den Tyrannenmördern nicht nur nicht feind, sondern
sogar freundlich gesinnt sei. Als er sagte, so werde es sein, sagte ich: „Warum eilen wir also?
Er braucht vor dem 1. Januar meine Dienste nicht, wir aber werden seine Gesinnung vor dem
15. Dezember am Fall Casca erkennen.“ Er stimmte mir voll und ganz zu. Soviel also für
heute.
11
Beschlussantrag Ciceros im Senat vom 20. 12.44 v. Chr. Phil. 3, 37-39:
(37) Da nun die Volkstribunen in dem Sinne gesprochen haben, dass der Senat am 1. Januar
in Sicherheit tagen und (die Senatoren) frei ihre Meinung über die grundlegenden politischen
Fragen äußern können, stelle ich in dieser Angelegenheit den Antrag, dass die designierten
Konsuln C. Pansa und A. Hirtius darauf hinwirken, dass der Senat in Sicherheit tagen kann.
Was das angeschlagene Edikt des designierten Konsuls D. Brutus anbelangt, so sei der Senat
der Meinung, dass D. Brutus, Imperator und designierter Konsul, sich auf das beste um den
Staat verdient mache, indem er die Autorität des Senats und die Freiheit und Herrschaft des
römischen Volkes verteidige; (38) und was seine Provinz, das Diesseitige Gallien – ein Land
von gutgesinnten, tapferen und unser Gemeinwesen liebenden Bürgern – und das Heer
anbelangt, die er in der Verfügungsgewalt des Senats hält, so hätten er und das Heer, die
Landstädte und Kolonien der gallischen Provinz recht, ordnungsgemäß und im Interesse des
Staates gehandelt und täten es weiterhin. Der Senat sei der Auffassung, dass es im
allerhöchsten Staatsinteresse liege, dass D. Brutus und L. Plancus, Imperatoren und
designierte Konsuln, und ebenso alle übrigen Provinzstatthalter ihre Provinzen gemäß dem
Iulischen Gesetz behielten, bis einem jedem von ihnen durch Senatsbeschluss ein Nachfolger
gegeben werde, und sie darauf hinwirken sollen, dass ihre Provinzen und Heere in der
Verfügungsgewalt von Senat und Volk bleiben und dem Staat zum Schutz dienen. Da durch
die Tatkraft, den Mut und den Entschluss des C. Caesar sowie durch das Einverständnis der
Veteranen, die seiner Autorität folgend dem Staat zum Schutz dienen und dienten, das
römische Volk vor schlimmsten Gefahren bewahrt worden ist und gegenwärtig bewahrt wird;
(39) da die Marslegion in Alba, einer zuverlässigen und tapferen Landstadt, Quartier
genommen und sich der Autorität des Senats und der Freiheit des römischen Volkes zur
Verfügung gestellt hat; und da die vierte Legion mit gleichem Entschluss und gleicher
Tapferkeit unter Führung des Quaestors L. Egnatuleius die Autorität des Senats und die
Freiheit des römischen Volkes verteidigt und verteidigt hat: deshalb werde es dem Senat jetzt
und zukünftig sehr am Herzen liegen, dass sie für ihre großen Verdienste um den Staat die
gebührenden Ehrungen und Beweise des Dankes erhielten. Der Senat möge beschließen, dass
die designierten Konsuln C. Pansa und A. Hirtius nach ihrem Amtsantritt, wenn sie es für
richtig halten, zum frühest möglichen Zeitpunkt darüber diesem Gremium Vorschläge
unterbreiten, wie es ihnen im Interesse des Staates und pflichtgemäßer Amtsführung richtig
erscheint.
Beschlussantrag Ciceros im Senat vom 1. 1. 43 v. Chr. Phil. 5, 46:
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber beantrage ich, Folgendes zu beschließen: Weil C. Caesar,
Sohn des Gaius, Pontifex und Propraetor, in einer für den Staat kritischen Zeit die Veteranen
zur Befreiung des römischen Volkes aufgefordert und zu den Waffen gerufen hat, weil die
Marslegion und die vierte mit höchstem Eifer und im besten Einvernehmen über das Interesse
des Staates unter Führung und auf Veranlassung des C. Caesar den Staat und die Freiheit des
römischen Volkes verteidigen und verteidigt haben und weil C. Caesar, Propraetor, der
gallischen Provinz mit seinem Heer zu Hilfe eilt, Reiter, Bogenschützen und Elefanten in
seine und des römischen Volkes Verfügungsgewalt gebracht und in schwierigster Lage des
Staates dem Wohl und Ansehen des römischen Volkes zu Hilfe gekommen ist, deshalb möge
der Senat beschließen, dass C. Caesar, Sohn des Gaius, Pontifex und Propraetor, Senator sein
und in der Rangklasse der Praetorier sein Votum abgeben solle und dass er bei der
Ämterbewerbung so Berücksichtigung finden möge, wie es erlaubt wäre, wenn er im
vergangenen Jahr Quaestor gewesen wäre.
App. b. c. 4,4-13 (2. Triumvirat)
(4) Caesar und Antonius gingen von der Feindschaft zur Freundschaft über bei Mutina (heute
Modena) auf einer kleinen und flachen Insel im Fluss Lavinius. Jeder brachte 5 Legionen mit.
12
Diese stellten sie in Front zueinander auf, dann rückte jeder mit 300 Mann zu den
Flussbrücken vor. (5) Lepidus selbst ging voraus, untersuchte die Insel und gab durch
Schwenken des Mantels beiden das Zeichen zu kommen. Diese ließen die Dreihundert
zusammen mit ihren Freunden an den Brücken zurück, kamen zur Insel, so dass sie von allen
Seiten gesehen werden konnten, und verhandelten zu dritt, Caesar in der Mitte, der als Konsul
den Vorsitz führte. (6) Zwei Tage verhandelten sie von morgens bis abends, das Ergebnis war
folgendes: Caesar sollte den Konsulat niederlegen und Ventidius es für den Rest des Jahres
erhalten, ein neues Amt zur Beilegung des Bürgerkrieges sollte Lepidus, Antonius und Caesar
gesetzlich auf fünf Jahr und mit gleicher Amtsgewalt wie die der Konsuln übertragen werden.
Sie beschlossen nämlich, sich anstatt Diktator so zu nennen, wohl wegen des von Antonius
veranlassten Senatsbeschlusses, der die Ernennung eines Diktators verboten hatte.
(7) Diese Drei sollten sogleich die jährlichen Magistrate für 5 Jahre bestimmen und die
Statthalterposten in den Provinzen verteilen. Demzufolge erhielt Antonius ganz Gallien mit
Ausnahme des den Pyrenäen benachbarten, das man das Alte Gallien nannte, dieses sollte
zusammen mit Spanien der Befehlsgewalt des Lepidus unterstehen, für Caesar blieb Africa,
Sardinien, Sizilien und die sonst noch dort gelegenen Inseln.
(8) So teilten die Drei das römische Untertanengebiet unter sich auf. Nur die Gebiete jenseits
des Ionischen Meeres wurden ausgespart, weil sie noch unter der Kontrolle von Cassius und
Brutus standen. (9) Lepidus sollte Konsul im kommenden Jahr werden und in der Stadt zur
Erledigung der dortigen Geschäfte bleiben, die Statthalterschaft in Spanien durch Vertreter
ausüben lassen. Drei seiner Legionen sollte er in der Nähe Roms stationieren, die übrigen
sieben zwischen Caesar und Antonius aufteilen, drei an Caesar, vier an Antonius, so dass
jeder von ihnen mit zwanzig in den Krieg ziehen könne. (10) Um dem Heer Hoffnung auf
Siegesbeute zu machen, versprachen sie den Soldaten neben anderen Geschenken achtzehn
der italischen Städte, die sich durch Wohlstand, schöne Feldgemarkungen und Häuser
auszeichneten, mitsamt Grundstücken und Häusern zuzuweisen, als ob sie ihnen von
Feindesland als Beute in die Hände gefallen wären.
(11) Die ausgezeichnetsten unter ihnen waren Capua, Rhegium, Venusia, Benevent,
Ariminum und Vibo. (12) So waren die schönsten Teile Italiens für die Armee vorgesehen.
Sie beschlossen zusätzlich, sich vorab ihrer persönlichen Feinde zu entledigen, damit sie
ihnen bei der Realisierung ihrer Beschlüsse und während der auswärtigen Kriegführung keine
Schwierigkeiten bereiten könnten. (13) Dies beschlossen sie und legten es schriftlich nieder.
Alles übrige mit Ausnahme der Proskriptionslisten las Caesar in seiner Eigenschaft als Konsul
den Heeren vor. Als sie es gehört hatten, brachen sie in Beifall aus und umarmten einander
zur Versöhnung.
App. b. c. 4,20 (Proskriptionen)
Die Gesamtzahl der zu Tod und Vermögensentzug Verurteilten belief sich auf ungefähr 300
Senatoren und rund 2.000 aus dem sogenannten Ritterstand. Und darunter befanden sich auch
Brüder und Onkel der die Proskriptionen anordnenden Triumvirn sowie unter ihnen dienende
Offiziere, sofern sie bei ihren Vorgesetzten oder Kameraden Anstoß erregt hatten.
Cass. Dio 49, 15, 5-6 (Ehrungen 36 v.Chr.)
Im übrigen beschloss damals das Volk, dass ihm auf Staatskosten ein Haus geschenkt werden
solle; er hatte nämlich den Platz auf dem Palatin, den er als Baugrund für sein Haus erworben
hatte, zum öffentlichen Eigentum erklärt und dem Apollo geweiht, nachdem die Stelle von
einem Blitzstrahl getroffen worden war. Sie gewährten ihm nun das Haus und dazu noch
besonderen Schutz gegen Angriff in Wort und Tat. Wer sich dagegen verging, sollte den
gleichen Strafen verfallen, wie sie zum Schutz eines Volkstribunen festgesetzt waren; erhielt
er doch auch das Recht, mit ihnen auf denselben Bänken Platz zu nehmen.
13
29.11.2007 – Die Errichtung der Monarchie als „Prinzipat“
Velleius Paterculus 2,89,3-4
(3) Beendet wurden im zwanzigsten Jahr die Bürgerkriege, begraben die auswärtigen,
zurückgerufen wurde der Friede, eingeschläfert überall das Wüten der Waffen, den Gesetzen
ihre bindende Kraft zurückerstattet, den Gerichten ihre Autorität, dem Senat seine Hoheit, die
Amtsgewalt der Obermagistrate auf ihr ursprüngliches Maß zurückgeführt; lediglich zu den
acht Praetoren wurden zwei hinzugewählt. (4) Indem jene altehrwürdige Form des Staates
wieder ins Leben zurückgerufen wurde, kehrte den Feldern die Bebauung zurück, den
Heiligtümern die Verehrung, den Menschen die Sicherheit (der Lebensverhältnisse), jedem
einzelnen der ungefährdete Besitz seines Eigentums; die Gesetze wurden auf nützliche Weise
verbessert, neue auf heilsame Weise eingebracht. Der Senat wurde ohne Härte, aber nicht
ohne Strenge neu zusammengesetzt. Die führenden Männer, die Triumphe und die höchsten
Ehren genossen hatten, wurden durch Ermahnung r des 'Ersten Bürgers' zur Ausschmückung
der Stadt veranlasst.
Cass. Dio 53,12,1-7 und 13 (16. Januar 27 v. Chr.)
Seine Führerstellung ließ er auf diese Weise von Senat und Volk bekräftigen, aber in der
Absicht, als Republikaner zu erscheinen, übernahm er zwar die Sorge und Oberaufsicht über
die öffentlichen Angelegenheiten mit der Begründung, dass sie einer gewissen Fürsorge
bedürften, doch sagte er, er werde weder alle Provinzen regieren noch werde er dies in den
Fällen, in denen er als Statthalter fungiere, für immer tun. Indes gab er die (militärisch)
weniger wichtigen mit der Begründung, dass sie befriedet und von keinem Krieg heimgesucht
seien, dem Senat zurück, die wichtigeren behielt er mit der Begründung für sich, dass sie
ungesichert und gefährdet seien, dass sie entweder Feinde zu Nachbarn hätten oder selbst von
sich aus ernsthafte Unruhen erregen könnten, angeblich damit der Senat ohne Furcht Gewinn
aus den besten Teilen des Reiches ziehe, er selbst hingegen die Mühen und Gefahren
übernehme, in Wahrheit aber damit sie unter diesem Vorwand unbewaffnet und zum Kampf
unvorbereitet seien, er selbst hingegen Waffen besitze und Soldaten unterhalte. Deshalb
galten Africa und Numidien, Asia und Griechenland mit Epirus, Dalmatien, Makedonien und
Sizilien, Kreta und die Kyrenaika, Bithynien mit dem angrenzenden Pontus, Sardinien und die
Baetica als Provinzen von Senat und Volk, die Caesars waren das übrige Spanien, die
Tarraconensis und Lusitanien, alle gallischen, die Narbonensis, die Lugdunensis, Aquitanien
und die Belgica mit den benachbarten Gebieten. Einige Kelten nämlich, die wir Germanen
nennen, haben den ganzen am Rhein gelegenen Teil der Belgica besetzt und bewirkt, dass er
Germanien genannt wird, dessen oberer Teil sich bis zu den Quellen des Flusses erstreckt, der
untere bis zum Britannischen Meer.
Diese Provinzen sowie das sogenannte Koilesyrien mit Phoinikien, Kilikien, Zypern und
Ägypten fielen damals dem Anteil Caesars zu, später gab er freilich Zypern und die
Narbonensis dem Volk zurück und übernahm Dalmatien. Und Gleiches geschah später mit
anderen Provinzen [...].
Die Provinzen wurden also so geteilt, und in der Absicht, sie noch weiter von der Vorstellung
eines monarchischen Regiments abzubringen, übernahm er die Statthalterschaft der ihm
übertragenen Provinzen (nur) für zehn Jahre. Er versprach nämlich, sie in dieser Zeit zu
ordnen, und er setzte prahlerisch hinzu, dass er, wenn er sie schneller befriede, sie ihnen auch
früher zurückgeben werde.
Cass. Dio 53,32,3-6 (Änderung der Amtsgewalten 23 und 19 v.Chr.)
Nachdem Augustus das im einzelnen geordnet hatte, zog er zum Albanerberg und legte den
Konsulat nieder. Denn seitdem der Staat geordnet war, hatte er selbst sowie die meisten seiner
Kollegen das Amt das ganze Jahr innegehabt, doch wollte er jetzt damit aufhören, damit
14
möglichst viele den Konsulat bekleideten; und dies tat er außerhalb der Stadt, um nicht daran
gehindert zu werden. Und er wurde dafür gelobt, dass er an seiner Stelle Lucius Sestius
wählen ließ, der ein eifriger Parteigänger des Brutus gewesen war, in allen seinen Feldzügen
mitgekämpft hatte und damals noch immer sein Andenken wachhielt, Bilder von ihm
aufgestellt hatte und Lobreden auf ihn hielt. Gegenüber dieser Zuneigung und Loyalität zeigte
er nicht nur keine Ablehnung, sondern ehrte sie sogar. Deswegen bestimmte der Senat ihn
zum Volkstribunen auf Lebenszeit und gab ihm das Privileg, in jeder Senatssitzung über jeden
beliebigen Gegenstand, auch wenn er nicht den Konsulat bekleide, einen Antrag zu stellen,
und dass er die prokonsularische Gewalt ein für allemal immer so innehaben solle, dass er sie
beim Überschreiten des Pomeriums nicht niederlegen noch beim Verlassen wieder erneuern
müsse, und erteilte ihm das Privileg, dass im Untertanengebiet seine Amtsgewalt höher als die
der übrigen Prokonsuln sein sollte. Von dieser Zeit an waren er und die späteren Kaiser
gewissermaßen von Gesetz wegen berechtigt, sich neben ihren übrigen Rechten der
tribunizischen Gewalt zu bedienen. Den Titel des Volkstribunen selbst hat weder Augustus
noch ein anderer Kaiser angenommen.
Augustus, Res Gestae 34
Seit dieser Zeit überragte ich alle übrigen an Autorität (auctoritas), an Amtsgewalt aber besaß
ich nicht mehr als die anderen, die auch ich im Amt zu Kollegen hatte.
Cass. Dio 52,42,1-8 (29 v. Chr.)
(42,1) Und danach ordnete er zusammen mit Agrippa in zensorischer Funktion andere Dinge
und überprüfte die Zusammensetzung des Senats. Denn viele Ritter und viele Soldaten waren
ohne Berechtigung infolge der Bürgerkriege Senatoren geworden, so dass das Plenum auf
1.000 Mitglieder angeschwollen war. (2) Obwohl er diese ausmustern wollte, tilgte er doch
keinen von ihnen (aus der Senatsliste), sondern überließ es ihnen selbst, ihre eigenen Richter
aufgrund ihres Wissens über ihre Herkunft und Lebensverhältnisse zu werden. Auf diese
Weise überredete er zunächst fünfzig, den Senat freiwillig zu verlassen, sodann zwang er
andere hundertfünfzig, diesem Beispiel zu folgen. (3) Und keinen verstieß er (von sich aus)
aus dem Senat, nur die Namen der die zweite Gruppe Bildenden ließ er öffentlich anschlagen;
den ersten erließ er die Schmach der Veröffentlichung, weil sie ohne Verzögerung seinem
Willen nachgekommen waren. Diese gingen also freiwillig ins Privatleben, nur Quintus
Statilius wurde gegen seinen Willen an der Bekleidung des Volkstribunats gehindert, für das
er bereits gewählt war. (4) Dafür machte er einige andere zu Senatoren, einen gewissen Gaius
Cluvius und Gaius Furnius erhob er in die Rangklasse der Konsulare, weil sie, obwohl zu
Konsuln designiert, das Amt nicht hatten antreten können, weil andere es besetzten. (5) Und
die Klasse der Patrizier füllte er wieder auf, da der Senat ihn drängte, dies zu tun, weil der
größte Teil der Patrizier zugrunde gegangen war (keine Klasse war nämlich in den
Bürgerkriegen so dezimiert worden wie der Geburtsadel) und sie für notwendig erachtet
wurden zum Vollzug der traditionellen Bräuche. (6) Dies also tat er, und er verbot allen
Senatoren, sich außerhalb Italiens aufzuhalten, wenn er nicht selbst es einem befehle oder
erlaube. Und bis auf den heutigen Tag wird das beachtet; denn außer nach Sizilien und nach
Gallia Narbonensis zu reisen ist keinem Senator erlaubt... (8) und da er sah, dass viele von
den Senatoren und den übrigen, die auf seiten des Antonius gestanden hatten, ihm gegenüber
misstrauisch eingestellt waren, und er fürchtete, dass sie einen Umsturz ins Werk setzen
könnten, verkündete er, er habe alle Briefe, die in Antonius' Korrespondenzkästen gefunden
worden seien, verbrannt. Und tatsächlich hatte er einiges vernichtet. Doch das meiste hatte er
sorgfältig aufbewahrt, so dass er später nicht zögerte, davon Gebrauch zu machen.
15
Cass. Dio 54,13,1 -14,5 (18 v. Chr.)
(13,1) Nachdem er dies getan hatte, nahm er eine Überprüfung der Senatsliste vor. Denn auch
so erschien ihm die Mitgliederzahl zu groß (und in einer zu großen Menge sah er nichts
Gesundes); er hatte eine Abneigung nicht nur gegen die, welche wegen irgendeiner
Schlechtigkeit übel beleumundet waren, sondern auch gegen die, welche sich durch
Schmeichelei hervorgetan hatten. (2) Und da niemand freiwillig wie vorher ausscheiden
wollte, wählte er selbst die dreißig Besten, wie er unter Eid versicherte, und befahl ihnen,
nach Ablegung des gleichen Eides jeweils fünf, unter Ausnahme von Verwandten, auf
Täfelchen zu schreiben und so zu wählen. (3) Und danach ließ er die Fünfergruppen das Los
ziehen, so dass einer aus jeder Gruppe ausgelost wurde, Senator zu sein und seinerseits fünf
unter denselben Bedingungen aufzuschreiben. Die ersten Dreißig mussten natürlich unter
denen sein, die von den anderen ausgewählt und ausgelost werden konnten. Und da einige
von den Ausgewählten nicht in Rom anwesend waren, wurden andere an ihrer Stelle ausgelost
und erfüllten die ihnen obliegenden Aufgaben. (4) Zuerst vollzog sich dieser Vorgang über
mehrere Tage, aber nachdem gewisse Manipulationen vorgekommen waren, gab er die Listen
nicht mehr den Quaestoren noch ließ er die Fünfergruppen die Auslosung durchführen,
sondern übernahm selbst die Auswahl und wählte die Fehlenden hinzu, so dass insgesamt 600
benannt wurden. (14,1) Er hatte ursprünglich geplant, nach altem Vorbild nur 300 zu
Senatoren zu machen, und er glaubte, sehr zufrieden sein zu müssen, wenn er so viele fände,
die seines Senats würdig wären. Aber da alle damit in gleicher Weise unzufrieden waren
(denn es gab viel mehr, die hätten ausgemustert werden, als im Senat bleiben konnten, und so
fürchteten sie eher, ins Privatleben gehen zu müssen, als dass sie hofften, Senatoren bleiben
zu können), wählte er 600 aus. (2) Dabei blieb er nicht stehen: Noch immer standen einige
ungeeignete Personen auf der Senatsliste, ein gewisser Licinius Regulus war empört darüber,
dass sein Name getilgt war, während sein Sohn und viele andere, denen er überlegen zu sein
behauptete, im Senat bleiben durften, und er zerriss seine Kleidung inmitten der Sitzung, (3)
entblößte seinen Körper, zählte die Feldzüge auf und zeigte ihnen seine (dabei empfangenen)
Wunden, und Articuleius Paetus, der zu den verbleibenden Senatoren gehören sollte, bat
darum, dass er für seinen ausgeschiedenen Vater seinen Sitz im Senat aufgeben dürfe, und so
nahm er eine erneute Prüfung vor, entfernte einige und nahm dafür andere auf. (4) Und da
gleichwohl viele aus der Liste gestrichen waren und manche ihn beschuldigten, was in einer
solchen Situation zu geschehen pflegt, dass ihre Entfernung ungerechtfertigt gewesen sei, da
gestand er ihnen zu, dass sie zusammen mit den Senatoren in gleicher Tracht an den
Schauspielen und Festen teilnehmen könnten, und er erlaubte ihnen, sich künftig um Ämter
zu bewerben. (5) Und die meisten von ihnen gelangten mit der Zeit wieder in den Senat, nur
einige wenige blieben in einer mittleren Stellung, in der sie weder zum Senat noch zum Volk
gehörig betrachtet wurden.
Cass. Dio 54,26.3-4 + 8-9 (13 v. Chr.)
(26,3) Danach wurde eine erneute Überprüfung der Senatsliste vorgenommen. Denn nachdem
zuerst das Mindestvermögen auf 100.000 Denare begrenzt war, weil viele im Bürgerkrieg ihre
väterlichen Güter verloren hatten, dann aber mit der Zeit, als die Menschen zu Wohlstand
gekommen waren, auf 250.000 erhöht worden war, wurde niemand mehr gefunden, der
freiwillig Senator sein wollte, (4) ja sogar Kinder und Enkel von Senatoren, die einen
tatsächlich arm, die anderen wegen der Unglücksfälle ihrer Vorfahren in ihrem Vermögen
gemindert, erhoben nicht nur keinen Anspruch auf die Senatorenwürde, sondern schworen
sogar, dass sie, wenn sie aufgenommen würden, die Voraussetzungen nicht erfüllen würden ...
(8) Damals also überprüfte Augustus selbst alle Senatoren, und mit den
Vermögensangelegenheiten der über 35-jährigen gab er sich nicht ab, die Jüngeren aber, die
das vorgeschriebene Vermögen besaßen, zwang er, Senatoren zu werden mit Ausnahme der
Behinderten. (9) Und ihren körperlichen Zustand nahm er selbst in Augenschein, im Hinblick
16
auf die Vermögen akzeptierte er die Eide der Betreffenden und ihrer Eideshelfer, die Zeugnis
über ihre Armut und ihre Lebensführung gaben.
Cass. Dio 55,13,3 + 6 (4 n. Chr.)
(13,3) Er wollte wiederum die Zusammensetzung des Senats überprüfen, wählte 10
Senatoren, die er am höchsten schätzte, ließ drei von ihnen für die Überprüfung auslosen. Es
waren nicht viele, die sich, als ihnen wie vorher die Gelegenheit gegeben wurde, für
ungeeignet erklärten, oder gegen ihren Willen gestrichen wurden ... (6) Da viele junge
Männer aus dem Senatoren- und dem Ritterstand ohne eigenes Verschulden zu arm waren,
füllte er den meisten das Vermögen bis zum vorgeschriebenen Mindestsatz auf, bei ungefähr
achtzig erhöhte er es auf 300.000 Denare.
Tac. Ann. 3,48,1-2
(48,1) Um dieselbe Zeit (sc. im Jahre 21 n. Chr.) bat er (sc. Kaiser Tiberius) den Senat, den
Tod des Sulpicius Quirinius mit einem Staatsbegräbnis zu ehren. Quirinius gehörte gar nicht
zu dem alten patrizischen Geschlecht der Sulpicier, er stammte aus der Gegend der Landstadt
Lanuvium, doch er war ein tüchtiger Soldat und erhielt wegen seines großen Diensteifers
unter Augustus den Konsulat, dann nach der Eroberung von befestigten Plätzen der
Homonadenser im (Rauhen) Kilikien die Triumphalabzeichen; als er dem Gaius Caesar, der
Armenien als Provinz erhalten hatte, als Leiter der Geschäfte beigegeben war, machte er auch
Tiberius, der sich damals in Rhodos aufhielt, seine Aufwartung. Das brachte Tiberius jetzt im
Senat zur Sprache, lobte Quirinius' Rücksichtnahme ihm gegenüber und führte Klage Über
Marcus Lollius, den er beschuldigte, Gaius Caesar zu seinem schändlichen, zur Entzweiung
führenden Verhalten veranlasst zu haben.
Nachfolgeregelung
Die Krise des Jahres 23 v.Chr.
Cass. Dio 53,30,1-2
(1) Als Augustus zum elften Mal zusammen mit Calpurnius Piso den Konsulat innehatte,
erkrankte er wieder, und zwar so, dass er keine Hoffnung auf Rettung hatte: Da ordnete er in
Erwartung des Todes alle seine Angelegenheiten, versammelte alle Magistrate und die
führenden Senatoren und Ritter, ernannte zwar keinen Nachfolger, (2) obwohl alle erwarteten,
dass Marcellus dazu ausersehen würde, sondern sprach eine Weile mit ihnen über die
öffentlichen Angelegenheiten und übergab dann Piso das von ihm angefertigte Verzeichnis
der Streitkräfte und Staatseinnahmen, während er Agrippa seinen Siegelring aushändigte.
Aus der Leichenrede des Augustus auf M. Agrippa (P. Colon. Inv. Nr. 4701)
Denn die tribunizische Gewalt wurde dir auf fünf Jahre durch Beschluss des Senats im
Konsulatsjahr der Lentuli übertragen, und für eine weitere Fünfjahresfrist wurde sie dir unter
dem Konsulat des Tiberius Nero und des Quinctilius Varus, mit dir Verschwägerten,
verlängert. Und in welche Provinzen dich das römische Gemeinwesen schicken würde, in
ihnen sollte keines (anderen) Amtsgewalt größer sein als deine, wie im Gesetz festgelegt
wurde. Doch du, zum höchsten Gipfel durch unseren Eifer und deine eigenen Qualitäten
vermöge der Zustimmung aller emporgehoben […]
17
06.12.07 - Innenpolitik – Restauration und Sicherheit
Cic. De re publ. 5,1-2
(5,1) „Auf der Sitte der Vorzeit und Männern ihrer Art ruht der römische Staat.“
Diesen Vers scheint er mir, sei es wegen seiner Kürze, sei es wegen seines Wahrheitsgehalts,
wie aus einem Orakel verkündet zu haben. Denn weder hätten die Männer, wenn dies nicht
die Sitte der Bürgerschaft gewesen wäre, noch die Sitte, wenn nicht solche Männer an der
Spitze gestanden hätten, den Staat begründen oder einen so großen und eine so weit
ausgebreitete Herrschaft ausübenden so lange bewahren können. Also verfügte vor unserer
Zeit die Sitte der Vorfahren über herausragende Männer, und an der alten Sitte und den
Einrichtungen der Vorfahren hielten diese herausragenden Männer fest. (2) Obwohl unsere
Zeit den Staat wie ein vorzügliches, jedoch altershalber schon verblassendes Gemälde
empfangen hatte, hat sie es nicht nur versäumt, es in den Farben zu erneuern, mit denen es
gemalt war, sondern hat nicht einmal dafür gesorgt, dass es wenigstens die Form und die
äußeren Umrisse bewahrte. Denn was bleibt von der alten Sitte, von der der Dichter gesagt
hat, dass auf ihr der römische Staat ruhe? Wir sehen, dass sie so in Vergessenheit geraten ist,
dass nach ihr nicht nur nicht gelebt, sondern sie nicht einmal mehr gekannt wird. Und was soll
ich noch von den Männern reden, denn die Sitte selbst ist aus Mangel an den Männern
zugrunde gegangen. Für dieses große Übel haben wir nicht nur Rechenschaft zu geben,
sondern müssen uns wie Angeklagte in einem Kapitalprozess verteidigen. Denn wegen
unserer Verfehlungen, nicht aus irgendeinem Zufall bewahren wir den römischen Staat nur
noch dem Namen nach, in Wahrheit haben wir ihn längst aufgegeben.
Cic. Pro Marc. 23
Alles musst einzig und allein Du, C. Caesar, wiederaufrichten, was notwendigerweise durch
die Gewalt des Krieges, wie Du siehst, vernichtet am Boden liegt: Die Gerichte müssen (neu)
konstituiert, der Kredit wiederhergestellt, die verderblichen Leidenschaften zurückgedrängt,
für die Vermehrung des Volkes gesorgt, alles, was sich aufgelöst und schon verflüchtigt hat,
durch strenge Gesetze neu befestigt werden.
Die Saecularspiele 17 v.Chr.
CIL VI, 32323 = ILS 5050 (aus den Akten der Saecularspiele)
Am 3. Juni brachten Imperator Caesar Augustus und M. Agrippa auf dem Palatin Apollo und
Diana ein Opfer von jeweils neun Kuchen dar und beteten wie folgt: „Apollo, wie es für Dich
in den Sibyllinischen Büchern geschrieben steht: damit alles dem römischen Volk, den
Quiriten, zu größerem Heil gedeihe, soll Dir ein Opfer von jeweils neun Kuchen dargebracht
werden. Ich bitte und flehe Dich an: […]
Mehre die Herrschaft und Hoheit des römischen Volkes, der Quiriten, in Krieg und Frieden
und beschirme immer den Stamm der Latiner, gib dem römischen Volk, den Quiriten, auf
Dauer Unversehrtheit, Sieghaftigkeit und Gesundheit, gewähre dem römischen Volk, den
Quiriten, und den Legionen des römischen Volkes, der Quiriten, Deine Gunst und bewahre
den Staat des römischen Volkes, der Quiriten, unversehrt, sei wohlgeneigt dem römischen
Volk, den Quiriten, dem Kollegium der Fünfzehnmänner, mir, meinem Haus und meiner
Familie. Nimm dieses Kuchenopfer gnädig an. Deshalb sei geehrt durch das Opfer der
Kuchen der ersten Art und sei wohlgeneigt dem römischen Volk, den Quiriten, dem
Kollegium der Fünfzehnmänner, mir, meinem Hause und meiner Familie). […]“
Mit denselben Worten geschah die Anrufung der Diana. Als das Opfer vollzogen war, sangen
siebenundzwanzig Knaben, deren Väter und Mütter am Leben waren, und ebensoviele
Mädchen, das Kultlied; und in derselben Weise auf dem Kapitol.
Das Kultlied dichtete Q. Horatius Flaccus.
18
Horaz, Carmen Saeculare
Phoebus und du, Herrin des Waldes, Diana,
Du, des Himmels leuchtende Zier, verehrt auf
Ewig, gebt uns, was wir erflehn in dieser
Heiligen Stunde,
Da, Sibyllas Spruche getreu, erkorne
Mädchen und unschuldige Knaben allen
Göttern, die da schirmen die sieben Hügel,
singen ein Loblied.
Nährer Sol, der du mit dem Strahlenwagen
Bringst den Tag und nimmst, in dem steten Wechsel
Ewig gleich, mögst Größeres als die Stadt du
Nimmer erblicken!
Die Du sanft zum Lichte die reife Frucht führst,
Ilithyia oder Lucina oder,
Wenn Du also willst, Genitalis, komm und
Schirme die Mütter!
Göttin, lass uns Kinder erblühn und gib dem
Spruch der Väter über den Bund der Frauen
Froh Gedeihen und über des Kindersegens
Ehegesetze,
Dass nach elf Jahrzehnten, wenn dann der Kreis der
Zeit erfüllt, dir sicher Gesang und Spiele
Sich erneun, drei festliche Tage, gleich viel
Volkreiche Nächte.
Und ihr, wahrheitsingende Schwestern, Parcen,
Wie ihr einmal spracht und der Dinge Ausgang
Unverrückt einst zeige – verknüpft der Zukunft
Glück mit Vergangnem:
Reich an Vieh und Früchten soll Mutter Erde
Mit der Ähre kränzen der Ceres Stirne;
Jovis Luft und heilsames Nass erquicke
Nährend das Wachstum!
Mild und huldvoll lege den Bogen nieder,
Gott Apoll, und höre das Flehn der Knaben!
Luna, du, zweihörnige Sternenfürstin,
Höre die Mädchen!
Ist Rom euer Werk und war es Trojas
Kriegerschar, die eurem Geheiß gehorsam
Stadt und Herd einst ließ und zum Tuskerstrand fuhr
Sicheren Laufes,
19
Dem gefahrlos mitten durch Trojas Flammen
Freien Weg der fromme Aeneas bahnte
Nach der Heimat Fall, um ihr mehr zu geben,
Als sie zurückließ:
O, so gebt, ihr Götter, gelehrger Jugend
Reinen Sinn und Ruhe dem stillen Alter,
Gebt Gedeihn und Kinder und alles Schöne
Romulus' Volke!
Und wofür euch opfert die weißen Stiere
Venus' und Anchises' erlauchter Sprössling,
Das erlang' er, Sieger dem Gegner, schonend
Gegen Besiegte;
Seinem Arm, allmächtig zu Land und Meer, und
Albas Beilen beugt sich nun scheu der Meder;
Skythen, jüngst noch trotzig, und Inder holen
Seine Bescheide;
Und schon wagt auch Frieden und Treu und Ehre
Und der Vorzeit Zucht und vergessne Tugend
sich zurück; glückspendend erscheint mit vollem
Horne der Segen.
Der die Zukunft schaut und im Glanz des Bogens
Strahlt, der neun Camenen erkorner Liebling
Dessen Kunst heilbringend des Leibes kranke
Glieder erleichtert,
Phoebus lässt, wenn zum Palatin er huldvoll
Niederschaut, Roms Macht und das Glück Italiens
Auf ein neu Jahrhundert von Jahr zu Jahr stets
Schöner erblühen;
Die da thront auf Algidus' Höhen und dem
Aventin, Diana, vernimm der Fünfzehn
Flehn und leiht ein gnädiges Ohr der Kinder
Frommem Gebete.
Dass dies Jovis Wille und aller Götter,
nehm' ich heim als frohe, gewisse Hoffnung,
Ich, Apollos Lob und Dianens kundig
Singender Festchor.
20
Gesetzgebung am Beispiel der Ehegesetze
Liv. Perioch. 59
Der Zensor Q. Metellus schlug vor, alle zum Heiraten zu zwingen, damit sie Kinder zeugten.
Die Rede von ihm ist erhalten, die Augustus Caesar, als er die Frage der Förderung der Ehe
bei den einzelnen Ständen behandelte, im Senat vorlas, als sei sie für seine Zeit verfasst.
Cass. Dio 54,16,1-2 + 7 (18 v. Chr.)
(1) Augustus gab unter anderem ein Gesetz, das diejenigen, die sich der Wahlbestechung
schuldig gemacht hatten, fünf Jahre von der Ämterbewerbung ausschloss. Unverheirateten
Männern und Frauen legte er unverhältnismäßig schwere Sanktionen auf, und umgekehrt gab
er Privilegien für Verheiratung und Kinderzeugung. (2) Und da es in den höheren Ständen
mehr Männer als Frauen gab, gestattete er ihnen mit Ausnahme der Senatoren, freigelassene
Frauen zu heiraten, wenn sie wollten, und setzte fest, dass ihre Kinder als legitim gelten
sollten ... (7) Als nun gewisse Leute sich mit kleinen Mädchen verlobten und so die
Privilegien von Verheirateten genossen, ordnete er an, dass keine Verlobung Gültigkeit habe,
wenn der Mann nicht innerhalb von zwei Jahren nach der Verlobung (die Braut) heiratete,
d.h. dass er mindestens mit einer Zehnjährigen sich verlobte, wenn er aus der Verlobung die
(gesetzlichen) Vorteile ziehen wollte. Denn wie ich gesagt habe, für Mädchen beginnt mit der
Vollendung des zwölften Lebensjahres das heiratsfähige Alter.
Cass. Dio 56,1,2 + 10,1-3 (9 n. Chr.)
Und als die Ritter während der Spiele mit großem Eifer die Abschaffung des Gesetzes über
die Unverheirateten und Kinderlosen forderten, versammelte er sie auf dem Forum und zwar
getrennt nach Unverheirateten und Verheirateten unter Einschluss derer, die Kinder hatten,
und als er sah, dass diese viel weniger als jene waren, wurde er von Schmerz ergriffen und
richtete wie folgt das Wort an sie ...
(10,1) Danach vergrößerte er denen, die Kinder hatten, die Privilegien, er machte bezüglich
der Verheirateten und der Unverheirateten einen Unterschied bei den Sanktionen, und er
gewährte beiden Gruppen eine Jahresfrist, innerhalb der sie frei von gerichtlicher Verfolgung
sich für die Befolgung des Gesetzes entscheiden konnten. (2) Einigen Frauen gestattete er
gegen das Voconische Gesetz, nach dem keine mehr als 100.000 Sesterzen erben durfte, dies
zu tun. Und er gewährte den Vestalischen Jungfrauen die gleichen Privilegien, wie sie
diejenigen besaßen, die Kinder geboren hatten. (3) Und auf dieser Grundlage wurde das
Papisch-Poppaeische Gesetz von Marcus Papius Mutilus und Quintus Poppaeus Secundus, die
damals für einen Teil des Jahres Konsuln waren, eingebracht. Und zufälligerweise hatten
beide weder Frauen noch Kinder, und daraus wurde die Notwendigkeit des Gesetzes
ersichtlich.
Öffentliche Sicherheit
App. b. c. 5,547 (36 v. Chr.)
Da Rom selbst und Italien ganz offen von Räuberbanden heimgesucht wurden und die Vorfälle
eher dreisten Plünderungen als heimlichen Diebeszügen glichen, wurde Sabinus von Caesar
mit der Ordnung der Verhältnisse betraut. Er ließ viele aufgreifen und hinrichten und
innerhalb eines Jahres versetzte er alles in einen befriedeten, sorgenfreien Zustand. Und aus
dieser Zeit stammen, so sagt man, Brauch und Form der Polizeiposten des Militärs.
Dig. 1,12,12 (über das Amt des Stadtpraefecten)
Auch die Ruhe in der Stadtbevölkerung und die Ordnung bei öffentlichen Spielen fällt
offensichtlich in die Zuständigkeit des Stadtpraefecten: natürlich muss er über Militärposten
verfügen, um die Ruhe in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten und um sich melden zu lassen,
was verschiedenenorts vor sich geht.
21
Dig. 1,15,3 pr. (über das Amt des Praefecten der Feuerpolizei)
(Augustus) stationierte daher sieben Kohorten an geeigneten Plätzen, so dass jeweils eine
Kohorte zwei Regionen (der Stadt) überwachte, und er setzte Tribunen an ihre Spitze und
über alle jemanden aus der Rangklasse der „Hochansehnlichen“ mit dem Amtstitel eines
Praefecten der Feuerpolizei. Dieser führt die Untersuchungen gegen Brandstifter, Einbrecher,
Diebe, Räuber und Hehler, es sei denn die betreffende Person ist so gefährlich und berüchtigt,
dass sie dem Stadtpraefecten überlassen werden muss.
22
13.12.07 – Außen- und Reichspolitik – Expansion und Romanisierung
Cass. Dio 55,23,2-7 + 24,5-8
(2) Damals wurden 23 oder, wie manche sagen, 25 Bürgerlegionen unterhalten. Gegenwärtig
sind davon nur 19 Einheiten noch vorhanden: die zweite Augusta, die in Oberbritannien ihre
Winterquartiere hat, die drei dritten Legionen, die Gallica in Phoenicia, die Cyrenaica in
Arabia, die Augusta in Numidia, (3) die vierte Scythica in Syria, die fünfte Macedonica in
Dacia, die zwei sechsten, die Victrix in Unterbritannien sowie die Ferrata in Judaea, die siebte
in Untermoesien mit Namen Claudia, (4) die achte Augusta in Obergermanien, die beiden
zehnten, die Gemina in Oberpannonien und die in Judaea, die elfte Claudia in Untermoesien
(zwei Legionen sind nach Claudius benannt worden, weil sie bei der Rebellion des Camillus
nicht gegen ihn gekämpft hatten), (5) die zwölfte Fulminata in Cappadocia, die dreizehnte
Gemina in Dacia, die vierzehnte Gemina in Oberpannonien, die fünfzehnte Apollinaris in
Cappadocia, (6) die zwanzigste Valeria Victrix in Oberbritannien: diese übernahm und behielt
Augustus, glaube ich, zusammen mit der zweiundzwanzigsten, die in Obergermanien
stationiert ist, wenn sie auch nicht von allen Valeria genannt wurde und auch jetzt nicht so
heißt. (7) Das sind also die Legionen, die von den augusteischen noch gegenwärtig bestehen.
Die restlichen sind entweder ganz aufgelöst oder von ihm selbst bzw. anderen Kaisern
zusammengelegt worden, woraufhin es üblich geworden ist, ihnen den Beinamen Gemina (=
die Doppelte) zu geben ... (5) Dies also ist gegenwärtig die Zahl der regulär aufgestellten
Einheiten, außer den städtischen und den Praetorianerkohorten aber damals zur Zeit des
Augustus wurden entweder drei oder fünfundzwanzig unterhalten, daneben auch Einheiten
der Verbündeten, Fußtruppen und Reiterei sowie Seeleute, welches immer ihre Zahl war;
denn ich kann es nicht genau sagen. (6) Die Praetorianer waren 10.000 Mann stark, gegliedert
in 10 Einheiten, die städtischen Truppen, gegliedert in 4 Verbände, 6.000 I Mann; (7) hinzu
kamen fremde Gardereiter, die den Namen Bataver nach Batavia, einer Insel im
(Nieder)rhein, tragen, denn diese sind die besten Reiter. (8) Ihre genaue Zahl kann ich
ebensowenig wie die der wiedereinberufenen Veteranen angeben. Und auch damit, nämlich
mit ihrer Reaktivierung, begann Augustus, seitdem er die Soldaten seines Vaters gegen
Antonius wieder zu den Waffen gerufen hatte, und diesen Brauch behielt er bei; und auch
heute noch bilden sie (s.c. die Veteranen) ein besonderes Korps und tragen Stöcke wie die
Centurionen.
Cass. Dio 54,5-6 (13 v. Chr.)
(5) Danach berief er den Senat ein, sprach selbst wegen Heiserkeit nicht, sondern gab die
Schriftrolle dem Quaestor zum Lesen, ließ so seine Taten aufzählen und die Jahre für die
Dienstzeit der Bürger festlegen sowie die Geldsumme, die sie bei Beendigung des Dienstes
anstelle des bisher geforderten Landes erhalten sollten, damit die Soldaten, wenn sie künftig
zu festen Bedingungen rekrutiert würden, deswegen nicht mehr rebellieren könnten. (6) Die
Dienstzeit betrug für Praetorianer zwölf Jahre, für Legionäre sechzehn, und der Geldbetrag
variierte für die verschiedenen Gruppen. Diese Regelungen gaben den Soldaten damals
keinen Grund zu Freude oder Zorn, weil weder ihre Forderungen vollständig erfüllt noch
zurückgewiesen waren, den Bürgern aber brachten sie gute Hoffnungen, dass sie nicht mehr
enteignet würden.
Cass. Dio 55,23,1 (6 n. Chr.)
(1) Die Soldaten waren nicht zuletzt wegen der damals anstehenden Kriege empört über die
geringe Höhe der Belohnungen, und keiner war bereit, über die festgesetzte Zeit hinaus zu
dienen, und so wurde für die Praetorianer eine Abfindung von 5.000 Denaren nach
fünfzehnjähriger, für die Legionäre von 3.000 Denaren und zwanzigjähriger Dienstzeit
beschlossen.
23
Fünf Edikte des Augustus aus Kyrene und ein Senatsbeschluss
I.
Imperator Caesar Augustus, Pontifex maximus, im siebzehnten Jahr seiner tribunizischen
Gewalt, Imperator zum vierzehnten Mal, verkündet:
Da ich in der Provinz um Kyrene insgesamt 215 römische Bürger jeden Alters mit einem
geschätzten Vermögen von 2.500 Denaren oder mehr finde, aus denen die
Geschworenenrichter genommen werden, und Gesandtschaften aus den Städten der Provinz
darüber Beschwerde führen, dass es unter ihnen Verschwörungen gebe, die die Griechen mit
kapitalen Verfahren bedrängten, indem dieselben Leute abwechselnd als Ankläger aufträten
und einander als Zeugen unterstützten, ich selbst aber erkannt habe, dass eine gewisse Anzahl
(sc. von Griechen) auf diese Weise bedrängt und zur Todesstrafe verurteilt wurde, so scheinen
mir die künftigen Statthalter der Provinz Kreta und Kyrene, bis der Senat hierüber einen
Beschluss fasst oder ich eine bessere Lösung finde, gut und angemessen zu handeln, wenn sie
in der Provinz von Kyrene eine gleiche Zahl griechischer und römischer Richter aus der
höchsten Vermögensklasse in die Richterliste aufnehmen, keinen jünger als 25 Jahre, weder
Römer noch Griechen, noch einen, dessen geschätztes Vermögen weniger als 7.500 Denare
beträgt (sofern eine genügende Anzahl solcher Männer vorhanden ist) oder wenn auf diese
Weise die Zahl der Richter, die (in die Liste) aufgenommen werden müssen, nicht erreicht
wird, so sollen Richter mit mindestens der Hälfte des genannten Vermögens für kapitale
Verfahren gegen Griechen benannt werden. Wenn nun ein angeklagter Grieche einen Tag,
bevor der Ankläger das Wort nimmt, vor die Entscheidung gestellt wird, ob er will, dass seine
Richter alle Römer oder die Hälfte Griechen sind, und sich für die Hälfte Griechen
entscheidet, dann sollen die Loskugeln im Gewicht gleichgemacht und die Namen (sc. der
Richter) darauf geschrieben werden, und es sollen aus der einen Urne die Namen der Römer,
aus der anderen die der Griechen gezogen werden, bis von beiden Gruppen je 25 ausgelost
sind, von denen der Ankläger, wenn er will, jeweils einen aus jeder Gruppe ablehnen kann,
drei insgesamt der Angeklagte unter der Auflage, dass die Abgelehnten weder alle Römer
noch Griechen sind. Dann sollen alle übrigen zur Stimmabgabe zugelassen sein, und zwar
sollen die Römer ihre Stimmsteine gesondert in einen Kasten werfen, die Griechen (die ihren)
in einen anderen. Sobald dann die Auszählung der Stimmen getrennt vorgenommen worden
ist, soll der Statthalter, was die Mehrheit aller Richter beschlossen hat, öffentlich verkünden.
Und da die Verwandten von Opfern die ungerechte Tötung zumeist nicht ungesühnt lassen
und es wahrscheinlich ist, dass den Schuldigen griechische Ankläger nicht fehlen werden, die
Sühne für ihre getöteten Verwandten oder Mitbürger verlangen, scheinen mir die künftigen
Statthalter von Kreta und Kyrene gut und angemessen zu handeln, wenn sie in der Provinz um
Kyrene für die Tötung eines Griechen oder einer Griechin keinen Römer als Ankläger eines
Griechen zulassen, es sei denn ein (Grieche), dem das römische Bürgerrecht verliehen worden
ist, erhebt Anklage wegen der Tötung eines seiner Verwandten oder Mitbürger.
II.
Imperator Caesar Augustus, Pontifex maximus im siebzehnten Jahr seiner tribunizischen
Gewalt, verkündet:
Unwillen und Tadel verdient Publius Sextius Scaeva nicht, weil er Aulus Stlaccius, Sohn des
Lucius, Maximus und Lucius Stlaccius, Sohn des Lucius, Macedo sowie Publius Laquitanius,
Freigelassenen des Publius, Phileros gefesselt zu mir aus der Provinz von Kyrene senden ließ,
weil diese gesagt hatten, sie hätten Kenntnis von Dingen, die meine Sicherheit und das
Staatsinteresse beträfen, und wollten darüber aussagen. Denn dies tat Sextius angemessen und
vorsorglich. Da sie übrigens nichts wissen, was mich und das Staatsinteresse betrifft, sondern
mir deutlich machten, dass sie das, was sie in der Provinz erzählten, selbst erdichtet und
erlogen hatten, entlasse ich sie aus der Haft in die Freiheit. Aulus Stlaccius Maximus, den die
24
Gesandten der Kyrenaier beschuldigen, er habe die Statuen von den öffentlichen Plätzen
entfernt, unter anderen auch diejenige, unter welche die Stadt meinen Namen einmeißeln ließ,
verbiete ich, ohne meine Erlaubnis Rom zu verlassen, bevor ich über diese Angelegenheit
gerichtliche Untersuchungen geführt habe.
III.
Imperator Caesar Augustus, Pontifex maximus, im siebzehnten Jahr seiner tribunizischen
Gewalt, verkündet:
Wenn Bürger aus der Provinz Kyrene mit dem (römischen) Bürgerrecht geehrt worden sind,
so befehle ich, dass sie nichtsdestoweniger Dienstleistungen in ihrer Eigenschaft als Griechen
zu erbringen haben, mit Ausnahme derjenigen, denen durch ein Gesetz, einen
Senatsbeschluss, durch ein Dekret meines Vaters oder eines von mir Abgabenfreiheit
zusammen mit dem römischen Bürgerrecht verliehen worden ist, und zwar ist es mein Wille,
dass sie keine Abgaben entrichten für den Besitz, den sie damals hatten, für alles später
Hinzuerworbene aber die anfallenden Abgaben leisten.
IV.
Imperator Caesar Augustus, Pontifex maximus, im siebzehnten Jahr seiner tribunizischen
Gewalt, verkündet:
Bezüglich aller gerichtlichen Auseinandersetzungen unter Griechen in der Provinz von
Kyrene, mit Ausnahme der in kapitale Verfahren verwickelten Personen, über die die
Provinzstatthalter selbst die Untersuchung führen und das Urteil fällen oder ein
Geschworenengericht einsetzen müssen, ordne ich an, dass Griechen als Richter gegeben
werden, es sei denn ein Beklagter oder Angeklagter möchte römische Bürger zu Richtern
haben. Für die Partei aber, der aufgrund meiner Entscheidung Griechen als Richter gegeben
werden, bestimme ich, dass keiner Bürger der Stadt sein darf, aus der der Kläger oder
Ankläger oder aus der der Beklagte oder Angeklagte stammt.
V.
Imperator Caesar Augustus, Pontifex maximus, im neunzehnten Jahr seiner tribunizischen
Gewalt, verkündet:
Den Senatsbeschluss, der unter den Konsuln Gaius Calvisius und Lucius Passienus gefasst
und in meiner Gegenwart und von mir mit protokolliert wurde, betreffend die Sicherheit der
Bundesgenossen des römischen Volkes, habe ich, damit er allen zur Kenntnis komme, in die
Provinzen zu senden und meinem Edikt anzufügen beschlossen, woraus allen Bewohnern der
Provinzen deutlich werden wird, wie groß die Fürsorge ist, die ich und der Senat darauf
verwenden, dass keiner unserer Untertanen irgend etwas gegen die Billigkeit erleidet oder
Erpressung erdulden muss.
Beschluss des Senats
Worüber die Konsuln Gaius Calvisius Sabinus und Lucius Passienus Rufus Vortrag hielten:
„worüber Imperator Caesar Augustus, unser Princeps, aufgrund des Votums seines Beirats,
den er durch das Los aus der Mitte des Senats erhalten hat, den Willen äußerte, dass es durch
uns dem Senat vorgelegt werde, betreffend die Sicherheit der Verbündeten des römischen
Volkes“, hat der Senat beschlossen:
Unsere Vorfahren haben Gerichtsverfahren wegen Rückforderungen (erpresster) Gelder durch
Gesetz geschaffen, damit die Bundesgenossen erlittenes Unrecht leichter verfolgen und ihnen
abgepresstes Geld zurückerhalten könnten, doch erweist sich diese Art von Verfahren
gelegentlich als lästig und beschwerlich für diejenigen, um derentwillen das Gesetz erlassen
ist. Weil immer aus weit entfernten Provinzen als Zeugen arme oder auch durch Krankheit
und Alter geschwächte Personen beigebracht werden, beschließt der Senat: Wenn
25
Bundesgenossen nach dem Zustandekommen dieses Senatsbeschlusses ihnen abgepresste
öffentliche oder private Gelder zurückfordern wollen, ohne gegen den Täter ein kapitales
Strafverfahren zu eröffnen, und diesbezüglich einen der Magistrate, die den Senat
einzuberufen befugt sind, aufsucht und in Kenntnis setzt, dann soll sie der Magistrat so
schnell wie möglich vor den Senat führen und ihnen einen Beistand geben, der für sie vor
dem Senat sprechen wird, und zwar jemanden, den sie sich erbitten; gegen seinen Willen soll
niemand als Beistand fungieren, dem aufgrund der Gesetze das Recht zur Ablehnung dieser
Pflicht gewährt ist. Damit diejenigen angehört werden, die im Senat ihr Anliegen vorbringen,
soll der Magistrat, der ihnen Zugang zum Senat verschafft, am selben Tage in Gegenwart des
Senats, und zwar von nicht weniger als 200 (Senatoren), aus der Gesamtzahl der Konsulare,
die sich in Rom oder innerhalb von 20 Meilen von der Stadt entfernt aufhalten, vier auslosen;
in gleicher Weise aus der Gesamtzahl der Praetorier, die sich in Rom oder innerhalb von 20
Meilen von der Stadt entfernt aufhalten, drei; in gleicher Weise von den übrigen Senatoren
bzw. allen denen, denen im Senat ihre Stimme abzugeben erlaubt ist, die sich in Rom oder
innerhalb von 20 Meilen von der Stadt entfernt aufhalten, zwei. Er soll niemanden auslosen,
der 70 Jahre und älter ist oder der ein Amt oder ein Imperium bekleidet oder als Vorsitzender
eines Gerichts oder als Beauftragter für die Getreidezuteilung fungiert oder den eine
Krankheit an der Ableistung dieser Pflichtleistung hindert, wenn er sich vor dem Senat durch
eidliche Versicherung entschuldigt und hierfür drei Senatoren als Eideshelfer stellt, oder der
durch Verwandtschaft oder Verschwägerung dem Betreffenden (sc. dem Beklagten)
verbunden ist, so dass er nach dem Iulischen Richtergesetz nicht gegen seinen Willen in
einem öffentlichen Verfahren zur Zeugenaussage gezwungen werden darf oder den der
Beklagte vor dem Senat unter Eid als seinen Feind benennt; doch darf er nicht mehr als drei
unter Eid zurückweisen. Von den neun, die der Magistrat auf diese Weise auslost, soll er
innerhalb von zwei Tagen die das (erpresste) Geld Einklagenden und denjenigen, von dem sie
es zurückfordern, abwechselnd Richter zurückweisen lassen, bis fünf übrig bleiben. Wenn
einer der Richter, bevor die Angelegenheit entschieden ist, stirbt oder eine andere Ursache ihn
daran hindert zu richten, dessen Entschuldigung durch den Eid von fünf Mitgliedern des
Senats beglaubigt wird, dann soll der Magistrat in Gegenwart der Richter und der das
(erpresste) Geld Einklagenden und dessen, von dem sie es zurückfordern, eine Nachlosung
aus denen vornehmen, die desselben Ranges sind und dieselben Ämter bekleidet haben, das
jener bekleidet hatte, für dessen Stelle die Nachlosung vorgenommen wird, sofern er nicht
einen Mann hinzulost, den gegen den Beklagten auszulosen gemäß diesem Senatsbeschluss
nicht statthaft ist. Die erlosten Richter sollen allein bezüglich der Gelder, derentwegen einer
beklagt wird, sie von Gemeinden oder Privaten erpresst zu haben, Anhörungen und
Untersuchungen durchführen, und den Geldbetrag, den die Kläger als ihnen, dem
Gemeinwesen oder Privaten abgepresst nachweisen, sollen sie zurückzuerstatten anordnen
unter Beachtung der Auflage, dass die Richter innerhalb von 30 Tagen ihren Spruch. fällen.
Diejenigen. die hierüber Untersuchung führen und ihr Urteil sprechen müssen, sollen, bis sie
die Untersuchung abgeschlossen und ihr Urteil abgegeben haben, von allen öffentlichen
Pflichten mit Ausnahme der staatlichen Opferhandlungen entbunden sein. Weiterhin hat der
Senat beschlossen, dass der Magistrat, der die Auslosung der Richter vorgenommen hat, oder
falls dieser verhindert ist, der Konsul, der an dem (betreffenden) Tag die Geschäfte führt, den
Vorsitz innehabe und die Befugnis erteile, Zeugen zu laden, die sich in Italien befinden, und
zwar mit der Auflage, dass er dem Kläger wegen privater Schädigung nicht mehr als zehn
Zeugen zu laden erlaubt. Ebenso hat der Senat beschlossen, dass die Richter, die aufgrund
dieses Senatsbeschlusses erlost werden, öffentlich kundgeben, zu welchem Urteil jeder von
ihnen gelangt ist, und dass, was die Mehrheit kundgegeben hat, gelten soll.
26
Provinzialcensus
ILS 2683 (Grabstein des Q. Aemilius Secundus)
Q. Aemilius, Sohn des Quintus, aus der Stimmabteilung Palatina, Secundus, im Militärdienst
des Gottes Augustus unter dem kaiserlichen Legaten von Syrien P. Sulpicius Quirinius mit
militärischen Rängen ausgezeichnet, Praefect der ersten Augustischen Kohorte, Praefect der
zweiten Flottenkohorte: Als solcher habe ich auf Befehl des Quirinius in der Gemeinde
Apamea die Zählung und Vermögensschätzung von einhundertsiebzehntausend Bürgern
vorgenommen; ebenso habe ich auf Geheiß des Quirinius eine Expedition gegen die Ituraeer
geleitet und im Libanon einen befestigten Platz von ihnen eingenommen; und vor meinem
Militärdienst wurde ich als Zeugmeister von bei den Konsuln zur Staatskasse abgeordnet, und
in der Kolonie war ich Quaestor, zweimal Ädil, zweimal Duumvir und Priester. – Hier sind
beigesetzt Q. Aemilius, Sohn des Quintus, aus der Stimmabteilung Palatina, Secundus, der
Sohn, und die Freigelassene Aemilia Chia. Dies Monument gehr nicht weiter auf die Erben
über.
27
20.12.07 – Augustus und die Installierung des Herrscherkultes
Menschen als Götter – Anfänge der Vergöttlichung von Menschen in der Republik
Abstammung und Ende des Romulus
Dion. HaI. 1, 77, 2 ff.
Aber die meisten Autoren berichten eine wundersame Geschichte der Art, dass es ein Bild der
Gottheit war, der dieser Platz geweiht war, und sie fügen hinzu, dass das Abenteuer von
vielen übernatürlichen Zeichen begleitet wurde. Darunter war ein plötzliches Verschwinden
der Sonne und eine Dunkelheit, die sich über den Himmel ausdehnte, und dass die
Erscheinung des Abbildes wundersamer war als ein Mensch sowohl in Gestalt und Schönheit.
Und sie sagen, dass der Vergewaltiger ihr befahl, wodurch deutlich wurde, dass er ein Gott
war, sich nicht im geringsten wegen dem zu sorgen, was geschehen war, denn sie sei in einer
Ehe mit der Gottheit des Platzes verbunden worden und sie werde als Ergebnis ihrer
Verletzung zwei Söhne gebären, die alle Männer hinsichtlich Mut und kriegerischen Erfolgen
übertreffen würden. Nachdem er dies gesagt hatte, wurde er in eine Wolke eingehüllt, vom
Boden abgehoben und durch die Luft nach oben getragen. Das ist nicht der rechte Platz, um
zu überlegen, welche Meinung wir von solchen Geschichten haben sollten. Ob wir sie als
Zeichen menschlicher Schwäche verachten sollten, die man den Göttern zulegt, denn Gott ist
für jede Handlung unfähig, die seiner unbestechlichen und seligen Natur unwürdig ist, oder
ob wir sogar diese Geschichten glauben sollen, unter der Voraussetzung, dass die gesamte
Materie des Universums gemischt ist und zwischen den Rassen der Götter und der der
Menschen irgendeine dritte Rasse von Wesen existiert, die die der Dämonen ist, die, indem
sie sich manchmal mit den Göttern, manchmal mit den menschlichen Wesen vereinigen, die,
wie man sagt, sagenhafte Rasse der Heroen hervorbringt.
Dion. Hal. 2, 56, 2 ff.
Die Autoren, die einen ziemlich phantastischen Bericht für sein Leben geben, sagen, dass, als
er seine Männer im Lager versammelte, plötzliche Dunkelheit aus einem klaren Himmel
hereinbrach und ein heftiger Sturm ausbrach, nach dem er nirgendwo mehr gesehen wurde;
und diese Autoren glauben, dass er von seinem Vater Mars in den Himmel entführt wurde. (6)
Mag es sein wie es will, die Ereignisse, die sich durch Einwirkung des Himmels bei der
Zeugung und dem Tod dieses Mannes ereigneten, scheinen der Meinung der Leute keine
geringe Autorität zu geben, die aus sterblichen Menschen Götter machen und die Seelen
berühmter Menschen in den Himmel versetzen. Denn sie sagen, dass sich zu dem Zeitpunkt,
zu dem seine Mutter geschändet wurde, ob nun von irgendeinem Menschen oder einem Gott,
eine totale Sonnenfinsternis war und eine völlige Dunkelheit wie in der Nacht die Eide
bedeckte, und dass bei seinem Tode dasselbe sich ereignete.
P. Scipio Africanus
App. Hisp. 23
Und es schien mehr als zuvor, dass er bei all seinen Taten göttlich inspiriert sei. Er begann es
selbst zu glauben und enthüllte es auch anderen, nicht nur damals, sondern von dieser Zeit an
für den Rest seines Lebens. Bei allen Gelegenheiten, ging er oft alleine zum Kapitol und
schloss die Türen, als wenn er von dem Gott Ratschläge erhalte. Selbst heute bringen sie für
öffentliche Prozessionen allein das Bild des Scipio vom Kapitol, die anderen werden vom
Forum genommen.
28
Liv. 38, 56, 12
Er soll verboten haben, dass ihm Statuen auf dem comitium oder in der Cella des Iuppiter
errichtet wurden, er soll auch verboten haben, den Beschluss zu fassen, dass seine Statue im
Triumphalgewand aus dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus herausträte.
Gell. 6, 1, 2ff
Denn auch Gaius Oppius und Iulius Hyginus und andere, die über das Leben und die Taten
des Africanus schrieben, berichten, dass seine Mutter lange Zeit für unfruchtbar gehalten
wurde, und auch P. Scipio, mit dem sie verheiratet war, verzweifelt gewesen sei, Kinder zu
erhalten. Später sei im Schlafgemach und dem Bett der Frau, als sie, während der Ehemann
abwesend war, sich alleine niedergelegt und geschlafen habe, des öfteren eine riesige
Schlange gesehen worden, die neben ihr schlief, und die, als die Leute, die sie sahen,
erschraken und Geschrei erhoben, verschwunden und nicht mehr gefunden werden konnte.
Dies habe P .Scipio selbst den haruspices gemeldet. Nachdem diese ein Opfer dargebracht
hatten, antworteten sie, es werde geschehen, dass Kinder gezeugt würden, und wenige Tage,
nachdem die Schlange im Bett gesehen worden war, begann die Frau, die Zeichen des
empfangenen Foetus zu fühlen. Im zehnten Monat danach soll sie entbunden haben und es sei
jener P. Africanus geboren worden, der in Africa im 2. punischen Krieg Hannibal und die
Karthager besiegte. Aber es wurde geglaubt, dass er mehr wegen seiner Taten als wegen
dieses göttlichen Zeichens (ostentum) ein Mann göttlicher Tapferkeit (virtutis divinae)
gewesen sei.
Gracchen
Plut. C. Gracchus 39, 2
Denn es (das Volk) ließ Bilder von ihnen herstellen und stellte sie an einem herausragenden
Ort auf, weihte die Plätze, an denen man sie getötet hatte, und brachte dorthin die ersten
Früchte der Jahreszeit. Ja, viele opferten sogar und fielen jeden Tag vor ihren Statuen nieder,
wie wenn sie die Tempel der Götter aufsuchten.
Marius
Val. Max. 8, 15, 7
Es gab keinen, der ihm nicht gewissermaßen wie den unsterblichen Göttern bei den Opfern
vor dem Essen ein Trankopfer darbrachte.
Plut. Mar. 27,9
Ja, die Masse pries ihn als dritten Gründer Roms [nach Romulus und Camillus], da er eine
Gefahr nicht geringer als den Keltensturm gebannt hatte. Und als die Bürger zu Hause mit
Frauen und Kindern das Siegesfest feierten, brachten sie Marius so gut wie den Göttern von
Speise und Trank eine Spende dar.
Marius Gratidianus
Cic. off. 3, 80
In allen Wohnbezirken standen Statuen, zu ihnen brachte man Weihrauch und Kerzen.
Sen. de ira 3, 18, 1
Dem das Volk in den Wohnbezirken Statuen aufgestellt hatte, dem es mit Weihrauch und
Wein zu opfern pflegte.
Pompeius
Sall. hist. 3,88
29
Pompeius aber glaubte von frühester Jugend an durch das Gerede seiner Verehrer, dass er
dem König Alexander ähnlich sei, in seinen Taten und Plänen freilich war er sein Rivale.
Caesar
Suet. Caes. 76, 1
Denn er empfing nicht nur nichtige Ehren: den ununterbrochenen Konsulat, auf Dauer die
Diktatur und die Aufsicht über die Sitten, darüber hinaus das praenomen Imperator, den
Beinamen eines Vaters des Vaterlandes, eine Statue unter denen der Könige, einen erhöhten
Sitz (suggestus) in der Orchestra (des Theaters); aber er duldete es auch, dass ihm Dinge
beschlossen wurden, die größer als das waren, was den Menschen zustand. Einen goldenen
Thron in der curia und auf dem tribunal, einen Wagen und eine Trage bei der Prozession im
Zirkus, Tempel, Altäre, Bilder neben dem Speisesofa (pulvinar), einen Priester, luperci, eine
Monatsbenennung nach seinem Namen.
Cassius Dio 43,44,1-45,4
Zu Ehre seines Sieges verabschiedete der Senat all die Beschlüsse, die ich erwähnt habe,
nannte ihn zusätzlich 'Befreier', nahm dies auch in die öffentlichen Akten auf und beschloss
einen aus öffentlichen Geldern zu errichtenden Tempel für die Libertas. ... (44,6) Diese Ehren
beschlossen sie damals für Caesar, so dass er in öffentlichem Eigentum leben sollte, und ein
spezielles Dankfest, wenn immer sich ein Sieg ergebe, und Opfer sollten dafür dargebracht
werden. .. (45,1) Aber der Senat beschloss daneben die folgenden Beschlüsse, durch die sie
ihn durch und durch zu einem Alleinherrscher machten. Sie boten ihm die Magistraturen an,
selbst die, die der plebs gehörten, und wählten ihn zum consul auf 10 Jahre, so wie sie ihn
vorher zum dictator auf Lebenszeit gemacht hatten. (45,2) Sie beschlossen, dass nur er
Soldaten haben solle, und er allein die öffentlichen Gelder verwalten solle, so dass kein
anderer eine von ihnen verwalten solle, abgesehen von dem, dem er es erlaubte. Und sie
beschlossen zu dieser Zeit, dass eine Elfenbeinstatue von ihm und später ein ganzer Wagen in
der Prozession bei den Spielen im Zirkus zusammen mit den Bildern der Götter erscheinen
solle. (45,3) Eine andere Statue im Tempel des Quirinus mit der Inschrift 'Dem unbesiegten
Gott'. Eine andere Statue stellten sie auf dem Kapitol auf bei denen, die einst in Rom als
Könige herrschten.
Cassius Dio 44,4,2-7,1
(4,2) Zunächst einmal beschlossen sie, dass er immer reiten solle, selbst in der Stadt das
Triumphalgewand tragen solle und überall auf seinem Thron sitzen solle, abgesehen von den
Spielen, denn bei diesen erhielt er das Privileg, die Kämpfe von den Bänken (subsellia) der
Volkstribune aus zu verfolgen, zusammen mit denen, die zu dieser Zeit tribuni waren. (4,3)
Und sie gaben ihm das Recht, die spolia opimia, wie sie genannt werden, im Tempel des
Iuppiter Ferretius darzubringen, als ob er einen feindlichen Feldherren mit eigener Hand
erschlagen habe, lictores zu haben, deren fasces immer mit Lorbeer geschmückt waren, und
nach den feriae Latinae auf dem Rücken eines Pferdes in die Stadt zu reiten. (4,4) Zusätzlich
zu diesen bemerkenswerten Privilegien nannten sie ihn Vater des Vaterlandes, prägten diesen
Titel auf die Münzen, beschlossen seinen Geburtstag mit öffentlichen Opfern zu feiern,
befahlen, dass er eine Statue in den Städten und in allen Tempeln Roms haben solle, und
stellten auch zwei (Statuen) auf den rostra auf, eine, die ihn als Retter seiner Mitbürger
darstellte, und die andere als Befreier der Stadt von einer Belagerung, die die Kränze trugen,
die für solche Leistungen üblich waren. Sie beschlossen auch, einen Tempel der Concordia
Nova zu bauen, mit der Begründung, dass es durch seine Anstrengungen sei, dass sie den
Frieden genießen könnten, und alljährliche Feiern zu ihren Ehren. (5,2) Sie befahlen ihm ein
neues Senatsgebäude zu errichten, da das des Hostilius, obwohl es repariert worden war,
zerstört worden war. Der Grund für seine Zerstörung war, dass ein Tempel der Felicitas an
seiner Stelle gebaut werden sollte... und damit ein anderes Senatsgebäude, das neu gebaut
30
war, das julische genannt werden konnte, ebenso wie sie den Monat, in dem er geboren war,
Iulius genannt hatten, und eine der tribus, die durch Los ausgewählt worden war, die julische.
(5,3) Und sie beschlossen, dass er einziger censor auf Lebenszeit sein solle und die den
tribuni gewährten Privilegien genießen solle, ... und zusätzlich, dass Caesars Sohn, sollte er
einen zeugen oder sogar einen adoptieren, pontifex maximus werden solle. (6,1) Und da ihm
dies alles zu gefallen schien, wurde ihm ein vergoldeter Thron dekretiert und ein Gewand, das
einst die Könige verwendeten, und eine Leibwache aus Rittern und Senatoren; zusätzlich
beschlossen sie, dass öffentliche vota alljährlich für ihn abgelegt werden sollten, dass sie bei
Caesars Fortuna schwören sollten und all seine zukünftigen Handlungen als gültig ansehen
sollten. (6,2) Als nächstes beschlossen sie für ihn ein alle vier Jahre stattfindendes Fest wie
für einen Heros und ein drittes priesterliches collegium, das sie das julische nannten, um die
Lupercalia zu überwachen, und einen besonderen Tag für ihn, jedesmal in Verbindung mit
allen Gladiatorenspielen sowohl in Rom und dem übrigen Italien. (6,3) Als er sich mit diesen
Ehren zufrieden zeigte, beschlossen sie entsprechend, dass sein goldener Thron und seine
Krone, die mit kostbaren Gemmen besetzt und mit Gold überzogen war, in die Theater
getragen werden sollten wie die der Götter, und dass bei den Zirkusspielen sein Wagen
hineingebracht werden solle. (6,4) Und schließlich sprachen sie ihn direkt als Iuppiter Iulius
an und befahlen, dass ein Tempel für ihn und seine Clementia geweiht werden solle, und
wählten Antonius zu seinem Priester wie eine Art von flamen Dialis. (7,1) Und gleichzeitig
mit diesen Maßnahmen beschlossen sie eine weitere Maßnahme, die ihre Absicht besonders
klar deutlich machte: es gab ihm das Recht, sein Grab innerhalb des pomerium zu haben. Und
sie schrieben die Beschlüsse für diese Sache mit goldenen Buchstaben auf silberne Tafeln und
legten sie zu Füßen des Iuppiter Capitolinus nieder. Auf diese Weise machten sie ihm
ziemlich deutlich klar, dass er ein Sterblicher war. Das Recht, in der Kleidung der Könige
aufzutreten, bedeutet nichts anderes als das Tragen der Triumphaltracht, also ein Recht, das
man bereits zuvor Pompeius dekretiert hatte. ...Dies alles machte Caesar nicht zu einem Gott,
sondern bestenfalls zu einem deutlich herausgehobenen Menschen. Dazu passt auch das
Recht, sein Grab innerhalb des pomerium zu haben, also wie ein Heros ktistes innerhalb
seiner Stadt bestattet zu werden.
App. b.c. 2,16,106
Alle Arten von Ehren wurden ohne Zögern zu seiner charis für ihn beschlossen, sogar solche,
die über das menschliche Maß hinausgingen: Opfer, Spiele, Statuen in allen Tempeln und auf
öffentlichen Plätzen, von allen tribus, von allen Provinzen und von den mit Rom verbündeten
Königen. Er wurde in verschiedenen Arten dargestellt, und in einigen Fällen mit der Eiche
bekrönt als der Retter seines Landes... Er wurde zum Vater des Vaterlandes erklärt, zum
dictator auf Lebenszeit und consul für 10 Jahre gewählt, und seine Person wurde als
sacrosanct erklärt. Es wurde beschlossen, dass er die Amtsgeschäfte immer von einem Thron
aus Gold und Elfenbein aus durchführen sollte, dass er selbst immer im Triumphalgewand
Opfer darbringen sollte, dass die Stadt jedes Jahr die Tage feiern sollte, an denen er seine
Siege gewonnen hatte, dass alle 5 Jahre die Priester und die Vestalinnen öffentliche Gelübde
für seine Sicherheit ablegen sollten, dass die Magistrate sofort nach ihrem Amtsantritt einen
Eid ablegen sollten, gegen keinen von Caesars Beschlüssen zu handeln. Zu Ehren seiner
Geburt wurde der Name des Monats Quintilis in Juli geändert. Viele Tempel wurden für ihn
wie für einen Gott beschlossen, und einer wurde ihm gemeinsam, mit der Göttin Clementia
geweiht, die dargestellt wurden, wie sie sich die Hände reichten.
Suet. Caes. 84
Als das Begräbnis angesetzt worden war, wurde ein Scheiterhaufen auf dem Marsfeld bei dem
Grabmal der Iulia (der Tochter Caesars) errichtet und (auf dem Forum) vor den
Rednertribünen ein vergoldetes Gebäude nach dem Vorbild des Tempels der Venus Genetrix
31
aufgestellt. In diesem war ein Ruhebett aus Elfenbein, das mit goldenen und purpurnen
Tüchern bedeckt war, und am Kopf ein Gestell (tropaeum) mit dem Gewand, in dem er
ermordet war. Den Leuten, die Geschenke brachten, wurde gesagt, da der Tag dafür nicht
auszureichen schien, sie ohne Ordnung, auf welchen Wegen der Stadt jeder wollte, auf den
Campus Martius zu tragen. Während der Spiele wurde einiges gesungen, das dem Erbarmen
und dem Hass über seinen Mord angepasst war, aus dem 'Urteil der Waffen' des Pacuvius
'Habe ich Männer gerettet, damit sie mich verderben sollten' und aus der Electra des Acilius
in ähnlichem Sinne. Bei der Leichenrede ließ der consul Antonius durch einen Herold den
Senatsbeschluss vorlesen, in dem gleichzeitig alle göttlichen und menschlichen (Ehren)
beschlossen wurden, ebenso die Eidesformel, in der sich alle dem Heile eines einzigen
verpflichtet hatten. Diesem fügte er von sich selbst nur sehr wenige Worte hinzu. Die Liege
vor der Rednertribüne hatten Magistrate und gewesene Magistrate auf das Forum getragen.
Als ein Teil (der Menge) ihn in der Cella der luppiter auf dem Kapitol, ein anderer Teil ihn in
der Curia des Pompeius [dem Ort seiner Ermordung] verbrennen wollte, traten plötzlich zwei
Männer, die mit Schwertern umgürtet waren und jeweils zwei Wurfspeere trugen, mit
brennenden Fackeln hinzu. Sogleich entflammte die Masse der Umherstehenden trockenes
Holz und die Bühnen der Magistrate zusammen mit den Sesseln und was als Geschenk für das
Begräbnis vorhanden war. Dann nahmen die Flötenspieler und Bühnenkünstler die Kleidung
ab, die sie aus dem Bestand der Triumphalfeiern zum heutigen Gebrauch angezogen hatten,
zerrissen sie und warfen sie ins Feuer, ebenso die Veteranen die Waffen der Legionäre, mit
denen ausgestattet sie das Begräbnis feierten. Auch viele der Frauen warfen ihren Schmuck,
den sie trugen, und die Amulette und die Kleidung ihrer Kinder (ins Feuer).
Augustus und die Religion
Properz, Elegien, 1, 22
Wer ich sei, woher ich komm, wer meine Sippschaft, wissen willst du's, Tullus, teurer
Freund? Kennst Perusia du und seine frühen Gräber, wo Italiens Glanz, wo seine Bürger ruhn,
die in wilder Zwietracht gen einander rasten: (dir vor allem, tuskischer Boden, gilt mein
Schmerz - modern ließest du des Freunds Gebein ungedeckt im Sonnenleuchten liegen -)
Umbrien, wo es an tiefe Täler grenzt, blütenprangend, früchtereich ist Heimat mir.
Horaz, Ep. 16,1-10
Nun schon ein zweites Geschlecht verzehrt sich im Kriege der Bürger, und durch die eigne
Kraft sinkt Roma in den Staub. Unsere Stadt, die kein marsischer Nachbar zu stürzen
vermochte, die nicht des drohenden Porsenna Tuskerschar, Capua nicht, die tapfre Rivalin,
nicht Spartacus' Wüten, nicht, Aufruhr sinnend, Falschheit der Allobroger, nicht des grimmen
Germaniens blauäugige Mannen bezwangen, noch er, dem unsre Ahnen fluchten, Hannibal:
Wir, eine Sündbrut unseligen Blutes, verderben sie selber, und wilde Tiere werden wieder
ziehn ins Land.
Horaz, Ep. 7, 17-20
Wohin, wohin stürmt, Frevler, ihr? Was greift aufs neu die Hand zum grad geborgnen
Schwert? Floß auf den Feldern und in Neptuns Reich bisher noch nicht genug Latinerblut,
nicht dass Karthagos, der Rivalin, stolze Burg durch Rom in Schutt und Asche sank, nicht
dass der unbesiegte Brite kettenschwer hinab die Heil'ge Straße zieh, nein, dass - ganz nach
dem Wunsch der Parther - diese Stadt zugrunde geh durch eigne Hand? Nie kannten Wölfe,
kannten Löwen solchen Brauch, sind wild nur gegen fremde Art! Reißt blinder Wahn euch,
höhere Gewalt dahin? Ist's Sündenschuld? Gebt Antwort mir! Sie schweigen, fahle Blässe
deckt ihr Angesicht, und vor Entsetzen stockt ihr Herz. So ist's: Ein herbes Schicksal hetzt das
Römervolk, der alte Greul des Brudermords, seitdem zur Erde unverschuldet niederfloss, zum
Fluch den Enkeln, Remus' Blut.
32
Ovid, Metamorphosen, 1, 89ff
Erstes Zeitalter war das goldene. Ohne Gesetz und Richter wahrte aus eigenem Trieb es die
Treue und die Rechte. Fern waren Strafe und Furcht, man las nicht in ehernen Tafeln
drohende Worte gereiht, es fürchtete nicht ihres Richters Mund die flehende Schar, kein
Fürspruch musste sie schützen. Noch war die Föhre, gefällt, um den fremden Erdkreis zu
sehen, nicht von der Höhe ihrer Berge hinab in die Fluten gestiegen; außer dem eigenen
kannten die Sterblichen kein Gestade. Unverletzt durch den Karst, von keiner Pflugschar
verwundet, nicht im Frondienst gab von sich aus alles die Erde; und mit der Nahrung
zufrieden, die keinem Zwang erwachsen, las man Hagäpfel auf und Bergerdbeeren, des
Waldes Kirschen und, was als Frucht an dem derben Dornengerank hing, las die von Iuppiters
lichten Baum gefallenen Eicheln. Ewiger Frühling war, mit lauen Lüften umspielte sanfter
West die Blumen, die keinem Samen entblühten. Ungepflügt trug bald auch des Bodens
Früchte die Erde, ohne Brache gilbte das Feld von hangenden Ähren. Bald von Milch und
bald von Nektar gingen die Flüsse, gelber Honig tropfte aus grünender Eiche herab.
Vergil, 4. Ekloge
Musen Siziliens, wir wollen ein höheres Thema besingen. Pflanzungen und Tamarisken
bereiten nicht jedermann Freude. Wenn wir von Wäldern schon singen, seien des Konsuls sie
würdig. Nunmehr erschien, nach dem Liede von Cumae, die letzte der Zeiten. Machtvoll aufs
neue erhebt sich der Zug der Epochen zum Kreislauf. Nunmehr kehren die Jungfrau zurück
und das Reich des Saturnus, steigt auch ein neues Menschengeschlecht vom Himmel
hernieder. Zeig dich nur gnädig, du keusche Lucina, dem kommenden Kinde: Endet mit
seiner Geburt doch das Eiserne Zeitalter, leuchtet über die Erde das Goldne; schon waltet dein
Bruder Apollo. Pollio, dein Konsulat erlebt die herrliche Wende, unter ihm nimmt der
gewaltige Umschwung der Zeiten den Anfang. Gibt es noch Spuren unsrer Verbrechen, so
wird er in deiner Amtszeit sie tilgen, erlösen die Welt vom dauernden Schrecken. Göttliches
Leben erhält der kommende Knabe, Heroen sieht er und Götter vereint, tritt selber auch ihnen
vor Augen, lenkt dann, der Tatkraft des Vaters es dankend, im Frieden den Erdkreis.
Freiwillig, lieber Junge, wird dir die Erde Geschenke spenden, geringe zunächst noch,
rankenden Efeu, Duftwurzeln, indische Wasserrosen, vermischt mit heitrem Akanthus.
Freiwillig tragen die Ziegen ihr strotzendes Euter zur Stallung, länger nicht braucht sich das
Vieh vor reißenden Löwen zu fürchten. Liebliche Blumen streut dir die Wiege aus eigenem
Antrieb. Aussterben werden tödliche Schlangen und giftige Pflanzen, überall wird assyrischer
Balsam köstlich ersprießen. Aber sobald du die ruhmvollen Taten der Helden und deines
Vaters Verdienste erkennst und den Umfang der Leistungen würdigst, werden die Felder von
wogenden Ähren zu schimmern beginnen, Dornsträucher auch, wildwuchernd, rötliche
Weintrauben tragen, trotzige Eichen sogar von taufrischem Honigseim triefen. Wenige
Spuren einstiger Übel werden noch bleiben, Schifffahrt weit über das Meer, mit Mauern
umgürtete Städte, ebenso notwendig wie das den Boden aufwühlende Pflugschar. Ausspähen
wird aufs neue ein Tiphys, ein Schiff mit dem Namen Argo erwählte Heroen dahinfahren,
Schlachtenlärm dröhnen, auch ein Achilleus gewaltig zum Kampfe nach Ilion ziehen. Später,
wenn dich die Jahre heranreifen ließen zum Manne, werden die Seefahrer weichen, kein
Schiff wird Waren zum Austausch bringen: Die Erde erzeugt das Erforderte überall selber.
Nie mehr verspürt dann der Boden die Hacke, der Weinstock das Messer; frei von dem
Jochriemen lässt den Stier der rüstige Pflüger. Nicht mehr lügnerisch färben zu lassen braucht
sich die Wolle, sondern der Schafbock trägt auf der Wiese bereits in verschiednen Farben das
Fell, tiefrot bald vor Purpur, bald leuchtend wie Krokus. Scharlach bekleidet aus eigenem
Antrieb die weidenden Lämmer. »Solche Jahrhunderte sollt ihr durchlaufen!« befahlen die
Parzen ihren Spindeln, getreu der sicheren Weisung des Schicksals. Nimm in Empfang jetzt die Stunde verlangt es - die herrlichen Ehren, Götterspross, teurer, der machtvoll du Jupiters
33
Leistung ergänzest! Sieh doch, wie unter dem schweren Gewölbe die Erde erschauert, Länder
und Weiten des Meeres und niemals ergründlicher Himmel, sieh doch die Freude des Weltalls
beim Anblick der kommenden Zeiten! Könnte so lange ich leben und schwungvoll schaffen
als Dichter, wie es die richtige Würdigung deiner Taten verlangte! Orpheus, der Thraker,
sollte mich nicht im Gesang übertreffen, Linus nicht, leisteten ihnen dort Mutter, hier Väter
auch Hilfe, jenem die Kalliopeia und diesem der stattliche Phöbus. Stellte selbst Pan, vor
Arkadiens Richterthron, mir sich zum Wettstreit, würde er sich, vor Arkadiens Thron, zum
Besiegten erklären. Richte, mein Junge, mit Lächeln den forschenden Blick auf die Mutter brachten zehn Monate ihr doch mancherlei arge Beschwerden: Wer nicht als Kind durch sein
Lächeln den Eltern ein Lächeln entlockte, speist nie an göttlichem Tische und teilt nie ein
göttliches Lager.
Festkalender der augusteischen Epoche aus Cumae in Kampanien (Feriale Cumanum)
zwischen 6 und 14 n. Chr.
[XIIII K. Sept. Eo die Caesar pri]mum consulatum in[iit. Supplicatio ...]
[//I Non. Sept. Eo die exer]citusLepidi tradidit se Caesari. Suppli[c]a[tio]
[VI//I K. Octobr. Njatalis Caesaris. Immolatio Caesari hostia, supp[!]icatio. Nonis Octobr.
Drusi Caesaris natalis. Supplicatio Vestae.
XV K. Novembr. Eo die Caesar togam virilem sumpsit. Supplicatio Spei et Iu- ve[ntuti.
XVI K. Decembr. Natalis Ti. Caesaris. Supplicatio Vestae.
XVIII K. Ianuar. Eo die a[r]a Fortunae Reducis dedicatast, quae Caesarem A[ugustum ex
transmari]/nisprovinciis red[uxit]. Supplicatio Fortunae Reduci.
VII Idus Ianuar. E[o die Caesar] primumfasces sumpsit. Supp[!]icatio Iovi semierno.
[XV]//I K. Febr. Eo di[e Caesar Augustu]s appellatus est. Supplicatio Augusto. [//I K. Febr.
Eo die ara Pacis Aug. dedicata] est. Supplicatio imperio Caesaris Augusti cust[odis]/[civium
Romanorum orbisque terrar]um.
[Prid. Non. Mart. Eo die Caesar pontifex ma]ximus creatus est. Supplicat[i]o Vestae, dispubl.
p.p.R.Q.
[XVIII Kal. Mai. Eo die Caesar primum vicit. Suppli]catio Victoriae Augustae.
[XVII Kal. Mai. Eo die Caesar primum imperator app]ellatus est. Supplicatio Felicitati
imperi.
[//IlId. Mai. Eo die aedes Martis dedicatast. Supplica]tio Molibus Martis. [VI//I K. Iun.
Germanici Caesaris natalis. Supplica]tio Vestae.
[I//I Id. Iul. Natalis divi Iuli. Supplicatio Iov]i, Marti Ultori, Veneri [Genetrici]. [Suppli]catio
Iovi [ ].
19. August: 1. Konsulat.
[Nach dem 3. September]: Das Heer des Lepidus liefert sich Caesar aus. Supplicatio.
23. September: Geburtstag des Augustus. Immolatio Caesari hostia. Supplicatio.
7. Oktober: Geburtstag des Drusus Caesar. Supplicatio für Vesta.
18. Oktober: Caesar legt die toga virilis an. Supplicatio für Spes und luventutus.
16. November: Geburtstag des Tiberius Caesar. Supplicatio für Vesta.
15. Dezember: Dedicatio der ara Fortunae Reducis. Supllicatio für Fortuna Redux.
7. Januar: Caesar ergreift erstmals die fasces (43 v.Chr.). Supplicatio für luppiter sempiternus.
13. Januar: Augustus-Titel. Supplicatio Augusto.
30. Januar: Weihung der ara Pacis Augustae. Dankopfer für das Imperium des Caesar
Augustus, des Wächters über die römischen Bürger und den Erdkreis.
6. März: Wahl des Augustus zum pontifex maximus. Supplicatio für Vesta und die
öffentlichen Götter des p.p.R.Q.
14. April: Caesar siegt zum erstenmal. Supplicatio für die Victoria Augusta.
34
15. April: Erste imperatorische Akklamation. Supplicatio für Felicitas imperi. 12. Mai: Weihe
des aedis Martis. Supplicatio Molibus Martis.
24. Mai: Geburtstag des Germanicus Caesar. Supplicatio für Vesta.
12. Juli: Geburtstag des divus lulius. Supplicatio Iovi ?, Marti Ultori, Veneri [Genetrici].
Suet. Aug. 98, 2
Als er zufällig am Golf von Puteoli vorbeifuhr, begrüßten ihn die Passagiere und Seeleute
eines alexandrinischen Schiffes. Sobald er an Land gegangen war, brachten sie ihm in weißen
Gewändern und mit Kränzen ein Opfer mit Weihrauch dar und wünschten ihm mit
überschwänglichen Lobsprüchen alles Gute: durch ihn würden sie leben, durch ihn zur See
fahren, durch ihn Freiheit und Glück genießen.
Suet. 100, 2-4
Im Senat entbrannte in dem Bemühen um eine prachtvolle Ausrichtung der
Beisetzungsfeierlichkeiten und darum, dem Andenken des Toten Ehre zu erweisen, in
regelrechter Wettstreit, so dass es so weit ging, dass unter vielen anderen einige Senatoren
den Antrag stellten, der Leichenzug sollte durch das Triumphtor ziehen, dabei solle das Bild
der Siegesgöttin vorangetragen werden, das in der Curia stehe, und Kinder beiderlei
Geschlechts aus den vornehmsten Familien sollten das Trauerlied singen. Andere beantragten,
am Tage des Begräbnisses solle man die goldenen Ringe ablegen und eiserne anstecken.
Einige schlugen vor, die Priester der obersten Kollegien sollten die Gebeine aufsammeln. Es
gab auch einen, der vorschlug, den Namen des Monats Augustus auf den September zu
übertragen, weil in diesem Augustus geboren sei, in jenem gestorben. Ein anderer war der
Meinung, dass man die gesamte Zeit vom ersten Geburtstag bis zu seinem Tod „Zeitalter des
Augustus“ (saeculum Augustum) nennen solle und dies auch so in den Fasten verzeichnen
solle. Den Ehrungen hat man aber das rechte Maß gesetzt und nur zwei laudationes gehalten:
die eine hielt Tiberius vor dem Tempel des divus Iulius, die andere Drusus, der Sohn des
Tiberius, vorn auf der alten Rednertribüne, und Senatoren trugen den Leichnam auf ihren
Schultern bis zum Marsfeld, dort wurde er verbrannt. Und es gab auch einen Mann im Range
eines praetor, der schwor, wie das Abbild des Verbrannten in den Himmel aufgestiegen sei.
Die sterblichen Überreste sammelten die vornehmsten Angehörigen des Ritterstandes in der
Tunika, ohne Gürtel und mit bloßen Füßen auf und setzten sie im Mausoleum bei.
35
10.01.2008 – Augusteische Bildpropaganda
Forum Augusti und Mars Ultor Tempel
Plan und Rekonstruktion des Forum Augusti mit Tempel des Mars Ultor
1= Säulen mit einer Höhe von 16m;
2= Im oberen Stockwerk Frauenfiguren (Karyatiden), die denen im Erechtheion auf der
Athenischen Akropolis nachgebildet waren.;
3= Statuen der „großen Männer“ der Republik in den Nischen des Porticus.
36
Sueton, Augustus 29 (Zum Forum Augusti)
Die Hauptstadt, die nicht so ausgestattet war, wie es der Würde des Reiches entsprochen hätte
und Überschwemmungen und Feuersbrünsten ausgesetzt war, hat er in einem solchen
Ausmaß verschönert, dass er sich mit Recht rühmen durfte, er hinterlasse eine Stadt aus
Marmor, die er als Ziegelstadt übernommen habe. Ja, um ihre Sicherheit auch für die Zukunft
zu erhalten, tat er alles, wofür ein Mensch mit seinem Planen vorsorgen kann. Er errichtete
sehr viele öffentliche Bauten, von denen wohl die bedeutendsten diese sind: ein Forum mit
einem Tempel für Mars Ultor, der Tempel des Apollo auf dem Palatin, der Tempel für
Iuppiter Tonans auf dem Kapitol. Der Grund, ein Forum anzulegen, war der: die Anzahl der
Menschen und Gerichtsverhandlungen war groß, und so schien, da zwei nicht ausreichten,
noch ein drittes Forum erforderlich zu sein. Deshalb sputete man sich sehr, es für die
Öffentlichkeit freizugeben; mit dem Bau des Marstempels war man noch gar nicht fertig; und
man war auf der Hut, dass besonders auf diesem Forum die öffentlichen Prozesse (wegen
Verbrechen gegen den einzelnen oder den Staat) und die Auslosungen der Richter stattfanden.
Dem Mars einen Tempel zu bauen hatte er gelobt, nachdem er den Krieg von Philippi
angefangen hatte, um seinen Vater zu rächen. Folglich ordnete er verbindlich an, dass über
Kriege und Triumphe hier der Senat zu befinden habe, dass diejenigen, die dabei waren, ein
Kommando in den Provinzen zu übernehmen, von hier in dieses Amt auf den Weg geschickt
wurden und dass der, der siegreich zurückkomme, hier die Insignien seiner Triumphe ablegen
sollte.
Sueton, Claudius 33 (Zum Forum Augusti)
Egal, was die Uhr sagte und wo er sich gerade aufhielt, zu essen und zu trinken konnte er
nicht genug bekommen. Als er einmal auf dem Forum des Augustus zu Gericht saß, stieg ihm
der Geruch des Essens in die Nase, das im nahen Marstempel für die Salier zubereitet wurde,
also verließ er seinen Richterstuhl, begab sich zu den Priestern hinauf und legte sich mit ihnen
zusammen zu Tisch.
Ara Pacis
Ara Pacis, Rom, gelobt 13 v.Chr., geweiht 9 v.Chr.
37
24.01.08 – Tacitus und sein Bild des Augustus
Tacitus, Annalen I 1-10
In der Stadt Rom regierten anfangs Könige. L. Brutus brachte die Freiheit und führte das
Konsulat ein. Wenn man zu Diktaturen griff, geschah dies nur auf Zeit. Auch die Amtsgewalt
der Dezemvirn dauerte nicht länger als zwei Jahre, wie auch die konsularische Befugnis der
Militärtribunen nur von kurzer Dauer war. Nicht Cinnas, nicht Sullas Gewaltherrschaft
erstreckte sich auf einen längeren Zeitraum, des Pompeius und des Crassus Macht ging rasch
auf Caesar, des Lepidus und des Antonius militärische Gewalt auf Augustus über, der die
ganze durch den bürgerlichen Hader erschöpfte Welt unter dem Namen eines Princeps seiner
Herrschaft unterstellte. Doch des alten römischen Volkes glückliche oder auch unglückliche
Geschichte haben ja berühmte Schriftsteller dargestellt, und auch bei der Schilderung der
augusteischen Zeiten haben es rühmliche Talente so lange nicht an sich fehlen lassen, bis sie
sich durch das überhandnehmende Kriechertum abschrecken ließen; des Tiberius, des Gaius,
des Claudius und des Nero Regierung fanden während ihrer Lebenszeit, weil man sie
fürchtete, eine verfälschte und nach ihrem Tode eine noch die frischen Hassgefühle atmende
Darstellung. Daher habe ich mich entschlossen, kurz über Augustus, und zwar über seine
letzten Lebensjahre zu berichten, dann das Principat des Tiberius und alles weitere darzulegen
ohne Abneigung und Zuneigung, wozu ich entfernt keinen Grund habe.
(2) Nach dem gewaltsamen Tod des Brutus und des Cassius gab es keine inneren Konflikte
mehr, die mit den Waffen ausgetragen wurden: Pompeius war bei Sizilien erledigt, Lepidus
seiner Macht entkleidet, Antonius umgebracht. Auch die iulianische Partei verfügte,
abgesehen von Caesar, über keinen Führer mehr. Er legte den Titel eines Triumvirs ab, trat als
Konsul auf und begnügte sich, um für die Sache der Plebs einzutreten, mit dem tribunizischen
Recht. Sobald er das Militär mit Geschenken, das Volk durch Getreidespenden, alle
miteinander durch die Annehmlichkeit einer Friedenszeit für sich gewonnen hatte, erhob er
allmählich höher sein Haupt und zog die Befugnisse des Senats, der Staatsverwaltung und der
Gesetzgebung an sich. Dabei fand er keinen Widersacher, da die tatkräftigsten Männer auf
den Schlachtfeldern geblieben oder den Proskriptionen zum Opfer gefallen waren, während
die übriggebliebenen Angehörigen der Nobilität bereitwillig das Joch der Knechtschaft auf
sich nahmen und dafür um so höher an Reichtum und Ehren stiegen, ja die neue Lage sich
zunutze machten und die sichere Gegenwart einer gefahrvollen Vergangenheit vorzogen.
Auch die Provinzen lehnten sich gegen diesen Stand der Dinge nicht auf, da das Regiment des
Senats und des Volkes wegen der Streitigkeiten der Machthaber und der Habsucht der
Beamten in Misskredit gekommen war, wobei man von den Gesetzen, die durch Gewalttat
und Parteilichkeit, ja zuletzt durch Bestechung unwirksam gemacht wurden, keine wirksame
Hilfe zu erwarten hatte.
(3) Im übrigen erhob Augustus zur Unterstützung seiner Alleinherrschaft seinen noch sehr
jungen Schwestersohn Claudius Marcellus zum Pontifex und kurulischen Adil, den
nichtadeligen M. Agrippa, einen tüchtigen Kriegsmann, der der Gefährte auf seiner
Siegeslaufbahn gewesen war, zweimal hintereinander zum Konsul. Nach dem Ableben des
Marcellus nahm er ihn dann zum Schwiegersohn. Seine Stiefsöhne Tiberius Nero und
Claudius Drusus zeichnete er mit dem Imperatorentitel aus, zu einer Zeit, da alle Mitglieder
seiner Familie noch am Leben waren. Denn er hatte Agrippas Söhne, Gaius und Lucius, in die
Familie der Caesaren aufgenommen und, obwohl sie das Knabenkleid noch nicht abgelegt
hatten, ihre Ernennung zu „Führern der Jugend“ und ihre Nominierung als Konsuln
dringendst gewünscht, wobei er so tat, als ob er dies ablehne. Als Agrippa aus dem Leben
geschieden war, raffte den L. Caesar während einer Reise zu den spanischen Heeren und den
an einer Verwundung leiden den Gaius auf dem Rückwege von Armenien ein frühzeitiges
Todesgeschick – oder auch ein hinterhältiger Anschlag ihrer Stiefmutter Livia – hinweg. Da
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Drusus schon lange gestorben war, war Tiberius Nero allein von den Stiefsöhnen noch übrig,
und damit fiel ihm alles zu. Er wurde adoptiert, zum Mitregenten und Mitinhaber der
tribunizischen Gewalt gemacht und sämtlichen Heeren vorgestellt, wobei seine Mutter nicht
mehr, wie früher, zu dunklen Machenschaften griff, sondern in aller Öffentlichkeit die
treibende Kraft war. Denn sie hatte den greisen Augustus derart in ihren Bann gezogen, dass
er seinen einzigen noch lebenden Enkel Agrippa Postumus, der zwar recht ungebildet war und
auf seine körperlichen Kräfte dummdreist pochte, dem man jedoch keine einzige ehrlose
Handlung nachweisen konnte, auf die Insel Planasia verstieß. Aber, wahrhaftig, Germanicus,
den Sohn des Drusus, machte er zum Befehlshaber über die acht Legionen, die am Rhein
standen, und befahl Tiberius, ihn zu adoptieren, obgleich in der Familie des Tiberius ein
jugendlicher Sohn war. Doch Augustus wollte über eine vermehrte Zahl von Stützen
verfügen. Der einzige Krieg, der in dieser Zeit noch andauerte, war der gegen die Germanen;
er sollte mehr die Schande des unter Quintilius Varus verlorenen Heeres tilgen als dem
Wunsch nach Ausdehnung des Reiches oder sonst einem den Einsatz lohnenden Preise
dienen. Im Innern war die Lage ruhig. Die Staatsämter hatten noch die gleichen
Bezeichnungen, die Jungen waren nach dem Sieg bei Actium und auch die Alten zum größten
Teil noch während der Bürgerkriege geboren. Wie wenige gab es da, die das freie
Gemeinwesen erlebt hatten!
(4) So hatte sich denn die Staatsform gewandelt, und nirgends hatte diese Wandlung eine
Spur der alten Sittenreinheit hinterlassen. Die Gleichheit der Staatsbürger war beseitigt, und
alle schauten nur noch auf die Befehle des Princeps, ohne dass für den Augenblick Anlass zu
Befürchtungen gewesen wäre. Denn Augustus stand noch in rüstigem Alter und erhielt sich
und sein Haus und damit den Frieden auf- recht. Als er dann in vorgerücktem Alter stand,
Krankheit ihn körperlich schwächte und sein nahes Ende neue Hoffnungen erweckte, da fand
sich eine Minderheit, die sich in leerem Gerede über das Gut der Freiheit erging; die
Mehrzahl zitterte vor einem Kriege, andere wieder wünschten ihn. Der weitaus größte Teil
stellte in allem möglichen Gerede Vermutungen über die kommenden Herren an. Brutal sei
Agrippa und erbittert über die entehrende Behandlung, die ihm zuteil geworden sei; weder
nach seinem Alter noch nach seiner Lebenserfahrung sei er einer so schweren Aufgabe
gewachsen. Tiberius Nero sei zwar reif an Jahren und kriegserprobt, aber in ihm lebe der alte,
der claudischen Familie angeborene Hochmut, und sein grausames Wesen künde sich in
vielfacher Form an; zwar werde es noch unterdrückt, aber eines Tages werde es plötzlich
hervorbrechen. Auch sei er von frühester Kindheit an in einem Herrscherhause aufgewachsen,
in seinen Jugendjahren habe man ihn mit Konsulaten, Triumphen überhäuft, und auch in den
Jahren, die er unter dem Schein freiwilliger Zurückgezogenheit, in Wirklichkeit als
Verbannter, in Rhodus zugebracht habe, sei sein Sinn lediglich auf Rache, Verstellung und
Befriedigung geheimer Sinnenlust gerichtet gewesen. Dazu komme noch seine Mutter mit
ihrer weiblichen Unbeherrschtheit: Man müsse den Sklaven einer Frau und obendrein noch
zweier Jünglinge spielen, die für das Gemeinwesen einstweilen noch eine drückende Last
bilden, es später aber einmal in Stücke reißen.
(5) Während dieser und ähnlicher Betrachtungen verschlimmerte sich der Gesundheitszustand
des Augustus. Manche argwöhnten, es stecke ein Verbrechen seiner Gemahlin dahinter. Denn
es war das Gerücht aufgekommen, vor einigen Monaten sei Augustus nach Planasia zu einem
Besuch des Agrippa gefahren; eine Anzahl ausgewählter Leute sei in die Sache eingeweiht
und Fabius Maximus als einziger Begleiter mitgenommen worden. Dort habe es auf beiden
Seiten viele Tränen und viele Bekundungen der Liebe gegeben, und man habe in Aussicht
genommen, den Jüngling dem großväterlichen Hause wieder zurückzugeben. Dies habe Maximus seiner Gattin Marcia mitgeteilt, die es an Livia weitergegeben habe. Dies sei dann auch
dem Caesar zu Ohren gekommen. Und als bald darauf Maximus starb – man weiß nicht, ob
Selbstmord vorlag –, habe man bei seiner Beisetzung Marcia jammern hören, die sich selbst
vorwarf, die Schuld an dem Tod ihres Mannes zu haben. Mag dies nun geschehen sein, wie es
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will, kaum hatte Tiberius Illyricum betreten, als er durch einen Eilbrief seiner Mutter
zurückberufen wurde. Es ist nicht einwandfrei festgestellt, ob er Augustus noch atmend oder
schon tot in Nola angetroffen hat; denn Livia hatte das Haus und die Straßen unter scharfe
Bewachung stellen und absperren lassen, und von Zeit zu Zeit verbreitete man günstige
Krankheitsberichte, bis die erforderlichen Vorkehrungen getroffen waren und gleichzeitig das
Ableben des Augustus und der Regierungsantritt des Tiberius bekannt wurde.
(6) Das erste Verbrechen des neuen Principats war die Ermordung des Postumus Agrippa: er
ahnte nichts und war ohne Waffen, als ihn ein Centurio – trotz aller Beherztheit nur mit Mühe
– umbrachte. Tiberius gab über diese Angelegenheit vor dem Senat keine weitere Erklärung
ab. Er gab vor, es handle sich um einen Befehl seines Vaters, in dem dieser dem zur
Bewachung beigegebenen Tribunen die Weisung gegeben habe, unverzüglich Agrippa
umzubringen, sobald er selbst verschieden sei. Allerdings hatte Augustus sich vielfach
erbittert über das Benehmen des Jünglings beklagt und durchgesetzt, dass seine Verbannung
durch einen Senatsbeschluss bestätigt wurde. Aber seine Härte ging nie so weit, dass er den
gewaltsamen Tod irgendeines seiner Angehörigen veranlasst hätte. Es wäre auch nicht
glaubhaft gewesen, dass er seinen Enkel umbringen ließ, um seinen Stiefsohn sicherzustellen.
Näher der Wahrheit kommt es, zu glauben, dass Tiberius und Livia die beschleunigte
Ermordung des beargwöhnten und verhassten Jünglings veranlasst haben, der eine aus Furcht,
die andere in stiefmütterlichen Hassgefühlen. Dem Centurio, der nach militärischem Brauch
meldete, der Befehl sei durchgeführt, gab er den Bescheid, er habe keinen Befehl gegeben und
die Tat müsse vor dem Senat verantwortet werden. Als dies Sallustius Crispus, der in sein
geheimes Treiben eingeweiht war (er war es, der an den Tribunen das Handschreiben
geschickt hatte), erfuhr, fürchtete er, als Schuldiger vorgeschoben zu werden, wobei etwaige
falsche Aussagen gleich gefährlich seien wie wahre. Darum warnte er Livia,
Familiengeheimnisse, Ratschläge von Freunden und militärische dienstliche Aufträge der
Öffentlichkeit preiszugeben. Tiberius solle die Machtstellung des Principats nicht dadurch
untergraben, dass er alles vor den Senat bringe. Denn der Grundsatz jeder herrscherlichen
Gewalt sei es, dass ein Rechenschaftsbericht nur dann in Ordnung sei, wenn er allein dem
Herrscher erstattet werde.
(7) Aber in Rom stürzte sich alles in die Knechtschaft: Konsuln, Väter, Ritter. Je höher sie
standen, um so falscher und eilfertiger traten sie mit verstellter Miene auf, und um nicht über
den Tod des alten Princeps Freude oder bei dem Regierungsantritt des neuen zu große Trauer
zu verraten, zeigten sie ein Gemisch von Tränen und Freude, Klagen und Schmeichelei. Die
Konsuln Sex. Pompeius und Sex. Appuleius waren die ersten, die den Treueid auf Tiberius
Caesar leisteten. In ihre Hände legten dann Seius Strabo und G. Turranius, jener als
Befehlshaber der Prätorianerkohorten, dieser als Präfekt der Getreideversorgung, den Eid ab.
Ihnen folgten der Senat, das Militär und das Volk. Denn alle Amtshandlungen ließ Tiberius
durch die Konsuln einleiten, als ob die alte republikanische Verfassung noch bestünde und er
selbst unschlüssig wäre, ob er die Zügel der Regierung persönlich übernehmen solle. Auch
das Edikt, durch das er die Väter in die Kurie berief, erließ er nur als Inhaber der
tribunizischen Macht, die er unter Augustus erhalten hatte. Das Edikt war in einer knappen
Form und in einem recht zurückhaltenden Ton abgefasst: hinsichtlich der letzten Ehren für
seinen Vater wolle er den Senat befragen; er übe die Totenwache aus, und dies sei das einzige
öffentliche Amt, das er für sich in Anspruch nehme. Und doch hatte er nach dem Tode des
Augustus den Prätorianerkohorten die Parole als Imperator ausgegeben; die Wachen zogen in
Waffen auf, und auch alles übrige trug das Gepräge eines fürstlichen Hofes; Militär bildete
das Geleit zum Forum, Militär zu der Kurie. Er schickte schriftliche Erlasse zu den Heeren,
als ob er das Principat angetreten habe; nirgends zeigte er Hemmungen, außer wenn er im
Senat sprach. Sein hauptsächlicher Beweggrund war die Befürchtung, Germanicus, in dessen
Hand so viele Legionen und zahllose. bundesgenössische Hilfstruppen waren, der eine
erstaunliche Beliebtheit beim Volke genoss, möchte lieber die Regierung in Händen haben als
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auf sie warten. Auch auf seinen Ruf nahm er Rücksicht, indem er lieber den Anschein
erwecken wollte, von dem Gemeinwesen berufen und auserwählt zu sein, als durch das
Ränkespiel einer Frau und die Adoption eines Greises sich eingeschlichen zu haben. Später
erkannte man, dass er die Rolle des Zaudernden auch zu dem Zweck gespielt habe, in die
Gesinnung der adeligen Kreise Einblick zu gewinnen. Denn die Worte, die er hörte, und die
Mienen, die er sah, pflegte er in seinem Innern zu verbergen und als Verbrechen zu
missdeuten.
(8) Am ersten Tag ließ er im Senat keinen anderen Verhandlungsgegenstand zu als die
Leichenfeierlichkeiten für Augustus. In seinem Testament, das von den Jungfrauen der Vesta
hereingetragen wurde, waren Tiberius und Livia als Erben eingesetzt. Livia wurde in die
iulische Familie aufgenommen und erhielt den Titel Augusta. Als Erben zweiten Grades hatte
Augustus seine Enkel und Urenkel, als solche dritten Grades die ersten Männer der
Bürgerschaft eingesetzt, obwohl ihm sehr viele von ihnen verhasst waren. Aber .er tat dies,
um zu prahlen und um bei der Nachwelt Ruhm zu ernten. Die Vermächtnisse überstiegen
nicht die übliche Höhe, nur dass er dem Staatsvolk und der Plebs dreiundvierzig Millionen
fünfhunderttausend Sesterzen, den Prätorianerkohorten Mann für Mann tausend, den
städtischen Kohorten je fünfhundert, den Legionssoldaten oder den Soldaten der römischen
Bürgerkohorten je dreihundert Sesterzen vermachte. Dann trat man in die Beratung über die
Ehrungen ein: die hervorstechendsten unter den Anträgen, die gestellt wurden, waren der des
Gallus Asinius, der Leichenzug solle durch ein Triumphtor geleitet werden, und der des L.
Arruntius, es sollen die Titel der von Augustus erlassenen Gesetze sowie die Namen der von
ihm besiegten Völker vorausgetragen werden. Messala Valerius fügte hinzu, jährlich solle der
Eid auf den Namen des Tiberius neu geleistet werden. Von Tiberius befragt, ob er auf seine
Anweisung hin diesen Antrag eingebracht habe, erklärte er, er habe dies von sich aus gesagt
und er werde auch bei allen Staats Angelegenheiten lediglich seiner eigenen Erkenntnis
folgen, selbst unter der Gefahr, Anstoß zu erregen. Dies war die einzige Art von Kriechertum,
die es bisher nicht gab. Im Chor riefen die Väter, man solle den Leichnam auf den Schultern
der Senatoren zu dem Scheiterhaufen tragen. Der Caesar zeigte sich nachgiebig, anmaßend
und bescheiden zugleich. Er ermahnte das Volk in einem Erlass, nicht so, wie sie einst allzu
leidenschaftlich das Leichenbegängnis des göttlichen Iulius gestört hätten, jetzt zu wünschen,
dass Augustus auf dem Forum anstatt auf dem Marsfeld, an dem vorbestimmten Ruheplatz,
verbrannt werde. Am Tage des Leichenbegängnisses standen die Soldaten gleichsam als
Sicherungstruppe da. Es wurde lebhaft von denen gespottet, die noch selbst jenen Tag erlebt
oder auch durch ihre Eltern von ihm gehört hatten, an dem die Knechtschaft erst im Werden
war und die Freiheit unter einem unglücklichen Stern wiedererstrebt wurde; damals, als die
Ermordung des Diktators Caesar den einen als die verwerflichste, den andern als die
herrlichste Tat erschien. Jetzt müsse man dem greisen Princeps, der so lange an der Macht
gewesen sei und vorsorglich seinen Erben die Machtmittel, um sie gegen das Gemeinwesen
zu gebrauchen, hinterlassen habe, natürlich mit militärischer Hilfe schützen, damit seine
Beisetzung in Ruhe vor sich gehe.
(9) Ein vielfaches Gerede über Augustus selbst knüpfte sich daran, wobei man sich meistens
über nichtige Dinge wunderte: dass der Tag seiner einstigen Regierungsübernahme mit
seinem letzten Lebenstag zusammengefallen sei, dass er in Nola in dem gleichen Haus und
Schlafgemach, wie sein Vater Octavius, sein Leben beendet habe. Auch die Zahl seiner
Konsulate, mit der er die von Valerius Corvus und C. Marius zusammen erreicht hatte, hob
man hervor, ferner die während siebenunddreißig Jahren ununterbrochen ausgeübte
tribunizische Macht, den einundzwanzigmal erworbenen Titel Imperator und andere
Ehrungen, die ihm vielfach erwiesen oder auch zum Teil neu für ihn geschaffen worden
waren. Aber die gebildeten Leute ergingen sich über sein Leben bald in Lob, bald in Tadel.
Die einen hoben rühmend hervor, er sei aus Pflichtgefühl gegenüber seinem Vater und durch
die Notlage des Gemeinwesens, in dem damals die Gesetze nichts mehr galten, zum
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Bürgerkrieg getrieben worden, den man freilich mit anständigen Mitteln weder vorbereiten
noch durchführen konnte. Vielfach habe er dem Antonius, in dem Wunsche, sich an den
Mördern seines Vaters zu rächen, nachgegeben, weithin auch dem Lepidus. Nachdem dieser
alt und schlaff geworden und jener seinen sinnlichen Ausschweifungen zum Opfer gefallen
sei, habe es für die in Zwietracht zerfallene Vaterstadt nur noch das Heilmittel der Monarchie
gegeben. Dennoch habe er das Gemeinwesen nicht auf eine monarchische oder diktatorische
Grundlage gestellt, sondern ihm den Namen „Principat“ gegeben. Durch den Ozean oder
durch fern liegende Flüsse sei das Reich abgeschirmt, Legionen, Provinzen, Flotten, alles sei
eng untereinander verbunden. Recht werde gegen die Bürger, Rücksichtnahme gegen die
Bundesgenossen geübt. Die Hauptstadt selbst stehe in prächtigem Schmuck da. Nur in ganz
seltenen Fällen habe man Gewalt angewendet und nur, damit die anderen in Ruhe leben
konnten.
(10) Von der Gegenseite wurde eingewendet: Das Pflichtgefühl gegenüber seinem Vater und
die Notzeiten des Gemeinwesens habe er nur als Vorwand benutzt, in Wirklichkeit habe er aus
Herrschsucht durch freigebige Spenden die Veteranen unter die Waffen gerufen, als Jüngling
ohne eine amtliche Stellung ein Heer ausgerüstet, die Legionen des Konsuls verführt und
Sympathie für die pompeianische Partei vorgetäuscht. Als er dann auf Grund eines
Beschlusses der Väter die Rutenbündel und die prätorische Rechtsbefugnis an sich gerissen,
habe er nach dem Tode des Hirtius und Pansa – mögen nun beide ihren Feinden oder Pansa
dem Gift, das man in seine Wunde geträufelt hatte, und Hirtius seinen eigenen Soldaten und
dem Caesar, als dem Anstifter des hinterlistigen Anschlags, zum Opfer gefallen sein – deren
Truppen beschlagnahmt. Dem Senat sei trotz seinem Sträuben das Konsulat abgerungen
worden, und die Waffen, die der Caesar gegen Antonius erhalten habe, habe er gegen das
Gemeinwesen gekehrt. Die Ächtungen der Bürger, die Landaufteilung hätten nicht einmal die
gelobt, von denen sie durchgeführt wurden. Wohl gehe der Tod des Cassius und der bei den
Brutus auf deren Feindschaft gegen seinen Vater zurück – obwohl es sich gehöre, persönliche
Hassgefühle zugunsten des Gemeinwesens zurückzustellen –, aber Pompeius sei durch das
Trugbild eines Friedens, Lepidus durch die Vorspiegelung von Freundschaft getäuscht
worden. Später habe dann Antonius, durch das Bündnis von Tarent und Brundisium und die
Heirat mit seiner Schwester verlockt, die hinterlistige Verschwägerung mit dem Tode
bezahlen müssen. Freilich habe dann zweifellos Frieden geherrscht, aber ein blutiger. Lollius
und Varus hätten Niederlagen erlitten, in Rom seien Männer wie Varro, Egnatius und lullus
hingerichtet worden. Auch an seinen häuslichen Verhältnissen ging die Kritik nicht vorüber:
er habe Nero seine Frau entführt und höhnisch die Priester gefragt, ob eine Ehe gültig sei, die
eine schwangere Frau vor ihrer Entbindung eingehe, ferner wies man auf das Schlemmerleben
eines Q. Vitellius und Vedius Pollio hin, zuletzt auf Livia, die als Mutter schwer auf dem
Gemeinwesen, als Stiefmutter auf dem Haus der Caesaren laste. Nichts sei für die Verehrung
der Götter übriggeblieben, da er in Tempeln und im Götterbild durch Flamines und sonstige
Priester verehrt werden wollte. Auch Tiberius habe er nicht aus Liebe oder aus Fürsorge für
das Gemeinwesen als Nachfolger bestimmt; sondern weil er in seine anmaßende und
grausame Wesensart Einblick gewonnen habe, habe er für sich selbst Ruhm durch das
Gegenbild eines Scheusals gesucht. Augustus hatte nämlich wenige Jahre zuvor, als er von
den Vätern für Tiberius die erneute Übertragung der tribunizischen Gewalt verlangte, in einer
zwar ehrenden Ansprache doch einige abfällige Bemerkungen über seine Haltung, sein
Benehmen und seine Lebensgewohnheiten gemacht, die wie Entschuldigungen klangen, aber
in Wirklichkeit Vorwürfe waren. Indessen erfolgte die Beisetzung dem Herkommen
entsprechend, worauf für Augustus die Errichtung eines Tempels und göttlicher Kult
beschlossen wurden.
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