Klärung einzelner Grundvorstellungen, die Atmung und Beatmung

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Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin
Medizinische Fakultät Mannheim der
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Scriptum Anästhesie 2012
Teil VI
Beatmung
Vs. 1.0 vom 5. 5. 2012
Fernsehserien wie Emergency Room bringen mittlerweile jedermann nahe, dass es Situationen gibt,
in denen die normale Spontanatmung nicht funktioniert und sie durch künstliche Maßnahmen
ersetzt werden muss, wenn der Patient überleben soll: durch Beatmung.
Im Nachfolgenden erhalten Sie ein Scriptum über künstliche Beatmung im Rahmen des Themas
Atmung im Modul IV des ersten vorklinischen Studienjahrs. Gleichzeitig gehört dieses Scriptum
aber auch zum Thema Intensivmedizin in den Lehrveranstaltungen der Anästhesie im Modul
Unfälle und degenerative Erkrankungen im 4. Studienjahr. Aber nach einem Zwischenraum von
zwei reichlich mit Lehrstoff ausgefüllten Jahren und der zusätzlich dazwischenliegenden
Physikumsprüfung tut eine solche Wiederholung sicherlich gut.
Im Vergleich zu anderen ist dieses Scriptum etwas lang geraten, in weiten Teilen auch
ausgesprochen langatmig und weitschweifig, was die Erklärung einzelner Sachverhalte betrifft.
Das rührt aber davon her, dass es in der Medizin zwar quantitativ vieles zum Lernen gibt, bei
entsprechendem Fleiß dies aber ohne weiteres möglich ist. Ausgenommen davon ist nach meiner
eigenen persönlichen Studienerfahrung in der Vorklinik neben den Stoffgebieten Niere und
eventuell noch Säure-Basen-Haushalt vor allem der Themenkomplex Atmung. Hier kommt es
nicht nur auf das quantitative Lernen an, sondern auf das Verständnis bestimmter Vorgänge, die
sich im Körper des Menschen abspielen. Deshalb habe ich versucht , vieles in verstehbaren
Einzelschritten zu erklären, die Sie vielleicht überspringen können, wenn Sie es ohnehin schon
wissen, die es aber ermöglichen, die Begründung von Lehraussagen nachvollziehen zu können, die
in der gebräuchlichen Literatur oft nur sehr apodiktisch dargeboten werden.
Manches an diesem Scriptum muss wahrscheinlich noch nachbearbeitet werden und einzelne
Inhalte fehlen. Außerdem bin ich noch nicht dazu gekommen, die Unterschiede bei der Beatmung
von Patienten mit gesunder und denen mit kranker Lunge genauer herauszuarbeiten. Dabei ist
allerdings zu sagen, dass derzeit die Tendenz besteht, dass sich die Beatmungsstrategien für beide
Gruppen annähern. Aus den Erkenntnissen, die bei der Beatmung von Patienten mit kranker Lunge
gewonnen werden, lassen sich zunehmend Empfehlungen für die Beatmung lungengesunder
Patienten, zum Beispiel für die Narkosebeatmung während eines operativen Eingriffs, ableiten.
Dazu hat es in letzter Zeit einige neuere Untersuchungen gegeben, deren Ergebnisse in diese neue
Version des Scriptums eingearbeitet worden sind. Ansonsten finden Sie neu einige stilistische
Verbesserungen, die Beseitigung von Druckfehlern, einige Klarstellungen in der Nomenklatur
(z. B. Closing Capacity/Closing Volume), einige Bemerkungen zu den verschiedenen in der
Literatur angegebenen Absolutwerten für die funktionelle Residualkapazität und die Beseitigung
einiger weniger grober Fehler.
Es ist etwas verwirrend, dass in der Literatur der Beatmungsdruck manchmal in mbar, manchmal
in cm H2O angegeben wird. Ich bin gestern, bevor ich das geschrieben habe, über unsere
Intensivtherapiestation gegangen und habe gesehen, dass von unseren Beatmungsmaschinen die
einen den Beatmungsdruck in mbar anzeigen, die anderen in cm H 2O. Empfohlen wird die Angabe
in mbar1. Die Publikationen, aus denen ich in diesem Scriptum konkrete Zahlen von
Beatmungsdrucken angebe2,3, verwenden aber alle cm H2O. Deshalb habe ich es in diesem
Scriptum bei cm H2O belassen. Historisch ist die Angabe in cm H2O so zu sehen, dass früher in
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der Medizin Drucke, die an sterilen Verbindungen gemessen werden sollten, sehr oft und sehr
einfach über eine Wassersäule gemessen werden konnten(z. B.zentraler Venendruck) oder es
wurde zur Erzeugung eines positiven endexspiratorischen Drucks mit dem Ziel, dadurch die
Gasaustauschfläche in der Lunge zu vergrößern, der exspiratorische Atmungs/Beatmungsschlauch
in Wasser eingetaucht. Die über der Exspirationsöffnung stehende Wassersäule übt dann einen je
nach Eintauchtiefe einstellbaren Druck auf die Exspiration aus und hält die Lunge in der
Exspiration damit in einem geblähteren Zustand mit größere Alveolarfläche für die
Sauerstoffaufnahme.
Für Interessierte, die weiterlesen wollen, gibt es ein rudimentäres Literaturverzeichnis. Vollständig
ist es wahrlich nicht, aber dieses Scriptum erhebt auch keinen Anspruch auf Originalität wie eine
wissenschaftliche Arbeit, sondern versucht nach bestem Wissen und Gewissen Ihnen
anästhesiologisches Wissen in kompakter und verständlicher Form nahe zu bringen. Kritisch
müssen sie selber sein. Wenn etwas unklar ist, fragen Sie am besten Ihre Dozenten und
Kommilitonen oder mich(die weibliche Form müssen Sie sich dazu denken. Ich finde, dass ein
normaler Umgang miteinander nicht in schriftlichen Formalitäten sondern im persönlichen
Verhalten demonstriert werden sollte).
Dieses Scriptum ist bewusst so angelegt, dass es ausdruckfreundlich und frei von CopyRightProblemen ist. Sie können die editierbaren Versionen mit eigenen Anmerkungen versehen und
auch weitergeben(Nett wäre ein Hinweis auf den ursprünglichen Verfasser).
Viele Grüße, Christian Lenz
-2-
Nun aber zum eigentlichen Thema:
Um zu verstehen, was bei künstlicher Beatmung von Bedeutung ist, ist es sinnvoll, grob zu
unterscheiden, warum eigentlich beatmet werden soll. Im Grunde gibt es dafür zwei wesentliche
Gründe:
1. Die Lunge als Organ kann atmen, aber sie kriegt keine Luft.
Das heißt, die Fähigkeit zum Gasaustausch von Sauerstoff und Kohlendioxid ist intakt, aber die
äußeren Umstände führen dazu, dass von dieser Fähigkeit nicht Gebrauch gemacht werden kann.
Sei es dass durch anatomische Verlegung der Atemwege der Luftweg unterbrochen ist:
- Erschlaffung der Pharynxmuskulatur durch Medikamente(Narkose, Sedierung), mangelnde
motorische Stimulation durch zentrale Schädigungen(Bewusstlosigkeit) oder einfach im
normalen Nachtschlaf(Schlafapnoe-Syndrom oder normal ausgedrückt Schnarchen).
- Verlegung durch Fremdkörper wie Einatmen von schlecht gekautem Fleisch oder
exotischeren Dingen wie Spielzeug, kleinen Gegenständen, vor allem bei Kindern.
- Verletzungen der äußeren Atemwege durch Unfälle(Klassisch: Schwere
Gesichtsschädelverletzungen bei Autounfällen vor Einführung von Schleudergurten).
- Zuschwellen der Schleimhaut der äußeren Atemwege als allergische Reaktion.
Klinischer Bezug: Das ist eine der beiden lebensgefährlichen Auswirkungen allergischer
Reaktionen: Therapie: Abschwellende Medikamente, im Notfall Intubation(Einführung eines
Beatmungsschlauchs[Tubus] in die Luftröhre) oder wenn es gar nicht anders mehr geht,
Notkoniotomie(Durchtrennung des Ligamentum conicum zwischen Larynx und Schildknorpel und
darüber ebenfalls Einführung eines Tubus). Die andere lebensgefährliche Auswirkung allergischer
Reaktionen ist der allergische Schock: Nicht mehr messbarer Blutdruckabfall. Therapie:
Adrenalin als maximal inotrope und vasokonstriktiv wirkende Substanz; zusätzlich Infusion von
Volumenersatzmitteln.
Oder dass die zentrale Steuerung der Atmung aussetzt:
- Durch Gabe zentralatemdepressiver Medikamente wie Opiate oder peripher atemdepressiver
Medikamente wie Muskelrelaxantien(z. B. das südamerikanische Pfeilgift Curare).
- Durch Schädigung der Hirnareale, die für die Regulation der Atmung verantwortlich
sind(Hirnblutungen, Hirntod, Undinesyndrom)
- oder durch Schädigung der Nerven, die die Atmungsmuskulatur innervieren: Nervus
phrenicus, Querschnittslähmungen des Halsmarks oberhalb von C3/4.
Oder dass einfach die Luft zu dünn ist, das heißt zu wenig Sauerstoff enthält
- (z. B. auf dem Gipfel des Mount Everest).
Wenn es gelingt, diese äußeren Umstände zu überwinden, ist es in der Regel einfach, für einen
ausreichenden pulmonalen Gasaustausch zu sorgen, da ja die Lunge selbst noch funktioniert.
Es ist lediglich notwendig, dafür zu sorgen, dass die gute Luft rein kann(Sauerstoff) und die
schlechte heraus(Kohlendioxid), sowie nichts anderes rein geht, was da nichts zu suchen hat, wie
etwa Blut bei HNO-Operationen oder Mageninhalt.
Dies geschieht durch Herstellung eines offenen Atemwegs zwischen Außenwelt und Lunge und
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durch Anwendung eines positiven inspiratorischen Drucks von außen auf diesen Atemweg zur
Beatmung.
Problematischer ist der andere Fall:
2. Die Lunge kriegt genug Luft, aber sie kann nicht atmen.
Das heißt, es besteht kein Problem, das Organ Lunge kontinuierlich mit Atemluft zu versorgen, aber
die Fähigkeit zum Gasaustausch ist geschädigt.
Sei es durch:
- Einen makroanatomischen Mangel an funktionellem Lungengewebe(Pneumothorax oder
Lungenresektion)
- Einen mikroanatomischen Mangel an Lungengewebe(Emphysem)
- Versteifung des Lungengewebes mit der Folge vermehrter Atemarbeit durch:
Fibrosierung
Wassereinlagerung ins Lungengewebe("Lungenödem" bei Druckerhöhung auf der venösen
Seite des Lungenkreislaufs bei Herzinsuffizienz oder durch Schädigung des Kapillarendothels
der Lungenkapillaren mit erhöhter Gefäßpermeabilität(Akutes Lungenversagen, Adult
Respiratory Distress Syndrom, ARDS).
- Verminderung der Gasaustauschfläche durch Atelektase oder Flüssigkeitseintritt in die
Alveolen.
Die Therapie ist in diesem Fall meistens schwieriger. Eine normale Beatmung reicht in diesem Fall
nicht aus, die Lunge selbst muss therapiert werden.
Physiologie der Beatmung einer normalen Lunge
Aber auch im einfacheren Fall, wenn die Lunge ihre normale Funktion erfüllen kann, nämlich den
Gasaustausch zwischen Alveole und Blut zu bewerkstelligen, sie also „nur“ künstlich beatmet
werden muss, entstehen eine Reihe von Problemen.
Das gewünschte Ziel, die Oxigenierung des Körpers mit Sauerstoff und der Abtransport von
Kohlendioxid durch Ventilation wird durch künstliche Beatmung genauso gut erreicht wie unter
Spontanatmung. Oberflächlich gesehen, ist es dadurch relativ einfach möglich, die normale
Funktion der Lungen durch apparative Methoden zu ersetzen.
Dennoch besteht funktionell ein erheblicher Unterschied zwischen künstlicher Beatmung und
normaler Spontanatmung:
Die unter künstlicher Beatmung auf Lungen, den intrathorakalen Raum und schließlich auf den
ganzen Körper wirkenden mechanischen Kräfte und Drücke sind gänzlich verschieden von denen,
die unter Spontanatmung vorherrschen. Diese Veränderungen führen zu Veränderungen der
funktionellen Eigenschaften der anatomischen Strukturen des Atmungssystems während der
Dynamik des Inspirations- und Exspirationsvorgangs und zu einer veränderten Physiologie des
Atemvorgangs selbst.
Nicht einfacher gemacht wird die Betrachtung, dass außer den Auswirkungen des positiven
inspiratorischen Drucks der Beatmung im engeren Sinn folgende zusätzliche Faktoren
berücksichtigt werden müssen, die sich ebenfalls auf die Atmung auswirken, sowohl unter
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Spontanatmung als auch Beatmung:
- Die Lagerung(beatmete Patienten liegen meistens auf dem Rücken).
- Narkose oder Sedierung (beatmete Patienten sind meistens sediert oder narkotisiert).
- Die Zusammensetzung des Atemgases.
Initial, unter Notfallbedingungen, sind solche differenzierten Überlegungen natürlich
irrelevant. Bevor ein Patient stirbt, weil er nicht beatmet wird, werden Sie ihn natürlich
beatmen unter den optimalen Bedingungen, die Sie akut herstellen können, z. B.
normales Atemzugvolumen(etwa 500ml) und Atemfrequenz(etwa 15/min)4 S. 522,
100% Sauerstoff; oder auch Mund zu Mund mit nur 19% Sauerstoff aus Ihrer
Ausatemluft(Mund-zu-Mund-Beatmung kann erstaunlich gut gehen. Ich habe es selber
nicht geglaubt, bis ich es einmal selbst in einem Münchener U-Bahn-Bahnhof erlebt
hatte[als Beatmender]).
Je länger aber die Beatmung anhält, desto mehr sollte diese differenzierter durchgeführt werden um
schädlichen Nebenwirkungen der künstlichen Beatmung vorzubeugen. Dazu zuerst einmal eine
Wiederholung der normalen Lungenphysiologie:
Aufrechterhaltung offener Alveolen und einer offenen Lunge unter Normalbedingungen
und in aufrechter Lage
Am Ende der Exspiration, sowohl unter Spontanatmung als wie auch unter einfacher Beatmung
beträgt der Atemwegsdruck 0 cm H2O. Die Alveolen werden bei diesem Druck offen gehalten
durch:
1. Den negativen intrapleuralen Druck, der die Lungenpleura dicht an der viszeralen Pleura des
intrathorakalen Raumes haften läßt und die elastischen Strukturen des Lungengewebes, an denen
die einzelnen Alveoli aufgehängt sind.
2. Die Herabsetzung der kontrahierenden Kraft der Oberflächenspannung an der Grenze zwischen
intraalveolärer Flüssigkeitsschicht und Alveolargas entlang der inneren Oberfläche der Alveoli
durch den Surfactant. Durch die Wirkung des Surfactants ist die Oberflächenspannung sowohl
absolut herabgesetzt, wird aber noch weiter herabgesetzt, wenn sich der Alveolus und dessen innere
Oberfläche in der Exspiration verkleinern und dadurch die Konzentration des Surfactants innerhalb
dieser Flüssigkeitsoberfläche zunimmt.
3. Auswirkungen der Schwerkraft, die dazu führen, dass durch das Eigengewicht der Lunge die
oberen Lungenabschnitte gedehnter und damit die Alveolarräume größer sind, die unteren
Lungenabschnitte dagegen komprimiert und die Alveolarräume verkleinert werden. Deshalb können
sie sich bei Kontraktion des Zwerchfells diese weiter ausdehnen als die apikal gelegenen Alveolen
und damit besser belüftet werden. Da die Schwerkraft ebenso bewirkt, dass die abhängigen
Lungenabschnitte besser durchblutet werden, führt dies zu einer Optimierung der Oxigenierung.
Diese Mechanismen halten während des gesamten Atemzyklus kontinuierlich eine Mindestgröße an
belüftetem Lungenvolumen aufrecht: die funktionalen Residualkapazität, definiert als das belüftete
Lungenvolumen beim Ende einer normalen Exspiration. Da wir im individuellen Fall die
Gasaustauschfläche an der Grenze zwischen intraalveolärer Flüssigkeitsschicht und Alveolargas
nicht messen können, dient die funktionelle Residualkapazität als indirektes Maß für diese
Gasaustauschfläche, über die unsere Lungen den kontinuierlichen Gasaustausch bewerkstelligen,
der für die Oxigenierung des Blutes zur Verfügung steht. Dieser Austausch findet auch dann statt,
wenn wir die Luft anhalten oder anderweitig nicht einatmen, zum Beispiel wenn wir sprechen. Bei
einer funktionellen Residualkapazität von etwa 2,6 - 3,4 L* ändert das zusätzliche
Inspirationsvolumen von etwa 0,5 L am gesamten Lungenvolumen und damit der potentiell zur
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Verfügung stehenden Gasaustauschfläche nur noch wenig. Außerdem steht das Inspirationsvolumen
nicht während des gesamten Atemzyklus zur Verfügung.
* Wenn man verschiedene Physiologie-Lehrbücher vergleicht, variieren die Zahlen, die dort für den Wert der
funktionellen Residualkapazität angegeben werden erheblich. Ich habe Werte zwischen 2,2 und 3,4 L gefunden. In
Anästhesistenkreisen wird gern ein Wert von 2,5 L genannt. Zusätzlich nimmt die funktionelle Residualkapazität mit
zunehmendem Lebensalter zu. Die Angabe von 2,6-3,4 L oben stammt aus dem neuesten Physiologie-Lehrbuch von
Boron & Boulpaep 20125, S. 6256.
Verringerung der funktionellen Residualkapazität und des Verhältnisse von
Ventilation zu Perfusion durch Lagerung, Sedierung und veränderung der
Zusammensetzung des eingeatmeten Gasgemischs
Lagerung
Wenn wir auf dem Rücken liegen, wie das bei beatmeten Patienten normalerweise der Fall ist,
wirken die Schwerkraftmechanismen nicht mehr von apikal nach caudal, sondern von ventral nach
dorsal: Alveolen im Brustbereich sind gedehnter als die im Rückenbereich. Ebenfalls durch die
Schwerkraft kommt ein weiterer mechanischer Druck ins Spiel: Die Baucheingeweide drücken das
Zwerchfell nach oben, insbesondere im dorsalen Bereich und verstärken die von ventral nach dorsal
zunehmende Komprimierung der Alveolen noch. Das Lungenvolumen oder konkreter, die
funktionelle Residualkapazität verkleinert sich um circa 0,7 - 0,8 L7.
Sedierung
Sedierende oder narkotisierende Medikamente, die gegeben werden, damit der Patient künstliche
Atemwege und künstliche Beatmung toleriert, vermindern den Tonus der Atmungsmuskulatur, vor
allem den des Zwerchfells. Unter Narkose ist dies sogar unter Spontanatmung zu beobachten8,9. Das
führt zu einer weiteren Komprimierung des Lungengewebes und der Alveolen und zu einer
Verminderung der funktionalen Residualkapazität um weitere circa 0,4 - 0,5 L7, sodass die
funktionelle Residualkapazität, in diesen Untersuchungen gemessen als etwa 3 L, durch Sedierung
oder Narkose zusammen mit den Veränderungen durch die Rückenlage insgesamt auf etwa 2 L oder
weniger reduziert wird.
Verschluss der kleinen Atemwege und Alveolen
Als Folge der abnehmenden funktionellen Residualkapazität beginnen dann bei den meisten
Patienten an irgendeinem Punkt der Exspiration kleine Atemwege und Alveolen zu kollabieren,
bedingt durch den erhöhten Umgebungsdruck(Eigengewicht der Lunge in den unten gelegenen
Lungenabschnitten plus Druck von außen durch die Baucheingeweide über das Zwerchfell minus
des anspannenden Tonus der Atemmuskulatur[vermindert unter Sedierung und Narkose] minus des
negativen intrapleuralen Drucks[bleibt konstant]). Es beginnt in den unten liegenden Lungenarealen
und geschieht zuerst nur während der Exspiration. Bei Zunahme des Kompressionsdrucks bleiben
die Alveolen aber auch während der Inspiration verschlossen und stehen für den Gasaustausch nicht
mehr zur Verfügung. Das in der Lunge noch verbliebene Volumen, bei dem während der
Exspiration die ersten dieser Atemwegsverschlüsse auftreten, wird als Closing Capacity bezeichnet.
Sie steigt mit zunehmendem Alter an. Das heißt, je älter die Patienten sind, desto eher beginnt
während des Exspirationsvorgangs der Verschluss der kleinen Atemwege. Beim wachen Patienten
treten diese Verschlüsse während einer normalen Exspiration ab 65 Jahren bereits im Stehen auf, im
Liegen bereits ab 50 Jahren und unter Narkose meistens bereits ab 30 Jahren10. (Das Closing
Volume ist das Volumen, das nach Beginn des Verschlusses der kleinen Atemwege noch maximal,
also bis zum Residulvolumen, ausgeatmet werden kann - Closing Capacity = Closing Volume +
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Residualvolumen.)
Entstehung von Resorptionsatelektasen
Das Atemgas in den während des Atemzyklus teilweise oder ganz verschlossenen Alveolen wird
resorbiert. Wenn das Verhältnis von Ventilation zu Perfusion in diesen Alveolen durch diese
intermittierenden oder dauerhaften Verschlüsse soweit abnimmt, dass nicht genug Atemgas
nachgeliefert wird um den resorbierten und durch die Perfusion abtransportierten Sauerstoff zu
ersetzen, kommt es zum Alveolarkollaps und makroskopisch zur Bildung pulmonaler Atelektasen,
die zwar durchblutet werden, in denen aber kein Gasaustausch mehr stattfindet.
Wie schnell dies vonstatten geht, hängt von der Gaszusammensetzung ab mit der beatmet wird.
Hier gibt es gerade bei der Beatmung von Patienten mit gesunden Lungen, wie etwa für
Narkosezwecke, einige Fallstricke.
Was wir bisher nämlich noch nicht betrachtet haben, sind Veränderungen der Konzentrationen und
damit der Partialdrücke der Gase, mit denen die Alveole belüftet wird. Bisher sind wir immer von
Raumluftatmung ausgegangen. Zusätzlich zu den Retraktionskräften der Lunge stabilisiert die
Summe dieser Partialdrucke die Alveole von innen. Stickstoff(etwas weniger als 79% in der
normalen Inspirationsluft ist über die alveolokapilläre Membran nur sehr wenig diffusibel. Im
Alveolus kann es sehr lange Zeit verweilen und einen kontinuierlichen Gasdruck bereitsstellen.
Sauerstoff ist dagegen sehr viel mehr diffusibler. Er verläßt die Alveole sehr schnell und sein Anteil
am gesamten Druck aller Gase in der Alveole fällt ebenfalls rasch ab. Wenn der Sauerstoffanteil an
der Atemluft nur sehr gering ist, besteht kein großes Problem, da die Alveole durch Überwiegen des
Stickstoffdrucks stabilisiert wird. Wenn wir dagegen den Stickstoff durch reine Sauerstoffatmung
ersetzen, diffundiert die gesamte Gasmenge innerhalb der Alveole relativ rasch über die
alveolokapilläre Membran. Der Gasdruck in der Alveole fällt ebenfalls sehr rasch. Es besteht die
Tendenz zur Entwicklung eines Unterdrucks in der Alveole, was verhindert wird, indem die
Alveole ihr Volumen verringert, schrumpft und letztendlich kollabiert.
Dies geschieht insbesondere in denjenigen Alveolen, die durch erhöhten Druck von außen gänzlich
oder während des Atemzyklus auch nur teilweise von einer kontinuierlichen Zufuhr des
Beatmungsgases abgeschnitten sind.
Bei Narkosen stellt uns das vor ein Dilemma: Für eine optimale Oxigenierung des Körpers und um
mit Hilfe eines größeren Sauerstoffvorrats in den Lungen bei Notfällen mehr Zeit zu haben um
darauf zu reagieren, wäre unter Narkose eine Beatmung mit 100% Sauerstoff wünschenswert. In
Folge der gerade genannten Mechanismen tritt aber bei einem Großteil der Patienten der Fall ein,
dass durch rasche Resorption von reinem Sauerstoff aus schlecht belüfteten Alveolen der Gasdruck
in diesen fällt, sie kollabieren und in größerem anatomischen Maßstab Resorptionsatelektasen
entstehen, die zwar durchblutet werden, in denen aber keine Oxigenierung mehr stattfinden kann.
Nach Narkosen finden sich bei 90% der Patienten Atelektasen10. Deshalb ist es üblich, unter
Narkose bis auf wenige Ausnahmesituationen die Sauerstoffkonzentration im Atemgas auf einen
Wert unterhalb von 100% zu reduzieren. Die Empfehlungen für die genaue Prozentzahl variieren,
sie gehen von 30%11 bis 80%12. Wir an unserer Klinik gehen momentan von etwa 70% aus.
Ausgenommen sind davon Situationen, in denen aus anderen Gründen ein maximaler
Sauerstoffvorrat in der Lunge angeraten ist, so bei Narkoseein- und ausleitung, bei
Einlungenventilation in der Thoraxchirurgie, bei besonders kritischen Situationen und im
Notfalleinsatz, wenn die Sauerstoffbedürftigkeit des Patienten nicht exakt abgeschätzt werden kann.
Trotzdem sind wir dabei in manchen Situationen wahrscheinlich auf dem Holzweg. Schon nach
wenigen Minuten der Inhalation von reinem Sauerstoff zur Vorbereitung einer sicheren
Narkoseeinleitung(Präoxigenierung) kann eine Atelektasebildung sehr schnell zu Stande kommen.
-7-
Bei Alveolen, bei denen das Verhältnis von Ventilation zu Perfusion 0,001 beträgt, dauert es bei
Raumluftatmung 30 min oder länger, bis sie kollabieren, bei Atmung von 100% Sauerstoff dagegen
nicht länger als 6 min13. Nach Applikation der Anästhetika zur Narkoseeinleitung setzt durch den
Abfall des Atemmuskeltonus in Sekundenschnelle eine Verminderung der funktionellen
Residualkapazität ein. Noch bevor der operative Eingriff begonnen hat, sind die Atelektasen bereits
entstanden. Nach 3-4 min Präoxigenierung mit 100% Sauerstoff weisen alle Patienten Atelektasen
nach der Narkoseeinleitung auf, mit 80% Sauerstoff dagegen weniger und bei 60% Sauerstoff
nahezu keiner der Patienten14. Andere Untersuchungen finden bei 30% und 80% Sauerstoff
dasselbe Ausmaß an Atelektasen12. Momentan wird diskutiert, ob es sinnvoll ist, diese Atelektasen
durch ein Recruitement-Manöver wieder zu eröffnen und die wiedereröffneten Lungenabschnitte
durch Anwendung von PEEP und begrenzter inspiratorischer Sauerstoffkonzentration während des
gesamten operativen Eingriffs offen zu halten3(Genaueres siehe dazu in den folgenden
Erläuterungen).
Umkehr der Ventilationsverhältnisse bei Beatmung mit inspiratorisch positivem
Druck
Durch Einfluss der Schwerkraft werden beim liegenden Patienten die unteren, dorsalen
Lungenareale mehr durchblutet als die oberen, ventralen. Bei spontaner Inspiration kommt es durch
die Anatomie und die Ansatzpunkte des Zwerchfells am Skelett zu einer gößeren Ausdehnung und
damit auch zu einer vermehrten Belüftung der unteren Lungenareale, sodass hier die Chancen für
die Oxigenierung des Blutes verbessert werden. Zusätzlich wird durch die Kontraktion des
Zwerchfells der Druck der Baucheingeweide auf die Lunge vermindert.
Bei künstlicher Beatmung mit positiv inspiratorischem Druck erfolgt die größte Ausdehnung der
Lunge beim liegenden Patienten dagegen in den Arealen, die den geringsten Widerstand gegen die
Expansion leisten, das heißt in den von der Schwerkraft begünstigten ventralen Arealen. Der
Beatmungsdruck stößt in diesen Lungenabschnitten auf einen geringeren Widerstand von Seiten des
Eigengewichts von Lunge und Baucheingeweiden. És resultiert dort eine Steigerung des
Lungenvolumens, was aber für die Oxigenierung des Blutes wenig nützt, da die Durchblutung
dieser Areale sehr gering ist, oder sie im Extremfall durch Überblähung der Alveolen gar nicht
durchblutet werden und dies nur zur Erhöhung des Totraums führt. Da über das jetzt passive
Zwerchfell die Baucheingeweide ebenfalls einen positiven Druck auf die Lungen ausüben, vor
allem im unteren, dorsalen Bereich, wird hier eine Expansion der gut durchbluteten Lungenareale
durch die fehlende Zwerchfellkontraktion behindert. Als Konsequenz kommt es sowohl in den
ventralen als auch in den dorsalen Lungenanteilen zu einem vermehrten Missverhältnis zwischen
Ventilation und Perfusion. Ventral steht einer erhöhten Ventilation eine stark verminderte Perfusion
gegenüber, dorsal dagegen eine hohe Perfusion einer stark verminderten Ventilation.
Begrenzte Abhilfe durch Lagerungsmaßnahmen
In geringem Umfang kann dieses Ungleichgewicht von Ventilation und Durchblutung durch
Lagerungsmaßnahmen vermindert werden. In den Operationssälen und auf der
Intensivtherapiestation werden Sie beobachten können, dass beatmete, aber auch wache Patienten
unmittelbar nach dem Aufwachen aus der Narkose mit dem Oberkörper immer um etwa 30°
hochgelagert werden. Dies vermindert den Druck der Baucheingeweide auf das Zwerchfell und
erhöht die funktionelle Residualkapazität.
Unter therapeutischen Bedingungen wird bei beatmeten Patienten mit schwersten Oxigenierungsstörungen auch öfters von der intermittierenden Bauchlagerung Gebrauch gemacht, um durch
Umkehrung der Schwerkraftverhältnisse bisher atelektatische Lungenbezirke in dorsalen Lungenabschnitten wenigstens temporär wieder zu eröffnen und dem Gasaustausch zugänglich zu machen.
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Speziele intensivmedizinische Maßnahmen
Recruitement Manöver
Wenn nun durch künstliche Beatmung ein erhöhter inspiratorischer Druck auf den Alveolus und die
kollabierten kleinen Atemwege ausgeübt wird, dann müssten sich diese aber wieder öffnen.
Dies ist in der Tat möglich. Durch Blähen der Lunge über ca, 10 - 20 sec auf Werte von etwa 40 cm
H2O(Öffnungsdruck der Lunge, „opening pressure“3), oder wissenschaftlicher ausgedrückt, mit
einem Recruitement Manöver, lassen sich in der Tat solche zusammengefallenen Alveolen wieder
aufdehnen. Es gibt viele natürliche, oft unbewußt ausgeführte Aktionen, die ähnliches
bewerkstelligen können: Weinen, Husten, Niesen, Seufzen, Abhusten von Lungensekret oder
Veränderungen der Körperlage3.
Das Problem ist nur, wie bewahren wir die wiedereröffneten Alveolen vor einem erneuten Kollaps?
Positiver endexspiratorischer Druck(PEEP)
Das ist möglich, indem wir in der Exspiration den Atemwegsdruck nicht auf Null abfallen lassen,
sondern auf einen Druck, der ausreicht um die Alveolen trotz komprimittierender Einflüsse von
außen offen zu halten. Das heißt wir lassen in der Exspiration den Atemwegsdruck nicht auf Null
abfallen, wie bei der normalen Atmung, sondern nur auf einen bestimmten Druck, der auch in
Exspiration ausreicht um die Alveolen in geblähtem Zustand zu halten, einen positiven
endexspiratorischen Druck oder auf Englisch Positive EndExspiratory Pressure(im Weiteren PEEP
genannt - gesprochen im Deutschen wie im Englischen Piiep-). Durch den erhaltenen
Blähungszustand der Alveolen bleibt auch die Gasaustauschfläche für Sauerstoff, synomym mit der
residualen Funktionalkapazität, erhalten oder wird vergrößert. Der alveoläre Verschlussdruck,
„Closing Pressure“ kann mit aufwendigen Methoden bestimmt und dann ein PEEP von etwa 2 cm
H2O darüber eingestellt werden, oder als grobe Faustregel als Wert zwischen 5 und 15 cm H2O
angenommen werden(Mehr zu Recruitment Manövern und anschließendem PEEP, sowie die
Literatur, auf denen die angegebenen Werte für opening und closing pressure beruhen, finden Sie in
Tusman, G. et al.: Prevention and reversal of lung collaps during the intraoperative period, 20103).
-9-
Atemzyklus unter Beatmung
1,2
Atemzugsvolumen(L)
Zur Verdeutlichung leicht
überzeichnet zeigt die
Abbildung 1 das Verhältnis von
aufgewendetem
Beatmungsdruck und zusätzlich
gewonnenem Lungenvolumen
während eines Atemzugs unter
konventioneller Beatmung mit
inspiratorisch positivem Druck,
ausgehend von der normalen
Atemruhelage mit einem
Atemwegsdruck von 0 cmH2O.
1,0
4
3
0,8
0,6
0,4
2
0,2
Der vermehrte Druckaufwand
0,0
1
bei der Inspiration zur Erzielung
des gleichen Lungenvolumens
im Vergleich zur Exspiration ist
0
10
20
30
40
50
bedingt durch den viskösen und
Ströhmungswiderstand der
Inspiratorischer Druck(cm H2O)
bewegten Luftmassen, der
zusätzlich überwunden werden Abbildung 1: Dynamische Druckverhältnisse während eines
muss um die Lunge im realen Atemzugs unter konventioneller Beatmung(Hystereseschleife).
Atemzyklus mit dem entsprechenden Volumen anzufüllen und den Konzentrationsänderungen des
Surfactants auf der alveolären Gas-Flüssigkeits-Grenzschicht. Umgekehrt ist es bei der Exspiration.
Beides resultiert in der dargestellten Hysteresekurve.
Anfangs steigt der Druck erheblich, das gewonnene Lungenvolumen aber nur sehr geringfügig
an(1). Das kann so interpretiert werden, dass ein erheblicher Beatmungsdruck aufgewendet werden
muss, um verschlossene Atemwege erst einmal zu eröffnen. Sind sie erst einmal eröffnet, wird sehr
viel weniger Druck benötigt, um die Lunge auszudehnen, Druck und Volumenanstieg sind
zueinander in etwa proportional(2). Gegen Ende der Inspiration leisten die mechanischen
Eigenschaften des Lungengewebes zunehmend Widerstand gegen eine weitere Dehnung. Auch
wenn mehr Druck aufgewendet wird, nimmt das Lungenvolumen kaum noch zu(3). In Folge des
Atemwegswiderstands gegenüber der Luft, die während der Exspiration die Lunge verläßt, ist bei
gleichem Volumen der Atemwegsdruck während der Exspiration höher als während der
Inspiration(4).
Sowohl das untere(1) wie das obere(3) Ende dieser Hystereseschleife sind problematische
Zonen.
Unteres Ende: Beginn einer Inspiration von einem Atemwegsdruck von 0 cm H20 aus
Der Beatmungsdruck führt zu zyklischer Eröffnung und Wiederverschluss atelektatischer Gebiete,
oder nach anderer Theorie zu zyklischem Vordringen und Zurückweichen von Schaum in den
kleinen Atemwegen, beides vor allem in den dorsalen Anteilen der Lunge. Durch beide
Mechanismen entstehen erhebliche Zerrungs- und Scherkräfte an den Wänden der betroffenen
kleinen Atemwege, sowie zwischen belüftetem und nicht belüftetem Lungengewebe15.
- 10 -
Oberes Ende: Ende der Inspiration mit hohen Atemwegsdrucken von 40 cm H2O oder mehr
Durch die erhebliche Dehnung des Lungengewebes besteht in diesen Lungenbereichen die Gefahr,
dass es zu Rissen in der Alveolarmembran und zu Luftübertritt ins Lungengewebe und damit zu
einem Druck- bzw. "Barotrauma" kommt. Wenn dann noch die parietale Pleura reißt, tritt Luft in
die Pleurahöhle über und es entsteht ein Pneumothorax. Solange dies nicht eintritt, ist der absolute
Druck weniger schädigend als die zyklische Überdehnung und Retraktion der Lungenstrukturen, die
zu mechanischen Schädigungen führen kann(sogenanntes "Volutrauma", Trauma durch größere,
schnell wechselnde Volumenänderungen der kleinen Atemwege).
Von diesen Schädigungen ist auch das Gefäßendothel mit Ablösung von Endothelzellen und
Brüchen der Basalmembran betroffen. Dies resultiert in einer zunehmenden Durchlässigkeit nicht
nur für Flüssigkeit sondern auch für Proteine wie Albumin und kann zum Lungenödem führen16.
Wenn schließlich der Beatmungsdruck den Perfusionsdruck in den Lungenkapillaren übersteigt,
kommt es durch Kollaps der Kapillaren zusätzlich zur Erhöhung der Totraumventilation3.
Von der biomechanischen zur biochemischen Schädigung(Biotrauma)
Die erhöhte mechanische Beanspruchung des Lungengewebes insgesamt und erhöhter
mechanischer Stress auf den belüfteten, aber kleineren Lungenanteil, der aber mit derselben Kraft
gedehnt wird wie die ursprüngliche Lunge und andere Begleiterscheinungen der Beatmung, wie
hohe Sauerstoffkonzentrationen, können schließlich im Lungengewebe zur Freisetzung einer Reihe
von Mediatoren führen, die entzündliche Reaktionen auslösen und durch Verlust der alveolärkapillären Barriere auch in die systemische Zirkulation freigesetzt werden können, sodass
letztendlich die Möglichkeit besteht, dass sich ein sogenanntes Systemisches Inflammatorisches
Response Syndrom - SIRS - entwickelt. Das heißt, symptomatische Anzeichen einer schweren
Allgemeininfektion(Sepsis), ohne das eine mikrobielle Infektion vorliegt15,16.
Wenn Sie genaueres zu all diesen und noch vielen anderen Mechanismen wissen wollen, die die
Lunge unter Beatmung schädigen können, und einige der vielen verantwortlichen
Schurkenmoleküle beim Namen kennenlernen möchten, können Sie es nachlesen in: Muders, T. et
al.: New insights into experimental evidence on atelectasis and causes of lung injury, 201015.
Fazit:
Mit falscher Beatmung kann man auch eine normale Lunge ruinieren.
(Nachsatz: Zum Glück ist der menschliche Organismus sehr robust und das gesamte
Ausmaß der genannten Schädigungen ist bei der Vielzahl klinisch durchgeführter
Beatmungen erstaunlich selten zu beobachten.)
Konsequenz:
Die Anteile des Atemzyklus, die für die meisten Schädigungen verantwortlich sind, das obere
und das untere Ende der Hystereseschleife sollten bei der künstlichen Beatmung gekappt
werden.
- 11 -
Protektive Lungenbeatmung
Wir sorgen also dafür, dass durch positiven endexspiratorischen Druck(PEEP) allein, durch den
erhöhten intrapulmonalen Druck einer normalen Inspiration mit positivem Beatmungsdruck, durch
ein Recruitment-Manöver oder durch was auch immer, die kleinen Atemwege und Alveolen
geöffnet werden. Anschließend lassen wir während des Atemwegszyklus den Atemwegsdruck nie
wieder auf Werte abfallen, bei denen es zu einem Verschluss der kleinen Atemwege kommt, wir
applizieren kontinuierlich einen positiven endexspiratorischen Druck(PEEP), der über diesen
Werten liegt.
Am anderen Ende begrenzen wir bei der Inspiration den maximalen Atemwegsdruck, sodass es
nicht zu einer Überdehnung der Lungenstrukturen kommt.
Konsequenterweise führt dies zu kleineren Atemzugsvolumina als wie unter Spontanatmung.
Wegweisend ist hier eine vielzitierte Multicenter-Studie, in der bei Patienten mit akutem
Lungenversagen(Adult Respiratory Distress Syndrom, ARDS) die konventionelle Beatmung
verglichen wurde mit einer "lungenprotektiven Beatmung" unter reduziertem Atemzugsvolumen.
Konkret wurden verglichen ein Atemzugsvolumen von 12 ml/kgKG* mit einem maximalen
inspiratorischen Atemwegsdruck von 50 cm H2O gegen ein Atemzugsvolumen von 6 ml/kgKG und
einem maximalen inspiratorischem Atemwegsdruck von 30 cm H2O. Die letztere Therapie führte zu
einer Reduktion der Mortalität um 25%, sodass die Studie vorzeitig abgebrochen wurde2,17. Obwohl
diese Erkenntnisse aus Untersuchungen an Patienten mit kranker und beatmungspflichtiger Lunge
gewonnen worden sind, gibt es vielfach Hinweise aus Studien an Patienten, die primär
lungengesund waren und aus anderen Gründen beatmet worden waren, die nahe legen, dass
wahrscheinlich auch primär lungengesunde Patienten von einer lungenprotektiven Beatmung"
profitieren können, falls sie aus dem einen oder anderen Grund intermittierend beatmet werden
müssen, zum Beispiel während eines operativen Eingriffs18,19. So waren herzchirurgische Patienten,
die mit 6 ml/kgKG Atemzugsvolumen ventiliert worden waren, 6 Stunden nach Intubation eher
wieder extubiert als solche die mit 10 ml/kgKG Atemzugsvolumen ventiliert worden waren. Weiter
mußten sie weniger oft reintubiert werden20. Im Mai 2012 wurde eine Untersuchung veröffentlicht,
in der bei 3434 herzchirurgischen Patienten beobachtet werden konnte, dass traditionelle und
höhere Atemzugsvolumina(10 oder mehr ml/kgKG) bei der postoperativen Nachbeatmung
assoziiert sind mit einer längeren Beatmungsdauer, einer höheren Anzahl von Nierenversagen oder
hämodynamischer Instabilität und einer längeren Verweildauer auf der Intensivtherapiestation21,22.
Die Autoren warnen aber vor einer Übertragung dieser Beobachtungen auf andere Arten von
Eingriffen: Herzchirurgische Eingriffe sind große Operationen an meistens älteren Patienten. Das
Operationstrauma allein kann bereits entzündliche Reaktionen auslösen, die dann gemeinsam mit
dem Beatmungsmodus die beobachteten Schädigungen getriggert haben könnten. Bei kleineren,
kürzeren Eingriffen an jüngeren Patienten sind solche Reaktionen wahrscheinlich eher nicht zu
erwarten21.
Genau genommen wird in den Studien, die in diesem Abschnitt erwähnt werden 2,20,21 als Körpergewicht das „Predicted
Body Weight“ verwendet, was unserem Begriff vom „Idealgewicht“ nahekommt, dessen Berechnung aber auf einer
komplizierteren Formel beruht(Predicted Body Weight bei Männern[kg] = 50 + 0,91 x (Körpergröße[cm] – 152,4),
Predicted Body Weight bei Frauen[kg] = 45,5 + 0,91 x (Körpergröße[cm] – 152,4). Das Idealgewicht[kg] ermittelt sich
aus der Subtraktion Körpergröße[cm] – 100. Anschließend werden dann noch vom Ergebnis dieser Subtraktion für
Männer 5% und für Frauen 10% dieses Ergebnisses abgezogen um den Wert für das Idealgewicht zu erhalten. Beide
Verfahren führen in der Regel zu kleineren Atemzugsvolumina als der Bezug auf das auf der Waage gemessene
Körpergewicht(nach Larsen & Ziegenfuß, Beatmung1, S. 174). Früher wurde bei Narkosen das Beatmungsvolumen
meistens nach dem Idealgewicht eingestellt(z. B. bei einer Frau mit 170 cm Körpergröße: 170 – 100 = 70; 10% von 70
sind 7; Idealgewicht also 70-7 = 63kg. Das führt bei einem damals üblichen Atemzugsvolumen von 10ml/kgKG zu
630ml Atemzugsvolumen x 10 Atemzüge pro Minute. Nach flächendeckender Verbreitung der endexspiratorischen
CO2-Messung orientiert man sich mittlerweile beim Einstellen der Narkosebeatmung aber vorwiegend an dem
gemessenen CO2-Wert.
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Permissive Hyperkapnie
Eine durch die Verringerung des Atemzeitvolumens mögliche Erhöhung des PaCO2s wird bei
dieser Form der Beatmungstherapie in Kauf genommen, da die durch das erhöhte PaCO2
resultierende respiratorische Azidose durch Bikarbonatretention in der Niere kompensiert werden
kann. Eine Beibehaltung der normalen Ventilation würde lediglich die CO2-Elimination fördern, ist
aber für die pulmonale Oxigenierung wenig von Bedeutung. Wesentlich für diese ist dagegen die
Beibehaltung oder wenn möglich Ausdehnung der Gasaustauschfläche für Sauerstoff in den
Alveolen unter niedrigen endinspiratorischen Beatmungsdrucken. (Wenn die Lunge bereits zu
Beginn der Inspiration mit einem PEEP von 15 cm H2O zur Erhöhung der Gasaustauschfläche für
Sauerstoff aufgwebläht ist, wird das Atemzugvolumen, das Sie noch bis zu einem Atemwegsdruck
von 30 cm H2O applizieren können, geringer sein, als wenn Sie von einem PEEP von 0 cm H2O zu
Beginn der Inspiration ausgehen. - Vgl. dazu den folgenden Abschnitt "Unterschied zwischen
Ventilation und Oxygenierung"). Die Bezeichnung dieses Vorgehens lautet "Permissive
Hyperkapnie"(Wenn es dann im Rahmen des bei solchen Patienten immer drohenden
Multiorganversagens aber zum Nierenversagen kommt und die aus dem erhöhten PaCO2
resultierende respiratorische Azidose nicht mehr renal ausgeglichen werden kann, holt Sie und
leider auch den armen Patienten der Teufel).
Physiologische Konsequenzen der Beatmung für den Kreislauf
Insgesamt führt Beatmung dazu, dass der Atemzyklus auf einer höheren intrathorakalen
Druckebene abläuft als wie unter Spontanatmung. Deshalb ist es notwendig, die physiologischen
Auswirkungen auf den Kreislauf zu berücksichtigen:
Auswirkungen auf den venösen Rückstrom
Um etwas konkreter zu werden: Unter Spontanatmung wird bei Inspiration ein negativer
intrathorakaler und damit auch negativer Druck auf das zentrale Hohlvenensystem ausgeübt,
welches den Rückfluss des Bluts zum rechten Herzen befördert, es sozusagen in den intrathorakalen
Raum ansaugt. Die Inspiration unter künstlicher Beatmung kommt dagegen durch Ausübung eines
positiven Drucks auf die pulmonalen Atemwege zu Stande. Dazu kommt noch die Druckerhöhung
durch einen möglicherweise erhöhten endespiratorischen Druck(PEEP) während des gesamten
Atemzyklus. Beides erhöht den intrathorakalen Druck und den Druck auf das intrathorakale
Hohlvenensystem, sodass der Rückfluss des Bluts zum rechten Herzen behindert wird, der
linksventrikuläre Füllungsdruck(Vorlast) sinkt, das Herzzeitvolumen abnimmt und direkt messbar,
der Blutdruck abfällt, falls das Herz dies nicht durch intrinsische Mechanismen(z. B. längere
Füllungsdauer) oder iatrogen extrinsisch durch intravaskuläre Volumengabe(Erhöhung der Vorlast)
oder medikamentös durch Erhöhung der Inotropie(Katecholamine) ausgleichen kann.
Diese Problematik begegnet einem nicht nur bei der differenzierten Beatmung auf
Intensivtherapiestationen, sondern regelmäßig bei der Narkosebeatmung im ganz alltäglichen
Operationsbetrieb.
Rückkehr zur Spontanatmung
Wie aus dem bisher Gesagten erkennbar, ist es wünschenswert, die genannten negativen Effekte,
die unter Beatmung auftreten, so bald wie möglich zu reduzieren und die Beatmung möglichst
schnell auf Verhältnisse umzustellen, wie sie unter Sponanatmung herrschen: Reduzierung der
Sedierung, Beteiligung eigener Atemmechanismen an der Beatmung und Übernahme der Steuerung
der Atmungsunterstützung durch den Patienten.
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Moderne Beatmungsmaschinen bieten eine Vielfalt von Mechanismen und Atmungsschemata an,
bei denen Teile der Atemarbeit soweit nötig von der Maschine aufgebracht werden und der Rest
soweit möglich, vom Patienten übernommen und gesteuert werden kann. Eine entsprechende
Diskussion darüber wäre zuviel für dieses Script. Deshalb hier nur die Erklärung einiger weniger
Begriffe:
Continous Positive Airway Pressure(CPAP, auf Deutsch gesprochen: Zehpapp):
Eine Form der Spontanatmung, in der während des ganzen Atemwegszyklus der Atemwegsdruck
nie unter einen bestimmten positiven Wert(PEEP) abfällt und so Alveolen offen hält und die
funktionelle Residualkapazität für einen besseren Gasaustausch vergrößert. Der endexspiratorische
Druck wird auf einen positiven Wert begrenzt(PEEP), während der Inspiration wird durch einen
hohen Gasfluss genügend Atemgas nachgeliefert, sodass es durch den inspiratorischen Sog während
der Inspiration zu keinem Abfall dieses positiven Atemwegsdrucks kommt(Entsprechende Systeme
dienen auch ganz profan zur Offenhaltung der Atemwege bei der Therapie des Schnarchens. Fragen Sie Prof. Stuck oder unsere anderen HNO-Kollegen).
Pressure Support Ventilation(PSV):
Die Beatmungsmaschine nimmt wahr, wenn der Patient einen Atemzug vollführen will(das ist sehr
schwierig für die Maschine) und unterstützt den Atemzug mit einem einem einstellbaren
Atemwegsdruck(Wenn er zu hoch eingestellt ist, handelt es sich aber nicht mehr um eine
Unterstützung von Spontanatmung, sondern patientengetriggerte, druckkontrollierte Beatmung).
Biphasic Positive Airway Pressure(BIPAP):
Eine Form der Beatmung, bei der der Patient unter kontinuierlichem positivem
Atemwegsdruck(PEEP) mit niedrigen Atemfrequenzen beatmet wird und die Chance hat, sowohl
während maschineller Inspiration und Exspiration noch eigene Atemzüge vom Niveau des gerade
vorherrschenden Atemwegsdrucks aus vorzunehmen.
Zweck der Beatmung
Bei der künstlichen Beatmung handelt es sich nie um eine kurative Maßnahme, sondern sie
überbrückt lediglich supportiv das Organversagen der Atmungsorgane, bis eine medizinische
Therapie die Ursache des Organversagens beseitigt oder es zu einer spontanen Ausheilung kommt.
Klärung einzelner Grundvorstellungen, die Atmung und Beatmung
betreffen
In diesem Abschnitt sollen einige Vorstellungen und Konzepte besprochen werden, die für das
klinische Verständnis von Atmung und Beatmung grundlegend sind, aber in den gegenwärtigen
Prüfungen immer wieder Schwierigkeiten bereitet haben.
Der Unterschied zwischen Ventilation und Oxigenierung
Als Beispiel dient hier eine Klausurfrage über Beatmung, gestellt in der Abschlussklausur zum
Thema Atmung, 1. Klinisches Studienjahr Marecum, Modul IV, SS 2011, die Ihnen trotz der
Nennung der richtigen Antwort immer wieder in veränderter Form begegnen kann, weil der zu
Grunde liegende Inhalt so wichtig ist.
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Die Frage lautete folgendermaßen:
Richtige Antwort ist C.
Diese Frage bezieht sich auf den Unterschied zwischen Ventilation und Oxigenierung, das
heißt auf die Unterschiede zwischen den Mechanismen, die die Abatmung von Kohlendioxid
bewerkstelligen im Vergleich zu den Mechanismen, die für die Oxigenierung des Blutes und
der peripheren Körperorgane verantwortlich sind.
Vom Krankenbett aus wahrgenommen, handelt es sich dabei um zwei völlig verschiedene
Mechanismen, denen in der praktischen Beatmungstherapie Rechnung getragen werden muss.
Wenn man sie aber vom jeweiligen Ausgangspunkt aus betrachtet; von dem Ort, wo Sauerstoff in
den Körper transportiert werden muss, der Außenwelt und andererseits von dem Ort, wo
Kohlendioxid aus dem Körper heraus transportiert werden muss, der Innenwelt des menschlichen
Körpers, sind die Abläufe in ihren Grundlagen ähnlich. Das hilft für das Verständnis der Theorie.
Die Unterschiede in der Praxis kommen durch die Verschiedenheit des Transports von CO2 und
Sauerstoff zustande. Deshalb sind wir beim therapeutischen Handeln am Krankenbett leider
beschränkt und es ist besser, Ventilation und Oxigenierung als zwei verschiedene Mechanismen zu
begreifen.
Abatmung von CO2 : Ventilation
Die Diffusionsfähigkeit von CO2 durch die alveolokapilläre Membran ist so hoch, dass sich in
belüfteten und gleichzeitig durchbluteten Alveolen immer ein Gleichgewicht zwischen der
kapillären und der alveolären CO2-Konzentration einstellt. Auch das Blut aus den unter normalen
Bedingungen nicht belüfteten Alveolen wird sich mit dem Rückstrom des Blutes aus den belüfteten
Kapillaren mischen und sein CO2 so schnell an die Alveolen abgeben, dass immer ein
Gleichgewicht zwischen der Konzentration von CO2 im Blut mit der Konzentration von CO2 in den
Alveolen vorherrscht.
Wenn dann aber zwischen Alveole und Blut ein solches Gleichgewicht der jeweiligen CO2Konzentrationen besteht, kann keine weitere CO2-Elimination aus dem Blut in die Alveole mehr
stattfinden. Deshalb muss die mit CO2 gesättigte Luft aus den Alveolen entfernt werden und neue
Luft mit minimaler CO2-Konzentration in die Alveolen gepumpt werden, um die CO2-Elimination
aus dem Blut fortsetzen zu können.
Dies geschieht durch die Ventilation, das heißt dem Prozess, der ständig neue, nahezu CO2-freie
Luft(0,039 Vol% in der Atmosphäre) alveolarseits an der alveolokapillären Membran vorbeiführt,
so dass sich diese "frische" Luft mit dem CO2 aus dem Blut anreichern kann. Je schneller diese
- 15 -
"frische" Luft vorbeigeführt wird, das heißt je höher das Atemzeitvolumen ist, desto mehr CO2 kann
dieser Luftstrom aufnehmen, das heißt der PCO2 im Blut sinkt.
Anders ist es auf der Kapillarseite: die Kapillaren können noch so schnell durchströmt werden,
gleich mit welchem Herzzeitvolumen. Das CO2 im Blut fällt nicht, wenn das in die Alveolen
diffundierte CO2 nicht durch Ventilation abtransportiert wird.
Das heißt, die maßgebende Größe für den CO2-Gehalt, bzw. den pCO2 des Blutes unter
Spontanatmung und Beatmung ist die Ventilation
Sauerstoffaufnahme: Oxigenierung
Ähnliches gilt, allerdings umgekehrt, und dazu auch noch etwas komplizierter, für die
Sauerstoffaufnahme ins Blut.
Das Atemzeitvolumen kann noch so hoch sein, das Blut nimmt nur solange Sauerstoff auf, bis das
an den Alveolen vorbeifließende Blut mit dem Sauerstoff in den Alveolen im Gleichgewicht
steht(beachten Sie bitte diese vorsichtige Formulierung für die genaueren Angaben in den späteren
Absätzen, was alles dieses Gleichgewicht beeinflusst). Wenn das der Fall ist und dieses
Gleichgewicht eingetreten ist, wird keine weitere zusätzliche Menge an Sauerstoff ins Blut mehr
aufgenommen, ganz gleich wie hoch das Atemzeitvolumen noch weiter ansteigt. Es wird ja immer
nur wieder die gleiche Sauerstoffkonzentration in den Alveolen dem Kapillarblut angeboten, welche
das maximal Mögliche, was mit dieser Sauerstoffkonzentration erzielt werden konnte, bereits
aufgenommen hat.
Das heißt, die Sauerstoffaufnahme ins Blut ist relativ unabhängig vom Atemzeitvolumen.
"Komplizierter" im Anfangssatz heißt aber, dass die ins Blut übertragene Menge an Sauerstoff unter
diesem Gleichgewicht zwar nicht vom Atemzeitvolumen abhängt, aber von mehreren anderen
Faktoren auf der Alveolar- und Blutseite:
- Von der absoluten Menge an Hämoglobin im Blut, das mit Sauerstoff beladen werden
kann(Hämoglobingehalt, Hb).
- Vom alveolären und kapillären pO2 der wiederum aus der inspiratorischen
Sauerstoffkonzentration(FiO2, Fracture of inspired oxygen) resultiert und die Sättigung des
Hämoglobins mit Sauerstoff in Abhängigkeit von der Sauerstoffbindungskurve bestimmt, und
- Von der Geschwindigkeit, mit der neues, weniger mit Sauerstoff angereichertes
Blut(zentralvenöse Hämoglobinsättigung etwa 70-75% beim gesunden Menschen) an die
Alveole herangeschafft und oxigeniert werden kann, das heißt vom Herzzeitvolumen.
Unter Atemtherapie oder Beatmung kann noch ein zusätzlicher Faktor dazukommen: Eine
Erhöhung des endexspiratorischen Drucks(Positive EndExpiratory Pressure, PEEP), wodurch am
Ende der Exspiration durch diesen positiven Druck das Lungenvolumen(konkreter die funktionelle
Residualkapazität) und damit die Fläche für den aktiven Gasautausch der Lunge für Sauerstoff im
Vergleich zur normalen Atmung vergrößert wird. Eventuell können auch kollabierte Alveolen
wieder eröffnet werden und für den Gasaustausch wieder zur Verfügung stehen, sodass der Anteil
der Durchblutung nicht belüfteter Lungenareale, in denen keine Oxigenierung des Blutes stattfinden
kann(in älteren Publikationen auch als sogenannter "Shunt" bezeichnet), sinkt.
Ausnahmen gibt es unter Extremsituationen
Das Atemminutenvolumen kann sich unter Spontanatmung in folgenden Extremsituationen auf die
Oxigenierung der peripheren Körperregionen auswirken:
- 16 -
Bei extremer Hyperventilation wird durch Abfall des alveolären pCO2s in der Alveolarluft Platz
geschaffen für Luft mit einer marginalen Erhöhung des pO2s, die es z. B. ermöglicht, den Mount
Everest ohne Sauerstoffausrüstung zu besteigen. Einfacher geht es aber, wenn mit Hilfe von
letzterer die inspiratorische Sauerstoffkonzentration erhöht wird, bzw. nur mit dieser, wenn in noch
größeren Höhen die Hyperventilation an ihre Grenzen stößt oder sonst die Atemluft zu wenig
Sauerstoff enthält.
Bei Hypoventilation unter Raumluft kann die den Alveolen zugeführte Menge an Sauerstoff so
gering sein, dass die Bilanz zwischen Sauerstoffzufuhr in die Alveolen und der gleichzeitigen
Aufnahme von Sauerstoff aus den Alveolen ins Blut dazu führt, dass der Sauerstoffpartialdruck in
allen Alveolen auf ein Niveau absinkt, das nicht mehr in der Lage ist, das Hämoglobin im Blut
optimal zu oxigenieren(das heißt, der Oxigenierungsgrad auf der Sauerstoffbindungskurve nach
unten rutscht). Wie auf dem Mount Everest kann dieser Abfall des Sauerstoffpartialdrucks ebenfalls
durch Erhöhung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration behoben werden, es sei denn, das
Atemzeitvolumen nähert sich einer Apnoe.
Häufig findet man solche Situationen von Hypoventilation in der postoperativen
Überwachungseinheit vor(im Aufwachraum, AWR). Dort herrschen oft noch erhebliche
atemdepressive Auswirkungen der zur intra- und postoperativen Schmerztherapie verabreichten
Opiate vor, oder es besteht durch die Restwirkung der Narkosemittel eine noch anhaltende
Erschlaffung der Muskulatur der äußeren Atemwege, was zu einer partiellen Verlegung der
Atemwege und demzufolge zu einer verminderten Effizienz der Spontanatmung führen kann.
Deshalb werden Sie in postoperativen Überwachungseinheiten(Aufwachräumen) vielfach Patienten
vorfinden, denen über eine Sauerstoffmaske Atemluft mit erhöhter Sauerstoffkonzentration
zugeführt wird.
Auch bei höheren Atemzeitvolumina kann es vorkommen, dass bedingt durch Lagerung,
Schwerkraft, vorangegangener Narkose oder Lungenerkrankungen Alveolen schlecht belüftet
werden. Unter Atmung von Raumluft wird dann über die Bronchien den Alveolen, gleich bei
welchem Atemzeitvolumen, kontinuierlich Luft mit 21% Sauerstoff angeboten. Wenn aber der
limitierende Faktor für die Versorgung der Alveole mit Atemluft das langsame Vordringen der
Atemluft in die Alveole ist, dann ist es sinnvoll, die wenige eindringende Luft mit Sauerstoff
anzureichern, also die inspiratorische Sauerstoffkonzentration zu erhöhen, damit mehr Sauerstoff
die Alveole und damit die anliegenden Kapillaren erreicht.
Das heißt, auch in den extremen Situationen, in denen das Atemzeitvolumen die Oxigenierung des
Blutes und damit die Sauerstoffversorgung der peripheren Körperregionen beeinflussen kann,
besteht die Möglichkeit, dies durch Veränderungen der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration
weit besser auszugleichen als wie durch Veränderungen des Atemzeitvolumens allein. Das
Atemzeitvolumen steuert dagegen vorwiegend die Elimination von CO2 aus dem Körper.
Im Gegensatz zur Spontanatmung werden unter Beatmung zusätzlich sowieso die genannten
Extremsituationen(extreme Hypo- und Hyperventilation) vermieden. Die Formulierung in der Frage
"unter Beatmung" wurde gewählt und sagt zusätzlich aus, dass bei den abgefragten Bedingungen
keine Apnoe vorliegt.
Damit ist bei der Frage, welcher Faktor sich am wenigsten auf die Oxigenierung der peripheren
Körperregionen auswirkt, C die richtige Antwort(Atemminutenvolumen).
Hintergrund dieser Frage ist, um es noch einmal zu sagen, den klinisch und therapeutisch
wichtigen Unterschied zwischen Ventilation und Oxigenierung herauszuarbeiten.
Bei der Oxigenierung des Bluthämoglobins aus dem in die Alveolen gelangten Sauerstoff handelt es
sich um einen wichtigen und intensivmedizinisch oftmals nur schwierig zu bewerkstelligenden
Schritt, den Weg des Sauerstoffs aus der Außenwelt zu den eigentlichen Erfolgsorganen zu
- 17 -
ermöglichen. Das ist aber nicht der einzig nötige Schritt.
- 18 -
Der Weg des Sauerstoffs
Erinnern Sie sich bitte an das Bild, das ich Ihnen zur Einführung in das Modul "Atmung" im 2.
vorklinischen Semester gezeigt hatte(hier etwas abgewandelt):
Pharmakologische Interventionen
Atmungsregulation
Umwelt
Anatomie Hirnstamm
Äußere
Atemwege
Lunge
Alveolokapilläre
Membran
Kreislauf
Biochemische
Atmungskette
Atmung unter
besonderen
Bedingungen
Hämoglobingehalt des
Blutes
Anatomie von
Bergsteigen,
auf Bergen
wohnen,
Leben im
Erdaltertum
oder
Tauchen bei
Mensch und
Tier
Hals
Herz &
Kreislauf
Kehlkopf
Äußere
Atemwege
Atemmechanik
Gasaustausch
Blut - Atemluft
Atemgastransport
im Blut
Energie für die
Aufrechterhaltung
der Körperfunktionen
und für
neues Wachstum
Abbildung 2: Die "makroskopische Atmungskette".
Die "makroskopische Atmungskette" oder wie kommt der Sauerstoff zum
Endverbraucher?
Der Erfolg der Atmung beruht auf einer ineinander greifenden Kette umweltgegebener,
anatomischer, physiologischer und biochemischer Faktoren, welcher hoch bedroht ist, wenn auch
nur einer dieser Faktoren pathologische Ausfälle aufweist. Bei diesen Faktoren handelt es sich um
die milieugegebene inspiratorische Sauerstoffkonzentration und den Sauerstoffpartialdruck, den
freien Weg der Inspirationsluft entlang der Atemwege in die Lungen, den Kontakt der
Inspirationsluft mit einer von der Evolution für die Aufnahme von Sauerstoff in das
Transportsystem des Körperkreislaufs extra dafür geschaffenen größtmöglichen Austauschfläche,
nämlich der alveolokapillären Membran der Lunge, dem weiteren Transport des Sauerstoffs
gebunden an das Hämoglobin der Erythrozyten im Blutkreislauf zu den Zielorganen und dort
schließlich bei den Reaktionen der Atmungskette die Erzeugung energiereicher biochemischer
Verbindungen, welche erst die vielfältigen Aufbau- und Selbsterhaltungsleistungen des aeroben
Lebens möglich machen. Zusätzlich müssen noch Endprodukte, wie Kohlendioxid wieder aus dem
System herausgeschafft werden.
Kurz gesagt, handelt es sich bei der Atmung um den physiologischen Prozeß, der die auf Sauerstoff
basierende Energieversorgung des menschlichen Körpergewebes sicher stellt. (Die Formulierung
"makroskopische Atmungskette" für diesen Vorgang ist eine Formulierung von mir zur
Veranschaulichung und nicht in der Literatur belegt).
Die Lunge, von der wir bisher gesprochen haben, mag noch so gut funktionieren, es hilft aber alles
nichts, wenn der Weg des Sauerstoffs aus der Außenwelt hin zum Endverbraucher, vorwiegend den
Mitochondrien, gestört ist. Unterbrechungen auf dieser "makroskopischen Atmungskette" wirken
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wie bei einer normalen Eisenkette: Sie ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Deshalb ist
es notwendig, bei der Behandlung von Patienten, vor allem in der Intensivmedizin, all diese Glieder
im Auge zu behalten und sie gegebenenfalls selektiv zu therapieren.
Wenn im Umweltmilieu keine nennenswerte Sauerstoffkonzentration mehr vorherrscht, wie im
Weltraum oder mehr realistisch, an einer mit Kohlendioxid geschwängerten Brandstelle, können Sie
nicht überleben. Ebensowenig, wenn die Atemwege verstopft sind, am ehesten überleben Sie das
noch, wenn es durch das Zurückfallen der Zunge und des Zungengrunds beim nächtlichen
Schnarchen zu Stande kommt, weniger, wenn die Restwirkungen einer Narkose diesen Zustand
noch verstärken. Ein in die Luftröhre aspirierter Gegenstand(zum Beispiel ein eingeatmeter
Fleischbrocken) führt natürlich zum selben Ergebnis, ebenso wenn ein böser Mensch Ihnen mit
Gewalt die Luftröhre zuschnürt. Dass weniger Sauerstoff ins Blut aufgenommen werden kann,
wenn Teile der Lunge zwar durchblutet, aber nicht belüftet werden(Atelektasen), haben wir bereits
lang und breit besprochen.
Aber auch die beste Lunge nützt nichts, wenn das Blut bei Anämie zu wenig Sauerstoff pro ml
aufnehmen kann, also zu wenig Hämoglobingehalt aufweist. Eine Transfusion von Erythrozyten ist
dann vonnöten, spätestens ab einem Hämoglobingehalt des Blutes unter 7g/dL.
Genauso wenig Nutzen bringt die beste Sauerstoffaufnahmefähigkeit bei ausreichendem
Bluthämoglobingehalt, wenn dieser Sauerstoff nicht in die zu versorgenden Erfolgsorgane
weitergepumpt werden kann. Bei einem Kreislaufstillstand hilft die beste Beatmung nichts, es muss
kardiopulmonal reanimiert werden um den Sauerstoff weiter zu transportieren.
Ein Kreislaufstillstand ist aber nur das Extrem. Auch bei funktionierender Zirkulation hängt die an
die Peripherie gelieferte Menge von Sauerstoff vom bestehenden Herzzeitvolumen ab, welches
gegebenenfalls durch pharmakologische Therapie, wie etwa mit Katecholaminen, gesteigert werden
muss, wenn es zu niedrig ist um die Bedürfnisse der peripheren Organe zu erfüllen.
All dies hilft Ihnen aber nichts, wenn man Sie mit mit Blausäure vergiftet, welche durch Bindung
der Blausäure an das Eisen-III-Ion der Cytochromoxidase in der Atmungskette diese selbst außer
Gefecht setzt. Dem werden Sie aber in Ihrem Leben zum Glück bei anderen nur äußerst selten wenn es Sie selbst betrifft nur einmal - oder aber am wahrscheinlichsten gar nicht begegnen.
Nebenbei und zum Abschluss - Warum ist eigentlich Sauerstoff so wichtig?
Oder: Zu was braucht das Leben Sauerstoff?
Die mit einem Sauerstoffatom assoziierten Elektronen einer chemischen Verbindung weisen ein
sehr viel niedrigeres Energieniveau auf als wie die Elektronen in den wasserstoffreichen Molekülen
biologisch wichtiger Energiespender, wie etwa Kohlenhydrate. Das Sauerstoffatom besitzt eine sehr
hohe Fähigkeit, Elektronen eng an sich zu binden, bezeichnet als hohe Elektronegativität. Durch die
enge Bindung ist ein sehr großer Energieaufwand nötig, diese Bindung wieder zu lösen. Beim
Eingehen einer solchen Bindung, etwa von Elektronen, die aus anderen energiereichen Substanzen
wie etwa Glucose stammen an das Sauerstoffatom, führt dies komplementär dazu, dass bei diesem
Bindungsprozess viel Energie freigesetzt und für die Zwecke des Lebens verwendet werden kann23.
Beim Abbau dieser energiereichen Substrate wird die Energie ihrer Elektronen aber nicht
schlagartig wie in einem Verbrennungsprozess freigesetzt, sondern es werden entlang der
biochemischen Atmungskette stückchenweise geringe Energiemengen abgezweigt um ATP zu
erzeugen, bis schließlich die Elektronen auf dem niedrigen Energieniveau des Sauerstoffatoms
angekommen sind und dort aufgenommen werden können. Der ganze Prozess funktioniert natürlich
nur, wenn Sauerstoff an Ort und Stelle vorhanden ist, der Sauerstoff aber nicht als Energie
versprühender Kraftprotz, sondern eher als Müllschlucker für energetisch ausgelaugte Elektronen.
- 20 -
Weiterführende Literatur:
Das Kapitel über Beatmung(21 S.) in:
Wilhelm, Wolfram(HrsG):
Praxis der Intensivmedizin,
Springer Verlag Berlin, Heidelberg 2011(859 S.)
Sowie
Larsen, Reinhard, Ziegenfuß, Thomas:
Beatmung, Grundlagen und Praxis
Springer Verlag Berlin, Heidelberg 2009(442 S.)
Beide Bücher liegen als E-Books in der Bibliothek der Medizinischen Fakultät Mannheim vor. Als
Mitglieder der Fakultät können Sie sich die einzelnen Kapitel dieser Bücher als PDF-Files
herunterladen(allerdings etwas mühsam, es sind 61 Kapitel beim Wilhelm und 29 beim
Larsen/Ziegenfuß, die man einzeln herunterladen muss).
Literaturangaben
1.
Larsen, R. & Ziegenfuß, T. Beatmung - Grundlagen und Praxis, (Springer Medizin Verlag,
Heidelberg, 2009).
2.
Network, T.A.R.D.S. Ventilation with lower tidal volumes as compared with traditional
tidal volumes for acute lung injury and the acute respiratory distress syndrome. The Acute
Respiratory Distress Syndrome Network. The New England journal of medicine 342, 13011308 (2000).
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Physiological Basis of Medical Practice (ed. West, J.B.) 518-528 (Williams & Wilkins,
Baltimore, Honkong, London, Munich, Philadelphia, Sidney, Tokyo, 1990).
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Boron, W.F. & Boulpaep, E.L. (eds.). Medical Physiology, 1337 (Saunders Elsevier,
Philadelphia, 2012).
6.
Boron, W.F. Organisation of the Respiratory System. in Medical Physiology (eds. Boron,
W.F. & Boulpaep, E.L.) 613-629 (Saunders Elsevier, Philadelphia, 2012).
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Journal canadien d'anesthesie 38, 384-400 (1991).
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