Leitthema der Nova 3/2002 Chronischer Schmerz und Sexualität „Dann lässt man es einfach......“ Sexualität gehört zum Leben. Doch chronischer Schmerz kann Lust und Leidenschaft verdrängen. Mit etwas Mut kann jeder lernen, über seine Wünsche, Ängste und Bedürfnisse zu sprechen. Frau Dr. med. Marianne Koch, Präsidentin der Deutschen Schmerzliga, weiß aus Ihrer eigenen Erfahrung als Ärztin, dass sich viele Patienten scheuen, über sexuelle Probleme zu sprechen. Dies gilt nicht nur für Menschen, die unter Diabetes oder Herzerkrankungen leiden, sondern auch für Schmerzpatienten. Dabei ist Sexualität doch ein wesentlicher Teil der menschlichen Existenz. Dass chronische Schmerzen Lust und Leidenschaft beeinträchtigen können, kann nicht verwundern. Wenn der Schmerz zum Mittelpunkt eines Lebens wird, drängt er alle anderen Bedürfnisse an den Rand. Auch darum ist eine sachgerechte Schmerzbehandlung so wichtig. Sie hilft, dass die Aufmerksamkeit sich nicht mehr nur auf den Schmerz richtet – und die Betroffenen sich endlich wieder den schönen Dingen des Lebens zuwenden können. Und was ist schöner als die Liebe und Zuneigung zwischen zwei Menschen? Was ist wichtiger als Nähe, Fürsorge und Verständnis füreinander? Darum dürfen auch Partnerschaftsprobleme, die durch eine Schmerzerkrankung an die Oberfläche kommen, kein Tabu sein. Darin sind sich alle Experten einig. Welche Wege Wissenschaftler neuerdings beschreiten, um das „Schmerzgedächtnis“ zu beeinflussen, lesen Sie im folgenden Bericht. „Ein Tag, an dem ich weniger oder keine Schmerzen habe, ist für mich ein Freudentag“, sagt Jutta Erdmann leise. Die Hamburgerin, Mutter von 13jährigen Zwillingen, leidet seit zehn Jahren unter chronischen Rücken- und Unterbachschmerzen. Vor zwei Jahren implantierten ihr die Ärzte einen Nervenstimulator, dessen Elektroden durch schwache elektrische Impulse im Rückenmark die Weiterleitung von Schmerzsignalen hemmen. Damals war Jutta Erdmann 34 Jahre alt. Seitdem muss sie weniger Schmerzmittel schlucken, doch nach wie vor ist die Belastung hoch. „Ich bin schon froh, dass ich inzwischen wenigstens meinen Alltag irgendwie geregelt kriege.“ Ohne ihren Mann, davon ist die Hamburgerin überzeugt, hätte sie die schwere Zeit nicht durchgestanden: „Die Krankheit überall die Jahre, das ständige Auf und Ab, haben uns einander sehr viel näher gebracht.“ Doch diese seelische Verbundenheit findet keinen Ausdruck in körperlicher Nähe. „Ich ertrage es nicht, angefasst zu werden“, bekennt Jutta Erdmann, „mein Körper wehrt sich dagegen mit starken Schmerzen, die Muskulatur verspannt sich total.“ Selbst wenn ihr Arzt, dem sie vertraut und mit dem sie gut klar kommt, sie bei einer Untersuchung oder Behandlung berühren muss, hat sie Probleme. Ihr Körper verkrampft sich. Sexualität? Seit fast drei Jahren hat die Schmerzpatientin mit ihrem Mann keinen intimen Kontakt mehr gehabt. „Wir haben es versucht, aber meine Schmerzen wurden dadurch schlimmer. Dann lässt man es einfach“, sagt sie resigniert. Darüber reden fällt auch nicht leicht. „Das Thema ist tabuisiert. Man schiebt andere Dinge vor, das Alltagsleben, es gibt ja genug Probleme, der Haushalt, die Kinder, über die man sprechen muss.“ Jutta Erdmann ist kein Einzelfall. So wie ihr geht es sehr vielen Patientinnen und Patienten, die unter chronischen Schmerzen leiden. Wenn der Schmerz das Leben dominiert und übermächtig wird, schwindet in vielen Fällen die Freude an der Sexualität. Die Patienten ziehen sich zurück, tun sich schwer, ihre Gedanken und Gefühle mitzuteilen, und scheuen körperlichen Kontakt. Manche sind überzeugt, dass der Schmerz sie für Partnerin oder Partner weniger attraktiv macht. Körperliche Veränderungen, die beispielsweise bei schmerzhaften Gelenkerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis auftreten können, oder Narben von Operationen beeinflussen die Selbstwahrnehmung und das Bild des eigenen Körpers. Das Selbstwertgefühl leidet. So beginnt eine Abwärtsspirale: Schmerz, Rückzug, Depression, Einsamkeit, noch mehr Schmerz. „Während der Schmerzkranke mit seiner Hoffnung nie alleine ist“, sagt Jutta Erdmann, „ist er es in seiner Verzweiflung um so mehr.“ „Schmerz beeinflusst die Sexualität vielfältig“, erklärt die USamerikanische Psychologin Jill Mushkat vom Meridia Pain Management Center in Cleveland im Bundesstaat Ohio. „Ein Mensch, der unter chronischen Schmerzen leidet, lernt, jede Aktivität zu vermeiden, die den Schmerz auslöst. Ebenso meidet er jede Aktivität, von der er annimmt, sie könnte Schmerzen verursachen.“ Schmerz – oder auch nur die Angst davor – kann sexuelle Gefühle schon in der Frühphase blockieren. Erregung verflüchtigt sich, wenn Schmerzen auftreten. Und wer sich wegen seiner Schmerzen, nicht fallen lassen und entspannen kann, hat Schwierigkeiten, den Höhepunkt zu erreichen. Medikamente, die Schmerzpatienten benötigen, können die Sexualität ebenfalls beeinträchtigen – Opioide beispielsweise das sexuelle Verlangen (Libido) und die Potenz. Auch bestimmte moderne Antidepressiva, die so genannten Serotonin - Wiederaufnahmehemmer, lassen bei vielen Patienten die Lust unter den Nullpunkt sinken. Schon die angst, dass sich einen Behandlung auf die Sexualität auswirken könnte, verstärkt mitunter die Probleme. Missverständnisse die der Partnerschaft kommen hinzu. Nicht nur die Patienten sind ängstlich und unsicher. Auch die Partner wissen oft nicht, wie sie sich richtig verhalten sollen. Um die kranke Partnerin oder den leidenden Partner zu schonen, warten viele erst einmal ab, halten sich zurück. Dann kann es geschehen, dass die Kranken dies falsch verstehen, die Zurückhaltung als Desinteresse oder gar Ablehnung interpretieren, enttäuscht sind – und sich ihrerseits noch mehr zurückziehen. Welche Dimensionen eine solche Entwicklung annehmen kann, zeigt der Fall des Ehrpaares Sabine und Werner Pölmer. Die sportliche Fünzigjährige litt unter starken chronischen Rückenschmerzen. Werner Pölmer fürchtete, seiner Frau beim Geschlechtsverkehr weh zu tun. Dies löste bei ihm offenkundig eine fatale Entwicklung aus: Er wurde impotent. Eine körperliche Ursache gab es dafür nicht, urteilte ein Urologe. Erst eine zwei Jahre dauernde Psychotherapie half dem 55-Jährigen, die psychischen Auslöser der Impotenz zu identifizieren: den Wunsch, seine Frau zu schonen. Doch damit waren die Schwierigkeiten noch keineswegs überwunden. Als sich der Zusammenhang zwischen seiner Impotenz und ihrer Krankheit abzeichnete, konnte Sabine Pölmer das nur schwer verkraften. Sie fühlte sich schuldig an den Problemen ihres Mannes, glaubte, ihn krank gemacht zu haben. „Es ist unglaublich“, hat Annette de Groot, Vizepräsidentin der Deutschen Schmerzliga, in Gesprächen erfahren, „wie sich solche Probleme hochschaukeln können.“ In welchem Ausmaß Partnerschaft und Sexualität unter chronischen Schmerzen leiden, belegen Untersuchungen in Großbritannien und den USA. Eine Forschergruppe um Nicholas Ambler vom Schmerztherapiezentrum des Klinikums Bristol in England befragte 327 Patienten mit chronischen Schmerzen nach ihrem Sexualleben. Resultat: 73 % berichteten über vielfältige sexuelle Probleme. Besonders häufig klagten die Patienten über Schwierigkeiten, sexuell erregt zu werden und zum Höhepunkt zu gelangen. Viele hatten ein geringes Selbstvertrauen und Versagensängste, berichteten über Probleme in der Partnerschaft und vermehrten Schmerzen durch den Geschlechtsverkehr. Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch eine Forschergruppe um Professor Trilok Monga aus Houston im US-Bundesstaat Texas. Nur 20 % der befragten Patienten mit chronischem Schmerz gaben bei einer Untersuchung an, mit ihrem Sexualleben zufrieden zu sein, obwohl 66 % sich intime Kontakte wünschten. Die Mehrzahl hatte erektions- und Orgasmusprobleme. Auffallend war, dass weder die subjektiv empfundene Schmerzstärke noch die Dauer oder Häufigkeit der Schmerzen das Ausmaß der sexuellen Störung zu bestimmen schienen. Gravierenderen Einfluss übte die Angst aus, die Schmerzen könnten sich durch den Geschlechtsverkehr verschlimmern. Eine ebenso große Rolle spielte die Angst zu versagen, unter der vor allem Männer litten. Dieses Problem kennen auch die deutschen Schmerztherapeuten aus ihrer Praxis. „Männer stehen aufgrund ihrer Rolle häufig unter einem starken Druck“, weiß Dr. Hilmar Hüneburg, Leiter des Schmerztherapeutischen Kolloquiums Bonn und Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie des Gemeinschaftskrankenhauses Bonn. Gerade Schmerzpatienten haben schon genug Probleme im Beruf. Viele können nicht mehr arbeiten, ziehen sich von sozialen Aktivitäten im Freundeskreis zurück und übernehmen auch weniger Familienpflichten – sie fühlen sich vor sich und der Gesellschaft als Versager. „Und nun kommt noch das sexuelle Versagen oder die Angst davor hinzu“, sagt Hüneburg. „Damit kommen die Betroffenen dann kaum zurecht.“ Besonders problematisch ist das (Wunsch-) Bild einer Sexualität, das dank der Massenmedien in der modernen Gesellschaft dominiert. Zwar ist es von Vorteil, dass heute sehr offen über die Sexualität gesprochen wird. Aber nirgendwo wird so viel geschwindelt wie in Umfragen zum Sexualverhalten. Sexualforscher wissen dies schon lange. Verlogen ist auch die Welt der Hochglanzmagazine, auf deren Seiten sich auf ewig jung und schön retuschierte Männer und Frauen mit anscheinend unerschöpflicher Liebeslust und Liebeskraft tummeln. Dabei sind sich Experten einig, dass Sexualität etwas sehr individuelles ist. Für manche Menschen hat sie eine große, für andere eine geringere Bedeutung. Fand jemand schon vor einer Erkrankung Sexualität wenig interessant, kann es nicht verwundern, wenn deren Stelenwert im Krankheitsfall noch weiter sinkt. Unter solchen Umständen gilt es durchaus als normal, wenn das Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit hoch, jenes nach körperlichem Sex jedoch gering ist. Ebenso gilt: Für Sexualität gibt es zwar keine Altersgrenze, aber ihre Bedeutung und ihr Stellenwert können sich mit den Jahren verändern. Widerlegt ist allerdings die landläufige Vermutung, das Interesse an intimen Kontakten nähme „natürlicherweise“ mit den Jahren ab. Das kann auch Anette de Groot aus Gesprächen in Selbsthilfegruppen bestätigen. „Die Jungen könnten hier sogar von der Offenheit der älteren Patienten eine ganze Menge lernen“, sagt die Gruppenleiterin, die „beeindruckt ist von der Ehrlichkeit und dem Mut, mit dem Ältere über Sexualität zu sprechen bereit sind.“ Wie Paare sexuelle Probleme und Konflikte vermeiden können, darüber sind sich Experten einig: Die Kommunikation – das Sprechen über die eigenen Gefühle, über die Beziehung, über Wünsche und Ängste – ist von entscheidender Bedeutung. „Es ist zwar völlig normal, wenn die Lust auf Sexualität in bestimmten Situationen und Lebensabschnitten oder bei Krankheit weniger wird oder ganz verschwindet“, erklärt Dr. Marianne Koch, Präsidentin der Deutschen Schmerzliga. „Aber gerade dann ist es wichtig offen mit dem Partner darüber zu sprechen.“ Beide Partner müssen versuchen, vier wichtige Fragen zu beantworten. Was Was Was Was will ich? fühle ich? vermisse ich? brauche ich von der Beziehung? „Denn es darf nicht sein“, betont Marianne Koch, „dass der Schmerz über diesen wichtigen Teil des Lebens auf Dauer die Oberhand behält.“ Positiv erlebte Sexualität, zu der vor allem Nähe, Intimität und Zärtlichkeit gehören, steigert das seelische Wohlbefinden und kann sich so auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von Schmerzen günstig auswirken. Eine umfassende Schmerztherapie kombiniert Medikamente, Bewegung und psychologische Strategien miteinander. Sie kann wesentlich dazu beitragen, dass die Aufmerksamkeit der Betroffenen den Schmerz verlassen und sich wieder dem Partner zuwenden kann – vor allem jenen Gefühlen, die für jede Beziehung wichtig waren und sind. Die Partner müssen herausfinden, ob sexuelle Probleme eher körperliche Ursachen haben, ob sie therapiebedingt sind oder ob seelische Konflikte dahinter stecken. Dazu brauchen sie gelegentlich professionelle Hilfe von Schmerztherapeuten oder speziell geschulten Psychologen. Schwere Erkrankungen und Schmerzen bringen nicht nur Probleme. Sie eröffnen auch Chancen, eine Partnerschaft neu zu gestalten. Erforderlich ist jedoch die Bereitschaft, kreativ zu sein und Veränderungen zuzulassen. Es gilt, zu erhalten, was gut ist für die Beziehung, und zu ändern, was Probleme, Leid und Seelenqualen verursacht. Die Deutsche Schmerzliga rät: Scheuen Sie sich nicht, für sich allein herausfinden, wie es um das sexuelle Empfinden steht, welche Berührungen Sie als angenehm empfinden, welche Körperteile auf Zärtlichkeit reagieren. Sagen Sie Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin, wenn bestimmte Körperteile besonders empfindlich sind. Machen Sie Sex zu einer Tageszeit, in der Ihre Schmerzintensität am geringsten ist. Nehmen Sie den Fokus weg vom Geschlechtsverkehr, konzentrieren Sie sich auf sanfte Berührungen, Küssen, Streicheln. Schaffen Sie einen angenehmen Rahmen, sanfte Beleuchtung, entspannende Musik. Entspannen Sie Ihre Muskulatur durch ein warmes Bad oder eine Dusche. Sanfte Massagen lockern Verspannungen; lassen Sie sich viel Zeit für sanfte Berührungen. Sexuelle Phantasien sind nicht amoralisch. Nutzen Sie die Kraft Ihrer Imagination auch in der Sexualität. Erproben Sie neue Stellungen beim Geschlechtsverkehr und neue Formen der Sexualität. Bewegen Sie sich sanft, vermeiden Sie ruckartige Bewegungen. Wenn Schmerzen auftreten: Versuchen Sie sich auf die angenehmen Gefühle zu konzentrieren. Wenn Sie dem Schmerz Ihre Aufmerksamkeit entziehen, tritt er in den Hintergrund. Zeit für sanfte Nähe: Wer sich mit viel Phantasie auf angenehme Gefühle konzentriert, entzieht dem Schmerz seine Dominanz. NOVA fragt nach: Sexualität – ein verdrängtes Problem? Dr. Hilmar Hüneburg ist Chefarzt der Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Gemeinschaftskrankenhaus Bonn. Daneben ist er Leiter des Schmerztherapeutischen Kolloquiums Bonn. Für seine Verdienste um die ärztliche Fortbildung wurde Dr. Hüneburg am 07.08.2002 mit der Ernst-von-Bergmann-Plakette der Bundesärztekammer ausgezeichnet. Sprechen Patienten mit chronischem Schmerz in der Sprechstunde über ihre Sexualität? Nicht alle, aber es ist ein Thema. Auffallend sind Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Frauen erzählen oft bei der Erstuntersuchung, dass Sexualität und Libido durch ihre Schmerzen beeinflusst werden. Das tun Männer meistens nicht. Sie sprechen es in der Regel erst während der Behandlung an. Viele sagen dann, dass dies doch sicher von den Medikamenten käme, und wollen eine ebenfalls medikamentöse Lösung. Welche Rolle spielen die Medikamente? In der Tat können beispielsweise Opioide die Libido beeinträchten. Auch bei bestimmten Antidepressiva, den selektiven Serotonin Wiederaufnahmehemmern, klagen Männer über Erektionsschwierigkeiten. Darum benützen wir diese speziellen Arzneien auch seltener. Bei den älteren trizyklischen Antidepressiva treten solche Nebenwirkungen weniger häufig auf. Wirken sich schmerzlindernde Medikamente nicht auch positiv auf die Sexualität aus? Frauen profitieren öfter. Viele sagen, seitdem sie weniger schmerzgeplagt seien, wären Lust und Sex wieder möglich oder hätten eine neue Qualität. Das ist bei Männern oft nicht der Fall. Wie können Sie diesen Männern helfen? Wir können solche Patienten zum Urologen überweisen. Möglich ist beispielsweise eine Behandlung mit Viagra. Aber oft sind ja nicht die Medikamente, sondern die psychosozialen Folgen chronischer Schmerzen die Ursache der sexuellen Störungen. Eigentlich liegen die Dinge also tiefer, doch da sind Männer weniger zugänglich, wenn wir etwa eine Paartherapie oder eine psychologische Beratung vorschlagen. Das hat etwas mit der Rolle des Mannes zu tun. Er will nicht versagen und setzt sich selbst unter Leistungsdruck. Wie häufig sind Medikamente, wie häufig Partnerschaftsprobleme verantwortlich? Ich würde höchstens 20 % der Fälle auf Medikamente zurückführen. Der größere Teil hat mit Veränderungen der Beziehung zu tun. Ein Teil der Probleme entsteht sicherlich auch durch Missverständnisse zwischen den Partnern. Gibt es Versuche, Partner in die Therapie mit einzubeziehen? Wir – vor allem unsere Psychologen – versuchen dies natürlich. Frauen akzeptieren das meistens. Männer sind da zurückhaltender, weil sie oft die einfachere Lösung sehen und dazu neigen, Probleme auf der Paar-Ebene zu ignorieren. Sie wollen nicht darüber reden, sondern wollen ein Medikament. Was raten Sie Patienten, die sagen, dass sie einfach keine Lust haben, deren Partner aber Sex wünscht? Die Psychologen im Team versuchen dann klar zu machen, dass Sexualität mehr ist als nur Beischlaf und auch andere Dimensionen hat. So kann vielleicht auch eine ganz andere Befindlichkeit zustande kommen. In England und den USA gibt es sehr konkrete Informationen für Patienten, etwa im Internet. In Deutschland gibt es fast nicht. Übersehen die Ärzte bei uns ein Problem? Ich glaube in der Tat, dass auch wir Schmerztherapeuten da noch eine ganze Menge zu lernen haben. Wir fragen zwar in den SchmerzFragebögen auch nach dem Sexualverhalten. Ich fürchte allerdings, dass man dieses Thema vielleicht noch nicht tief genug bearbeitet. Gerade im Umgang mit älteren Patienten neigt man bisweilen zu der Annahme, dass Sexualität da kein Thema mehr ist. Hier müssen wir endlich umdenken.