V - Diplomovka

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-1-
Filozofická fakulta Prešovskej univerzity v Prešove
Inštitút germanistiky
DIPLOMOVÁ PRÁCA
Textuelle und wortbildnerische Besonderheiten
in pharmazeutisch-medizinischen Texten
(dargestellt an Packungsbeilagen)
Textové a slovotvorné špecifiká farmaceuticko-medicínskych textov
(na príklade príbalových letákov liečiv)
Autor práce: Helena Slamená
Vedúci práce: Doc. PhDr. Ladislav Sisák, CSc.
Prešov 2006
-2-
Čestne prehlasujem, že som túto diplomovú prácu
vypracovala samostatne s použitím uvedenej literatúry
a pod vedením Doc.PhDr.Ladislava Sisáka, CSc.
......................................................
-3-
Na úvod sa chcem poďakovať svojmu konzultantovi
Doc.PhDr.Ladislavovi Sisákovi, CSc. za cenné pripomienky,
poskytnuté materiály a trpezlivosť nielen pri korektúrach.
-4Inhaltsverzeichnis
Einleitung..............................................................................................................6
1.
Texte und Konzepte der Textualität.................................................................9
1.1.
Produktion des Textes........................................................................................16
1.2.
Rezeption des Textes, Verstehen und Wissen....................................................19
1.3.
Klassifizierung von Texten.................................................................................22
2.
Fachsprache, Fachtext und fachsprachliche Kommunikation.....................24
2.1.
Fachsprache der Medizin, medizinische Lexik..................................................25
2.2.
Kommunikation in der Medizin.........................................................................28
2.3.
Fachbezogene Vermittlungstexte, Packungsbeilagen.........................................29
2.3.1.
Spezifika der Kommunikationssituation bei den Packungsbeilagen..................30
2.3.2.
Die standardisierte Packungsbeilage..................................................................31
2.3.3.
Der Textaufbau von einer Packungsbeilage.......................................................32
3.
Untersuchungen zur Textualität in Packungsbeilagen.
Kohäsion als das untersuchte Kriterium der Textualität ............................35
3.1.
Kohäsionsmittel in Packungsbeilagen................................................................36
3.1.1.
Mittel der Wiederholung und verweisende Wiederaufnahme............................36
3.1.2.
Tempus und Konnektive.....................................................................................42
4.
Untersuchungen zur Wortbildung in Packungsbeilagen. Arten der
Wortbildung......................................................................................................48
4.1.
Zusammensetzung – Substantiv.........................................................................53
4.1.1.
Determinativkomposita – die häufigsten Strukturtypen nach der Art
des ersten Gliedes...............................................................................................54
4.2.
Zusammensetzung – Adjektiv............................................................................57
4.2.1.
Determinativkompositum in der Wortbildung des Adjektivs.............................58
4.2.2.
Kopulativkompositum in der Wortbildung des Adjektivs..................................59
4.3.
Ableitung – Substantiv.......................................................................................59
4.3.1.
Explizite Ableitung – Substantiv.......................................................................59
4.3.2. Implizite Ableitung – Substantiv.......................................................................62
4.3.3. Konversion – Substantiv ....................................................................................62
4.4.
Ableitung – Adjektiv..........................................................................................63
4.4.1.
Explizite Ableitung – Adjektiv...........................................................................63
4.5.
Präfixbildung – Substantiv.................................................................................65
4.6.
Präfixbildung – Adjektiv....................................................................................66
Zusammenfassung..............................................................................................69
-5Resumé.................................................................................................................71
Literaturverzeichnis..............................................................................................73
Anhang..................................................................................................................77
-6Einleitung
Die vorliegende Arbeit trägt den Titel „Textuelle und wortbildnerische
Besonderheiten in pharmazeutisch-medizinischen Texten“ und beschäftigt sich mit den
Packungsbeilagen von humanen Arzneien als einer eigenartigen Textsorte und mit der
Sprache der Packungsbeilage.
Der Tätigkeitsbereich der Medizin ist ein Bereich von großer gesellschaftlicher
Bedeutung und die Sphäre der medizinischen Wissenschaft ist auch für Forscher aus
anderen Wissenschaftsgebieten attraktiv und untersuchungswert – auch für uns
Linguisten.
Für das ganze Gebiet dieser Humanwissenschaft gibt es im Rahmen der
Kommunikation und Verständigung bestimmte Besonderheiten. Die Kommunikation in
der Medizin hat mehrere Ebenen, eine davon ist die der Verständigung zwischen dem
Fachmann (Arzt, medizinischen Personal, Pharmazeuten) und dem Laien (Patienten).
Diese verkehren miteinander entweder direkt, wobei der Kontakt unmittelbar ist, oder
ist die Kommunikation indirekt, vermittelt. Eines der Medien in der Medizin, das die
Informationen vom Fachmann dem Laien vermittelt, ist die Packungsbeilage – der
Beipackzettel, der die Arzneimittel begleitet. Er bildet den Schwerpunkt und
Gegenstand der Untersuchung in meiner Diplomarbeit.
Ein wesentlicher Faktor für die Themenwahl war die Tatsache, dass die
Packungsbeilagen bisher im Rahmen einer Diplomarbeit nicht beschrieben worden sind.
Untersuchungswert schienen u.a. die Besonderheiten der Textsorte, die die
Beipackzettel von anderen Texten im „Universum von Texten“ unterscheiden. Im
Rahmen der Lexik waren es spezifische medizinsprachliche Lexeme, die durch
verschiedene Wortbildungsverfahren entstanden sind, m.a.W. komplexe Wörter als
Ergebnisse von Wortbildungsprozessen.
Der Beipackzettel gehört zu den s.g. vermittelnden Textsorten, die die fachlichen
Informationen den Laien (viel öfter als Nichtlaien) vermitteln und so auch zu einer
zuverlässigen und sicheren Therapie beitragen.
Diese Arbeit stellt sich das Ziel, textuelle Spezifika von den Packungsbeilagen
darzustellen
und
die
häufigsten
–
die
produktiven
–
Strukturtypen
von
Wortbildungskonstruktionen (WBK) in dieser Textsorte zu finden und zu beschreiben.
Schwerpunkt der Analyse ist demzufolge einerseits der Text als komplexe Einheit,
andererseits die Wortbildung im Text. Die Wortbildung hängt nämlich mit Satzbildung
und Textkonstruktion eng zusammen. Wortbildungskonstruktionen sind Bestandteil des
Textes, stehen in Verbindung mit anderen Textkonstituenten und tragen dadurch
wesentlich zur Markierung der Textsemantik und der Textkohärenz bei.
-7Meine Diplomarbeit gliedere ich in vier größere Teile. Der erste Teil bildet eine
Einführung in die Textlinguistik, ihre Begriffe und in die ausgewählten Probleme des
Textes. Von den allgemeinen Definitionen und Konzepten der Textualität gehe ich im
zweiten Teil zum Fachtext und zu den fachbezogenen Texten über, um ihre Spezifika
im Unterschied zu anderen Texten darzustellen. Die Beipackzettel gehören nämlich zu
den Fachtexten bzw. zu den fachbezogenen Texten. Den Gegenstand des dritten
Kapitels bildet die Beschreibung und Untersuchung zur Textualität, besonders die
Untersuchung der Kohäsionsmittel in Beipackzetteln, so wie sie in konkreten Texten
realisiert wurden. Hier wurden drei vollständige Packungsbeilagen hinsichtlich der
Kohäsionsmittel analysiert und die Ergebnisse wurden mit einem repräsentativen Text
einer anderen Textsorte – mit einem Essay – verglichen. Die genauen Angaben sind
auch in Form von Tabellen dargestellt. Ich zeige hier die Realisation von einzelnen
Kohäsionsmitteln und skizziere die Tendenzen in Abhängigkeit von der Textsorte.
Das vierte Kapitel zielt darauf ab, die Frage nach den häufigsten und somit auch
produktivsten Wortbildungstypen in medizinisch-pharmazeutischen Texten zu klären.
In Fachtexten und fachbezogenen Vermittlungstexten zeigen sich insbesondere
Substantive und Adjektive bezüglich der Terminologie charakteristisch, aus diesem
Grund
werden
im
Wortbildungsprozessen
vierten
bei
Teil
der
diesen
Arbeit
zwei
nur
Wortarten
Untersuchungen
durchgeführt.
zu
Auf
Wortbildungsprozesse im Bereich des Adverbs und Verbs wird in dieser Arbeit nicht
näher eingegangen.
Nach einigen Kapiteln werden kurze Zusammenfassungen platziert, die die wichtigsten
Erkenntnisse und Ergebnisse aus dem jeweiligen Kapitel auf eine kurze Form bringen.
Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurden sowohl theoretische Quellen als auch
konkrete
authentische
Packungsbeilagen
benutzt.
Es
wurde
angestrebt,
alle
theoretischen Ausführungen immer anhand von ausgewählten Beispielen aus der
Materialgrundlage zu untermauern (alle Beispiele in dieser Diplomarbeit sind kursiv
markiert).
Die wichtigsten theoretischen Ausgangspunkte im Bereich der Textlinguistik lieferte
v.a. die Arbeit von R.-A. de Beaugrande und W.U. Dressler „Einführung in die
Textlinguistik“ und „Studienbuch Linguistik“ von A. Linke, M. Nussbaumer und M.
Portmann. Im Bereich der Fachsprache ist diese Diplomarbeit v.a. den Publikationen
zur Fachsprache von L. Hoffmann und I. Wiese verpflichtet. Wieses Werk gehört zu
den vollständigsten Darstellungen der Problematik der Fachsprache der Medizin. Bei
der Wortbildung stütze ich mich v.a. auf das Werk „Wortbildung der deutschen
Gegenwartssprache“ von W. Fleischer und I. Barz. Informationen, die die
-8standardisierte Packungsbeilage betreffen, wurden auch aus dem Internet geschöpft und
stammen z.T. direkt von den Mitarbeitern des Beratungsservices des pharmazeutischen
Herstellers Ratiopharm (http://www.ratiopharm.de).
Bei den Untersuchungen wurden Beipackzettel aus den Verpackungen von
verschiedenen humanen Arzneimiteln bzw. von verschiedenen Anwendungsgruppen
und Arzneimittelgruppen benutzt. Diese Arzneien stammen von verschiedenen
pharmazeutischen Herstellern. Solche Wahl der Materialgrundlage wurde getroffen, um
die Objektivität der Ergebnisse und Schlussfolgerungen zu erzielen. Die Liste der
untersuchten Packungsbeilagen ist im Quellenverzeichnis zu finden.
Ich hoffe, dass meine Arbeit einen anspruchsvollen partiellen Blick auf die
textuellen und sprachlichen Spezifika der Packungsbeilage bieten wird.
Im Laufe der Vorarbeiten und Verfassung der Arbeit stellte ich fest, dass das Thema
noch viel umfangreicher ist und dass mit ihr noch weitere Fragestellungen verbunden
sind, die untersuchungswert wären. Ich glaube, dass ich künftig noch Gelegenheit haben
werde, sich weiter mit dem Thema Fachsprache und fachsprachliche Kommunikation in
der Medizin zu beschäftigen. Auch hoffe ich, dass die vorliegende Arbeit meine
Nachfolger dazu veranlassen dürfte, viele andere Aspekte der Beipackzettel-Texte bzw.
anderer Fachtexte zu untersuchen und somit zu komplexen Darstellungen in diesem
Bereich
beizutragen.
-91. Texte und Konzepte der Textualität
Was ist eigentlich ein Text? Diese Frage wird gleich hier am Anfang gestellt, weil
die vorliegende Arbeit den Texten nachgeht, genauer gesagt, den spezifischen Texten,
wie sie den Packungsbeilagen von humanen Arzneien zu entnehmen sind. Dieses
Kapitel versucht zuerst, den Text zu definieren und verschiedene Konzepte der
Textualität kurz vorzustellen. Dann werden zwei getrennte Teile den ausgewählten
Aspekten von Textproduktion und Textrezeption gewidmet. Der letzte Teil behandelt
die Klassifizierung von Texten.
Zu erwähnen ist die Tatsache, dass es bis heute in der Linguistik eine abschließende,
allgemeingültige Definition der Größe „Text“ nicht gibt. In der Alltagssprache
verwendet man die Bezeichnung „Text“ oft in Verbindung lediglich mit schriftlichen
Sprachdokumenten, mit schriftlichen sprachlichen Einheiten.
Man kann auch behaupten, dass Texte solche sprachlichen Einheiten sind, die meistens
mehr als einen Satz umfassen, und wir empfinden sie als eine zusammenhängende
Einheit. (Linke/Nussbaumer/Portmann 1996: 214) Aber welche „Kräfte“ machen die
Sätze zu einer solchen Einheit? Dieses Phänomen erklären die verschiedensten
Konzepte der Textualität. Die bekanntesten werde ich hier kurz skizzieren.
Die grobste Unterscheidung der einzelnen Konzepte beruht darauf, ob sie
kohärenzorientiert bzw. kohäsionsorientiert sind, d.h. ob sie bei der Definition mehr an
der Oberfläche des Textes bleiben, oder ob sie auch die Tiefenstruktur berücksichtigen.
 Zu den bekanntesten Definitionen des Textes gehört das prozedurale Textmodell
von R.-A. de Beaugrande und W. U. Dressler (1981), das auf sieben
Textualitätskriterien beruht. Es sind folgende Kriterien: Kohäsion, Kohärenz,
Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität und Intertextualität. Die
Konzeption von Beaugrande und Dressler kennt die s.g. verwender-zentrierte Kriterien,
und die s.g. text-zentrierte Kriterien. Behandeln wir jetzt die einzelnen Kriterien:
1. Kohäsion (zu lat. „cohaerere“zusammenhängen, beieinander kleben) ist die Art,
wie die Texte in der Oberflächenstruktur grammatisch verknüpft sind. Dem
Oberfächentext erlegt seine Organisationsmuster das Sprachsystem der Syntax auf. Die
Mittel, die dazu eingesetzt werden, die Kohäsionsrelationen herzustellen, wollen wir
hier Kohäsionsmittel nennen. Sie tragen zur Stabilität und Ökonomie vom sprachlichen
Material bei.
Anhand einer zufällig ausgewählten Packungsbeilage zu Diclofenac Genericon retard
100mg-Filmtabletten lassen sich von vielen Kohäsionsmitteln kurz folgende erwähnen:
Rekurrenz
(Diclofenac
hat
eine
entzündungshemende,
schmerzlindernde
und
fiebersenkende Wirkung. ... Art der Anwendung und Dosierung: Einmal täglich 1
- 10 Diclofenac retard 100mg-Filmtablette.), Substitution (Die Filmtabletten dürfen weder
geteilt, noch zerkaut werden. ... In diesen Fällen darf das Präparat nicht angewendet
werden.), Ellipse (Lagerungshinweise: Nicht über 25C lagern.).
Weitere ausführlichere Untersuchungen zur Kohäsion und die Darstellung anderer
relevanten Kohäsionsmitteln bilden den Gegenstand des 3. Kapitels.
2. Kohärenz ist der semantisch-thematischer und pragmatischer Zusammenhang, der
einen Text als ein einheitliches Ganzes erkennen lässt. Der jeweilige Ausdruck der
Sprache hat oft mehrere mögliche Bedeutungen, aber unter normalen Bedingungen im
Text nur einen Sinn. Wie z.B. der Ausdruck „Gelenk“ im folgenden Satz:
Anwendungsgebiete: Schmerzhafte Entzündungs- und Schwellungszustände bei
rheumatischen Erkrankungen von Gelenken.
das Gelenk>
1. (Anat.) bewegliche Verbindung zwischen Knochen;
2. (Bot.) polsterförmige Verdickung an Blattstielen oder Stängeln, die eine hebende oder senkende
Bewegung des Blattes oder eines Teils des Stängels ermöglicht;
3. (Technik) bewegliche Verbindung zwischen Maschinenteilen oder Teilen eines technischen Gerätes,
einer technischen Vorrichtung.
Bei der Produktion, als auch bei der Rezeption wird von den möglichen, potentiellen
drei Bedeutungen nur eine – die erste – aktualisiert.
Vereinfacht darf man sagen, dass alle Ausdrücke so im Text beim Rezipienten eine
gewisse Sinnkontinuität aktivieren, wobei die Rolle des Rezipienten auf gar keinen Fall
passiv ist. Die erwähnte Sinnkontinuität bildet die Grundlage für Kohärenz, die sich
unter der Textoberfäche – in der Texttiefe – „abspielt“. Einen Text zu verstehen
bedeutet, seine Texttiefenstruktur zu erschließen. Dem Verstehen werden wir uns noch
später widmen.
Die Kohäsion der Oberflächentexte und die zugrunde liegende Kohärenz der
Textwelten (als die „Welt“ unter der Textoberfläche, die durch den Text „geschaffen“
wird;
eine
bestimmte
mehrdimensionale
Texttiefenstruktur,
wobei
hier
die
verschiedenen Informationseinheiten in komplexer Weise miteinander verknüpft sind)
sind die offensichtlichsten Kriterien der Textualität.
Diese beiden Kriterien sind text-zentriert, weil sie unmittelbar mit dem Text, d.h. mit
der Beschaffenheit des Textes zusammenhängen. Weitere Merkmale betreffen die
Aktivitäten des Produzenten bei Textbildung als auch des Rezipienten bei der
verstehenden Textverarbeitung. Sie sind folglich verwender-zentriert. Im Einzelnen sind
es: Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität und Intertextualität.
- 11 3. Intentionalität bezieht sich auf die Einstellung des Textproduzenten, der einen
kohäsiven und kohärenten Text bilden will, um die eigenen kommunikativen Absichten
zu erfüllen, z.B. Wissen verbreiten, wie es bei den Packungsbeilagen der Fall ist. Durch
Verbreitung des Wissens trägt hier der Produzent der Packungsbeilage zur sicheren und
erfolgreichen Therapie bei. Intentionalität hängt eng mit der Illokution zusammen, die
noch später behandelt wird. (vgl. Kapitel 1.1.)
4. Akzeptabilität oder Annehmbarkeit betrifft die Einstellung des Textrezipienten, einen
kohäsiven und kohärenten Text zu erwarten, der für ihn nützlich oder relevant ist, z.B.
um Wissen zu erwerben. Die Akzeptabilität schließt einen Toleranzbereich für kleinere
Diskontinuitäten oder Störungen ein. Als die noch im Toleranzbereich liegenden Texte
können wir solche bezeichnen, die noch nicht an die EG-Richtlinien angepasst wurden
(vgl. Kapitel 2.3.2.).
Nehmen wir wieder die bei den ersten zwei Kriterien erwähnte Packungsbeilage zu
Diclofenac Genericon retard 100mg-Filmtabletten: Der Textrezipient kann diesen Text
als einen relevanten annehmen und ihn akzeptieren. Er will wichtige Informationen über
die Diclofenac Genericon Therapie erfahren. Diese werden ihm in Form eines
wohlgeformten Textes geliefert. Der Text ist übersichtlich, gegliedert, die einzelnen
Absätze werden betitelt und die Titeln drucktechnisch hervorgehoben. Er entspricht
auch den Erwartungen des Rezipienten hinsichtlich der Textsorte „Packungsbeilage“.
5. Informativität bedeutet das Ausmaß der Erwartetheit bzw. Unerwartetheit oder
Bekanntheit bzw. Unbekanntheit, Ungewissheit der dargebotenen Textelemente. Dieser
Begriff wird oft für den Inhalt verwendet.
Wir vermuten einen Patienten XY, der seit Jahren an einer rheumatischen Erkrankung
leidet. Von seinem Arzt weiß er, dass ihm ein neues Medikament zur Behandlung vom
Rheumatismus – Diclofenac Genericon –
verordnet wird. Einige Absätze der
Packungsbeilage wie z.B. „Anwendungsgebiete“ sind für ihn aus diesem Grund wenig
informativ, was sogar dazu führen kann, dass er sie beim Lesen meidet. Er hat nämlich
ein bestimmtes Vorverständnis über die Erkrankung. (zum Vorverständnis vgl. Kapitel
1.2.)
Der Text als Gesamtheit ist für ihn aber informativ genug, weil ihm neue
Informationen über die Einnahme des neuen Medikaments, das ihm zum ersten mal
verordnet wurde, geliefert sind.
6. Situationalität betrifft die Faktoren, die einen Text für eine Kommunikationssituation
relevant machen. Bedeutung und Gebrauch eines Textes wird über eine gewisse
Situation bestimmt.
Die Handlungssituation zwischen dem Fachmann und dem Patienten (oft „Laie“)
mittels einer Packungsbeilage bildet eine spezifische Kommunikationssituation, die
- 12 durch mehrere Besonderheiten gekennzeichnet ist. Es ist Kommunikation schriftlicher
Art, es mangelt an einer direkten Verbindung zwischen dem Produzenten und
Rezipienten des Textes, der Rezipient hat keine Möglichkeit der Rückfrage. Außerdem
sind die Rezipienten anonym und als Gruppe sehr heterogen. Mit Heterogenität ist v.a.
ihre Wissensbasis gemeint. Die Packungsbeilage begleitet das Medikament und von ihr
hängt teilweise auch eine erfolgreiche Genesung ab.
Der Kommunikationssituation bei der Packungsbeilage werden wir uns noch im Kapitel
2.3.1. widmen.
7. Intertextualität betrifft die Faktoren, welche die Verwendung eines Textes von der
Kenntnis eines oder mehrerer vorher aufgenommener Texte abhängig macht. Der Bezug
zu einem anderen Text wird auf verschiedene Art und Weise hergestellt – z.B. Zitat
oder Anspielung.
In Bezug auf den Text Diclofenac Genericon stehen viele andere Texte. Auf einer Seite
sind es alle Texte derselben Textsorte – alle anderen Packungsbeilagen. Die Verbindung
zu ihnen entsteht durch die Form, die sie alle gemeinsam haben. Bei dieser Textsorte
wiederholen sich oft ganze Sequenzen; häufig sind es Vorspanntexte wie: Liebe
Patientin, lieber Patient! Bitte lesen Sie folgende Gebrauchsinformation aufmerksam,
weil sie wichtige Informationen darüber enthält, was Sie bei der Anwendung dieses
Arzneimittels beachten sollen. Wenden Sie sich bei Fragen bitte an ihren Arzt oder
Apotheker. Auf der anderen Seite sind es Texte über die Erkrankung, an die der Patient
leidet und die er bereits kennt (aus Zeitschriften, Büchern, Flugblättern, Gesprächen mit
dem Arzt o.Ä.).
Die genannten Kriterien fungieren als konstitutive Prinzipien, d.h. sie bestimmen
und erzeugen die als Textkommunikation bestimmbare Verhaltensform. Es sind
definitorische Merkmale des Textes, seiner Texthaftigkeit und ihre Relevanz für den
Text ist natürlich nicht gleichmäßig.
Neben diesen gibt es noch regulative Prinzipien, die die Textkommunikation
kontrollieren. Die wichtigsten regulativen Prinzipien sind:
Effizienz, die vom möglichst geringen Grad an Aufwand und Anstrengung der
Kommunikationsteilnehmer beim Gebrauch des Textes abhängt. Sie trägt zur
Verarbeitungsleichtigkeit bei.
Effektivität hängt davon ab, ob der Text einen starken Eindruck hinterlässt und günstige
Bedingungen zur Erreichung eines Ziels erzeugt. Sie bedarf also der Verarbeitungstiefe.
Angemessenheit ist die Übereinstimmung eines Textes zwischen seinem Kontext und
Art und Weise, wie die Kriterien der Textualität aufrecht erhalten werden.
- 13 In unserem Fall ist der höchste Grad der Zuverlässigkeit der Fachkommunikation
unter den Nicht-Fachleuten angestrebt. Man strebt sozusagen die absolute Kontrolle
über
die
Textkommunikation
bzw.
Textrezeption
durch
unterschiedliche
Textrezipienten an. Mit der Unterschiedlichkeit wird ihre unterschiedliche Ausbildung,
Vorverständnis, aber auch die Fähigkeit, Texte korrekt zu rezipieren usw. gemeint. (vgl.
Kapitel 1.2.)
Konzepte der Textkohärenz:
 Ein wichtiges Modell ist von J.A. Greimas in seiner „Sémantique structurale“
ausgearbeitetes Isotopiekonzept. Es bildet eine Art Zwischenstufe zwischen einer
kohäsionsorientierten und einer kohärenzorientierten Textanalyse. Greimas geht bei
seinem Konzept aus dem semantischen Gesichtspunkt aus. Auf dieser Ebene verlässt
die Konzeption die oberflächen-orientierte Ebene der Kohäsion und untersucht
Kohärenzphänomene. Das Isotopiekonzept greift auf die Prinzipien der Rekurrenz und
der Substitution zurück (vgl. Kapitel 3.1.1.), obwohl nicht mehr materiell (sprachliches
Material) bzw. es untersucht nicht mehr referenzidentische sprachliche Elemente. Das
Konzept der Isotopie arbeitet „unterhalb“ der Wortebene, wobei es auf die Semanalyse
(Annahme der Zerlegbarkeit von Wortbedeutungen in eine Menge einzelner
semantischen Merkmale) zurückgreift. Die textverknüpfende Wirkung der Rekurrenz
(der Wiederaufnahme) wird also nicht an ganzen Wortbedeutungen festgemacht,
sondern an einzelnen semantischen Merkmalen. Als Grundannahme gilt, dass sich die
Wortbedeutungen über die Satzgrenzen hinweg zu Komplexen verbinden. Diese
textsemantischen Komplexe werden als Isotopieebenen bezeichnet, wobei der Text über
mehrere solche Ebenen verfügen kann.

Konzept
der
Präsuppositionen
erfasst
und
erklärt
die
Funktion
von
aussersprachlichen Wissensbeständen (mehr zum Wissen im Kapitel 1.2.) bei der
Konstruktion von Textkohärenz. Präsupposition bedeutet eine Voraussetzung, die einer
Äußerung zugrunde liegt. Das Konzept unterscheidet zwei Typen von Präsuppositionen:
a) Gebrauchsgebundene Präsuppositionen (Pragmatische P.)
Die Wissensbestände und Alltagserfahrungen sind nicht sprachlich formuliert, aber
sind
durch den
Text
vorausgesetzt
(und meist
problemlos
mitverstanden).
„Gebrauchsgebunden“ sind sie deshalb, weil sie einem sprachlichen Ausdruck nicht
grundsätzlich anhaften, sondern sich erst aus dem Gebrauch, den man von einem
sprachlichen Ausdruck macht, ergeben. Diese werden im Normalfall erst dann
expliziert, wenn der Kommunikationspartner Verständnisprobleme hat.
- 14 Bsp. Bewahren sie unzugänglich für Kinder!
Solche Anweisung aus
der
Packungsbeilage ist problemlos verständlich, obwohl das Wort „das Arzneimittel“
elidiert wurde; man weiß, dass Arzneimittel für Kinder große Gefahr bedeuten können,
falls sie sie ohne Aufsicht eines Erwachsenen einnehmen.
Die kohärenzbildende Funktion solcher Präsuppositionen ergibt sich daraus, dass zwei
im selben Text ausgedrückte, syntaktisch und inhaltlich aber nicht direkt miteinander
verbundene Sachverhalte aufgrund von Präsuppositionen (also sozusagen über
gedankliche Zwischenschritte, die im Text nicht realisiert sind) in einen sinnvollen
Zusammenhang gebracht werden können.
b) Zeichengebundene Präsuppositionen
Sie lassen sich ihrerseits wiederum in zwei Gruppen unterteilen:
ba) Referentielle Präsuppositionen
Diese Gruppe ist an die Form des sprachlichen Ausdrucks gebunden und kommt
meist auf der Satzebene zum Tragen. Ausgelöst werden sie z.B. durch Verwendung des
bestimmten Artikels undoder durch die Setzung von definierenden Attributen.
Bsp. Gelo Meer Nasenspray wird zur unterstützenden Behandlung bei verstopfter
Nase angewandt. Wer diesen Satz äußert, macht damit auch die referentielle
Präsupposition: „Die Nase kann verstopft sein.“.
bb) Semantische Präsuppositionen
Dieser Typus ist an die Semantik einzelner Wörter oder Ausdrücke gebunden. Es
handelt sich um eine Art nicht direkt ausgesprochener, aber mitgemeinter Bedeutung.
Bsp. Es reinigt und befeuchtet Ihre Nasenschleimhaut. Die Bedeutung von „reinigen“
schließt die Tatsache ein, dass etwas „verunrenigt, schmutzig“ ist; und „befeuchten“
wiederum die Tatsache, dass etwas „trocken“ ist.
Man kann sagen, dass zeichengebundene Präsuppositionen uns etwas wie „verdeckte
Rekurrenz“ bzw. „verdeckte Substitution“ ermöglichen und so zur Kohärenz beitragen.
(Linke et al. 1996: 223) Im Gegensatz zu den gebrauchsgebundenen (pragmatischen)
Präsuppositionen sind sie direkt an den materiell gegebenen Text gebunden.
Wenn Textrezipient und Textproduzent über dasselbe Weltwissen, denselben
Erfahrungsschatz usw. verfügen, ist es für Textrezipienten problemlos, die vom
Produzenten gemachten gebrauchsgebundenen Präsuppositionen im Verlauf des
Verstehensprozesses zu ergänzen. Nun gibt es natürlich auch den Fall, wo dem
Textrezipienten das nötige Wissen fehlt. Mit dieser Situation muss der Textproduzent
rechnen und sich bemühen, Missverständnisse zu vermeiden – vor allem auch in dem
hier analysierten Fall, bei Packungsbeilagen von Arzneimitteln.
- 15  Aus der Psychologie wurden in die Textlinguistik Konzepte von „frame“ und
„script“ importiert. Man versucht, die Verbindung zwischen dem Weltwissen bzw.
Handlungswissen mit den in einem Text sprachlich vermittelten Informationen
nachzuvollziehen. Im Unterschied zu Präsuppositionen, die man als eine Art
„unsichtbarer Kettenglieder“ (Linke et al. 1996: 235) betrachten kann, mit denen Sätze
verbunden sind, bilden die Wissensbestände eine Art Vorlage, die verschiedene
Begriffe und Aussagen innerhalb des fortlaufenden Textes dadurch verbindet, dass sie
in die Vorlage eingesetzt werden können: die Textbezüge kommen hier also nur dann
Zustande, wenn auf der „Welt“-Ebene (als Gegensatz zu „Text“-Ebene) ein
gemeinsamer Sachbezug gefunden werden kann. Man unterscheidet zwischen zwei
verschiedenen Formen:
a) „Frames“ (Rahmen) sind Wissensbestände, die eher statisch organisiert sind. Sie
sind als Wissenskomplexe dem als „Weltwissen“ eingeführten Bereich verpflichtet und
man kann sie oft durch ein einzelnes Konzept bezeichnen.
Bsp. ApothekeApotheker, Regale, Medikamante, Apotheker, Kosmetika, Beratung usw.
b) „Scripts“ (Szenen) sind Wissensbestände, die eher prozessual organisiert sind, d.h.
einschließlich des Wissens darüber, wie bestimmte Prozesse verlaufen.
Bsp. Apothekeman wartet, bis man an die Reihe kommt, man zeigt dem Apotheker das
Rezept, er sucht das Medikament aus, gibt Anweisungen, man darf Fragen stellen, man
muss das Medikament bezahlen usw. Dies ist ein bestimmtes „Apotheke-Script“ mit
Rollen für den Apotheker und die Kunden.
 Dafür, dass wir eine Reihe von Sätzen als kohärent empfinden (und im Endeffekt,
diese Reihe von Sätzen als einen Text akzeptieren können), ist das Vorhandensein von
Textthema eine wichtige Voraussetzung. Mit dem Thema ist etwas wie Kerngedanke
gemeint, den man dem Text als Ganzem zuordnet, etwas wie inhaltlich-semantische
Leitlinie des Textes. Das Thema wird am häufigsten durch Setzen eines entsprechenden
Titels am Anfang des Textes signalisiert. Das Hauptthema eines Textes wird meist in
mehreren verschiedenen Subthemen realisiert, die dem Hauptthema zu- bzw.
untergeordnet sind. Von den Subthemen sind Nebenthemen zu unterscheiden, die dem
Haupt-Subthema beigeordnet sind, oft nur rein assoziativ.
Die Fragen: Was ist das Thema des Textes? Wovon handelt der Text? weisen auf einen
engen Bezug zwischen Textthema und Referezebene des Textes hin. Dies zeigt sich auf
der Ebene der Kohäsion: wovon der Text handelt, muss wiederholt referiert werden –
Rekurrenz und Substitution sind in diesem Falle ausdrucksseitige Korrelate der
Themenkonstruktion.
- 16  Die s.g. Vernetzungsmuster bauen auf der Annahme auf, dass der Textrezipient die
Informationseinheiten, die ihm ein Text in linearer Anordnung bietet, mithilfe derselben
Deutungsmuster strukturiert und ordnet, die er bei der sinnlichen Wahrnehmung der
Welt anwendet. Die reihend-lineare Anordnung der Textelemente ist immer durch ein
Netz
von
Relationen
(räumliche,
situative,
sachlich-thematische
Vernetzung)
unterlagert. Man unterscheidet gewöhnlich drei Grundformen von Vernetzungsmustern:
a) Koordinierung (dominiert in beschreibenden Texten)
Das typische Kohäsionssignal wäre „und“, das natürlich nicht realisiert werden muss.
(zur Untersuchung von Konnektiven vgl. Kapitel 3.1.2.)
b) Chronologisierung (dominiert in erzählenden Texten)
Das dazugehörende prototypische Kohäsionssignal wäre das „und dann...und
dann....und dann...“ Zur Realisierung werden verschiedene Tempora und temporale
Konjunktionen verwendet. (zur Untersuchung von Tempora vgl. Kapitel 3.1.2.)
c) Konklusivität (dominiert in argumentativen und erklärenden Texten)
Der letzte Vernetzungstyp geht auf das Deutungsmuster der Kausalbeziehung zurück.
Zentral ist die Ursache-Wirkung- bzw. Grund-Folge-Beziehung, im weiteren Sinne
gehören hierher aber auch Beziehungen von Finalität, Konditionalität, Konzessivität.
Das prototypische Signal ist das „weil“. Dieses Muster ist in gewisser Weise auf dem
Prinzip der Chronologisierung gebaut: Basis der kausalen und konditionalen
Verknüpfungen sind nämlich Beziehungen der Vor- und Nachzeitigkeit.
1.1. Produktion des Textes
Jeden Text, bzw. jede Textsorte kennzeichen gewisse Besonderheiten bei der
Textproduktion und Textrezeption. Ich halte für sinnvoll, an dieser Stelle diese
Besonderheiten bei den Packungsbeilagen ausführlicher zu behandeln, um die ganze
Kommunikationssituation besser aufzufassen.
Die Textproduktion im Allgemeinen, bei Texten verschiedener Art, können
sinnvollerweise folgende Phasen (nach de BeaugrandeDressler 1981: 42-45)
konstituieren: Planung (der Textproduzent hat die Absicht, mittels des Textes irgendein
Ziel zu verfolgen, z.B. sein Wissen weiterzugeben), Ideation (Abbilden einer
Planstruktur auf eine Idee), Entwickung (Ideen werden erweitert, näher bestimmt,
ausarbeitet, untereinander verbindet), Ausdruck (der bisher angewachsene Inhalt wird
weitergegeben) und grammatische Synthese (Ausdrücke werden in grammatische
Abhängigkeiten gebracht und in linearer Form im Oberflächentext angeordnet). Diese
Phasen laufen natürlich nicht immer linear ab.
- 17 Im Zusammenhang mit der Produktion des Textes ist der Aspekt der Pragmatik bzw.
der Sprechakttheorie zu betonen. Ich will also nicht die Produktion im Sinne der
strukturellen Bildung von Sätzen und Texten behandeln, sondern mehr die Produktion
mit dem Hintergedanken der Verwendungsweise korrekt gebildeter Sätze in den
angemessenen Kontexten und der künftigen Rezeption. Diese Kompetenz der korrekten
Satzbildung wird als pragmatische Kompetenz bezeichnet. (Im Unterschied zur
grammatischen Kompetenz.)
Bereits an dieser Stelle muss ich anmerken, dass sich die vielfältigen Faktoren, die
dem korrekten Gebrauch von Sätzen zugrunde liegen, nur sehr schwer systematisieren
lassen, geschweige denn auf universelle Prinzipien unserer kognitiven Ausstattung
zurückführen.
Die Vielfalt der Fragestellungen und Probleme im Rahmen der
Pragmatik führte zur Ausbildung von unterschiedlichen Konzepten. Am bekanntesten
ist bestimmt die Pragmatik als die Theorie des sprachlichen Handelns. Sie grenzt an die
Bereiche
Sprechakttheorie,
Theorie
der
konversationellen
Implikaturen,
Präsuppositionstheorie und Konversationsanalyse.
Näher gehe ich an dieser Stelle auf die Theorie der Sprechakte ein.
 Gegenstand der Sprechakttheorie
Die Sprache dient nicht nur dazu, die Welt zu beschreiben, d.h. die Sprache hat außer
der deskriptiven auch die nicht deskriptive Funktion. Mit jedem Satz, Äußerung können
gleichzeitig mehrere Arten von sprachlichen Handlungen vollzogen werden.
Bsp. Enalpril „Genericon“ darf bei beidseitiger Einengung der Nierenschlagadern
nicht angewendet werden. Diese Äußerung kann lediglich als eine Mitteilung oder als
Warnung gelten. Die Bedeutung von sprachlichen Äußerungen liegt nämlich in ihrem
Gebrauch und in der kommunikativen Absicht des Produzenten.
Dieser Handlungsaspekt sprachlicher Äußerungen bildet den Gegenstand der von J.L.
Austin (1962) entwickelten und von J.R. Searle (1969) fortgeführten Sprechakttheorie.
 Unterscheidung performativ und konstativ
Im Rahmen seiner Theorie unterscheidet Austin zwei Arten von Äußerungen.
Bsp. „Ich verspreche dir, dass ich die Tabletten für dich besorge.“ ist nach Austin eine
performative Äußerung. Von den konstativen Äußerungen werden sie durch zwei
Merkmale abgegrenzt, nämlich:
-dass sie den Vollzug der Handlung darstellen und
-dass sie weder wahr, noch falsch sind.
Einige Äußerungen sind dabei explizit performativ, wie das obengenannte Beispiel
(„Ich verspreche...“), den Gegensatz bilden primär (implizit) perfomative Äußerungen.
(„Ich besorge die Tabletten für dich.“)
- 18 Bsp. 1 Tablette enthält 5mg Enalprilmealeat. ist demgegenüber eine konstative
Äußerung.
Mit der performativkonstativ-Distinktion hat Austin den Blick auf die Tatsache
gelenkt, dass mit sprachlichen Äußerungen Handlungen vollzogen werden.
 Die Sprechakte
Mit der Äußerung 1 Kapsel enthält 100mg Eucalyptusöl. spricht man einen Satz der
deutschen Sprache aus und sagt damit, dass 1 Kapsel 100mg Eucalyptusöl enthält.
Dieser Akt des Etwas-Sagens heißt lokutionärer Akt. Das, was im lokutionären Akt
gesagt wird, kann man in einer bestimmten Weise gebrauchen. Mit der obigen
Äußerung kann man jemanden vor der Annahme der Tablette warnen (wenn er gegen
Eucalyptusöl allergisch ist), man kann ihn informieren, oder ihm dieses Mittel
empfehlen. Ergebnis dieses Aktes ist, dass eine Äußerung eine bestimmte illokutionäre
Rolle (z.B. Warnung, Rat, Empfehlung) besitizt. Welche das jeweils ist, hängt davon ab,
welche Äußerung in welcher Situation gemacht wird.
Äußerung 1 Kapsel enthält 100mg Eucalyptusöl. stammt aus einer Packungsbeilage,
aus dem Absatz mit dem Untertitel „Zusammensetzung“. Aus diesem Kontext weiß der
Rezipient, dass es sich höchstwahrscheinlich bloß um eine Mitteilung handelt. (Ein
Allergiker interpretiert das natürlich als eine Warnung.) Selbstverständlich sind die
Grenzen zwischen den einzelnen Rollen eher fließend als fest. Um die illokutionäre
Rolle zu bestimmen, dienen dem Rezipienten verschiedene illokutionäre Indikatoren
wie Wortfolge, Betonung, Interpunktion, der Modus des Verbs, explizit performative
Formeln, performative Verben u.a.
Hat eine Äußerung einen bestimmten kausalen Effekt, so vollzieht man mit ihr noch
einen perlokutionären Akt. Diese Akte sind bei unseren analysierten Texten, bei
Gebrauchsanweisungen – Packungsbeilagen von besonderer Bedeutung. Perlokutionäre
Akte wie z.B. jemanden von etwas abhalten, ihn zu etwas überreden, ihn von etwas
überzeugen; hat man also erst dann vollzogen, wenn auf seiten der Rezipienten gewisse
Wirkungen eingetreten sind.
Lokutionärer Akt: Die Wirkungen anderer Arzneimittel können deshalb abgeschwächt
undoder gekürzt werden. Von Cineol, dem Hauptbestandteil von Eucalyptusöl, sind
solche Wirkungen auf Antiepileptika sowie auf Schlaf- und Schmerzmittel (Barbiturate,
Pyrazolone) bekannt.
Illokutionäre Rolle, illokutionärer Akt: Informieren, Warnen.
Perlokutionärer Akt: XY, der seit Jahren starke Schlafmittel einnimmt, weiß, dass
Aspecton®Eukaps für ihn nicht geeignet ist und wird ihn auch nicht einnehmen.
- 19  Klassifikation von Sprechakten
Die ursprüngliche Klassifikation von Sprechakten von Austin wurde nach Searle so
bearbeitet, dass er zu folgenden Grundkategorien illokutionärer Akte gelangt
(Graewendorf 1996: 393f.):
-Repräsentativa (Assertive) wie behaupten, feststellen, beschreiben, sind durch den
illokutionären Zweck gekennzeichnet, den Produzenten darauf festzulegen, dass etwas
bestimmtes der Fall ist, dass also eine Proposition wahr ist. Der ausgedrückte
psychische Zustand ist die Überzeugung, dass etwas Bestimmtes der Fall ist.
-Direktva wie befehlen, auffordern, erlauben, raten, haben die illokutionäre Kraft, einen
Rezipienten dazu zu bringen, etwas zu tun. Der ausgedrückte psychische Zustand ist der
Wunsch.
-Kommisiva wie versprechen, ankündigen, drohen, haben den illokutionären Zweck,
den Produzenten auf einen zukünftigen Handlungsverlauf bzw. ein zukünftiges
Verhalten festzulegen. Der ausgedrückte psychische Zustand ist eine Absicht.
-Expressiva wie danken, gratulieren, sich entschuldigen, haben den illokutionären
Zweck, zu einem (in dem propositionalen Gehalt angegebenen) Sachverhalt eine
psychische Einstellung auszudrücken. Die ausgedrückten psychischen Zustände
varieren.
-Deklarativa wie den Krieg erklären, heiraten, kündigen sind fast durchweg an die
Existenz außersprachlichen Institutionen gebunden. Das Besondere dieser Klasse
illokutionärer Akte ist, dass der erfolgreiche Vollzug eines deklarativen illokutionären
Aktes die Übereinstimmung zwischen propositionalem Gehalt und Realität herstellt.
Bei den fachbezogenen Vermittlungstexten, bei Packungsbeilagen, haben wir v.a.
mit den Direktiva (Halten sie sich daher genau an die Anweisungen Ihres Arztes,
verständigen sie ihn sofort, wenn es zu den beschriebenen Beschwerden kommt.) und
Repräsentativa zu tun (Gelo Meer® wird aus dem Meer gewonnen. Es enthält wichtige
Spurenelemente und Mineralstoffe wie Magnesium, Kalium und Kalzium, denen die
Schleimhaut schützende und antientzündliche Wirkung zugesprochen wird.).
1.2. Rezeption des Textes, Verstehen und Wissen
Die Rezeption eines Textes „beruht primär in der Erkennung seines Inhalts, der sich
aus der grammatischen und der referentiellen Tiefenstruktur und dem von der
Illokutionsstruktur abhängigen Sinn ergibt.“ (Dolník/Bajzíková 1998: 100) Das
Verstehen eines Textes fordert aber bestimmt mehr als die textgrammatische und
textsemantische Struktur liefert – die Einheiten des lexikalischen Wissens, die
- 20 Bedeutungen sind unterdeterminiert und sie enthalten nicht die vollständigen
Informationen über die bezeichnete Entität. Im Text müssen sie daher durch
Komponenten des gespeicherten Weltwissens vom Rezipienten ergänzt werden. Der
Prozess des Verstehens ist also kognitiv und prozedural: durch die textsemantische
Struktur werden im Rezeptionsvorgang verschiedene Wissensbestände aktiviert, die den
Rezipienten dazu befähigen, das Textverständnis zu erreichen. Das, was der Autor mit
seinem Text meint, und das, was der Rezipient versteht, ist aber niemals
deckungsgleich. In der Hermeneutik spricht man von der hermeneutischen Differenz.
Sie hängt damit zusammen, dass das Vorverständnis (siehe unten) auf eigenen
Erfahrungen beruht und dadurch sehr individuell ist.
Wir können auch sagen, dass wir bei der Rezeption mit bestimmten „Textlöchern“ zu
tun haben, die im Normalfall ohne besondere Anstrengungen durch den Rezipienten
ausgeglichen werden. Von den Produzenten einer Packungsbeilage wird angestrebt,
Texte mit möglichst geringer Anzahl solcher „Löcher“ zu produzieren.
Eine spezifische Situation entsteht u.a. dann, wenn ein Fachtext von einem Laien
rezipiert wird – dann ist dieser Text voll von „Löchern“, die ein Fachmann
demgegenüber übehaupt nicht als „Löcher“ wahrnehmen würde.
Bsp. Man zählt die Schwangerschaft stets vom 1. Tag der letzen Menstruation an und
rechnet dann mit einer Tragzeit von 10 Schwangerschaftsmonaten. Ein Laie kann sich
die Frage stellen, was der „Schwangerschaftsmonat“ ist. Der Fachmann weiss, dass 1
Schwangerschaftsmonat 28 Tage dauert. Die Wissenslücke entstand in diesem Falle
durch die Unkenntnis des Terminus technicus.
Die Textsorte Beipackzettel von Medikamenten kennzeichnen verschiedene
Strategien des Produzenten zur Sicherung der Verständlichkeit. Für solche
verständnissichernde Verfahren können wir Eindeutschung und umschreibende
Ersetzung medizinischer Fachwörter halten. Die formale Darstellung erfolgt zumeist in
runden Klammern. Bei den genannten Verfahren handelt es sich vornehmlich um die
Prinzipien
der
fachsprachlichen
Übersetzung,
Spezifizierung,
Explikation,
Klassifizierung und Konkretisierung.
Eines der Konzepte, das die Verknüpfung von Weltwissen und Handlungswissen mit
den im Text sprachlich vermittelten Informationen nachzuvollziehen versucht, ist die
„frame und script“-Theorie, die bereits im Kapitel 1. behandelt wurde.
Wissen unterschiedlicher Art wird nicht nur bei der Rezeption, sondern schon bei der
Produktion des Textes aktiviert.
- 21 Wissensbestände, von denen das Textverstehen abhängt, sind entweder sprachlicher Art
(mit Komponenten Grammatik und Lexikon) oder sind sie aussersprachlich. Obwohl die
außersprachlichen Wissensbestände und das gemeinsame Weltwissen nicht das
Hauptthema dieses Kapitels darstellen , halte ich für relevant, sie an dieser Stelle kurz
zu skizzieren. Auch bei dieser Klassifikation handelt es sich nicht um wohldefinierte
und eindeutig voneinander abgrenzbare Bereiche.
 Weltwissen ist die allgemeinste und umfassendste Kategorie. Sie umfasst
unterschiedliche Wissensinhalte wie Alltagswissen (was eine Tablette ist , was alles wir
in einem Krankenhaus finden...), individuelles Erfahrungswissen, aber auch Bildungsund Fachwissen sowie Kulturwissen. Art und Umfang dieses Wissens, das einem
Menschen zur Verfügung steht, ist nämlich eng mit der Kulturgemeinschaft und mit der
sozialen Gruppe verbunden, in der er aufgewachsen ist bzw. in der er lebt. Das
gemeinsame Charakteristikum dieser verschiedenen Wissensbestände liegt darin, dass
es sich immer um eine Art von „Inventar“-Wissen, oder Objekt-Wissen handelt. Man
spricht oft vom enzyklopädischen Wissen.
 Handlungswissen stimmt ungefähr mit dem „script“-Konzept überein. Es ist also v.a.
prozessual orientiertes Wissen. Dieses befähigt uns auch dazu, bestimmte Handlungen
unserer Kommunikationspartner zu erwarten. Es umfasst oft ganze Handlungskomplexe
und ist kulturell geprägt.
Z.B. – wenn ich eine Medikamentenpackung öffne und dort einen Zettel finde, weiss
ich, dass es sich um eine Packungsbeilage handelt, die für mich – den Patienten
bestimmt ist.
Dieses Wissen (diese Erkenntnis), erlaubt mir, die einzelnen inhaltlichen Bausteine als
auch die Gesamtheit des Textes unter dieser Perspektive zu interpretieren und zu
verstehen. In diesem Sinn ist Handlungswissen eine der wichtigen Vorausetzungen
dafür, dass ich den „Handlungswert“, den ein Textproduzent mit seinem Text verbindet,
korrekt einschätzen kann, auch wenn mir die betreffende Person und ihre persönlichen
Intentionen und Handlungsmotive nicht näher bekannt sind.
 Konzeptuelle Deutungsmuster beziehen sich auf einen relativ eng gefassten
Wissensbestand, der sowohl als Teilbereich als auch Voraussetzung unseres
Weltwissens
betrachtet
werden
kann.
Angesprochen
sind
diejenigen
Interpretationsmuster, die unsere alltägliche Wahrnehmung von Welt steuern bzw.
strukturieren und die es uns erlauben, verschiedene Tatbestände, Sachverhalte oder
Ereignisse als in einer bestimmten Art und Weise aufeinander bezogen zu verstehen. Es
lassen sich drei Grundmuster konzeptueller Deutung unterscheiden:
- 22 a) Koordinative Beziehung (hängt mit der textuellen Vernetzung durch Koordinierung
zusammen, vgl. Kapitel 1.)
b) Temporale Beziehung (hängt mit der textuellen Vernetzung durch Chronologisierung
zusammen, vgl. Kapitel 1.)
c) Kausale Beziehung (hängt mit der textuellen Vernetzung durch Konklusivität
zusammen, vgl. Kapitel 1.)
Alles Wissen, das sich der Mensch aneignet, wird ständig als eine Brücke verwendet,
um neues Wissen hinzuzufügen. Wenn eine Wissenseinheit im s.g. „aktiven Speicher
des Gedächtnisses“ (de BeaugrandeDressler 1981: 93) aktiviert wird, so werden andere
im Speicher eng verbundene Elemente ebenfalls aktiv. Dieses Prinzip nennt man
Aktivierungsverbreitung. Bei der Rezeption ermöglicht diese Aktivierungsverbreitung,
ausführliche Assoziationen zu bilden, Voraussagen zu treffen, Hypothesen aufzustellen,
gedankliche Vorstellungen zu entfalten usw., all das freilich weit über die Aussagen des
Oberfächentextes hinaus.
Wenn wir über Wissen sprechen, dürfen wir nicht eine der bedeutendsten
geisteswissenschaftlichen Methoden – die Hermeneutik auslassen. Hermeneutik setzt
sich das Ziel, den Sinn von Texten aus ihrem jeweiligen Zusammenhang zu verstehen.
Das Wissen, die Erfahrungen, die sich ein Mensch bereits aneignet hat, sind bei der
Rezeption eines unbekannten Textes in seinem Bewusstsein und er ist von diesen
Erfahrungen beeinflusst. Diesen Hintergrund nennt man das hermeneutische
Vorverständnis und es bildet den ersten Schritt zum Verstehen des Textes. Bei der
Auseinandersetzung mit dem Text verschmilzt das eigene Vorverständnis mit der
eigentlichen Bedeutung des Textes. Wichtig ist die Tatsache, dass der Rezpient bereit
sein muss, sich mit seinem Vorverständnis auseinander zu setzen und es zu überprüfen.
Je nachdem muss man dann falsche Vorstellungen korrigieren und so kommt es zu einer
Vertiefung des eher subjektiven Vorveständnisses, man gelangt zu einem noch
erweitertem Vorverständnis.
1.3. Klassifizierung von Texten
Bei der Behandlung von Texten gelangt man spontan an die Frage ihrer
Kategorisierung und Zuordnung einer bestimmten Gruppe gleichartiger Texte. Solche
Gruppen gleichartiger Texte bezeichnet man als Textsorten. Texte einer solchen Gruppe
zeichnen sich durch bestimmte Bündel von definitorischen Merkmalen aus. Im Rahmen
der textlinguistischen Forschung ist bisher noch nicht gelungen, eine einheitliche
- 23 Textsortenklassifikation zu erstellen und es besteht auch noch kein textlinguistischer
Konsens darüber, nach welchen Verfahren die Zuordnung eines Textes zu einer
Textsorte genau erfolgen müsste. Im allgemeinen ist es sinnvoller, die Kriterien zu
benennen, nach denen man sich jeweils Übersicht verschaffen möchte. (Obwohl in den
bereits existierenden Bezeichnungen der Textsorten die Kriterien – textinterne mit
textexternen – oft vermischt werden...)
Klassifikationskriterien für die Textsorten sind sehr heterogener Natur. Sie können in
zwei große Gruppen geteilt werden:
 Textinterne Kriterien, wie: lautlich-paraverbale (bzw.graphische) Ebene (z.B.
Spezifika der Nachrichten im Rundfunk, Maschinenschrift, Handschrift), Wortwahl, Art
und Häufigkeit von Satzbaumustern (z.B. Nominalkonstruktionen, Partizipialgefüge),
Themenbindung und Themenverlauf, das Thema selbst, Textstrukturmuster (textsortenspezifische Gliederungs- oder Baustruktur, oft als Makrostruktur bezeichnet) u.a.
 Textexterne Kriterien, wie: Textfunktion, Kommunikationsmedium, das den Text
„trägt“ (z.B. Telefonanruf, Brief), Kommunikationssituation, in die ein Text eingebettet
ist u.a.
Obschon die Klassifikationen nicht einheitlich sind, werden oft bei den
Textsortenanalysen und Hierarchiebildungen „Textklassen“ (Grossgruppen) von
„Textsorten“ (Untergruppen) abgegrenzt. Auch die Bezeichnung „Texttyp“ kommt vor,
so das theoretisch eine terminologische Dreiordnung Texttyp  Textklasse 
Textsorte möglich ist, in unserem Fall dann: Anleitungstext  Gebrauchsanweisung 
Packungsbeilage. Bei dieser Klassifikation wurden textexterne Kriterien berücksichtigt.
Einige etablierte Textsorten können nach ihrer Funktion definiert werden. (de
BeaugrandeDressler 1981: 190)
Deskriptive Texte dienen zur Auffüllung von Wissensräumen. Hier würde am
häufigsten das globale Muster des Rahmens („frame“) angewendet werden, was auch
für instruktive Texte wie Packungsbeilagen gilt. Narrative Texte ordnen Handlungen
und Ereignisse in einer bestimmten sequentiellen Reihenfolge an. Argumentative Texte
fördern die Annahme oder die Bewertung von bestimmten Ideen und Überzeugungen.
2. Fachsprache, Fachtext und fachsprachliche Kommunikation
In diesem Kapitel nehmen wir die verschiedenen Aspekte der Fachkommunikation
im Allgemeinen und in der Medizin unter die Lupe, um sich des Unterschiedes zu
- 24 anderen (nicht-fachlichen) Bereichen bewusst zu werden. Die von uns behandelten
Texte gehören nämlich in den Bereich der Fachtexte – zu den fachbezogenen
Vermittlungstexten.
Die letzten Jahrzehnte verzeichnen ein wachsendes Interesse der Linguistik an
Problemen der fachsprachlichen Kommunikation. Es erklärt sich zum Teil aus der
Rolle, die Wissenschaft und Technik im gesellschaftlichen Leben spielen. Die
gegenwärtige Fachsprachenforschung ist kommunikativ-funktional orientiert, d.h. vor
allem die Fragen des Fachsprachengebrauchs unter den sozialen und kommunikativen
Bedingungen rücken in den Mittelpunkt des Interesses.
Die Grundlage für die kommunikativ orientierte Betrachtung von Fachsprachen
bildet die Definition von Fachsprache von L.Hoffmann (1976: 170): „Fachsprache – das
ist die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren
Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung zwischen den in
diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten.“ Diese Definition berücksichtigt
aber den Vermittlungsbereich nicht, von dem u.a. Hess-Lüttich spricht (siehe unten).
Die Auffassung, dass die Sprache den Charakter eines Handlungsinstruments hat und
als eine Tätigkeit in komplexe Tätigkeitszusamenhänge integriert ist, ist in der
Linguistik allgemein anerkannt. Produkte dieser sprachlich-kommunikativen Tätigkeit
sind Texte.
Im Zusammenhang mit der Fachsprache ist ein Fachtext Manifestation von
Fachsprache und Produkt der Fachkommunikation. Die Fachlichkeit des Textes kann
man am Redeuniversum festmachen, auf das der Text verweist. Den Fachtexten
entspicht das Fachwissen jeweiliger Autoren.
Es ist aber auch zu bedenken, welche wichtige Bedeutung die fachexterne
Kommunikation im Alltag gewinnt. Die Folge davon ist eine Fülle fachlich
vermittelnder
Textsorten
(wissenschaftliche
Abhandlungen,
Lexika,
Gebrauchsanweisungen, Bedienungsanleitungen, Ratgeber...).
Die Fachsprache darf natürlich nicht nur als eine gewisse Geheimsprache angesehen
werden. Fachsprachliche Texte enthalten außer den fachsprachlichen Elementen
nämlich stets gemeinsprachliche m.a.W. der Fachwortschatz einer Sprache wird
gemeinhin als Subsystem des Gemeinwortschatzes gesehen. Zwischen Fachsprache und
Gemeisprache, über die alle Sprachteilhaber in annähernd gleicher Weise verfügen,
gibt es aber keine feste Grenze: Fachsprachen machen von den lexikalischen und
syntaktischen Mitteln der Gemeinsprache Gebrauch und diese wandelt sich unter dem
Einfluss der Fachsprachen, insbesondere durch die Bereicherung ihres Wortschatzes.
- 25 Nach Hess-Lüttich (Götze/Hess-Lüttich 1999: 625) unterscheidet man Ebenen
fachsprachlicher Kommunikation, wenn derselbe Sachverhalt je nach Adressat oder
Gesprächspartner verschieden ausgedrückt wird:
a) Wissenschaftssprache, Theoriesprache: Wissenschaft
(Der Arzt diagnostizierte „Diabetes mellitus“.)
b) fachliche Umgangssprache, Werkstattsprache: Praxis
(Der Arzt teilt der Krankenschwester die Diagnose mit: „Altersdiabetes“.)
c) Verteilersprache, Werbesprache: öffentliche Information
(Der Arzt teilt dem Patienten die Diagnose mit: „Zucker“.)
Eine andere Gliederung nach demselben Autor unterscheidet Stufen der Fachlichkeit
je nachdem, ob Fachsprachen fachintern (zwischen zwei Wissenschaftlern einer
Disziplin), interfachlich (zwischen zwei Experten verschiedener Disziplinen) oder
fachextern (zwischen Experten und Laien) gebraucht werden.
2.1. Fachsprache der Medizin, medizinische Lexik
In diesem Teil widme ich mich ausführlicher dem Bereich der medizinischen Lexik,
da ich später die Wortbildungsprozesse analysieren werde.
Die gegenwärtige Medizin ist ein sehr umfassender und in sich stark differenzierter
Wissenschaftsbereich. Die Entwicklung der medizinischen Wissenschaft ist durch einen
kontinuierlichen Wissenszuwachs und eine höhere Qualität der medizinischwissenschaftlichen Erkenntnis charakterisiert.
Als Indikator für den Wissensumfang kann der Umfang des Fachwortschatzes
gelten. Insgesamt wird der medizinische Wortschatz einschließlich der Grenzgebiete auf
500 000 Termini geschätzt (Lippert 1978: 87). Da wissenschaftliche Erkenntnis und
Information in einem engen Zusammenhang stehen, ist die Expansion der
wissenschaftlichen Forschung mit quantitativen und qualitativen Veränderungen (v.a.
im terminologischen System) und der Informationsentwicklung verbunden. Es sind
Prozesse der Erweiterung des Fachwortschatzes, des Ersatzes veralterter Termini und
damit verbundene Fragen der neuen Motivationsstrukturen im Benennungssystem.
Die s.g. terminologisch relevante oder terminologisierte Lexik wird in der
fachsprachlichen Literatur übereinstimmend als das eigenständigste, hervorstechendste
Merkmal der Fachsprache angesehen. Die Fachlexeme sind die Hauptinformationsträger
der fachlichen Kommunikation. Für alle Fachsprachen ist charakteristisch, dass sie
einem nominalen gegenüber einem verbalen Ausdruck den Vorzug geben. Wir sprechen
vom fachsprachlichen Nominalstil.
- 26 Man unterscheidet die Fachwörter von den Fachtermini. Ein Fachwort erreicht den
Status eines Terminus dann, wenn seine Bedeutung durch eine Definition genau
festgelegt ist.
Termini entstehen durch zwei Möglichkeiten: einmal sind Termini Neuschöpfungen wie
Vitamin, Amputation, Ikterus usw. also vorher nicht bekannte Wörter; zum Zweiten
werden zum Terminus bekannte und benutzte Wörter oder Wortzusammensetzungen
der Gemeinsprache, die mit einer besonderen Bedeutung versehen werden – man spricht
auch von ihrer fachspezifischer Neudefinition: Lösung in der Chemie, Tropfen in der
Pharmazie, grüner Star in der Medizin, Verstopfung in der Medizin usw.
Autoren
sprechen
bei
der
Neudefinition
von
der
Wortbildung
Einige
durch
Terminologisierung.
Wiese erwähnt in ihrer „Fachsprache der Medizin“ alle Bereiche der medizinischen
Lexik: die thematisch relevante Lexik der Medizin benenne Gegenstände, Zustände und
Prozesse sowie deren Qualität und Quantität in Bezug auf eine bestimmte Norm.
Die hauptsächlichsten medizinischen Kategorien nach Wiese sind: Körperteile und ihre
Beschreibungen nach Organsystemen; Krankheiten und ihr prozesshafter Charakter,
ihre Dauer und Intensität sowie Modifikationen nach Art und Verhalten; Syndrome,
Symptome, d.h. Beschwerden des Patienten und Befunde; Untersuchungsmethoden und
-verfahren; Operationsverfahren und -techniken; ärztliche Instrumente.
Zum spezifischen Wortschatz der Medizin gehören auch Benennungen der
wissenschaftlichen Disziplinen, der medizinischen Einrichtungen, des medizinischen
Personals und des Patienten.
Die medizinische Fachsprache ist durch eine große Bezeichnungsvielfalt
gekennzeichnet,
diese
Erscheinung
könnte
sogar
zu
den
charakteristischen
Eigentümlichkeiten der medizinischen Terminologie gezählt werden. Die Entstehung
dieser synonymen Benennungen ist durch die erkenntnistheoretische Funktion des
Terminus bedingt und gehört zur normalen Entwicklung einer wissenschaftlichen
Terminologie. Man darf auch behaupten, dass Mehrfachbenennungen durch
unterschiedliche Gesichtspunkte des wissenschaftlichen Erkenntnisvorgangs und durch
unterschiedliche Bewertung bestimmter Merkmale des bezeichneten Sachverhaltes
verursacht sind.
Der medizinische Wortschatz besteht aus lateinischen und griechischen Wörtern und
Wortelementen (Endaglitis obliterans, Asthma bronchiale, Typhus abdominalis), aus
muttersprachlichen Fachlexemen (Starrkrampf, Mittelohrentzündung, Hirngeschwulst)
sowie aus Fachlexemen, die verschiedenen Sprachen entlehnt wurden (Fratzke 1980:
10ff.). Für die Gegenwart sind direkte Übernahmen oder Lehnübersetzungen aus dem
- 27 Englischen charakteristisch („Restless Legs-Syndrom“, zweidimensionale „real-time“
Echokardiographie, „cross-sectional-real-time-System“ Technik). Vielfach sind die
Übernahmen
aus
dem
anglo-amerikanischen
Schrifttum
ebenfalls
lateinisch-
griechischer Herrkunft. (Becher 1981: 222f. ) Eine Vielzahl medizinischer Termini sind
Hybride, d.h. sie bestehen aus sprachlichen Elementen unterschiedlicher Herkunft
(„Killerzelle“,
„non
T
non
B-Zelle“,
„Slow-Virus-Infektionen“,
„Satelliten-
Pankreatitis“). Dieser Problematik werde ich mich noch ausführlicher bei der
Wortbildung im 4. Kapitel widmen.
In der medizinischen Literatur werden entsprechend den formalsprachlichen
Eigenschaften folgende Gruppierungen unterschieden (Porep/Steudel 1974: 7ff. ):
Tabelle 1. Gruppierungen der medizinischen Termini
1.
Termini technici
-
Appendicitis acuta
Anaemia perniciosa
2.
Eingedeutschte Termini
-
akute Appendizitis
perniziose Anämie
3.
Eingedeutschte Kurzbezeichnungen
(s.g. Trivialbezeichnungen)
-
die Appendizitis
die Perniziosa
4.
Bezeichnungen der Allgemeinsprache
(s.g. volkstümliche Bezeichnungen)
-
Blinddarmentzündung
ø
Diesen
Gruppierungen
Verwendungssphären.
entsprechen
V.a.
die
bestimmte
volkstümlichen
bevorzugte
Bezeichnungen
kommunikative
dienen
der
Verständigung zwischen dem Fachmann und dem Laien. In den Packungsbeilagen
werden oft die Lexeme aus den einzelnen Sphären kombiniert (z.B. eingedeutschter
Terminus zur Bezeichnung einer zu behandelnden Erkrankung – Lungenemphysem mit
reversibler Obstruktion –
und volkstümliche Bezeichnung – Blählunge mit
vorübergehend erhöhtem Atemwegswiderstand – als Synonym in Klammern), um den
möglichst höchsten Grad der Verständlichkeit zu gewährleisten.
In den medizinischen Texten liegt eine unterschiedliche Frequenz in Gebrauch der
einzelnen Terminivarianten vor. Neben der gleichberechtigten Stellung von Varianten
im Sprachgebrauch gibt es auch bevorzugte Verwendungen einer bestimmten Variante.
Im gegenwärtigen medizinischen Sprachgebrauch nimmt der Gebrauch abgekürzter
Formen (muttersprachlicher oder englischer), insbesondere der Gebrauch von
Initialwörtern und Silbenwörtern zu. Diese Tatsache trägt zwar einerseits zur
Rationalisierung der fachsprachlichen Kommunikation bei, andererseits ergeben sich
aber aus dem Gebrauch von Kurzformen Probleme hinsichtlich der Verständlichkeit.
- 28 (HA: Hämophilie A; HKK: Herz-Kreislauf-Erkrankungen; ARE, bzw. ARD: akute
respiratorische Erkrankung, bzw. acute respiratory disease; SIDS: sudden infant death
syndrome)
Auch die Kurzwörter und Initialwörter werden weiter gründlicher im 4. Kapitel
behandelt.
Auf die syntaktischen Eigenschaften von der Fachsprache der Medizin gehe ich an
dieser Stelle ausführlicher nicht ein. Ich erwähne nur kurz die typischen syntaktischstilistischen Merkmale, die für alle Fachsprachen charakteristisch sind: Nominalstil mit
Abstrakta, Partizipialkonstruktionen, Genitivketten, Häufung von Verbalsubstantiven,
Funktionsverbgefügen und Passivkonstruktionen (mit und ohne Agensausblendung).
Die Fachtextsorte Beipackzettel von Medikamenten ist gekennzeichnet durch die
Verwendung des medizinisch-pharmakologischen Fachwortschatzes, der aufgrund
zahlreicher Fachgebiete wiederum in einzelne Teilfachsprachen zerfällt, und dessen
Verflechtung mit Bezeichnungen und Strukturen der Gemeinsprache in fachlichen
Handlungszusammenhängen.
2.2. Kommunikation in der Medizin
Die Medizin als Wissenschaft ist sehr kompliziert und komplex. Als forschende
Tätigkeit ist sie eng mit der gesellschaftlichen Institution Gesundheitswesen verbunden
und
diese
Tatsache
bedingt
eine
komplexe
und
stark
differenzierte
Kommunikationsstruktur des medizinischen Bereiches. H. Lippert (1979: 84) stellt in
diesem Zusammenhang einen dreigliedrigen Schichtmodell dar. Er geht von folgenden
Ebenen aus:
a) wissenschaftliche Kommunikation im Bereich der theoretischen und der klinischen
Medizin (Kommunikationspartner: Fachmann – Fachmann)
b) Kommunikation des klinischen Alltags (Kommunikationspartner: Arzt – Arzt bzw.
Arzt – mittleres medizinisches Personal)
c) Kommunikation zwischen Arzt (bzw. medizinischem Personal) und Patient;
Vermittlungsbereich zwischen medizinischer Wissenschaft und Gesellschaft.
Dieses
Modell
stimmt
mit
den
allgemeinen
Ebenen
Kommunikation nach Hess-Lüttich überein. (vgl. Kapitel 2.)
der
fachsprachlichen
- 29 Die kommunikative Beziehung zwischen Arzt und Patient hängt u.a. wesentlich von
der Fähigkeit des Arztes ab, wissenschaftliche Inhalte dem Verständnis des Patienten
zugänglich zu machen.
Doch existiert zwischen Arzt und Patienten eine Barriere in der Kommunikationssphäre.
Diese Barriere hat gleich drei Aspekte: Sprachbarriere, Verständnisbarriere und
Terminologiebarriere. Sie hängt mit dem Wesen der Fachkommunikation und sozialen
Verteilung des Wissens zusammen. Die Distribution von Fachwissen nach außen – die
fachexterne Kommunikation –
bereitet praktische Probleme. Hoffmann erläutert:
„Fachkommunikation ist an institutionell ausgegliederte, sich selbst in dieser
Kommunikation reproduzierende Teilsysteme gebunden, und das Fachwissen bildet die
Voraussetzung für die Teilnahme an solchen Kommunikation.“ (Hoffmann et al. 1998:
446) Obwohl der Patient den Gegenstand der medizinischen Untersuchung bildet,
befindet er sich in diesem Fall außerhalb des Systems.
Ähnliche Barrieren wie die in der täglichen Arzt-Patient-Kommunikation können
auch beim Textverständnis entstehen, hier allerdings scheiden die Rückfragen von
Patienten aus.
Für den Rezipienten eines unbekannten Fachtextes kann es drei Arten praktischer
Probleme geben, die sich v.a. an die Textsemantik binden :
a) im Text kommen Ausdrücke vor, die der Rezipient nicht kennt;
b) im Text kommen Ausdrücke vor, deren fachlichen oder terminologischen Wert der
Rezipient nicht kennt, oder
c) im Text kommen Ausdrücke vor, deren operationelen Beitrag zur fachlichen
Wissensproduktion der Rezipient nicht vollziehen kann.
Bei der Produktion einer Packungsbeilage stebt man an, alle erwähnten Situationen zu
meiden.
2.3. Fachbezogene Vermittlungstexte, Packungsbeilagen
Fachbezogene Vermittlungstexte wie Beipackzettel von Medikamenten sind
Bestandteil unseres Alltagslebens.
Sie gehören zu den fachlich vermittelnden
Textsorten, d.h. sie sichern die fachexterne Kommunikation.
Fachgeprägte Gebrauchstexte weisen fachsprachliche Erscheinungen auf, wie sie von
reinen Fachtexten her bekannt sind. Am auffälligsten ist der Fachwortschatz. Dieser
wird, wie in reinen Fachtexten, vornehmlich aufgrund referentieller Notwendigkeit, d.h.
sachgesteuert, verwendet. Ein Grund dafür, dass auch Texte der Alltagskommunikation
einen nicht unbeträchtlichen Anteil von Fachwortschatzelementen enthalten, besteht
- 30 darin, dass die verschiedenen Lebensbereiche in wachsendem Maße fachlich erfasst
bzw. verwaltet werden.
Auch in textueller Hinsicht enthalten fachgeprägte Gebrauchstexte solche aus reinen
Fachtexten
bekannten
Textbezeichnungen),
Erscheinungen
wie
Textuntergliederungen,
Deklarationsformen
typographische
(explizite
Mitteln
und
aussersprachliche Mitteln. (vgl. Kapitel 2.3.3.)
Der Beipackzettel bildet neben dem Gespräch mit dem Arzt oder Apotheker eine
wesentliche Informationsquelle für den Patienten – den Rezipienten dieses Textes. Die
ärztliche Aufklärung (es besteht die Aufklärungspflicht über die Arzneimitteltherapie
durch den behandelnden Arzt) und die Packungsbeilage sollen den Patienten über
diejenigen Fakten informieren, die für die Anwendung des Arzneimittels und die damit
verbundenen Risiken von besonderer Bedeutung sind. Sie sollen ihn in die Lage
versetzen, die Bedeutung der Arzneimitteltherapie für die Behandlung seiner Krankheit
zu verstehen und durch eine zuverlässige Anwendung des Arzneimittels deren Erfolg
sichern. Von besonderer Bedeutung sind diese Informationen bei der Selbstmedikation,
wo der Kontakt mit dem Arzt fehlt.
Die Produzenten (Autoren) des Beipackzettels sind die Rechtsabteilung, die
medizinischen Abteilungen und der Marketingressort des jeweiligen pharmazeutischen
Unternehmens. Die Packungsbeilage durchläuft mehrere Produktionsphasen vom ersten
Textentwurf über verschiedene Basistextversionen bis hin zum endgültigen Basistext.
Verantwortlich für die Konzeption der Basistexte sowie für die Revision der späteren
Beipackzettel ist letztlich der Fachbereich klinische Forschung. Auf Initiative des
zuständigen Bearbeiters (des Vertriebsleiters oder Herstellungsleiters) werden die
Packungsbeilagen neu formuliert. Die Erstellung von Packungsbeilagen ist also kein
einmaliger Prozess, sondern sie ist dynamisch und währt so lange, wie ein Arznemittel
auf dem Markt ist. Von diesem Vorgang zeugt die Angabe „Stand der Information“ mit
Datumsangabe (Monat und Jahr) auf jedem Beipackzettel.
2.3.1. Spezifika der Kommunikationssituation bei den Packungsbeilagen
Der Beipackzettel als Mittel der Kommunikation zwischen Fachmann und Patienten
ist
durch zwei grundsätzliche Spezifika im Rahmen der Kommunikationssituation
gekennzeichnet.
Erstens ist es die Tatsache, dass die Textproduzenten und der Rezipient bzw. die
Zielgruppenangehörigen einander anonym bleiben. Der Name und Anschrift der Firma,
neuerdings auch die des Herstellers, fungieren in der Rolle des Senders. Zweitens, es
handelt sich nicht um eine direkte face-to-face-Interaktion, sondern um eine textuelle
- 31 Ein-Weg-Kommunikation, eine monologische Kommunikationsrichtung, die dem
Rezipienten nicht die Möglichkeit bietet, bei eventuellen Unsicherheiten und
interpretationsbedürftigen Angaben direkte, unmittelbare Rücksprache mit den
Textproduzenten zu halten. Es besteht eine räumliche Trennung und zeitliche
Verschiebung im Hinblick auf die Produktion und Rezeption des Textes, und der
Rezipient befindet sich in einer starren Rolle.
Mit der kommunikativen Funktionen der Fachtextsorte Beipackzettel beschäftigen
sich u.a. Möhn und Pelka. Ausgehend von ihrem Dualitätskonzept beim
Funktionsbegriff (d.h. Zweiheit der Funktion: einerseits Funktion des Textes,
andererseits sprachliche Grundfunktion), lassen sich bestimmten sprachlichen
Grundfunktionen spezifische Textfunktionen gegenüberstellen:
a) deskriptive Grundfunktion – Textfunktion: mitteilen, informieren, in Kenntniss
setzen, erläutern, aufklären
Referenz: Eigenschaften, wirksame Bestandteile, Präparatebezeichnung, Neben/Wechselwirkungen, Gegenanzeigen, Hintergrundinformationen u.a.
b)
instruktive/appelative
Grundfunktion
–
Textfunktion:
anweisen,
anleiten,
vorschreiben, verordnen, auffordern, ratgeben, empfehlen
Referenz: Dosierung, Art und Dauer der Anwendung, Gegenanzeigen, Wechsel/Nebenwirkungen,
Aufbewahrungshinweis,
Anwendungsverbot
(Verfalldatum),
Warnhinweise (z.B. für Autofahrer).
Natürlich ist eine klare Ausgrenzung der Textfunktionen innerhalb einzelner
Textabschnitte nicht immer gegeben, insbesondere die Abschnitte über Neben/Wechselwirkungen und Gegenanzeigen weisen eine Verschränkung informierender,
aufklärender, anweisender und empfehlender Textteile auf. Möhn (1991: 188, 193)
spricht in diesem Zusammenhang von der „bi-intentionalen“ Funktion:
instruieren = appelieren + informieren.
2.3.2. Die standardisierte Packungsbeilage
Die ab 1978 mit dem Inkrafttreten des AMG (Arztneimittelgesetzes) von 1976
erstmals gesetzlich vorgeschriebene Packungsbeilage richtete sich ursprünglich
gleichzeitig an Ärzte und Patienten. Dies führte dazu, dass die Information der Patienten
wegen der vorwiegend fachtechnisch abgefassten, für den Laien weitgehend
unverständlichen Beipackzettel häufig nur unzulänglich war.
Durch das Inkrafttreten der 2.AMG-Novelle 1987 wurde eine Trennung der
Packungsbeilage in eine Gebrauchsinformation für Fachkreise (Fachinformation) und
eine für den Verbraucher – den Patienten (Packungsbeilage) vorgeschrieben.
- 32 Seitdem gab es verschiedene Initiativen zur patientenfreundlichen Gestaltung von
Packungsbeilagen. Darunter wird v.a. patientennahe Sprache, eindeutige und einfache,
undramatische Formulierungen, patientengefällige Ausdrucksweise u.ä. verstanden. Als
Grundlage für eine patientengerechte Gestaltung von Packungsbeilagen konnte
„Anleitung zur Erstellung einer Gebrauchsinformation“ betrachtet werden.
Die erste Richtlinie der EG (Europäischen Gemeinschaft), die die Packungsbeilagen
betraf, wurde vom Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften am 3. Mai 1989
angenommen. In ihr wurde verankert, dass alle Arzneimittel in der EG zukünftig eine
Packungsbeilage beinhalten müssen, sofern die geforderten Angaben nicht auf der
Packung oder dem Behältnis aufgeführt werden können.
Die Inhalte der schon existierenden Packungsbeilagen unterschieden sich nämlich von
Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, daraus entstanden Handelskonflikte. Diese (und ihr
folgende Richtlinien) sollten den Verkehr der pharmazeutischen Produkte in der EG
erleichtern und außerdem ein hohes Maß an Verbraucherschutz gewährleisten. Die
Richtlinie sicherte auch, dass sich die Packungsbeilage grundsätzlich und ausschließlich
an den Verbraucher richten soll.
Durch die Richtlinie 2001/83/EG (sie wurde inzwischen durch die Richlinien
2004/24/EG und 2004/27/EG geändert) besteht eine bindende Vorgabe der EG für den
deutschen Gesetzgeber. Die Umsetzung der genannten Anleitung in die Praxis setzte
jedoch eine Transformierung an das deutsche Recht voraus. Die EG-Richtlinie steht
seit Oktober 2005 in Kraft (als 14.AMG-Novelle).
Die Packungsbeilagen, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu Analysen benutzt
wurden, stammen noch aus der Zeit vor dieser Gesetzlegung. Das hängt mit der
Tatsache zusammen, dass das Material seit November 2004 gesammelt wurde und zu
jenem Zeitpunkt noch keine Packungsbeilagen nach neuer Norm zur Verfügung
standen. Auf der anderen Seite ist zu bemerken, dass die Richtlinie in Deutschland
keine weitreichende Änderungen des § 11 AMG mit sich zog. Die Änderungen werden
näher im nächsten Kapitel besprochen.
2.3.3. Der Textaufbau von einer Packungsbeilage
Als unverbindliche Orientierung für die thematische Gliederung von Beipackzetteln
diente bis zum In-Kraft-Treten der Richtlinie 2001/83/EG die Reinfolge der in § 11
Abs. 1 Nr. 1-11, Abs. 2 und 5 des AMG festgelegten Pflichtangaben:
Name/Anschrift der Firma oder des pharmazeutischen Unternehmers, Bezeichnung des
Arzneimittels, wirksame Bestandteile nach Art und Menge, Anwendungsgebiete,
Gegenanzeigen,
Nebenwirkungen,
Wechselwirkungen
mit
anderen
Mitteln,
- 33 Dosierungsanleitung mit Einzel- und Tagesangaben und dem Hinweis „soweit nicht
anders verordnet“, die Art der Anwendung, Anwendungsverbot nach Ablauf des
Verfalldatums, der Hinweis, dass Arzneimittel unzugänglich für Kinder aufbewahrt
werden sollen sowie ggf. Warn- und bestimmte Aufbewahrungshinweise.
Laut Artikel 7 der EG-Richtlinie wird die Reihenfolge erstmals verbindlich
vorgeschrieben, sie weicht aber von der deutschen Systematik ab. Über diese
Pflichtangaben hinausgehende weitere Angaben für die gesundheitliche Aufklärung des
Patienten, wie z.B. Eigenschaften des Arzneimittels müssen „deutlich abgegrenzt und
abgesetzt sein“, mit der Fachinformation (d.h. der Gerauchsinformation für Fachkreise,
dem s.g. Summary of Product Charakteristics - SmPC) übereinstimmen und dürfen
keinen
Werbecharakter
haben.
Nebenwirkungen
werden
innerhalb
des
Gesamtabschnitts teilweise untergliedert entsprechend ihrer Lokalisation.
Über die Aufzählung der Nebenwirkungen hinaus sollen – falls dies möglich ist – beim
Auftreten von unerwünschten Wirkungen zu ergreifende Gegenmaßnahmen angeführt
werden. Darüber hinaus finden sich zum Teil erläuternde standardisierende
Vorspanntexte
zu
Beginn
der
Abschnitte
über
die
Pflichtangaben
Neben-
/Wechselwirkungen und Gegenanzeigen.
Die Hinweise zur Dosierung sind ausführlicher, als sie für die deutsche
Packungsbeilage bisher gefordert wurden. In Abhängigkeit vom Arzneimittel werden
folgende Informationen gefordert: Dauer der Behandlung, falls diese begrenzt werden
muss; Maßnahmen für den Fall einer Überdosierung und für den Fall, dass die
Einnahme einer oder mehreren Dosen unterlassen wurde. Es soll auch auf die Gefahr
hingewiesen
werden,
dass
ein
abruptes
Absetzen
des
Arzneimittels
Entzugserscheinungen auslösen kann.
Für die Packungsbeilage fehlt der Kinder-Warnhinweis, der aber – im Gegensatz zum
bisherigen deutschen Gesetz – auf der äußeren Umhüllung bzw. auf dem Behältnis
anzugeben ist.
Weiterhin ermöglicht die Richtlinie, dass einige Informationen auch mittels
Piktogrammen wiedergegeben werden können. Dies wird in der Pharmaindustrie
kontrovers diskutiert – vor der Anwendung von Piktogrammen sollte erst eine
Vereinheitlichung zumindest innerhalb der EG durchgeführt werden. Piktogramme
müssen für bestimmte Aussagen entworfen werden, die dann in allen EG-Ländern die
gleiche Bedeutung haben. Eine weitere Voraussetzung ist, dass auch die Verbraucher
Pikogramme entsprechend ihrer Bedeutung interpretieren. Ansonsten besteht die
Gefahr, dass die Abbildungen falsch ausgelegt werden.
- 34 In
manchen
veranschaulichende
Packungsbeilagen
nicht-sprachliche,
wurden
illustrative
bereits
bisher
Elemente
verschiedene
verwendet
v.a.
Abbildungen. Wir sprechen von dem visuellen Code als einer wichtigen Kostituente
zahlreicher
Textsorten
v.a.
Fachtextsorten.
In
Packungsbeilagen
und
Gebrauchsanweisungen sind es überwiegend Abbildungen von Objekten, die im Text
genannt wurden. Der visuelle Code sichert die inhaltlich-logische Zuordnung der
bildlichen Mittel zu den verbalen Darlegungen und erfüllt somit eine kommunikative
und kognitive Funktion.
Außerdem werden auch verschiedene typographische Darstellungsmöglichkeiten
verwendet (verschiedene Druckarten, -größen, -farben). Der visuelle Code erleichtert
dem Rezipienten des Textes das Erkennen der inhaltlichen Zusammenhänge dadurch,
dass er bestimmte Sachverhalte veranschaulicht. Die illustrativen Elemente tragen nicht
unmittelbar zur Textkonstituierung bei. In medizinisch-pharmazeutischen Texten, in
Packungsbeilagen von humanen Arzneimitteln kennzeichnet der eventuelle visuelle
Code das Streben der Produzenten nach Exaktheit, Verständlichkeit und gedanklicher
Klarheit. Dieses spiegelt sich auch in der Einheit von gedanklich-thematischer
Gliederung des Textes in Teiltexte und formalem Textaufbau (Absätze).
Die Bemühungen um eine patientenfreundliche Gestaltung einer Packungsbeilage
führten auch zur Herausbildung eines verbreiteten und beliebten Frage-AntwortKonzepts, nach dem heutzutage viele Packungsbeilagen aufgebaut sind:
Bsp. Wann wird
Betaisodona Wund-Gel verwendet? Verbrennungen, Schnitt- und
Schürfwunden... Wie verwenden sie Betaisodona Wund-Gel? Das Wund-Gel wird
mehrmals täglich auf die erkrankte Stelle gleichmäßig aufgetragen. ... Welche
unerwünschte Wirkungen kann Betaisodona Wund-Gel haben?... usw.
Im realen Leben wird man aber oft mit der Tatsache konfrontiert, dass der Patient
häufig durch eine Fülle von Informationen überfordert wird. Es ist bekannt, dass gerade
für die Information über einen komplexen Sachverhalt gilt: weniger ist oft mehr. Ziel
einer optimalen, patientenfreundlichen Packungsbeilage sollte daher sein, nicht die
maximale Information zu bieten, sondern die optimale Information zu vermitteln.
Im Zusammenhang mit dem Textaufbau einer Packungsbeilage bietet sich die Frage
nach den Grenzen des Textes an. Sind die einzelnen Teile der Packungsbeilage
selbstständige Texte oder bilden sie einen kompakten Text?
Eine mögliche Lösung für diese Frage besteht darin, dass man – wie es im Rahmen
textpragmatischer Ansätze zum Teil geschieht – die kommunikative Funktion als
- 35 ausschlaggebendes Kriterium einer Textdefinition azugrunde legt. Tut man dies, so
kann man behaupten, dass man dann mit einem Text zu tun hat, sobald man einem
sprachlichen Gebilde eine bestimmte kommunikaive Funktion zusprechen kann. (In
unserem Falle ist es deskriptive und instruktive, appelative Grundfunktion.) Bei
Packungsbeilagen arbeiten wir mit einem gewissen Textverband, der aus mehreren
Teiltexten besteht. Deskription, Appell, Instruktion sind eine Art der „Hyperfunktion“
des gesamten Textverbandes.
Zusammenfassend zum Kapitel 2.3.: Die Beipackzettel als Textsorte sind spezifisch
hinsichtlich ihrer Produktion und auch Rezeption. Der Prozess der Produktion wird
nicht nur inhaltlich, sondern auch formal gesteuert. Für den Inhalt sind
Forschungsergebnisse verbindlich, für die formale Seite gilt eine gesetzliche Norm.
Bei der Rezeption tritt vor allem die Frage nach dem höchst möglichen Grad des
Verständnisses in den Vordergrud. In dieser spezifischen Kommunikationssituation
könnte nämlich das eventuelle Missverständnis schlimme, sogar fatale Folgen nach sich
ziehen.
3. Untersuchungen zur Textualität in Packungsbeilagen.
Kohäsion als das untersuchte Kriterium der Textualität
Die Untersuchungen, die in diesem Kapitel durchgeführt werden, fallen in das
Fachgebiet der Textlinguistik. Der Untersuchungsgegenstand der Textlingustik sind
Texte und sie beschäftigt sich nicht nur mit der Abgrenzung und Klassifizierung von
Texten, sondern sie untersucht auch den Bau und die Struktur von Texten, m.a.W. sie
untersucht die Funktionen der sprachlichen Bauelemente, die die Texte konstituieren.
Unter sprachlichen Bauelementen verstehen wir einzelne Elemente wie Sätze oder
Textabschnitte, die systematisch zusammenhängen und so verbunden sind, dass sie
Texte bilden.
Um diese sprachlichen Elemente zu Texten zu verbinden, werden verschiedene Mittel
benutzt. Wenn die Elemente (Sätze, Textabschnitte u.s.w.) in einem semantischen und
syntaktischen Zusammenhang zueinander stehen, sprechen wir von der Kohäsion; die
Mittel, die dazu eingesetzt werden, wollen wir Kohäsionsmittel nennen. Wir
unterscheiden ferner verschiedene Ausdrucksmittel von Kohäsion.
Als eines der Textualitätskriterien wurde die Kohäsion nach de Beaugrande/Dressler
in dieser Arbeit schon früher behandelt. Obwohl sie eines der wichtigsten
textkonstituierenden Merkmale ist und eine Art „Voraussetzung“ für die Textualität
bildet, darf man die Analysen natürlich nicht nur auf sie beschränken.
- 36 Auf der anderen Seite steht die Tatsache, dass sich Kohäsion (Kohäsionsmittel) – als
Vernetzung an der Oberfläche – am besten objektiv untersuchen und beschreiben lässt;
die Ergebnisse sind auch gut (statistisch) auszuwerten.
3.1. Kohäsionsmittel in Packungsbeilagen
Die Kohäsionsmittel -formen bilden im folgenden Kapitel den Gegenstand meiner
Untersuchung. Zuerst werden alle Mitteln beschrieben und mit Beispielen aus
untersuchten Texten versehen; diesen Ausführungen folgt die Tabelle, in der die
Frequenz des Auftretens von jeweiligen Mitteln übersichtlich dargestellt ist. Es wurden
drei vollständige Beipackzettel von unterschiedlicher Länge (T1, T2, T3) analysiert. Sie
stammen von unterschiedlichen pharmazeutischen Unternehmen und begleiten
Medikamente aus verschiedenen medizinischen Gebieten. Die Ergebnisse werden mit
einem Text anderer Textsorte – einem essayistischen Text (T4) – verglichen.
Bei der Arbeit mit Texten wurden die einzelnen Formen zuerst ausgesucht, gezählt
und dann die Zahlen ausgewertet bzw. die Ergebnisse bei Texten T1-T3 mit den
Ergebnissen beim T4 verglichen. Um die Übersicht bei der Arbeit mit dem Text zu
erreichen, wurden verschiedene Farbstifte benutzt, durch die die einzelnen
Kohäsionsmittel im Text farbig unterschieden wurden.
Eine der analysierten Packungsbeilagen – Trittico® retard 150 mg-Tabletten – und der
Essay sind auch im Anhang zu finden.
Nach dem Prinzip, wie sie im Text funktionieren, unterscheidet man zwei Gruppen
von Köhasionsmitteln. Entweder erfüllen sie ihre textverknüpfende Funktion durch
Wiederholung oder sie wirken textkonnex auf ihre eigene Art und Weise. Es ist der Fall
bei den Tempora, Konnektiven und Textorganisatoren.
3.1.1. Mittel der Wiederholung und verweisende Wiederaufnahme
Rekurrenz
Unter Rekurrenz wird die materielle Wiederaufnahme eines einmal angeführten
Textelements im nachfolgenden Text verstanden. Im einfachsten Fall wird das gleiche
Lexem immer wieder aufgegriffen. Rekurrenz wirkt im Text verknüpfend, weil den
rekurrenten sprachlichen Elementen der „Text-Ebene“ dieselbe Referenz auf der „WeltEbene“ zukommt. So wird das Thema des Textes wie der rote Faden durch den Text
gezogen. In Einzelfällen muss man die Entscheidung treffen, ob dasselbe
Referenzobjekt gemeint wird, d.h. der Rezipient muss bereits ein weitgehendes
Textverständnis aufbringen. Dieses Kohäsionsmittel spielt in Fachtexten eine besondere
- 37 Rolle, v.a. aus den Gründen der Exaktheit der Referenzetablierung. Bei anderen
Textsorten wird die unbegründete Rekurrenz eher als monoton und stilistisch unschön
empfunden.
Man unterscheidet mehrere Formen der Rekurrenz. Der vorliegenden Untersuchung
liegt nur die lexikalische Rekurrenz, als Wiederholung derselben Wörter oder
Ausdrücke, zugrunde.
Im Gegensatz zur lexikalischen Rekurrenz steht partielle Rekurrenz, als Wiederholung
von Wortkomponenten mit Wortklassenwechsel.
Ausgewählte Beispiele:
1.) Was enthält Exhirud®-Gel?, ...Wie wirkt Exhirud®-Gel? ,...ist in jedem Fall vor der
Anwendung von Exhirud®-Gel ein Arzt zu befragen.
2.) Daher können starke Hemmstoffe dieses Enzyms, wie z.B Ciclosporin (Arzneimittel1
zur Unterdrückung des Imunsystems), Itraconazol oder Ketoconazol (Arzneimittel2+3
gegen krankheitserregende Pilze), Erythromycin oder Clarithromycin (Antibiotika),
HIV-Protease-Hemmer
(Arzneimittel4
bei
HIV-Infektion)
und
Nefazodon
(Antidepressivum) das Risiko für eine Myopathie erhöhen.
3.) Ein CPK-Spiegel über das Fünffache des oberen Normwertes bei einem Patienten
mit unerklärbaren Muskelsymptomen... ...Bei deutlich erhöhten CPK-Spiegeln (über
das Fünffache des oberen Normwertes) sollte keine Behandlung begonnen werden.
Zur Analyse: (T1-T3) Rekurrente Elemente finden wir in ugf. 17-19% aller belegten
Sätze (siehe Tab.1.). Am häufigsten wiederholen sich Lexeme, man findet aber auch
wortwörtliche Wiederholung von ganzen Textteilen, wie es Beispiel 3 zeigt. Die
Verwendung des Begriffs Arzneimittel unter der Nummer 2 ist ein Exempel des
unterschiedlichen Referenzobjektes. Es handelt sich nicht um das eine Arzneimittel,
sondern um mehrere: Ciclosporin, Itraconazol , Ketoconazol und HIV-ProteaseHemmer. Um die Unklarheiten beim Verstehen zu vermeiden, wird die in
Beipackzetteln häufige Formulierung benutzt: Benennung und in Klammern Erklärung
durch ein Synonym, Hyperonym o.Ä.
(T4) Zur Rekurrenz im Essay müssen wir Folgendes feststellen: Im T4 finden wir
Rekurrenz in ugf. 22% der Sätze. Obwohl in den erzählenden Texten die häufige
Verwendung von Rekurrenz als monoton und stilistisch unbefriedigend empfunden
wird, ist bei T4 der Gegensatz der Fall – hier ist die Rekurrenz zweckmäßig . Ein
wesentlicher Faktor für so häufige Rekurrenz ist die Notwendigkeit, auf mannigfaltige
Subjekte und Gegenstände im Text immer wieder zu referieren, und sie voneinander
deutlich zu unterscheiden.
- 38 Substitution
Wenn ein Textelement, also ein Wort, oder eine Wortgruppe, im nachfolgenden Text
durch ein ihm inhaltlich nahes Textelement wieder aufgenommen wird und diese
Textelemete haben dieselbe Referenz, spricht man von Substitution. Dies gilt oft bei
Synonymen, Unterbegriffen (Hyponymen), Oberbegriffen (Hyperonymen), Metaphern,
oder auch bei Lexemen, die demselben Wortfeld angehören.
Bei Substitution ist die Kohäsion schwächer als im Falle der Rekurrenz, auf der anderen
Seite werden durch Substitution oft neue Bedeutungsaspekte in Bezug auf das
betroffene Referenzobjekt eingebracht.
Ausgewählte Beispiele:
1.) ..., vom medizinischen Blutegel (Hirudo medicinalis)... 2.) ... nach stumpfen Traumen
(Zerrungen, Quetschungen, Verstauchungen). 3.) Welche Packungsgrößen stehen zur
Verfügung? Es sind Packungen zu 20 und 60 Stück verfügbar. 4.)...als Botenstoffe der
Weiterleitung dieser Reize. ... ..., die der Weiterleitung von Impulsen dienlich sind. 5.)
Simvahexal® 20 mg soll mit Wasser eingenommen werden. Die Filmtabletten können
entweder auf nüchternen Magen oder nach einer Mahlzeit eingenommen werden. 6.)
Eine erneute Gabe von Simvastatin oder die Verabreichung eines anderen Statins in der
niedrigsten Dosierung...
Zur Analyse: (T1-T3) Unter den gefundenen Substituten befinden sich v.a. Synonyme
(Beispiele 1, 3, 5), Hyponyme (Beispiel 2) und Hyperonyme (Beispiel 4, 6) . Im
fünften Beispiel wird ein weiterer Bedeutungsaspekt deutlich - Simvahexal® 20 mg hat
Form einer Filmtablette. Die Synonyme bilden die zahlreichste Gruppe. In Klammern
wird die Benennung oft durch ein Synonym aus dem anderen kommunikativen Bereich
ergänzt. (zu den kommunikativen Verwendungssphären vgl. Kapitel 2.1.) Im ersten
Beispiel ist es Ergänzung durch den lateinischen Terminus technicus.
(T4) Auch beim Essay dient Substitution als Kohäsionsmittel, das neue Aspekte der
Bedeutung einzuziehen ermöglicht. Viel häufiger aber ist Substitution als Variation der
Ausdrücke aus stilistischen Gründen verwendet. In den Packungsbeilagen sind
Synonyme, Hyponyme und Hyperonyme oft in Klammern als verständnissichernde und
ergänzende Ausdrücke zu suchen, im Essay stehen sie selbstständig im Satz.
Pro-Formen
Bei der Verknüpfung mit Pro-Formen werden inhaltsleere Elemente wie Pronomina,
Pronominaladverbien und Demonstrativpronomina benutzt, um auf ein Bezugselement
zu verweisen. Erst, wenn es klar ist, auf welches Textelement im Vortext eine Pro-Form
Bezug nimmt, ist über dieses Textelement ein Referenzbezug möglich. Aus diesem
Mechanismus erklärt sich die starke textverknüpfende Kraft dieser Kohäsionsmittel.
- 39 In Bezug auf die Verweisrichtung kann man den anaphorischen Verweis (Rückverweis)
vom kataphorischen Verweis (Vorverweis) unterscheiden.
Ausgewählte Beispiele:
1.) Trittico® beeinflußt im zentralen Nervensystem verschiedene Botenstoffe1, die1 der
Weiterleitung von Impulsen dienlich sind. 2.) Dieses Arzneimittel kann die
Reaktionsfähigkeit und Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen1. Dies1 gilt besonders
dann,... 3.) ...erbliche Muskelerkrankungen in der eigenen Vorgeschichte1 oder der1 der
Familie.
Zur Analyse: (T1-T3) Aus den Pro-Formen bilden Relativpronomen die größte Gruppe.
Produktiv sind auch s.g. „adjektivische“ Demonstrativpronomen. Sie werden zu den
Artikelwörtern gezählt – sie beziehen sich nämlich auf keine Nomen, sondern
identifizieren das bereits aus dem Vortext bekannte Element: diese Wirkstoffe, dieses
Arzneimittel, dieselbe Vorgehensweise. Alle in den Beipackzetteln gefundenen ProFormen werden anaphorisch benutzt, d.h. es wird immer nur auf Elemente aus dem
Vortext referiert.
(T4) Die Verweisung auf ein Bezugselement durch eine Pro-Form zeigt sich bei T4
eindeutig als das am häufigsten verwendete Kohäsionsmittel überhaupt (ugf. 88% aller
Sätze enthalten eine Pro-Form). Auch hier werden alle Formen anaphorisch benutzt.
Obwohl die Pro-Formen in so hohem Maße verwendet werden, kommt es nicht zu ihrer
Häufung und sie erschweren die Rezeption nicht – es ist immer eindeutig und klar, auf
welches andere Element im Vortext sie verweisen.
Bestimmter und unbestimmter Artikel – Textdeixis und Wissensdeixis
Artikel als Kohäsionsform funktioniert im Text ähnlich wie die Pro-Formen. Sowohl
der unbestimmte als auch der bestimmte Artikel sind eine Art Anweisung an den
Rezipienten, im umgebenden Text nach Bezugselementen zu suchen. Man spricht auch
von der Textdeixis als Hinweisfunktion der Wörter im Text. Mit dem unbestimmten
Artikel können neue, unbekannte Grössen in einen Text eingeführt werden. Der
bestimmte Artikel wird demgegenüber gewöhnlich dann benutzt, wenn über bereits
Bekanntes gesprochen wird. Das Bekannte muss sich nicht immer im Text befinden,
deshalb spricht man auch von (Vor-)Wissensdeixis.
Ausgewählte Beispiele:
1.) Vorbeugung einer erneuten koronären Herzkrankheit... 2.) Tritt während der
Einnahme von Simvahexal® 20 mg eine Schwangerschaft ein, sollte die Behandlung mit
Simvahexal® 20 mg unterbrochen werden.
Zur Analyse: (T1-T3) Die Untersuchung zeigte die eindeutige Überzahl des bestimmten
Artikels. In den analysierten Packungsbeilagen kommen nämlich überwiegend
- 40 Substantive vor, die durch die Situation identifiziert werden sollen und es ist klar, was
gemeint ist (Beispiel 2); oder soll das Substantiv durch den bestimmen Artikel
individualisiert werden. Der unbestimmte Artikel steht am häufigsten bei den
Bezeichnungen von Elementen einer Klasse, bei der Klassifizierung (Beispiel 1).
(T4) Die Analyse der Verwendung des bestimmten und unbestimmten Artikels im
T4 zeigte ähnliche Ergebnisse wie bei den Packungsbeilagen T1-T3. Auch im Essay ist
die Überzahl des bestimmten Artikels eindeutig und zweckmäßig. Der bestimmte
Artikel erfüllt auch hier am häufigsten die Aufgabe der Individualisierung und
Identifizierung des Substantivs.
Situationsdeixis
Pro-Formen und der bestimmte Artikel übernehmen im Text oft auch eine andere
Aufgabe – sie stellen einen Bezug zu der konkreten Situation her, die in den Text
eingebettet ist, sie verknüpfen den Text mit dem ihn umgebenden aussersprachlichen
Kontext. So verweisen sie aus dem Text hinaus auf eine aussersprachliche Realität, sie
haben situationsdeiktische Funktion. Referenz soll in diesem Fall in der aktuellen,
konkreten Kommunikationssituation gesucht werden.
Ausgewählte Beispiele:
1.) Hinweis für den Arzt: Bitte injizieren Sie z.B. Adrenalin intrakavernös! 2.) Die
Anwendungsdauer wird vom Arzt bestimmt. 3.) Beim Abbau bereits vorhandener
Blutgerinnsel
wird
der
Organismus
unterstützt
und
ein
Fortschreiten
des
Krankheitsprozesses durch unmittelbares Einwirken am Krankheitsherd unterbunden.
Zur Analyse: (T1-T3) Dieses Kohäsionsmittel kommt in Packungbeilagen nur selten vor
(vgl. genaue Angaben in Tab.1.). An die konkrete Situation ist die Verwendung des
bestimmten Artikels in den Beispielen 1 und 2 gebunden, wo der bestimmte,
behandelnde Arzt gemeint ist, d.h. nicht ein beliebiger Arzt o.ä. Im dritten Beispiel wird
mit dem Krankheitsprozess Thrombose gemeint, die mit Exhirud®-Gel behandelt wird.
(T4) Im Zusammenhang mit der Situationsdeixis in T4 ist der sich wiederholende
Verweis auf den Erzähler – den Autoren des Textes – zu erwähnen. Er referiert
wiederholend auf sich selbst als die Hauptfigur der Geschichte. In den
Packungsbeilagen finden wir solchen Verweis auf den Produzenten des Textes
überhaupt nicht. Situationsdeiktisch wirken im T4 fast ausschließlich Pro-Formen und
nicht der bestimmte Artikel.
Ellipse
Der Textverweis wird bei Ellipse (bei einem unvollständigen Satz) durch Leerstellen
erzeugt. Die Funktionsweise kann am ehesten mit derjenigen von Pro-Formen
- 41 verglichen werden. Im Textzusammenhang werden die vorhandenen Leerstellen
offenbar als anaphorische Suchanweisung interpretiert.
Bei Ellipsen werden nicht alle Valenzstellen des Verbs besetzt. Wegen des Kontextes
können also Ergänzungen des Verbs ausgespart bleiben d.h. elidiert werden.
Textproduzenten müssen die Angemessenheit einer Ellipse in einer Situation abwägen,
um zu entscheiden, welches Ausmaß an Ellipse Effizienz eher nützt als schadet.
Ausgewählte Beispiele:
1.) Für Kinder unerreichbar aufbewahren. (Elidiert: das Arzeimittel) 2.) Wie wenden
Sie Exhirud®-Gel an? Auf das erkrankte Gebiet auftragen und vorsichtig
einmassieren.(Elidiert: Sie wenden Exhirud®-Gel so an, dass sie es...) 3.) Verfalldatum
beachten. (Elidiert: Sie) 4.) Bei Unklarheiten fachliche Beratung einholen. (Elidiert:
Sie)
Zur Analyse: (T1-T3) In Packungbeilagen sind Leerstellen nicht unbedingt an den
anaphorischen Verweis gebunden. In der Packungsbeilage, die nach dem Prinzip FrageAntwort konzipiert ist, finden wir Ellipsen bei Antworten – es sind die s.g. Reduktionen
bei
Antwortsätzen.
Die
übrigen
elliptischen
Konstruktionen
sind
in
den
Aufforderungssätzen zu suchen, die gewöhnlich mit Eliminierung des Subjekts
verbunden sind (Beispiele 1, 3, 4).
(T4) Auch im essayistischen T4 finden wir elliptische Konstruktionen. Während es
bei den Packungsbeilagen am häufigsten Ellipsen bei den Antworten und das ellidierte
Subjekt bei Sätzen mit instruktiver und appellativer Funktion waren, werden im T4 auch
andere Verbalergänzungen und identische Teilausdrücke in Sätzen elidiert.
Explizite metatextuelle Verknüpfungsmittel
In diese Kategorie gehören diejenigen Formen, bei denen der Textproduzent sich auf
seinen eigenen Text bezieht und explizit einen Textverweis herstellt, indem er im Text
über den Text spricht. Diese Form der Thematisierung von einzelnen Textstellen, von
Textstrukturen bzw. von Eigenheiten des Textverlaufs bezeichnet man als
Metakommunikation. Zu diesem Zweck hat sich eine ganze Reihe weitgehend
stereotyper Formeln ausgebildet. (z.B. wie bereits erwähnt, unter Punkt X, vgl.X, im
folgenden...)
Ausgewählte Beispiele:
1.)
Maßnahmen
zur
Reduktion
des
Myopathierisikos
durch
Arzneimittelwechselwirkungen (siehe oben). 2.) Simvastadin sollte bei schweren
Nierenfunktionsstörung
mit
Vorsicht
verwendet
„Dosierungsanleitung, Art und Dauer der Anwendung“)
werden.
(siehe
auch
- 42 Zur Analyse: (T1-T3) Die stereotypen Formeln werden nur in der umfangreichsten
Packungsbeilage Simvahexal® 20 mg benutzt. Sie dienen zur besseren Orientierung im
Text und verweisen auf verschiedene Stellen im Text anaphorisch (siehe oben), aber
auch kataphorisch (siehe auch „Dosierungsanleitung, Art und Dauer der Anwendung“).
(T4) Explizite Textverknüpfung, wie wir sie in T1-T3 finden, können wir als
kennzeichnend für fachliche und andere sachliche Texte bezeichnen. Im essayistischen
T4 finden wir explizite Textverknüpfung überhaupt nicht.
Tabelle1. Frequenz des Vorkommens von Kohäsionsmitteln der Wiederholung und
Wiederaufnahme
Kohäsions-
Frequenz
Frequenz
Frequenz
Frequenz
mittel
(in %) im T1
(in %) im T2
(in %) im T3
(in %) im T4
Rekurrenz
17,95
17,22
18,92
22,11
Substitution
17,95
43,05
14,86
18,95
Pro-Formen
2,56
31,13
32,43
88,42
68,89:31,11
73,94:26,06
75,61:24,39
65,36:34,64
9,38
0,69
8,14
13,04
17,95
1,32
6,76
5,64
0
10,60
0
0
Bestimmter:
:Unbestimmter
Artikel
Situationsdeixis
Ellipse
Explizite
Textverknüpfung
T1=Exhirud®-Gel von Sanofi-Synthelabo, Stand der Information September 2000 (Textlänge 39 Sätze)
T2=Simvahexal® 20 mg Filmtabletten von Hexal, Stand der Information November 2002 (Textlänge 151
Sätze)
T3=Trittico® retard 150 mg-Tabletten von CSC Pharmaceuticals, Stand der Information Mai 1999
(Textlänge 74 Sätze)
T4=Martin Lambeck: Harter Test für sanfte Heiler; Essay (Textlänge 95 Sätze)
3.1.2. Tempus und Konnektive
Tempus
Die verbale Kategorie Tempus hat keine besonders aktive textverknüpfende
Funktion und als Kohäsionsmittel ist sie eher „unauffällig“. Tempuskontinuität auch
über die Satzgrenze hinaus muss aber im Normalfall gegeben sein, damit einer
Satzfolge überhaupt Texthaftigkeit zugesprochen werden kann. Vor allem in
erzählenden Texten kann die Tempusverwendung wichtig werden als Hinweis auf die
- 43 Sequenzierung der erzählten Ereignisse, wie auch ganz generell die zeitlich-lineare
Ordnung von Referenzobjekten über das Tempus signalisiert werden kann.
Zur Analyse: (T1-T3) Bereits bei der ersten, flüchtigen Untersuchung von
Tempusformen kann man feststellen, dass sie in den Teiltexten, d.h. in den einzelnen
Teilen der Packungsbeilage, nicht gleichmäßig vergeteilt sind. Aus diesem Grund
wählte ich bei der Analyse die Gliederung, wie sie in der Tabelle 2. dargestellt ist.
In den drei untersuchten Texten T1-T3 kommen drei von sechs Tempusformen vor.
Plusquamperfekt, Futur I. und Futur II. kommen überhaupt nicht vor. Diese Tatsache
wäre dadurch zu erklären, dass es in dieser Textorte einfach nicht die Notwendigkeit
besteht, vorvergangene (Plusquamperfekt) oder vermutete Geschehen (Futur I., Futur
II.) auszudrücken. Von den Vergangenheitsformen überwiegt das Präteritum, dann folgt
das Perfekt.
Die eindeutig dominante Tempusform in allen Texten ist das Präsens. Allgemein dient
Präsens nicht nur zum Ausdruck der gnomischen Tatsachen sowie der real
gegenwärtigen Sachverhalte, sondern auch zur Bezeichnung eines zukünftigen
Geschehens. In den analysierten Texten bezeichnet das Präsens am häufigsten
bestimmte gültige Sachverhalte etwa im Sinne vom atemporalen (generellen) Präsens,
das an keine objektive Zeit gebunden ist (Das Arzneimittel ist in Form von Tabletten mit
zwei Bruchrillen erhältlich, die es ermöglichen, 50 mg einzunehmen.).
Das Präteritum bezeichnet immer vergangene Sachverhalte. Es tritt nur in bestimmten
Teilen von Packungbeilagen auf, die Ausnahme bildet der erste analysierte Text
Exhirud®-Gel, wo das Präsens die einzige Tempusform ist. Am häufigsten wird
Präteritum im Text 2 verwendet, und zwar in Teilen: Anwendungsgebiete,
Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln und bei der Art der
Anwendung bzw. im Teil, wo die Art der Anwendung und Dosisanleitung behandelt
werden. Diese Teile bilden eine homogene Einheit, deswegen werden sie in der Tabelle
als ein Teil auch ausgewertet. Bei den Anwendungsgebieten wird das Präteritum nur
dort benutzt, wo die Erfahrungen bei der Anwendung aus der Vergangenheit
beschrieben werden (..., wenn Diät und andere nicht-medikamentöse Maßnahmen allein
eine ungenügende Wirkung zeigten.). Hier ist die Zahl hoch (40%) im Vergleich mit
anderen Teilen, wo auch Präteritum verwendet wurde. Bei den Nebenwirkungen werden
durch präteritale Form solche Wirkungen markiert, die bereits in der Vergangenheit
auftraten. (Selten traten Nebenwirkungen auf, die das Nervensystem betrafen, wie:
Verwirrtheit, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Nervosität und Zittern.). Bei
den Wechselwirkungen sind es auch Erfahrungen aus der Vergangenheit (Es bestand
kein Zusammenhang zwischen der Therapie mit Simvahexal® 20 mg und dem Auftreten
- 44 von Blutungen oder Veränderungen der Gerinnungszeit bei Patienten, die keine oralen
Antikoagulanzien einnahmen.). Im Teiltext Art der Anwendung werden durch
Präteritum mit der Anwendung zusammenhängende Ereignisse aus der Vergangenheit
markiert (Bei Kindern wird die Anwendung von Simvahexal® 20 mg nicht empfohlen,
da Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit nicht durchgeführt wurden.).
Bei der letzten Packungsbeilage kommt Präteritum bei den Nebenwirkungen vor, und
zwar ist es gleich bei mehr als 42% der untersuchten Verbformen. In diesem Text
werden noch häufiger die Nebenwirkungen, die in der Vergangenheit vorkamen,
erwähnt.
Das Perfekt ist die letzte Tempusform, die man – mit Ausnahme des ersten Textes – in
einigen Fällen findet. Im Text 2 wird im Teil Art der Anwendung durch Perfekt die
Vorzeitigkeit des Geschehens markiert (Die folgenden Angaben gelten, soweit ihnen Ihr
Arzt Simvahexal® 20 mg nicht anders verordnet hat.). So ist es auch beim letzten Text
Trittico® retard 150 mg-Tabletten. Hier kommt das Perfekt auch bei der
Dosierungsanleitung vor (Ist der gewünschte Erfolg eingetreten, kann die Dosis vom
Arzt vorsichtig auf die nötige Erhaltungsdosis gesenkt werden.).
(T4) Die Skala der Tempora im erzählenden T4 ist viel breiter als bei den Fachtexten
T1-T3. Außer Futur II. finden wir alle Tempusformen: Präsens (48,32% aller
Tempusformen), Präteritum (42,28%), Perfekt (3,36%), Plusqamperfekt (3,36%),
Futur I. (2,68%). Auch hier ist Präsens dominant. Im T4 dient er aber nicht zur
Bezeichnung des gegenwärtigen, sondern des vergangenen Geschehens: der
Erfahrungen des
Erzählers
mit
den Ärzten. Außerdem
allgemeingültige Sachverhalte, ähnlich wie bei T1-T3.
bezeichnet
Präsens
- 45 Tabelle 2. Tempusverwendung in einzelnen Pflichtteilen von den Packungsbeilagen
(nach AMG)
Teil der
Packungsbeilage
Tempusformen
Tempusformen
Tempusformen
(in %) im T1
(in %) im T2
(in %) im T3
Präs.
Prät.
Präs.
Prät.
Perf.
Präs.
Prät.
Perf.
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
100
0
100
0
0
100
0
0
Anwendungsgebiete
100
0
60
40
0
100
0
0
Gegenanzeigen
100
0
100
0
0
100
0
0
Nebenwirkungen
100
0
87,39
12,61
0
57,14
42,86
0
Wechselwirkungen
100
0
85,71
14,29
0
100
0
0
Dosierungsanleitung
100
0
5,77
0
15,38
Art der Anwendung
0
5,77
84,62
100
86,54
92,31
0
7,69
Anwendungsverbot
50*
0
0
0
0
50*
0
0
*
0
0
0
0
100
0
0
Name/Anschrift der
Firma
Bezeichnung des
Arzneimittels
Wirksame
Bestandteile
Hinweis, unzug. für
Kinder
aufzubewahren
*=die restlichen Formen bilden Infinitivkonstruktionen
T1=Exhirud®-Gel von Sanofi-Synthelabo, Stand der Information September 2000 (Textlänge 39 Sätze)
T2=Simvahexal® 20 mg Filmtabletten von Hexal, Stand der Information November 2002 (Textlänge 151
Sätze)
T3=Trittico® retard 150 mg-Tabletten von CSC Pharmaceuticals, Stand der Information Mai 1999
(Textlänge 74 Sätze)
Konnektive
Wie bereits die Bezeichnung besagt, Konnektive wirken konnex – sie verbinden.
Zu Konnektiven gehören Konjunktionen (koordinierende und subordinierende) und
Pronominaladverbien. Sie funktionieren als Kohäsionsmittel nicht nur innerhalb eines
Satzgefüges, sondern auch zwischen selbstständigen Sätzen. Sie bilden wichtige
satzübergreifende Bindeglieder m.a.W. sie machen Relationen zwischen Sätzen bzw.
Einheiten mit propositionalem Status explizit.
Durch diese Verknüpfung von Textelementen wird gleichzeitig der konzeptuelle
Charakter der Verbindung gegeben, d.h. entweder die untergeordnete Beziehung von
- 46 Sätzen (Subjunktionen) oder die nebengeordnete Beziehung (Konjunktionen).
Pronominaladverbien
(Wortverbindungen
mit
Struktur
da(r)-
,
wo(r)-
+
Präposition/Adverb) bilden einen Übergangsbereich zwischen konnektiven und
anaphorischen (wiederaufnehmenden) Ausdrücken; die Grenze lässt sich nicht scharf
ziehen. Mit sprachlichen Mitteln der Referenz und Konnexion werden Einzelsätze zu
Satzketten und schließlich zum Text verbunden.
● Konjunktionen (auch als koordinierende Konjunktionen bezeichnet) verknüpfen nicht
Wörter oder Wortgruppen, sondern Satzglieder bzw. Satzgliedteile oder Sätze. Sie
stehen immer außerhalb eines Satzgliedes.
Wir unterscheiden folgende semantische Gruppen von Konjunktionen:
-Adversativ: zum Ausdruck der Gegensätzlichkeit der verbundenen Elemente (aber,
doch, sondern, ...);
-Alternativ: zum Ausdruck der abwechselnden Beziehung zwischen den Elementen
(oder, etweder....oder, ...);
-Kausal: zum Ausdruck des Verhältnises zwischen Ursache und Wirkung (denn);
-Kopulativ: zum Ausdruck der Verbindung zwischen den Elementen (und, nicht
nur...sondern auch, weder...noch, ...);
-Modal: zur Bezeichnung der Art und Weise (statt, aber, und, ...).
● Subjunktionen (auch subordinierende Konjunktionen bezeichnet) verknüpfen Sätze –
nicht Satzglieder und Satzgliedteile wie die Konjunktionen –
und stehen auch
außerhalb eines Satzgliedes.
Wir unterscheiden folgende semantische Gruppen von Subjunktionen:
-Adversativ: zum Ausdruck der Gegensätzlichkeit der verbundenen Elemente
(während);
-Final: zum Ausdruck der Zweckbestimmtheit (damit, um...zu, ...);
-Kausal: zum Ausdruck des Verhältnisses zwischen Ursache und Wirkung (weil, zumal,
umso mehr als, ...);
-Konditional: zum Ausdruck der Bedingung (bevor, ehe, falls, ...);
-Konsekutiv: die Folge bezeichnend (um...zu, sodass, ...);
-Konzessiv: zum Ausdruck de einräumenden Bedingung (obwohl, trotzdem,
wie auch, ...);
-Kopulativ: zum Ausdruck der Verbindung zwischen den Elementen (um...zu);
-Modal: zur Bezeichnung der Art und Weise (je...desto, als ob, indem,
dadurch...dass, ...) ;
-Substitutiv: zum Ausdruck des Ersatzes, Austausches von den verbundenen Elementen
(ehe, anstatt...dass, anstatt...zu, ...);
- 47 -Temporal: zum Ausdruck der Vor-, Gleich-, oder Nachzeitigkeit (als, sobald, bevor,
bis, ehe, wenn, ...).
Zur Analyse: (T1-T3) In allen drei Texten überwiegt die Verwendung von
Konjunktionen. Es ist v.a. die kopulative Konjunktion „und“ und alternative
Konjunktion „oder“.
Die Subjunktionen werden meistens temporal oder konditional benutzt („wenn“).
Häufig werden kausale Subjunktionen verwendet („da“, „weil“). Die Verwendung hängt
teilweise mit der Art der Vernetzungsmuster zusammen. Bei Packungbeilagen handelt
es sich um Kombination Koordinierung-Konklusivität (vgl. Vernetzungsmuster im
Kapitel 1.). Pronominaladverbien als Kohäsionsmittel werden in den durchgesuchten
Packungsbeilagen fast überhaupt nicht benutzt. Sie kommen in einigen Fällen von
Konnektiven im T3 vor. Wie bereits erwähnt wurde, gehören sie hinsichtlich ihrer
Funktion zu bestimmten Grenzfällen: teils wirken sie wiederaufgreifend, verweisend
und teils auch verbindend. (Da Trittico® retard 150 mg-Tabletten eine beruhigende,
schlaffördernde Wirkung haben, empfiehlt es sich, sie abends einzunehmen. Dadurch
wird Tagesmüdigkeit weitestgehend vermieden.; ... Die Folge davon ist eine gebesserte
Stimmungslage und ein positiver Einfluß auf das körperliche und seelische
Wohlbefinden.)
(T4) Im T4 ist das gegenseitige Verhältnis zwischen Konjunktionen und
Subjunktionen viel ausgeglichener als bei T1-T3. Im T4 kommen im gleichen Maße
sowohl koordinierende als auch subordinierende Beziehungen zum Ausdruck. Viel
häufiger als in T1-T3 finden wir auch Pronominaladverbien. Bei den Konjunktionen
sind die kopulative Konjunktion „und“ und alternative „oder“ am häufigsten verwendet;
bei den Subjunktionen sind es „wenn“ – sowohl temporal als auch konditional benutzt –
und andere temporale Subjunktionen.
Tabelle 3. Frequenz der Verwendung von Konnektiven
Art von
Frequenz
Frequenz
Frequenz
Frequenz
Konnektiven
(in %) im T1
(in %) im T2
(in %) im T3
(in %) im T4
Konjunktionen
80
62,16
74,65
44,83
Subjunktionen
20
29,73
21,83
39,66
0
0
2,11
15,51
Pronominaladverbien
T1=Exhirud®-Gel von Sanofi-Synthelabo, Stand der Information September 2000 (Textlänge 39 Sätze)
T2=Simvahexal® 20 mg Filmtabletten von Hexal, Stand der Information November 2002 (Textlänge 151
Sätze)
- 48 T3=Trittico® retard 150 mg-Tabletten von CSC Pharmaceuticals, Stand der Information Mai 1999
(Textlänge 74 Sätze)
T4=Martin Lambeck: Harter Test für sanfte Heiler; Essay (Textlänge 95 Sätze)
Zusammenfassend zum 3. Kapitel: Nach den durchgeführten Analysen können wir
feststellen, dass die Kohäsionsmittel in verschiedenen Texten bzw. bei verschiedenen
Textsorten unterschiedlich realisiert werden. Die Ergebnisse bei den einzelnen Mitteln
sind
zwar
statistisch
vergleichbar,
die
Unterschiede
betreffen
aber
ihre
textsortenspezifische Verwendung: z.B. Rolle der Substitution im essayistischen Text
(Rolle bei der Ausdrucksvariation) und ihre Funktion der Präzisierung in einem
Fachtext. Was bei einer Textsorte als mangelhaft , monoton und unzureichend
empfunden wird (z.B. Verwendung einer einzigen Tempusform im erzählenden Text),
ist oft für andere Textsorte typisch. Einige Kohäsionsmittel sind ausschließlich nur für
bestimmte Textsorten charakteristisch (z.B. explizite Textverknüpfung für sachliche
Texte).
4. Untersuchungen zur Wortbildung in Packungsbeilagen. Arten der Wortbildung
Warum sollte man sich eigentlich mit der Wortbildung befassen und sie
untersuchen?
Die Kenntnis der Wortbildung – der Prozesse, durch welche neue Wörter entstehen und
entstanden sind, ist von großer Bedeutung aus mehreren Gründen.
Eines der Gründe ist die Bedeutung der Wortbildung bei der Rezeption eines Textes:
die Speicherung der häufigsten Affixe im Gedächtnis erleichtert die Erschließung,
Speicherung und Abrufung lexikalischer Einheiten, die vorher nicht im Speicher
enthalten waren. Jedes Wortbildungselement drückt nämlich einen bestimmten Typ der
semantischen Beziehung aus (synchron betrachtet).
Bei den Fachsprachen nützt die Kenntnis der häufigen und produktiven Affixe und
Bildungsmuster zur Schaffung neuer Termini und zur Terminolgienormung.
L. Hoffmann nennt einen weiteren Aspekt der Leistung von Wortbildungslehre – den
Beitrag zur fachsprachlichen Lehre. Es wäre möglich, für die fachsprachliche
Ausbildung zu einem Minimum an Wortbildungsmitteln, -modellen und -regeln zu
gelangen, d.h. durch die Einschränkung auf die wirklich relevanten Affixe eine
Entlastung von unnötigem Ballast zugunsten einer gründlichen Aneignung des
Nötigsten zu erzielen und damit eine höhere Effektivität der Ausbildung zu
gewährleisen. Natürlich wird auch hier die rezeptive Seite, das Erkennen eines
- 49 unbekannten Affixes als Bestandteil eines neuen Wortes, an erster Stelle stehen.
(Hoffmann 1987: 122f.)
Eine weitere, nicht wenig wichtige Rolle spielen die Wortbildungen bei der
Satzverflechtung – bei der Herstellung von Kohäsion und Stärkung der Kohärenz, von
denen im ersten und dritten Kapitel die Rede war. Relevant ist dabei aber der Texttyp:
nicht bei jedem Texttyp spielt die Verflechtung durch Wortbildung eine Rolle.
W.Wildgen nennt bei den Texten, für die Wortbildung als textverflechtendes Mittel
relevant ist, v.a. Texte mit Wortspielen, journalistische Texte, Werbetexte u.a. Alle
diese können wir als Gegensatz zu den von uns behandelten Texten verstehen. (vgl.
Lipka 1987: 66)
Dabei halte ich auch die einschränkende Bemerkung von L.Lipka von besonderer
Bedeutung : „The frequency of the use of word-formation processes depends on the
intentions underlying a particular text.“ (1987: 66f.) Ähnliche Meinung vertritt auch
W. Fleischer (1978: 82) – nach ihm unterliegt „die Verwendung von Komposita und
Derivaten im Wechsel mit semantisch mehr oder weniger äqivalenten Wortgruppen
oder
Simplizia...Gesetzmäßigkeiten
der
Textstruktur
und
kommunikativen
Erfordernissen.“
Die kommunikativen Absichten realisiert im Text sein Produzent. Verschiedene
textzentrierte Intentionen können für ihn im Vordergrund stehen: Streben nach
Variation und/oder Eindeutigkeit, Versuch einer Bedeutungserklärung sowie der
Präzisierung oder Differenzierung usw.
Und was
streben
die Produzenten einer Packungsbeilage
an?
Bei
der
Packungsbeilage als einem wichtigen Text für den Patienten wird v.a. die hinreichende
Eindeutigkeit und Informationsverdichtung (nicht nur in Bezug auf die beschränkte
Größe einer Packungsbeilage) angestrebt.
Auf der Ebene des Lexems werden derartige Absichten nicht selten durch Verwendung
von Wortbildungskonstruktionen erzielt. „Compounds and nominalisations in particular
may effect a high degree of information condensation by structural reduction of
morphological elements, as compared to paraphrases .“ (Lipka 1987: 63)
Die
Frage
danach,
welche
Rolle
die
Wortbildung
bzw.
die
Wortbildungskonstruktionen (WBK) in der Packungsbeilage spielen, gab den Anstoß
für meine Untersuchungen zur Wortbildung in diesem Kapitel.
Als Ausgangspunkt für die Untersuchungen der Wortbildung in Packungsbeilagen
wurden Substantive und Adjektive gewählt. Sie sind nämlich die Wortarten, die die
lexikalischen Spezifika der pharmazeutisch-medizinischen Kommunikation ausmachen
- 50 und die terminologisch kennzeichnend sind. Als Einheiten des Textes gehören sie zu
den Inhaltswörtern (im Gegensatz zu Funktions- oder Strukturwörtern wie Artikel,
Konjunktion, Präposition usw.), die textsortenspezifisch sind. Für Fachsprachen ist der
fachsprachliche Nominalstil charakteristisch, d.h. dass sie einem nominalen gegenüber
einem verbalen Ausdruck den Vorzug geben.
In nominativer Sicht spielen Substantive die zentrale Rolle. Es sind Wörter, die über
eine
ausgeprägte
lexikalische
Bedeutung
verfügen
und
unabhängig
von
Kontextbedingungen stehen können, es sind Autosemantika (im Unterschied zu den
Synsemantika wie z.B. Pronomen). Die Aufmerksamkeit beim praktischen Gebrauch
der Fachsprachen wie auch beim Nachdenken über sie konzentriert sich auf das
fachsprachliche Wort – den Terminus, der die fachsprachlichen Systeme aufbaut.
Adjektive gehören in der Fachsprache der Medizin auch zur thematisch relevanten und
terminologisierten
Lexik.
Adjektive als Wortart dienen zur Bezeichnung von
Merkmalen, Eigenschaften und Relationen, die in der objektiven Realität nicht
selbstständig auftreten, sondern an Gegenständen und Erscheinungen beobachtet
werden; Adjektive sind also Synsemantika.
Ich strebte die Suche nach den typischen, produktiven Modellen der Wortbildung bei
den oben erwähnten Wortarten an, indem ich sie der Materialgrundlage – den
Packungsbeilagen – entnommen habe. Wir dürfen nämlich behaupten, dass die
Ausnutzung der einzelnen Bildungsmuster und Bildemittel nicht nur für einen
bestimmten Zeitabschnitt typisch ist (m.a.W.
Produktivität einer bestimmten
Wortbildungsart, eines Wortbildungstyps in einem bestimmten Zeitabschnitt), sondern
auch für einen bestimmten Kommunikations- und Wissensbereich (Produktivität
bestimmter Wortbildungstypen in einem Kommunikations- und Wissensbereich).
Von der Produktivität ist noch die Texthäufigkeit als Vorkommenshäufigkeit im Text
abzusetzen. (Hoffmann 1987: 115f.) Die Texthäufigkeit ergibt sich aus der einfachen
Zählung der wortbildenden Elemente (z.B. Affixe) unabhängig davon, in oder an
welchen Einheiten sie auftreten. Ein Element kann so auch zehnmal in einem Text
auftreten, diese Häufigkeit kann aber ebensogut seine ständige Wiederholung in
demselben Wortbildungstyp bedeuten. Den Gegenstand meiner Untersuchung bildet
also die Produktivität bestimmter Wortbildungstypen in den Beipackzetteln (ich werde
diese Eigenschaft für Belange dieser Arbeit „Produktivität im Text“ nennen) und nicht
die Vorkommenshäufigkeit der einzelnen wortbildenden Elemente.
Die Verben und Adverbien, die in medizinisch-pharmazeutischen Texten verwendet
werden, sind im Hinblick auf die Terminologiebildung und Textbildung demgegenüber
nicht so charakteristisch (siehe auch Kapitel
2. Fachsprache, Fachtext und
- 51 fachsprachliche Kommunikation) und werden in die Untersuchungen nicht einbezogen.
Es wurden auch keine Simplizia analysiert – soweit sie keine Wortbildungsprodukte
sind – weiter keine Wortgruppenlexeme und ebensowenig Kunstwörter (Benennungen
von Arzneien). Den Gegenstand der Analyse bilden ausschließlich medizinsprachliche
Gefüge in Wortstruktur (Morphemgefüge, Morphemkonstruktionen oder WortSyntagmen).
Es wird versucht, eine komplexe deskriptiv-synchrone Darstellung der häufigsten,
im Text produktiven Wortbildungsmodelle bzw. Strukturtypen bei Substantiven und
Adjektiven vorzunehmen und ihre Produktivität zu begründen. Die erarbeiteten
Übersichten ermöglichen überdies einen Überblick über die einzelnen Verfahren und
Strukturen, die in den untersuchten Texten infrage kommen. Die einzelnen
Strukturtypen werden immer an Beispielen aus den Texten aufgezeigt. Als sinnvoll
erwies sich, sich auch der Semantik von einzelnen WBK zu widmen – wir wollen
schließlich wissen, welche onomasiologische Kategorien durch die WBK in den
Packungsbeilagen zum Ausdruck gebracht werden. Bei der Behandlung der einzelnen
Wortbildungstypen führe ich also auch Kommentare zur Semantik an.
Die Materialgrundlage für die Analysen bildeten charakteristische substantivische
und adjektivische Wortbildungskonstruktionen, die 30 Packungsbeilagen von humanen
Arzneimitteln entnommen wurden. Es wurden insgesamt mehr als 600 substantivische
und 250 adjektivische WBK untersucht. Alle untersuchten WBK gehören zur
medizinischen Fachsprache bzw. es sind teilweise terminologisierte Lexeme aus einer
Vielzahl anderer Fachgebiete – z.B. Bezeichnungen der Pharmaka, Körperbausteine,
Stoffwechselprodukte aus Chemie usw. Solche Termini und terminologisierte
Benennungen bilden einen gewissen terminologischen Übergangsbereich zwischen
Medizin und anderen benachbarten Fachgebieten.
Bei dieser Aufgabe wurden zunächst substantivische und adjektivische WBK in
Texten ausgesucht und zwei alphabetische Listen – je eine für eine Wortart – erstellt.
Diese Listen ermöglichten mir, eine bessere Orientierung in den untersuchten WBK zu
gewinnen. Die kompletten Listen sind im Anhang zu finden.
Die Ausführungen sind nach den einzelnen produktiven Wortbildungsarten
geordnet.
 In den folgenden Übersichten werden oft Symbole und schematische Darstellungen benutzt. In den Darstellungen
wird das Inventar und die Distribution einzelner Konstituenten berücksichtigt, wobei folgende Abkürzungen und
Zeichen verwendet werden:
S, S - simples Substantiv und abgeleitetes bzw. zusammengesetztes Substantiv
A, A - simples Adjektiv und abgeleitetes bzw. zusammengesetztes Adjektiv
- 52 -
Wenden wir uns zunächst für die Belange dieser Arbeit den einzelnen Arten der
Wortbildung im Deutschen. Die Wortbildungsarten, die in den Packungsbeilagen
produktiv sind, werden weiter im Einzelnen in getrennten Unterkapiteln behandelt.
Im Deutschen unterscheiden wir folgende Arten der Wortbildung:
1. Zusammensetzung (Komposition)
Eine
Zusammensetzung
Konstituenten
ist
eine
Morphemkonstruktion,
(Kompositionsglieder)
auch
als
deren
freie
unmittelbare
Morpheme
oder
Morphemkonstruktionen vorkommen können: z.B. Atemluft  atem  luft.
Bei der Klassifikation der Wortbildungstypen nach den syntagmainternen Beziehungen
gibt es für Komposita zwei Möglichkeiten:
Subordination
einer
(Determinativkomposita)
unmittebaren
oder
Konstituente
Koordination
unter
beider
die
andere
Konstituenten
(Kopulativkomposita).
Aus dem Koordinationsverhältnis der beiden Konstituenten ergibt sich der Unterschied
zu den motivierten Determinativkomposita: die zweite Konstituente kann nicht die
ganze Konstruktion semantisch repräsentieren: z.B falsch-negativ ≠ negativ.
Die Zusammensetzung ist typisch für das Nomen (Substantiv, Adjektiv).
2. Ableitung (Derivation) entweder als Suffigierung (s.g. explizite Ableitung) oder als
Ableitung ohne Suffix (s.g. implizite Ableitung und Konversion).
Eine explizite Ableitung ist eine Morphemkonstruktion, von deren unmittelbaren
Konstituenten nur die erste auch frei im Satz vorkommen kann, die zweite begegnet nur
gebunden an ein anderes Morphem oder eine andere Konstruktion. Die erste
Konstituente wird auch als Basis der Ableitung, die zweite als Ableitungssuffix
bezeichnet: Störung.
Eine implizite Ableitung ist ein freies Morphem oder eine freie Morphemkonstruktion
ohne Ableitungssuffix, das nicht durch zwei unmittebare Konstituenten, sondern als
V, V - simples Verb und abgeleitetes bzw. zusammengesetztes Verb
ADV - Adverb
PART - Partikel
PARTIZ - Partizip
۰- subordinatives Verhältnis zwischen den Konstituenten
- - koordinatives Verhältnis zwischen den Konstituenten
D- Derivator
P- Präfix
Bei den angeführten Beispielen werden manchmal einige Konstituenten vereinfacht und zwar die, die in dem
betreffenden Abschnitt nicht gerade behandelt werden (z.B. S۰S - durch welche Wortbildungsprozesse diese
Derivate entstanden sind, wird später unter Ableitung behandelt). Außerdem werden in den Schemen keine
Fugenelemente berücksichtigt.
- 53 Ganzes durch seinen semantischen und formalen Bezug auf ein anderes, diesbezüglich
korrespondierendes freies Morphem oder eine Morphemkonstruktion motiviert ist. Es
liegt meist die Transposition in eine andere Wortart vor: z.B. Dauer  dauern. In der
deutschen Gegenwartssprache handelt es sich dabei gewöhnlich um deverbative
Substantive.
Konversion ist Bildung neuer Wörter durch Überführung in eine andere Wortklasse
ohne formale Veränderungen (ohne Affixe). Obwohl im Deutschen grundsätzlich jedes
Wort z.B. substantiviert werden kann, bezieht sich die Konversion in erster Linie auf
usuelle, festgewordene Bildungen.
3. Präfixbildung (Präfigierung)
Unter dem Präfix ist ein gebundenes Morphem zu verstehen, das reihenbildend vor ein
Grundmorphem oder eine Morphemkonstruktion tritt, um ein Wort oder eine
Flexionsform eines betreffenden Wortes zu bilden. Ihre eigentliche Domäne ist die
Wortbildung des Verbs, beim Substantiv und Adjektiv tritt die Präfixbildung hinter
Zusammensetzung und Ableitung zurück: z.B. ausscheiden.
Von besonderer Bedeutung ist die Bemerkung, dass Präfixe und Suffixe (d.h.
wortbildende Affixe) unterschiedliche semantische Funktionen haben d.h. sie sind
polyfunktional. Meine Analysen werden zeigen, dass dasselbe Suffix oder Präfix im
Text in einer von seinen Funktionen produktiv sein kann, während in einer anderen (bei
einem anderen Wortbildungstyp) nicht.
4.1. Zusammensetzung – Substantiv
Der Strukturtyp einer substantivischen Zusammensetzung ergibt sich aus der
Wortbildungsstruktur der beiden Konstituenten und ihrer Wortklasse. Die Konstituenten
können
substantivische
(beschränkt
auch
adjektivische)
Simplizia,
Derivate,
Präfixwörter oder Komposita sowie Verbstämme sein.
Die Untersuchung zeigte, dass wir in dieser Art von Texten bei substantivischen
Zusammensetzungen ausschließlich mit Determinativkomposita zu tun haben. Im
Determinativkompositum wird die zweite unmittelbare Konstituente durch die erste
näher bestimmt, determiniert und so engt das Erstglied semantisch die Extension des
Zweitgliedes ein.
Es zeigte sich auch, dass die häufigsten Konstituenten der
Determinativkomposita
nicht
Simplizia,
sondern
Ableitungen
und
andere
Zusammensetzungen sind. Kopulativkomposita kommen überhaupt nicht vor.
Bei den genannten Determinativkomposita handelt es sich um s.g. MehrfachKomposita. Der Bedeutungsumfang (Extension) eines solchermaßen determinierten
Nomens wird in dem Maße enger, wie sein Bedeutungsinhalt (Intension) größer wird.
- 54 Solche mehrgliedrige Bildungen finden sich in allen Fachsprachen, wo das
Wortbildungsverfahren
der
Komposition
zum
Aufbau
von
Nomenklaturen,
Terminologie genutzt wird. Mehrfach-Komposita sind hier ein relativ einfaches Mittel,
eine notwendige terminologische Prägung mit höchstmöglichen Durchsichtigkeit der
Form zu vereinbaren.
Widmen wir uns jetzt den einzelnen produktiven Typen der Determinativkomposita:
4.1.1. Determinativkomposita – die häufigsten Strukturtypen nach der Art des
ersten Gliedes
a) Das substantivische Erstglied
Die substantivischen Determinativkomposita mit erstem substantivischen Glied
zeigen sich als der produktivste Strukturtyp überhaupt. Diese Konstruktionen bilden
rund 80 aller untersuchten substantivischen WBK.
Dabei können wir zwischen folgenden Typen unterscheiden:
S۰S (Aromastoff, Gallenstein, Kehlkopf);
S۰S (Einnahmevorschrift, Flüssigkeitansammlung, Mundschleimhautentzündung);
S۰S (Nebennierenmark);
S۰S (Darmentzündung, Harnsäuregehalt, Hauterscheinung).
Unter
diesen
Bildungen
finden
wir
auch
Zusammensetzungen
mit
dem
Durchkopplungsbindestrich. Die erste Konstituente bei solchen Bildungen besteht aus
zwei oder mehreren Substantiven, die außerhalb der Bindung an die zweite Konstituente
unter Einfügung der Konjunktion „und“ in eine Wortgruppe zu transformieren sind
(Hals-Nasen-Ohren-Bereich,
Herz-Kreislauf-Nebenwirkung,
Magen-Darm-Trakt,
Nutzen-Risiko-Abschätzung). Mit Hilfe des Durchkopplungsbindestrichs können auch
ganze Sätze oder Wortgruppen als erste Konstituente an ein Substantiv zur
Zusammensetzung angefügt werden (Öl-in-Wasser-Typ, Wasser-in-Öl-Emulsion).
Die erste Konstituente einer Zusammensetzung in den Packungsbeilagen ist oft auch
eine Abkürzung (pH-Wert), Initialwort (CK-Erhöhung) oder Kurzwort (Laborwert).
Abkürzungen sind keine spezielle Wortbildungsart sondern eine Besonderheit der
Schreibweise. Es handelt sich um graphische Symbole. Die Initialwörter bestehen aus
aneinandergereihten Großbuchstaben, die die Anfangslaute der Vollform bezeichnen,
die der abgekürzten Norm zugrunde liegt. Diese Vollform kann eine Zusammensetzung
oder aber auch eine Wortgruppe sein.
Unter Kurzwörtern im eigentlichen Sinne werden solche Kurzformen verstanden, die als
zusammenhängender Teil einer Vollform erscheinen (wie Laborwert anstatt Labor-
- 55 atorium-wert). Alle diese Kurzformen haben v.a. die ökonomische Funktion, wobei sie
in den Packungsbeilagen nie unverständlich gebraucht werden bzw. sie werden immer
im Voraus erklärt
(z.B. ACE-Hemmer ist eine Klasse der blutdrucksenkenden
Arzneimittel). Zusammensetzungen mit Kurzwörtern und Initialwörtern tragen in hohem
Maße zur erwünschten Informationsverdichtung in den Beipackzetteln bei.
Sehr häufig werden die einzelnen Konstituenten der Zusammensetzung durch einen
Bindestrich getrennt (Bilirubin-Gehalt, Elektrolyt-Lösung, Histamin-Rezeptor, UmweltEinfluss).
Weil der Strukturtyp der Determinativkomposita mit substantivischem erstem Glied so
produktiv ist, halte ich für sinnvoll, auf die häufigsten semantischen Beziehungen der
Konstituenten von S(S)۰S(S)-Strukturen näher einzugehen und eine Übersicht über die
häufigsten Wortbildungsbedetungen zu geben. So will ich die zahlreiche Gruppe noch
weiter ausdifferenzieren.
Übersicht der Wortbildungsbedeutungen
Allgemein unterscheiden wir folgende semantische Beziehungen zwischen jeweils
zwei unmittelbaren Konstituenten: lokale, temporale, finale, kausale, komparative,
posessive, ornative, partitive, instrumentale, materiale, konstitutionale, adhäsive,
Agens-Beziehung, Patiens-Beziehung, prozessuale, thematische und graduative
Beziehung.
Es zeigte sich, dass in den gefundenen Zusammensetzungen nicht alle von diesen
Beziehungen durch zahlreiche Belege vertreten sind, einige sind sogar überhaupt nicht
zu finden.
Zu finden sind folgende Typen (immer wird Wortbildungsbedeutung und Paraphrase
angeführt; Adie erste Konstituente, Bdie zweite Konstituente):
 Patiens-Beziehung (mit A wird etwas getan)
Alkoholmissbrauch,
Blutwäsche,
Darmbewegung,
Darmlähmung,
Flüssigkeitsansammlung, Gefäßschwellung, Schleimabsonderung
 Kausale Beziehung (A ist Ursache von B)
Alkohol-Vergiftung, Entzündungsreaktion, Hautproblem, Lageschwindel
 Finale Beziehung (B ist geeignet für A)
Augentropfen, Beruhigungsmittel, Betäubungsmittel, Nasenspülung, Nährstoff
 Agens-Beziehung (B erzeugt A; A erzeugt B; B tut etwas mit A)
Insektengift, Narkosearzt
 Lokale Beziehung (B befindet sich, vollzieht sich in A; stammt von A; führt zu A)
- 56 Bauchorgan, Bauchschmerz, Blutzelle, Brustdrüse, Gelenkschmerz, Harnstein
 Prozessuale Beziehung (mit A vollzieht sich etwas)
Bakerienwachstum, Blickkrampf, Blutbildung, Heilungsprozess
 Materiale Beziehung (B besteht aus A)
Eisenpräparat, Flüssigkeitsschicht, Kaliumpräparat
 Temporale Beziehung (A nennt Zeitpunkt -raum von B)
Anfangsdosis, Monatsblutung
 Ornative Beziehung (B ist versehen mit A)
Aromastoff, Filmtablette
aa) Komposita aus Fremdwörtern
Eine zahlreiche Gruppe bilden Zusammensetzungen bzw. Determinativkomposita
aus
Fremdwörtern.
Eine
solche
Zusammensetzung der
Fremdwörter
erfolgt
grundsätzlich nach denselben Gesetzen wie bei den Wörtern heimischen Ursprungs.
Viele Bildungen sind hybrid, d.h. sie bestehen aus einem heimischen und einem
fremden Element.
Das Fremdwort kann als erste (Bronchialkrampf) oder auch als zweite unmittelbare
Konstituente (Frühdyskinesie) auftreten.
Die Zusammensetzungen aus Fremdwörtern verschiedener Herkunft (meistens
lateinisch, griechisch, aber auch englisch) bilden in medizinisch-pharmazeutischen
Texten eine große Gruppe. Es kommen auch solche Bildungen vor, in denen Elemente
mehrerer Sprachen kombiniert werden (Antibabypille). In unserem Beispiel ist es das
griechische Morphem anti, das englische baby und das deutsche pille.
b) Das adjektivische Erstglied
In der Gruppe von analysierten substantivischen WBK sind auch Konstruktionen mit
adjektivischem erstem Glied, obwohl nicht in so hohem Maße wie die Komposita mit
substantivischem erstem Glied, belegt. Das Adjektiv in solchen Bildungen wird immer
in der unflektierten Form verwendet.
In den untersuchten Packungsbeilagen sind folgende Strukturtypen produktiv:
A۰S (Aktivkohle, Dickdarm, Dünndarm, Einzeldosis, Gelbsucht);
A۰S (Bronchialkrampf);
A۰S (Akutbehandlung, Weichkapsel);
A۰S(Bewusstsein, Autoimmunkrankheit)
Mit Adjektiven als Bestimmungsformen von Komposita wird in der Regel eine
Determination bewirkt, die auf eine Eigenschaft des von der Grundform bezeichneten
Gegenstands zielt.
- 57 c) Der Verbalstamm als Erstglied und das flexionslose Erstglied
Nur sehr selten kommen Strukturtypen mit Verb (Verbstamm) oder mit
flektionslosem erstem Glied vor.
Es lassen sich bei den einzelnen Typen folgende Beispiele anführen:
V۰S (Dosierspray, Lutschpastille, Nährstoff);
V۰S (Bindegewebe, Drehschwindel, Hörverlust, Saugarbeit, Sehstörug, Schüttelfrost,
Wirkkomponente);
V۰S (Abbauprodukt);
V۰S (Begleiterkrankung, Verschwommensehen).
Bei
Komposition
mit
verbaler
Bestimmungsform
konstituiert
die
Determinationsbeziehung in der Regel einen Handlungszusammenhang – durch die
Bestimmungsform wird der von der Grundform bezeichnete Gegenstand bezüglich einer
für
ihn
chrakteristischen
Tätigkeit
oder
hinsichtlich
eines
typischen
Verwendungszwecks näher spezifiziert.
Als flexionsloses Erstglied finden wir keine Pronomen oder Numeralien, nur sehr selten
Partikel oder Adverbien.
PART۰S (Innenohr, Innenhaut) ;
PART۰S (Spätkomplikation);
ADV۰S (Mehrfach-Vergiftung, Einmaldosis).
Partikeln und Adverbien dienen hier dazu, die Bedeutung der nominalen Grundform in
einen Orientierungsrahmen (Raum, Zeit, hierarchische Ordnung o.Ä.) einzuordnen.
Alle in diesem Absatz erwähnten Strukturtypen sind eher selten, sie bilden weniger als
5 aller analysierten substantivischen WBK.
4.2. Zusammensetzung – Adjektiv
Bei der Darstellung von Zusammensetzung des Adjektivs (und schließlich auch
später bei der Ableitung) ist es zu bemerken, dass auch Partizipien mit einzubeziehen
sind. Nicht wenige Partizipien werden neben ihrer Rolle im Verbalparadigma auch als
reguläre Adjektive/Attribute gebraucht (entwässernd, fortschreitend, sedierend,
vorgeschädigt).
Auch bei den adjektivischen WBK kennt die syntagmainterne Strukturbeziehung
sowohl Subordination, als auch Koordination, wobei bei den zusammengesetzten
Adjektiven in den Beipackzetteln beide Beziehungen belegt sind – im Unterschied zu
den Substantiven. Außerdem zeigte die Analyse, dass die Zusammensetzung nicht mehr
zu der dominanten Wortbildungsart gehört, wie es bei den Substantiven der Fall ist.
- 58 -
Partizipialkompositum in der Wortbildung des Adjektivs
Die Partizipialkomposita nehmen innerhalb der adjektivischen Komposition eine
besondere
Stellung.
In
hohem
Maße
bleiben
sie
semantisch
identische
Alternativkonstruktionen syntaktischer Konstruktionen und tendieren nur schwach zur
Lexikalisierung. Die Verwendung von solchen Partizipialkomposita (in unserem Fall
ausschließlich mit Partizip I.) ist in hohem Maße textsortendifferenziert; in den
Packungsbeilagen ist diese Wortbildungsart ohne Zweifel die produktivste im Rahmen
der adjektivischen Zusammensetzungen.
atemtätigkeit + unterdrückend  atemtätigkeitsunterdrückend;
harnsäure + ausscheidend  harnsäureausscheidend;
entzündung + hemmend  entzündungshemmend;
stimmung + aufhellend  stimmungsaufhellend.
Die Wortbildungsbedeutungen der Partizipialkomposita entsprechen im Wesentlichen
den
syntaktisch-semantischen
Beziehungen
der
alternativen
syntaktischen
Verbkonstruktionen. Bei Komposita mit Partizip I. handelt es sich überwiegend um
Entsprechungen eines Akkusativobjektverhältnisses.
4.2.1. Determinativkompositum in der Wortbildung des Adjektivs
Das Determinativkompositum bildet eine zahlmäßig viel kleinere Gruppe als bei den
Substantiven. Die Mannigfaltigkeit der ersten Konstituenten ist auch nicht so hoch. Die
Strukturen beim adjektivischen Determinativkompositum sind folgend :
S۰A (alkalifrei);
S۰A (altersabhängig, hautfreundlich);
S۰A (behandlungsbedürftig, konzentrationsabhängig, PVP-jod-beständig).
Die Verbindungen mit dem Initialwort als einer der Konstituenten bewahren
die
großgeschriebenen Anfangsbuchstaben auch als Bestandteil des Adjektivs; ähnlich ist es
bei einigen Determinativkomposita mit substantivischem Erstglied: Fusidinsäureempfindlich, Hustenreiz-dämpfend. Durch die Trennung durch Bindestrich wird die
WBK eindeutig übersichtlicher und der Bezug der beiden Komponenten zueinander
klarer. Im Wesentlichen ist der Bindestrich aber auf die Koppelung beschränkt.
In Bezug auf die Semantik aller Adjektivkomposita ist die Bedeutung der nominalen
Bestimmungsform als verdeutlichender Gesichtspunkt heranzuziehen. Wie diese
Determinationsbeziehung im Einzelnen beschaffen sit, hängt von der lexikalischen
Bedeutung der beiden Bestandteile und von dem weiteren Kontext ab; im Kompositum
- 59 selber ist die Beziehung nicht enthalten (hautfreundlich = „freundlich“ gegenüber der
Haut, altersabhängig = abhängig vom Alter).
Verbalstämme als erste Konstituente finden wir in medizinisch-pharmazeutischen
Texten nicht, obwohl sie normalerweise (d.h. in der Gegenwartssprache) in den
adjektivischen Zusammensetzungen nicht so selten auftreten.
4.2.2. Kopulativkompositum in der Wortbildung des Adjektivs
Kopulativkompositum charakterisiert das koordinative Verhältnis zwischen den
Konstituenten, so dass wir auch von Verbindungszusammensetzungen sprechen können.
Die Reihenfolge der beiden Konstitunten ist austauschbar, ohne dass dadurch ein
grundsätzlicher Bedeutungsunterschied entsteht. Bei den adjektivischen Komposita
finden wir nur einen Strukturtyp mit beiden explizit abgeleiteten Konstituenten:
A۰A (dermatologisch-ästhetisch, komatös-letal, blutig-schleimig).
Die Bildungen in allen unseren Fällen bezeichnen Grenzbereiche. Die Konstituenten des
Kopulativkompositums
werden
immer
durch
ein
Bindestrich
getrennt.
Die
Bindestrichortographie kann dabei als formaler Anhaltspunkt für das Vorliegen einer
koordinativen Beziehung gelten.
4.3. Ableitung – Substantiv
Es lässt sich feststellen, dass die substantivischen Ableitungen in unseren Texten
überwiegend als
Konstituenten der Zusammensetzungen (als erste oder zweite
Konstituente) vorkommen. Solche Wortbildungstypen ermöglichen noch höheren Grad
der Informationsverdichtung.
4.3.1. Explizite Ableitung – Substantiv
Die folgende Darstellung der expliziten Ableitungen des Substantivs ist nach der
Form der in den Packungsbeilagen produktiven Suffixe geordnet.
 Das Suffix „-e“ bildet Substantive von verbaler und adjektivischer Basis. Unter den
analysierten WBK kommen solche Derivate ausschließlich als Bestandteile der
Zusammensetzungen vor. Als Basen kommen sowohl Verben (verbale Basis wird oft
abgelautet) als auch Adjektive vor. Bei diesen Konstruktionen geht es meistens um
Sachbezeichnungen und Verbalabstrakta.
Produktive Wortbildungstypen mit dem Suffix „-e“ sind diese:
S۰V, D (-e) (Blutwäsche);
S۰A, D (-e) (Fettsäure);
V,D (-e)۰S (Folgeerscheinung).
- 60  Das Suffix „-ler“ begegnet uns bei Ableitungen aus Wortgruppen, besonders mit den
Verben. Bei diesem Wortbildungstyp dient das Suffix in den Packungsbeilagen zur
Bildung von Sachbezeichnungen, Nomen instrumenti.
S,V۰D (-ler) (Appetitzügler)
 Das Suffix „-heit“, das v.a. substantivische Eigenschaftsbezeichnungen bildet, kommt
wieder als Derivator der einen oder anderen Komponente der Zusammensetzung bei
folgenden Wortbildungstypen vor:
S۰A, D (-heit) (Darmträgheit);
A,D (-heit)۰S (Gesundheitszustand),
immer mit einsilbigem adjektivischem Simplex als Basis.
 Das Suffix „-keit“ kommt in verschiedenen WBK zahlmäßig häufiger als „-heit“ vor.
In der Gegenwartssprache lässt sich „-keit“ als kombinatorische Variante von „-heit“
betrachten. (Die Form „-keit“ wird anstelle von „-heit“ stets verwendet, wenn die
adjektivische Basis ein Derivat mit den Suffixen „-ig“, „-lich“, „-sam“, „-bar“ ist.)
A۰D (-keit) (Fliessfähigkeit);
A, D (-keit)۰S (Flüssigkeitsraum);
S۰A, D (-keit) (Körperflüssigkeit, Muskelsteifigkeit).
 Das Suffix „-igkeit“. Ähnlich wie „-keit“ bei adjektivischen Basen mit bestimmten
Suffixen obligatorisch ist, wird „-igkeit“ bei adjektivischen Basen auf „-haft“ und „-los“
obligatorisch. Auch dieses Suffix gehört in medizinisch-pharmazeutischen Texten zu
den produktiven, v.a. bei folgendem Wortbildungstyp:
A۰D (-igkeit) (Schlaflosigkeit, Bewusstlosigkeit).
Semantisch bilden alle drei Suffixe Eigenschfts-Nomina.
 Das Suffix „-ung“ ist in der deutschen Gegenwartssprache eines der produktivsten
substantivbildenden Suffixe. Es zeigte sich, dass das Suffix auch in unseren Typen von
WBK sehr produktiv ist, es ist hier sogar der produktivste wortbildende substantivische
Suffix; immer mit verbaler, nie mit nominaler Basis. Auch „-ung“ finden wir als
Derivator einer der Konstituenten bei Zusammensetzungen, kaum sind „-ung“-Derivate
außerhalb der Komposita zu finden.
Die verbale Basis ist entweder Simplex oder Präfixbildung, Präfixbildungen sind jedoch
häufiger.
V۰D (-ung) (Blähung);
V۰V, D (-ung) (Sehstörung);
V, D (-ung)۰S (Anwendungsdauer);
S۰V, D (-ung) (Blutzuckespiegelerhöhung);
- 61 V,D(-ung)۰V,D(-ung)
(Dosierungsempfehlung,
Durchblutungsstörung,
Leistungsstörung, Wirkungsabschwächung).
Der letztgenannte Strukturtyp mit zwei „-ung“-Derivaten in einer Zusammensetzung ist
sehr häufig. Alle „-ung“-Derivate sind meistens Nomina actionis – substantivische
Bezeichnungen von Handlungen (Blähung  blähen, Störung  stören, Erhöhung 
erhöhen usw.).
Durch eine Kombination der Wortbildungsverfahren Derivation und Komposition (wie
bei den letzten vier gezeigten Wortbildungstypen) kann die lexikalische Information
eines mehrgliedrigen verbalen Ausdrucks in einem komplexen Nomen komprimiert
werden.
 Das Diminutivsuffix „-chen“ der Derivate (und folglich auch innerhalb von
Zusammensetzungen) hat keine emotionale oder expressive Färbung, sondern drückt die
Verkleinerung als objektive Eigenschaft aus. Diese Diminutiva treten auch in der
Schriftsprache und Fachsprache auf. Meistens sind sie lexikalisiert bzw. idiomatisiert.
Diese Benennungen bezeichnen meist kleine, sogar mikroskopische Elemente, die in
großen Mengen auftreten.
S, D (-chen) ۰S (Bläschenbildung);
S۰S, D (-chen) (Wikstoffteilchen, Blutplättchen);
V۰S, D (-chen) (Flimmerhärchen).
Demgegenüber kommen andere Diminutivsuffixe, z.B. „-lein“ nicht vor.
 Unter Fremdsuffixen, denjenigen Ableitungselementen, die aus nur wenig dem
Deutschen asimilierten Entlehnungen abgelöst wurden und im Deutschen analysierbar
sind, kommen erwartungsgemäß einige innerhalb der Ableitungen vor, die v.a. Nomina
actionis und Nomina acti zum Ausdruck bringen.
Zu den produktiven Fremdsuffixen in den Packungsbeilagen gehören:
„-enz“, „-anz“ überwiegend zur Bildung von Nomen qualitatis, eine einheitliche
Bedeutungsklasse lässt sich aber nicht angeben
(Potenzstörung, Herzinsuffizienz,
Herzschlagfrequenz);
„-ie“, „-erie“ als Suffixe zur Bildung der Bezeichnungen für Disziplinen
(Therapieunterbrechung);
„-ion“,
„-ation“
zur
Bildung
von
Nomen
actionis
(Kreislauffunktion,
Atemwegsobstruktion, Gefässweiten-Regulation);
„-ose“ als Suffix, das zu den charakteristischen in dem Fachbereich der Medizin und
Chemie gehört. Die Ableitungen sind überwiegend Krankheitsbezeichnungen, das
- 62 Suffix ist sehr produktiv auch bei Bildung der chemischen Nomenklatur (Lactose,
Thrombose, Narkosearzt);
„-atur“ als Derivator zur Bildung von Kollektiva (Rückenmuskulatur);
„-ant“, „-ent“ als Suffixe, die vorwiegend zur Bildung von deverbativen
Personenbezeichnungen
–
Nomina
agentis
–
dienen
(Glaukompatient,
Prädnisolonäqivalent);
„-at“ zur Bildung von Nomen acti (Kaliumpräparat, Präparatewechsel).
4.3.2. Implizite Ableitung – Substantiv
Die implizite substantivische Ableitung ist in der Regel ein Verbalsubstantiv. Die
Basis der Ableitungen sind sowohl starke, als auch schwache Verben; entweder einfach
oder präfigiert.
Implizite Ableitungen von einfachen Verben finden wir in unseren Proben kaum. Viel
häufiger bilden die Basen Präfixverben und Komposita. Die Derivate sind
ausschließlich Nomen acti und Nomen actionis.
Als Beispiele sind folgende Bildungen (Zusammensetzungen) mit einem impliziten
Deverbativum als einer der Konstituenten zu nennen: Abbauprodukt, Abwehrreaktion,
Bewusstseinsverlust, Bluterguss, Darmdurchgangszeit, Nesselausschlag, Pilzbefall,
Therapieabbruch.
4.3.3. Konversion – Substantiv
Neben die implizite Ableitung wäre, unserem Belegmaterial nach, noch Konversion
zu stellen. An dieser Stelle ist der substantivierte oder nominalisierte Infinitiv zu
erörtern: Bei der Konversion wird nicht nur der Verbalstamm – wie bei der impliziten
Ableitung – sondern die Konstruktion aus Verbalstamm + Infinitivendung
substantiviert. Der substantivierte Infinitiv erscheint als einfacher, präfigierter oder
zusammengesetzter Infinitiv. Dass Konversion in unseren Texten zu den produktiven
Wortildungsarten gehört, daran besteht kein Zweifel. Konvertierte Formen dienen als
Nomen acti und Nomen actionis und erscheinen in den Packungsbeilagen immer als
zweite Konstituente einer Zusammensetzung.
Konversion der einfachen Verben: Herzklopfen, Heuschnupfen, Magendrücken
(Kombination mit einem Simplex); Gallensteinleiden, Blutzellschaden (Kombination
mit einer Zusammensetzung).
Konversion
der
präfigierten
Verben:
Geschmacksempfinden,
(Kombination mit einem Simplex); Kreislaufversagen
Zusammensetzung).
Harnverhalten
(Kombination mit einer
- 63 In seiner Wirkung im Text ermöglicht das Wortbildungsverfahren der deverbalen
Konversion beträchtliche textuelle Raffungen, die den Nominalstil kennzeichnen.
Konversion als Substantivierung von Adjektiven (und Partizipien) gehört nicht zu den
produktiven Wortbildungsarten in pharmazeutisch-medizinischen Texten, weil die
Eigenschaften und Charakteristika in der terminologisierten Lexik meist anders als
durch Substantive zum Ausdruck gebracht werden (z.B. als adjektivisches Erstglied
eines Kompositums oder als selbständiges Adjektiv).
4.4. Ableitung – Adjektiv
Allgemein ist die Situation bei den abgeleiteten Adjektiven etwas anders als bei den
Substantiven – der Übergang zwischen Ableitung und Zusammensetzung ist fließend,
es handelt sich v.a. um Bildungen auf -voll, -reich, -arm, -leer, -frei u.ä. (siehe Kapitel
4.4.1. unten) , zu denen auch homonyme freie Adjektive bestehen.
4.4.1. Explizite Ableitung – Adjektiv
Ähnlich wie bei den adjektivischen Kopulativkomposita und substantivischen
Determinativkomposita die einzelnen Konstituenten durch Bindestrich getrennt werden,
werden auch bei einigen expliziten adjektivischen Ableitungen die Initialwörter,
Abkürzungen
und
verschiedenartige
Benennungen
(meistens
von
Pharmaka,
chemischen Stoffen oder Erkrankungen) oft durch Bindestrich getrennt (Anginapectoris-artig, Lupus-ähnlich, Metoclopramid-haltig). So wird der Bezug zur Basis
noch hervorgehoben, solche Ableitung ist eindeutiger und übersichtlicher. Es ist
offensichtlich eines der Ergebnisse, die die Rechtschreibreform mit sich gebracht hat.
Auch hier bei den Adjektiven werden die Ausführungen nach den produktiven
Suffixen und produktiven Komponenten , die dem Übergangsbereich gehören, geordnet.
 Das „abgeleitete“ Suffix „-artig“ konkurriert bei der Bildung von Vergleichen dem
Suffix „-haft“. („-artig“ bildet einen bestimmten Grenzfall – man darf es nicht ohne
weiteres als ein selbständiges, eigenes Suffix betrachten, es ist Ableitunug von „-ig“;
ähnlich wie „-förmig“ und „-haltig“.)
S۰D (-artig) (krampfartig, nesselartig);
S۰D (-artig) (Angina-pectoris-artig, heuschnupfenartig);
A۰D (-artig) (bösartig, gutartig).
 Das Suffix „-ig“ gehört zu den produktivsten Adjektivsuffixen der deutschen
Gegenwartssprache, was auch in unseren Texten zum Vorschein kommt.
- 64 Es treten überwiegend Verben als Basen (bei den starken Verben sind es nicht
Infinitivstämme, sondern Ablautformen), wobei die so gebildeten Derivate die zweite
Konstituente einer Zusammensetzung bilden.
S۰V, D(-ig) (behandlungsbedürftig);
S ۰P,V,D(-ig) (wärmedurchlässig, dosisabhängig, sekretdurchlässig).
Die Bildungen mit „-ig“ behalten im Regelfall – wie die meisten suffigierten Adjektive
– die volle Bedeutung ihrer Grundform und bezeichnen vorzugsweise körperliche oder
seelische Eigenschften von Menschen oder charakterisieren Gegenstände oder
Sachverhalte.
 Zu den produktivsten Elementen bei der Wortbildung des Adjektivs in den
Packungsbeilagen gehört die „-ig“-Ableitung „-haltig“, die Derivate von einer
Wortgruppe als Basis bildet:
aluminium enthalten  aluminiumhaltig; hormone enthalten  hormonhaltig;
jod enthalten  jodhaltig; linolsäure enthalten  linolsäurehaltig; eisen enthalten 
eisenhaltig.
 Das Suffix „-isch“ bildet adjektivische Derivate von Fremdwörtern (Simplizia oder
Zusammensetzungen als Basis). Auch dieses Element gehört zu den produktiven in
unseren Texten, v.a. diesen Strukturtypen folgend:
S۰D(-isch) (alkoholisch, analgetisch, diabetisch, genetisch);
S۰D(-isch)
(chemotherapeutisch, epidemiologisch, embryotoxisch, hirnorganisch,
thromboembolisch).
Wie die ausgewählten Beispiele zeigen, handelt es sich um Relativadjektive, die keine
in stärkerem oder geringem Grade vorhandene Eigenschaft ausdrücken und deshalb
nicht steigerungsfähig sind. Sie bringen die semantische Zusammengehörigkeit mit dem
entsprechenden Nomen zum Ausdruck (alkoholisch = hat die gleichen Eigenschaften
wie Alkohol).
 Das Suffix „-lich“ gehört neben „-ig“ und „-isch“ zu den produktivsten
Adjektivsuffixen der deutschen Gegenwartssprache und so ist es auch in den
Beipackzetteln. Bei den desubstantivischen Bildungen sind folgendeTypen vertreten:
S۰D(-lich) (ärztlich, erblich);
S۰D(-lich) (arzneilich, fachärztlich, zahnärztlich).
In
semantischer
Hinsicht
sind
desubstantivische
Derivate
vorwiegend
Beziehungsadjektive mit Personenbezeichnung als Basis.
Bei den deverbalen Bildungen (Basis ist präfigiertes Verb, nicht Verbalstamm) sind es:
V۰D(-lich) (entzündlich, empfindlich);
- 65 oder als Konstituenten in Zusammensetzungen:
S۰V,D(-lich) (magenverträglich, hautverträglich).
 Produktiv sind auch mehrere Fremdsuffixe:
„-al“ (gastrointestinal, grippal);
„-ell“ (bakteriell, hormonell);
„-ant“„-ent“ (magensaftresistent);
„-iv“ (depressiv, erosiv);
„-os“„-ös“ (intravenös, nervös);
„-är“ (muskulär, linksventrikulär).
Alle
genannten
Suffixe
Determinationszusammenhang
signalisieren
zwischen
der
semantisch
Grundform
und
einen
einem
offenen
anderen
Sprachzeichen.
 Oft bilden explizite adjektivische Ableitungen auch folgende Elemente mit
Suffixcharakter – Halbsuffixe
(Basen sind substantivische Simplizia oder
Zusammensetzungen):
„-arm“ – zum Ausdruck des Vorhandenseins im geringen Maße (kaliumarm, lipidarm);
„-reich“ – zur Bezeichnung des Vorhandenseins oder Überflusses (balaststoffreich,
faserreich);
„-ähnlich“ – zum Ausdruck der Ähnlichkeit (asthmaähnlich, fettähnlich);
„-frei“ – zum Ausdruck des Nichtvorhandenseins (rezeptfrei, schmerzfrei).
4.5. Präfixbildung – Substantiv
Im Unterschied zu den Zusammensetzungen und Suffixbildungen sind die
Präfixbildungen im Allgemeinen beim Substantiv weniger entwickelt.
● Das Präfix „miss-” (Die Bildungen mit „miss-” gehen meistens vom Infinitiv des
Verbs aus, das als Ganzes substantiviert worden ist: Alkoholmissbrauch <
missbrauchen. Es handelt sich bei solchen Fällen um implizite Derivation.) Produktiv
ist „miss-„ auch als Präfix. In Abhängigkeit vom semantischen Charakter der zweiten
Konstituente umfasst die Bedeutung Negation:
P (miss-)۰V (Missempfindung)
● Zu den produktiven Elementen gehören auch einige Präfixe und Präfixoide der
Orientierung. Sie dienen dazu, die Bedeutung der nominalen Grundform in irgendeinen
Orientierungsrahmen
einzuordnen
(mit
dem
entsprechenden
vorkommenden Lexem sind sie nicht bedeutungsgleich) :
selbstständig
- 66 „haupt-” (Hauptbeschwerde) als Präfixoid zur Bezeichnung der Hervorhebung eines
Begriffes – also Orientierung in einem bestimmten hierarchischen Rahmen;
„grund-” (Grunderkrankung) als Präfixoid zur Hervorhebung des Wesentlichen, das
der Sache „zugrunde“ liegt, teilweise synonymisch zu „haupt-”;
„neben-” ordnet die Grundform in den räumlichen (Nebenhöhlenentzündung,
Nebenniere) oder hierarchischen (Nebenwirkung) Rahmen ein;
„gegen-”
als
Präfix
zum
Ausdruck
des
Entgegengesetzten
(Gegenanzeige,
Gegenmittel);
„über-”
(Überdosierung) zum Ausdruck des über eine bestimmte Grenze
hinausgehenden, also zur Orientierung im Rahmen der Normativität;
„unter-”, das das Nichterreichen des Normalmaßes bezeichnet (Unterfunktion) oder die
Einordnung in einen räumlichen Rahmen signalisiert (Unterlid, , Unterschenkel);
„vor-” kennzeichnet etwas, was räumlich oder zeitlich vor einer anderen Größe liegt
(Vorerkrankung, Vorschädigung).
● An Fremdpräfixen sind folgende in den Packungsbeilagen produktiven zu erwähnen:
„dys-” (Frühdyskinesie) als Negationssuffix zum Ausdruck des Falschen, Schlimmen;
„in-” (Herzinsuffizienz) als anderes Negationssuffix;
„anti-” (Antibabypille, Hautantibiotikum), das dem deutschen „gegen-” entspricht.
Dieses Element ist im Bereich der Pharmazeutica sehr produktiv.
„re-” (Reaktionsbereitschaft), das dem deutschen „wieder” entspricht und signalisiert
den Bezug auf die „Gegenhandlung“.
4.6. Präfixbildung – Adjektiv
Im Unterschied zu den Zusammensetzungen und den expliziten Ableitungen sind die
Präfixbildungen sowohl beim Adjektiv als auch beim Substantiv weniger dominant.
Von den heimischen Suffixen sind nur zwei produktiv:
„un-” – mit der Bedeutung „nicht“ bei den Adjektiven (unempfindlich, ungesättigt);
„hoch-” – als Präfix mit homonymem freien Adjektiv „hoch“ (hochdispers,
hochdosiert).
An den Fremdsuffixen sind folgende produktiv:
„dis-”(dys-”) – Negationspräfix (dyskinetisch);
„extra-” – in der Medizin nicht als Suffix der Verstärkung, sondern mit Bedeutung
„extern“, also als Präfix der räumlichen Orientierung und Einordnung (extrapyramidal);
„intra-” – antonymisch zu „extra-” (intrakraniell);
„hyper-” – als Suffix der Steigerung und Verstärkung (hyperreaktiv);
- 67 „anti-” – mit der gleichen Bedetung wie bei dem Substantiv (antientzündlich).
Zusammenfassend zum 4. Kapitel: Die Analyse zeigte, dass wir in den
Packungsbeilagen in großem Maße Wortbildungsarten bzw. Wortbildungstypen finden,
durch die solche WBK entstehen, die für die medizinisch-pharmazeutische Sphäre
semantisch charakteristisch sind; die WBK sind der beschränkten Anzahl von
onomasiologischen Kategorien einzuordnen. Beim Substantiv sind es v.a. Nomina acti
und Nomina actionis, die zu den medizinischen Kategorien gehören, die im Kapitel 2.1.
behandelt wurden. Es überwiegen Konkreta, aber es sind auch Abstrakta nicht
ausgeschlossen, sofern sie terminologisch relevant sind (Blutwäsche, Fliessfähigkeit...).
Auf der anderen Seite zeigte sich, dass die am häufigsten vorkommenden
Wortbildungsarten – v.a. Zusammensetzung – einen hohen Grad der Verdichtung von
Informationen ermöglichen; Komposita kann man nämlich als Raffungen von Sätzen
betrachten, sie werden auch Wort-Syntagmen genannt. Wenn ein Text u.a. solche
Konstruktionen enthält, können wir behaupten, dass er in hohem Maße informativ ist,
was bei den Packungsbeilagen der Fall ist.
Der fachsprachliche Nominalstil, von dem bereits früher die Rede war, kommt
vornehmlich durch die Verfahren der nominalen Wortbildung zustande, also durch
Komposition, Derivation und Konversion, was schließlich unsere Analyse nur
bestätigte. Bei den substantivischen WBK dominiert eindeutig Mehrfach-Komposition.
Mit der Wortstruktur wird so gleichzeitig Mehrfaches erreicht: Ausdrucksexplikation,
-präzision und -kondensation.
Die Ableitungen beim Substantiv gehören auch zu den in unseren Texten häufig
vorkommenden WBK. Die Mehrzahl stellen dabei explizite Ableitungen dar, die dann
am öftesten als Konstituenten der Zusammensetzungen auftreten. Der Effekt auf den
Text ist schließlich derselbe wie bei der Mehrfach-Komposition (siehe oben). Bei der
expliziten Ableitung des Substantivs überwiegt Suffigierung, wobei nicht alle Suffixe
gleichmäßig produktiv sind. Aus dem Inventar der Präfixe sind auch nicht alle in
unseren Texten produktiv.
Zu ähnlichen Ergebnissen bei den Untersuchungen zu Affixen in fachsprachlichen
Texten verschiedener Sprachen ist auch Hoffmann gekommen: „Nur eine begrenzte
Anzahl von Suffixen und Präfixen, die in normativen Darstellungen der Gesamtsprache
genannt werden, tritt in den entsprechenden Fachtexten häufig auf; einige fehlen ganz,
andere sind sehr selten.“ (Hoffmann 1987: 118)
Bei den in unseren Texten nicht produktiven Affixen handelt es sich meistens um
solche, die entweder (heutzutage) allgemein nicht mehr oder nur zum gewissen Grade
- 68 produktiv sind oder liegt die Ursache in ihrer Semantik (z.B. diminuierend-pejorative
Färbung des Suffixes „-sel”) – für manche semantische Gruppen von Wörtern gibt es
kein Bedarf, sie in unserer Art von Texten zum Ausdruck zu bringen, die Benennungen
für bestimmte Gegenstände oder Sachverhalte gehören nicht zur terminologisch
relevanten Lexik der Medizin und der benachbarten Fachgebiete.
Von besonderer Bedeutung ist die Bemerkung, dass die Affixe, die in diesem Kapitel
als produktiv bezeichnet wurden, in den analysierten Texten nur in der erwähnten
Funktion – nur beim erwähnten Wortbildungstyp – produktiv sind, soweit Affixe
polyfunktional sind. Bei den substantivischen Präfixen in den Texten zeigten sich als
besonders produktiv solche, die die Einordnung in einen (räumlichen, zeitlichen,
hierarchischen o.Ä.) Rahmen
zum Ausdruck bringen; die WBK sind am öftesten
Nomen
actionis,
acti
und
Nomen
ähnlich
wie
bei
den
substantivischen
Zusammensetzungen.
Die Ergebnisse im Bereich der adjektivischen Wortbildung sind anders. Die dominante
Wortbildungsart ist nicht mehr Zusammensetzung, sondern explizite Ableitung. Zu der
Semantik von adjektivischen Derivaten ist zu sagen, dass sie in den Packungsbeilagen
am häufigsten die relevanten Eigenschaften von Menschen (oft Patienten), Pharmaka
und Charaktristika von den (krankhaften) Zuständen zum Ausdruck bringen. Besondere
Rolle spielen sehr produktive Partizipialkomposita, die als semantisch identische
Alternativkonstruktionen
zu
Syntagmen,
Informationsverdichtung ermöglichen.
einen
hohen
Grad
von
- 69 Zusammenfassung
In der Einleitung zu meiner Diplomarbeit setzte ich mir das Ziel, die Besonderheiten
der Textsorte Packungsbeilage zu untersuchen und die produktivsten Wortbildungsarten
zu finden und ihre Produktivität zu begründen.
Ich zeigte, dass die Packungsbeilage eine besondere Textsorte ist, die in eine
spezifische Kommunikationssituation eingebettet ist. In erster Linie ist aber jeder
Beipackzettel ein Text, der alle Kriterien der Textualität erfüllt.
Unsere analysierten Texte gehören zum Bereich der s.g. vermittelnder Textsorten – sie
vermitteln das Wissen zwischen dem Fachmann (aus dem Wissenschaftsbereich der
Medizin und Pharmazie) und dem Laien (Patienten); wobei diese Kommunikation
indirekt ist, es fehlt der unmittelbare Kontakt zwischen dem Produzenten und dem
Rezipienten des Textes. Die wichtigsten Funktionen einer Packungsbeilage sind
Deskription, Appell und Instruktion. Mit der spezifischen Kommunikationssituation bei
einer Packungsbeilage hängt auch der Aufbau des Textes als solchen: der Text ist in
übersichtliche Teiltexte mit vorgeschriebenem Inhalt gegliedert, was auch gesetzlich
gesteuert wird, es werden verschiedene typographische Darstellungsmöglichkeiten
verwendet, der visuelle Code – das Alles, um dem Patienten die Rezeption zu
erleichtern und der sicheren und erfolgreichen medikamentösen Therapie zu verhelfen.
Ich beschäftigte mich auch mit dem Aspekt der Produktion und Rezeption einer
Packungsbeilage und mit den Besonderheiten der medizinischen Lexik, die in dieser Art
von Texten verwendet wird.
In meiner Arbeit zeigte ich auch, wie und mit welcher Häufigkeit die einzelnen
Kohäsionsmittel in einer Packungsbeilage realisiert werden im Unterschied zu einem
Text anderer Textsorte. Die spezifische Realisierung von einigen Mitteln erwies sich als
textsortenabhängig.
Eine weitere praktische Untersuchung bildete die Analyse der Wortbildung in den
Packungsbeilagen, die die in den Texten produktiven Wortbildungsarten und
Wortbildungstypen zeigte.
Es wurden Wortbildungskonstruktionen im Bereich des Substantivs und Adjektivs
untersucht, wobei die Analyse zu folgenden Ergebnissen führte: beim Substantiv sind
sehr produktiv Zusammensetzungen, v.a. Mehrfach-Komposita; beim Adjektiv
dominiert die explizite Ableitung und Bildung von Partizipialkomposita. Die so
gebildeten Konstruktionen ermöglichen einen hohen Grad der Informationsverdichtung,
was bei den Packungsbeilagen äußerst erwünscht ist. Es zeigt sich auch, dass die
Wortbildungsprodukte nur unter bestimmte onomasiologische Kategorien einzuordnen
- 70 sind; schließlich sind sie dann zu den von I. Wiese genannten medizinischen Kategorien
zu zählen: z.B. Nomen actionis Hautentzündung aus der Kategorie „Symptome“.
Bereits in der Einleitung erwähnte ich die Tatsache, dass das Thema und der ganze
Bereich der Fachsprache noch umfangreicher ist, als auf den ersten Blick zu scheinen
mag. Im Laufe der Vorarbeiten und der Verfassung zeigten sich mehrere Bereiche und
Probleme, die noch weiter auszuarbeiten sind. Dabei denke ich v.a. an weitere
Untersuchungen zu den Benennungsarten in der Medizin, gründlichere Untersuchung
der motivierten Benennungen, Mehrwortbenennungen ggf. usuellen Wortverbindungen
in dem Fachbereich der Medizin.
Alles, was in dieser Arbeit nicht erschöpfend dargestellt werden konnte, verstehe ich
natürlich
als
Anlass
zur
weiteren
Bearbeitung
in
der
Zukunft.
- 71 Resumé
V úvode k tejto práci som si stanovila cieľ, preskúmať príbalový leták liečiv ako
špecifický druh textu, nájsť produktívne slovotvorné druhy a typy a zdôvodniť ich
produktivitu.
Poukázala som, že príbalový leták je svojrázny textový druh, ktorý je
zakomponovaný do špecifickej komunikačnej situácie. V prvom rade je ale každý
takýto leták text, ktorý spĺňa všetky kritériá textuality.
Texty, ktoré som analyzovala patria do oblasti takých, ktoré sprostredkujú poznatky
medzi odorníkmi (z vedeckej oblasti medicíny a farmácie) a pacientom, najčastejšie
laikom. Komunikácia je nepriama, chýba bezprostredný kontakt medzi producentom
a recipientom textu. Najdôležitejšími funkciami takéhoto textu je opisná, apelatívna
a inštruktívna funkcia. Spomínaná nepriama komunikačná situácia je pre príbalové
letáky charakteristická a s ňou súvisí aj výstavba textu ako takého: text je členený na
prehľadné čiastkové texty s predpísaným obsahom. Toto členenie a obsah čiastkových
textov je stanovený zákonom, čo je výrazným faktorom ovplyvňujúcim produkciu
textov tohoto druhu. Príbalový leták využíva často rôzne typografické možnosti a tzv.
vizuálny kód, všetko na uľahčenie recepcie a zabezpečenie účinnej a úspešnej
medikamentóznej terapie. V práci som sa zaoberala aj aspektom produkcie a recepcie
príbalového letáka a zvláštnostiam lexiky:v záujme zabezpečenia čo najvyššej miery
porozumenia sa používaju označenia z rôznych medicínskych komunikačných sfér – od
termini technici až po bežné výrazy, ktoré poznajú aj laici.
V práci ukazujem aj to, akým spôsobom a s akou frekveciou sú v porovnaní s iným
druhom textu realizované jednotlivé prostriedky kohézie. Ukázalo sa, že špecifická
realizácia niektorých z nich do istej miery závisí od druhu textu.
Ďalšou praktickou úlohou bola analýza slovotvorby v príbalových letákoch. Boli
skúmané slovotvorné konštrukcie pri podstantných a prídavných menách, pričom som
dospela k nesledujúcim záverom: pri podstatných menách sú v príbalových letákoch
dominantné zloženiny, predovšetkým viacnásobné zloženiny; pri prídavných menách sú
produktívne prevažne explictne odvodené slová a zloženiny s particípiami. Takéto
konštrukcie umožňujú vysoký stupeň zhustenia informácií, čo je pri príbalových
letákoch žiadané.
Analýza
ukázala,
že
takto
vzniknuté
slová
patria
vždy len
do
určitých
onomaziologických kategórií. Tie možno následne priradiť medicínskym kategóriám,
ktoré spomína I.Wiese: napr. Nomen actionis Hautentzündung z kategórie „symptómy“.
Už v úvode som spomenula, že táto téma a celá oblasť jazyka vedy je oveľa
rozsiahlejšia ako by sa na prvý pohľad zdalo. Počas písania práce sa objavilo niekoľko
- 72 oblastí a problémov, ktoré by mali byť určite rozpracované dôkladnejšie. Myslím tým
predovšetkým skúmania ďalších pomenovacích spôsobov v medicíne – dôkladné
preskúmanie motivovaných pomenovaní, viacslovných pomenovaní, príp. ustálených
slovných spojení v medicíne.
To, čo v rámci tejto práce nebolo možné analyzovať detailnejšie chápem samozrejme
ako tvorivý impulz do budúcnosti.
- 73 Literaturverzeichnis
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- 77 -
ANHANG
- 78 Liste der substantivischen WBK aus den untersuchten Packungsbeilagen
A
sAbbauprodukt
sAbführmittel
eAbheilung
eAbschwellung
eAbwehrreaktion
rACE-Hemmer
eACE-Hemmer-Behandlung
eAkne-Therapie
eAktivkohle
rAlkoholmissbrauch
eAlkohol-Vergiftung
rAllergietest
eAkutbehandlung
sAnionenaustauscherharz
sAnfallsleiden
eAnfangsdosis
sAngstgefühl
sAnstrengungsasthma
eAntibabypille
eAnwendungsbeschränkung
eAnwendungsdauer
rAnwendungsfehler
sAnwendungsgebiet
eAnwendungsvorschrift
eAppetitlosigkeit
eAppetitsteigerung
rAppetitzügler
eApplikationsstelle
rAromastoff
rArzneimittelabbau
eArzneimittelanwendung
sArzneimittelfieber
eArzneimittelkombination
eArzneimittelnebenwirkung
rArzneistoff
rAsthmaanfall
eAsthmabeschwerde
sAsthmamittel
eAtembeschleunigung
eAtembeschwerde
eAtemflussrate
eAtemluft
eAtemnot
rAtemnotanfall
eAtemstossstärke
Atemwege, nur Pl.
eAtemwegserkrankung
eAtemwegsobstruktion
rAtemwegswiderstand
rAugapfel
rAugeninnendruck
Augentropfen, nur Pl.
eAustrocknungskrankheit
sAuszugsmittel
eAutoimmunkrankheit
B
sBakterienwachstum
rBallaststoff
sBauchorgan
rBauchraum
rBauchschmerz
eBauchspeicheldrüse
eBeatmung
eBeclometason-Therapie
eBegleiterkrankung
eBegleittherapie
rBehandlungsbeginn
eBehandlungsdauer
rBehandlungserfolg
eBehandlungsmassnahme
rBehandlungsvorteil
eBehandlungsweise
sBeruhigungsmittel
sBetäbungsmittel
rBewegungsablauf
eBewusstlosigkeit
sBewusstsein
eBewusstseinstrübung
eBewusstseinsstörung
rBewsstseinsverlust
rBilirubin-Gehalt
sBindegewebe
eBindgewebserkrankung
eBindehautentzündung
rBindehautsack
eBlasenentleerung
eBlählunge
eBlähung
eBläschenbildung
rBlickkrampf
eBlutarmut
sBlutbild
eBlutbildung
eBlutbildveränderung
rBlutdruck
rBlutdruckabfall
rBlutdruckanstieg
eBlutdruckkrise
eBlutdrucksenkung
rBluterguss
rBlutfettwert
rBluthochdruck
sBlutgefäss
eBlutgerinnung
rBlutkaliumspiegel
sBlutkörperchen
eBlutmenge
sBlutplättchen
eBlutplättchenzahl
eBlutsenkungsgeschwindigkeit
rBlutspiegel
eBlutstauung
sBlutsystem
rBlutverlust
sBlutvolumen
eBlutwäsche
eBlutzelle
rBlutzellschaden
eBlutzuckerkontrolle
eBlutzuckersenkung
eBlutzuckerspiegelerhöhung
rBlutzuckerwert
rBotenstoff
rBronchialkrampf
Bronchialwege
eBruchrille
rBrustbereich
eBrustdrüse
rBrustkorb
rBrustschmerz
C
eChinidinausscheidung
rCholesterinspiegel
eCholesterinspiegelsenkung
rCholesterinwert
rCK-Ausgangswert
eCK-Erhöhung
rCKP-Wert
rCremebestandteil
D
eDarmbesiedlung
eDarmbewegung
eDarmdurchgangszeit
eDarmentzündung
rDarminhalt
eDarmlähmung
eDarmmuskulatur
eDarmsterilisation
- 79 eDarmträgheit
rDarmverschluss
eDarreichungsform
eDauerbehandlung
eDauertherapie
eDesensibilisierungstherapie
eDialysemembrane
rDickdarm
r,sDosierspray
eDosisanpassung
eDosiserhöhung
eDosierungsanleitung
eDosierungsanweisung
eDosierungsempfehlung
sDosierungsintervall
rDosierungsspielraum
eDosissteigerung
eDosisverminderung
rDrehschwindel
sDrüsenfieber
rDuftstoff
eDurchblutung
eDurchblutungsstörung
rDurchfall
eDurchfall-Behandlung
eDurchschlafstörung
rDünndarm
E
eEdetinsäure
eEinmaldosis
rEinnahmeabstand
sEinnahmeintervall
eEinnahmevorschrift
rEinnahmezeitpunkt
eEinschlafstörung
eEinzeldosis
rEisenmangel
sEisenpräparat
eEiweissausscheidung
EKG-Veränderung
rElektrolythaushalt
eElektrolyt-Lösung
eElektrolytstörung
rElektrolytverlust
eElektrolytverschiebung
eEmpfängnissverhütung
eEntleerungsstörung
eEntwässerung
eEntzündung
eEntzündungsreaktion
sErbrechen
eErlebnisreaktion
eErhaltungsdosis
eBluteindickung
eErnährungsstörung
sErscheinungsbild
eErschlaffung
F
rFarbstoff
eFettsäure
eFilmtablette
eFliessfähigkeit
sFlimmerhärchen
eFlimmerzelle
eFlüssigkeitsansammlung
eFlüssigkeitsaufnahme
rFlüsigkeitsmangel
rFlüssigkeitsraum
eFlüssigkeitsreserve
eFlüssigkeitsschicht
eFolgeerscheinung
eFolsäuremangel
sFortpflanzungsorgan
eFrühdyskinesie
rFrühlingskattarh
eFusidinsäure
G
eDarmstörung
eGeschwürbildung
rGesichtsbereich
sGesichtsödem
eGesichtsröte
eGesichtsrötung
eGesichtsschwellung
rGesundheitszustand
rGewebsschaden
eGewebeschwellung
eGewichtsabnahme
eGewichtskontrolle
eGewichtzunahme
rGichtanfall
sGichtmittel
eGiftentfernung
eGinkgolsäure
rGlaukompatient
eGrosshirnrinde
eGrunderkrankung
eGrundkrankheit
H
rHaarausfall
eHaarzunge
rHalsbereich
eGalactoserHals-Nasen-Ohren-Bereich
Unverträglichkeit
rHalsschmerz
eGallenblasenentzündung
eHarnausscheidung
eGallestauung
rHarnstein
rGallenstein
Harnwege, nur Pl.
sGallensteinleiden
eHauptbeschwerde
eGasbildung
eHarnsäureausscheidung
eGedächtnisstörung
rHarnsäuregehalt
eGefässbeteligung
rHarnsäurewert
eGefässentzündung
rHarnstoff
eGefässerkrankung
sHarnverhalten
eGefässerweiterung
eHarnzuckerbestimmung
rGefässkrampf
sHautantibiotikum
eGefässschwellung
eHautarznei
eGefässverengung
rHautausschlag
eGefässwand
sHautbild
eGefässweiten-Regulation
rHauteinriss
eGegenanzeige
eHautentzündung
sGegenmittel
eHauterkrankung
eGelbsucht
eHauterscheinung
eGelenkentzündung
sHautfett
eGelenkerkrankung
sHautheilmittel
eGelenkschmerzen
eHautinfektion
eGerinnungsfähigkeit
eHautirritation
sGesamtcholesterin
eHautoberfläche
rGesamteHautpflege
Cholesterinspiegel
eHautpflegemassnahme
rGesamtcholesterinwert
sHautproblem
- 80 eHautreizung
eHautrötung
rHautschaden
eHautverletzung
eHautunverträglichkeit
eHautverträglichkeit
rHautzustand
rHeilungsprozess
rHeilungsverlauf
eHeiserkeit
rHemmstoff
sHerzengegefühl
eHerzerkrankung
rHerzinfarkt
eHerzinnenhaut
eHerzinsuffizienz
sHerzjagen
eHerzkammer
rHerzklappenfehler
sHerzklopfen
eHerzkrankheit
sHerzkranzgefäss
eHerz-KreislaufNebenwirkung
rHerz-Kreislauf-Stillstand
eHerzleistungsschwäche
rHerzmuskel
eHerzmuskelerkrankung
eHerzmuskelschwäche
eHerzrhytmusstörung
eHerztätigkeit
rHirnschaden
rHerzschlag
eHerzschlagfrequenz
sHeuschnupfen
rHilfsstoff
sHirngefäss
rHistamin-Rezeptor
sHitzegefühl
eHitzewallung
rHIV-Protease-Hemmstoff
rHörverlust
rHormonhaushalt
eHornschicht
eHornzelle
I
sGeschmacksempfinden
eGeschmacksveränderung
sInnenohr
sInsektengift
eIntervallbehandlung
J
eIndikationsgruppe
eInfektanfälligkeit
eInfektionsneigung
sInhalationsgerät
eInhalationstherapie
rInhaltsstoff
rInjektionszweck
rLaborwert
eLaborwertänderung
rLactasemangel
rLageschwindel
eLangzeitanwendung
eLangzeitbehandlung
eLangzeittherapie
rJuckreiz
K
eKaliumausscheidung
eKaliumdiät
rKaliumgehalt
sKaliumpräparat
rKaliumverlust
eKaliumzufuhr
sKapillargefäss
eKapselhülle
rKehlkopf
eKehlkopfschwellung
rKetonkörper
rKieferbereich
rKiefermuskelkrampf
sKnochengewebe
sKnochenmark
eKochsalzlösung
rKohlenwasserstoff
eKonzentrationsstörung
eKörperflüssigkeit
sKörpergewebe
sKörpergewicht
eKörperzelle
rKonservierungsstoff
eKrampfader
rKrampfanfall
sKrankheitsbild
eKrankheitserscheinung
sKrankheitsgefühl
sKrankheitsgeschehen
eKrankheitsgeschichte
sKrankheitszeichen
eKreislauffunktion
eKreislaufstörung
sKreislaufversagen
eKreuzallergie
eKrustenbildung
L
eHautreaktion
eLeberentzündung
rLeberenzymwert
eLebererkrankung
eLeberfunktion
eLeberfunktionsparameter
sLeberkoma
rLeberschaden
eLeberstörung
sLeberversagen
rLeberwert
eLederhaut
eLeistungsstörung
eLangzeit-Therapie
sLeberenzym
eLebererkrankung
eLeberfunktionsprüfung
sLeberleiden
eLichtempfindlichkeit
rLipidgehalt
eLiposomen-Technologie
eLockerungsübung
eLuftnot
Luftwege
eLungenentzündung
sLungengewebe
eLungentuberkulose
eLutschpastille
eLymphgefässentzündung
eLymphknotenschwellung
sLymphsystem
M
eMagenbeschwerde
rMageneingang
sMagengeschwür
rMageninhalt
eMagen-Darm-Beschwerde
eMagen-Darm-Blutung
eMagen-Darm-Störung
rMagen-Darm-Trakt
sMagendrücken
eMagenentleerung
eMagenreizung
eMagenspüllung
eMagenstörung
rMagnesiumverlust
eMaisstärke
eMaisquellstärke
eMedikamentendosis
eMehrfach-Vergiftung
rMilchfluss
eMilchsäure
rMineralstoff
- 81 rMineralstoffverlust
eMissempfindung
eMittelohrentzündung
eMonatsblutung
rMundbereich
eMundschleimhautentzündung
eMundtrockenheit
eMuskelempfindlichkeit
eMuskelentspannung
rMuskelkrampf
eMuskelpumpe
rMuskelschmerz
eMuskelschwäche
eMuskelsteifigkeit
eMuskelverspannung
eMuskelzelle
N
eNahrungsaufnahme
rNarkosearzt
rNarkosebeginn
sNarkosemittel
rNasenansatzstück
sNasenbluten
rNasendach
eNasendusche
rNasenfluss
sNasenjucken
eNasenmaske
rNasenraum
eNasenschleimhaut
eNasenspülung
Nasenwege
rNatriumgehalt
rNatriummangel
sNatriumsalz
rNährstoff
eNebenhöhlenoperation
eNebenhöhlenwand
eNebenniere
sNebennierenmark
sNebennierenrindenhormon
eNebenhöhlenentzündung
eNebennierenrinde
eNebennierenrindenfunktion
rNebennieren-Tumor
eNebenwirkung
sNebenwirkungsrisiko
sNervensystem
rNesselausschlag
sNesselfieber
eNesselsucht
eNierenarterienverengung
eLebensmittelallergie
eLebensmittelunverträglichkeit
eNierenentzündung
eNierenerkrankung
eNierenfunktion
eNierenfunktionsschwäche
eNierenfunktionsstörung
eNierenleistung
rNierenstein
eNierenverpflanzung
sNierenversagen
rNormwert
eNotfallbehandlung
eNutzen-RisikoAbschätzung
eNutzen-RisikoAbwägung
sNutzen-RisikoVerhältniss
O
eOberhaut
rOberschenkel
sOhrensausen
sOhrgeräusch
sÖl-in-Wasser System
rÖl-in-Wasser Typ
eÖlsäure
eOrganschädigung
P
sPeak-flow-Meter
ePenicillinÜberempfindlichkeit
rPflanzeninhaltsstoff
ePflege-Emulsion
sPflegekonzept
r pH-Wert
ePhenytoin-Wirkung
rPilzbefall
ePilzerkrankung
ePotenzstörung
rPlasmaspiegel
rPrednisolonäquivalent
ePräparategruppe
rPräparatewechsel
eProthrombinzeit
Q
eQuaddelbildung
R
eRachenmandel
rRachenraum
rMineralstoffgehalt
sRheumamittel
eRissigkeit
rRückbildungsvorgang
eRückenmuskulatur
S
eSalbutamolanwendung
eSalicylsäure
eSalzsäure
rSauerstoffeinfluss
eSauerstoffmolekuelle
eSaugarbeit
sSäure-BasenGleichgewicht
eSehstörung
eSelbstbehandlung
rSerumkaliumspiegel
eSerumkrankheit
eSexualfunktionstörung
Schaufensterkrankheit
eSchädelblutung
rSchiefhals
eSchilddrüse
Schilddrüsenunterfunktion
eSchlafdauer
eSchlaflosigkeit
sSchlafmittel
eSchlafmittel-Vergiftung
eSchlafstörung
rSchlaganfall
eSchläfrigkeit
sSchleifendiuretikum
eSchleimabsonderung
eSchleimhaut
eSchleimhautentzündung
eSchleimhautoberfläche
sSchmerzmittel
eSchmerztablette
rSchmerzzustand
rSchüttelfrost
rSchwankschwindel
sSchwächegefühl
rSchweissausbruch
rSchweregrad
eSchwerhörigkeit
sSchwindelgefühl
rSchwindelzustand
sSpannungsgefühl
eSinnestäuschung
eSkelettmuskelzelle
eSkelettmuskulatur
sSollgewicht
sSonnenschutzpräparat
- 82 eSpeiseröhre
rSprosspilz
eSprosspilzbesiedlung
eStoffgruppe
rStofftransport
rStoffwechsel
eStoffwechselerkrankung
sStoffwechselprodukt
eStoffwechselstörung
eStuhlentleerung
eStuhlgangshäufigkeit
T
eTablettenentnahme
eTablettenmenge
eTagesgesamtdosis
eTageshöchstdosis
eTalgdrüsenproduktion
eTeilnahmslosigkeit
rTherapieabbruch
rTherapiehinweis
eTherapieunterbrechung
eTherapiemassnahme
eTränenflüssigkeit
eTriametern-Einnahme
eTrockenpulverformulierung
U
eReaktionsbereitschaft
eSpätkomplikation
sReaktionsvermögen
eReisekrankheit
eReizerscheinung
eRestharnbildung
eVerstopfungsbeschwerde
eVerträglichkeit
rVerwirrtheitszustand
eVorerkrankung
eVorschädigung
eVorstehdrüse
W
rWadenkrampf
eWasseransammlung
eWasserausscheidung
eWasser-in-Öl-Emulsion
eWasserresorption
eWasserstörung
rWasserverlust
rWärmehaushalt
eWechselwirkung
eWeichkapsel
eWirkkomponente
eWirksamkeitsstudie
rWirkstoff
eWirkstoffmenge
sWirkstoffteilchen
rUmrechnungsfaktor
eWirksubstanz
rUmwelt-Einfluss
eWirkungsabschwächung
sUnterhautfettgewebe
rWirkungseintritt
sUnterhautzellgewebe
eWirkungsverstärkung
eUnterfunktion
eWirkungsweise
sUnterlid
rWollwachsalkohol
rUnterschenkel
eWundrose
rUntersuchungsbefund
Z
rUrobilinogennachweis
rZahnbereich
eÜberdosierung
eZahnverfärbung
eÜberempfindlichkeitsrZellkern
erscheinung
eZellmembrane
eÜberempfindlichkeitsreaktion
sZentralnervensystem
V
eZuckerausscheidung
eVenenentzündung
eZuckerkrankheit
sVenenleiden
eZuckerunverträglichkeit
eVerdauungsbeschwerde
rZungen-Schlund-Krampf
eVerdauungsstörung
eZungenschwellung
rVerdauungstrakt
eZusatzmedikation
eVergiftung
eZyklusstörung
sVergleichspräparat
eVerhaltensstörung
eVerkrampfung
eVerschlusskrankheit
sVerschwommensehen
rVerstimmungszustand
- 83 eVerstopfung
- 84 -
Liste der adjektivischen WBK aus den untersuchten Packungsbeilagen
A
abführend
allergen
alkalifrei
alkoholisch
altersabhängig
altersbedingt
aluminiumhaltig
analgetisch
anaphylaktsch
angeboren
androgenbedingt
androgenetisch
Angina-pectoris-artig
antiallergisch
antiandrogen
antibakteriell
antientzündlich
antipyretisch
apothekenpflichtig
arzneilich
ärztlich
asthmaähnlich
atemdepressiv
atemtätigkeitsunterdrückend
atemwegserweiternd
atemzugausgelöst
B
bakteriell
bakterienhemmend
ballaststoffreich
behandelt
behandlungsbedürftig
bestimmungsgemäß
blutdrucksenkend
blutdrucksteigend
blutgerinnungshemmend
blutig-schleimig
blutverdünnend
blutzuckersenkend
bösartig
Bronchialschleim-fördernd
C
chemotherapeutisch
Cholesterin-senkend
chronisch
codeinhaltig
D
dermatologisch-ästhetisch
diabetisch
dickflüssig
dosisabhängig
duftstofffrei
dyskinetisch
E
ebryotoxisch
eingeschränkt
einnahmefrei
eisenhaltig
empfindlich
empfänglissverhütend
entwässernd
entzündlich
entzündungshemmend
entzündungsverursachend
enzymatisch
epidemiologisch
epileptisch
ererbt
erhöht
erblich
erkrankt
erosiv
extrapyramidal
extrapyramidalmotorisch
F
fachärztlich
falsch-negativ
faserreich
FCKW-haltig
fettähnlich
Fett-senkend
feuchtigkeitsspendend
fieberhaft
fiebersenkend
fortschreitend
G
gastrointestinal
gebärfähig
gefässabdichtend
gefässerweiternd
genetisch
geringgradig
gerinnungshemmend
gesättigt
gesteigert
gutartig
H
harnpflichtig
harnsäureausscheidend
harnsäuresenkend
harntreibend
hautberuhigend
hautfreundlich
hautverträglich
hämolytisch
hämorrhagisch
herzschädigend
herzwirksam
heuschnupfenartig
H+-Ionenpuffernd
hirnorganisch
hochdispers
hochdosiert
hochwirksam
hormonabhängig
hormonell
hormonhaltig
hustendämpfend
Hustenreiz-dämpfend
hustenstillend
hyperreaktiv
I
infektionsbedingt
intrakraniell
intramuskulär
intravenös
J
jodhaltig
jod-überempfindlich
K
kaliumarm
kaliumausscheidend
kaliumsparend
keimtötend
klinisch
knochenmarkschädigend
kochsalzarm
komatös-letal
kontinuierlich
koronar
konzentrationsabhängig
körpereigen
körperwarm
- 85 dämpfend
darmregulierend
depressiv
krisenhaft
kurzwirksam
L
glukokortikoidüblich
grippal
großflächig
reizend
rezeptfrei
S
labordiagnostisch
langanhaltend
lebensbedrohlich
lebensnotwendig
lebenswichtig
linksventrikulär
linolsäurehaltig
lipidarm
lipidsenkend
Lupus-ähnlich
M
salinisch
salzarm
salzhaltig
säurebedingt
schädlich
schlafstörend
schmerzfrei
schmerzhemmend
schmerzlindernd
schmerzstillend
schwangerschaftsverhindernd
schwangerschaftsverhütend
sedierend
sekretdurchlässig
selbstgekauft
steroidabhängig
steroidal
silberhaltig
stickstoffhaltig
stimmungsaufhellend
supraventrikulär
symptomatisch
synthetisch
systemisch
T
magensaftresistent
magensäurebindend
magenverträglich
medizinisch
Metoclopramid-haltig
migräneartig
minderempfindlich
Monoaminoxidasehemmend
muskelkrampflösend
müdemachend
N
natriumarm
natriumdefiniert
nekrotisierend
nephrotoxisch
nervenschädigend
nervös
nesselartig
neuroleptisch
niedrigdosiert
nierenschädigend
O
operativ
oganisch
oxidativ
oxyethyliert
P
Phenoxymethylpenicillinempfindlich
plazentagängig
prolaktinabhängig
pseudomembranös
psychomotorisch
tachykard
therapeutisch
thromboembolisch
thyreostatisch
tierexperimentell
tödlich
tuberkulostatisch
U
unempfindlich
ungesättigt
überempfindlich
V
varikös
verflüssigt
vegetativ
vermehrt
vermindert
verordnet
krampfartig
krankhaft
krankheitserregend
vorgeschädigt
vorübergehend
vorgeschrieben
W
wärmedurchlässig
wirksam
Z
zahnärztlich
zellschädigend
zentraldämpfend
zentralnervös/
zentral-nervös
zyklusspezifisch
- 86 PVP-Jod-beständig
Q
quecksilberhaltig
R
reaktionsfähig
verschreibungspflichtig
verschrieben
verträglich
visomotorisch
vorbelastet
- 87 Martin Lambeck
Harter Test für sanfte Heiler
Elektroakupunktur, angewandte Kinesiologie, Bioresonanztherapie: Selbst hoch
gebildete Menschen vertrauen esoterischer Pseudomedizin. Obwohl deren Wirkung
unbewiesen ist. Ein Aufruf.
Tests von Medikamenten - normalerweise macht man die vor der Zulassung oder
während der Herstellung, nicht erst unmittelbar vor der Einnahme. So glaubte ich
zumindest. Bis mehrere meiner Bekannten, die ich keineswegs für dumm oder
leichtgläubig halte, mir von Ärzten vorschwärmten, die mit Hilfe von »physikalischen
Methoden« angeblich herausfinden, welches Medikament bei ihren Patienten am besten
wirkt. Ich wunderte mich, fing an zu recherchieren, schrieb ein Buch darüber: Irrt die
Physik? Über alternative Medizin und Esoterik. Das war im Herbst 2003.
Heute bin ich skeptischer denn je. Drei Ärzte - nennen wir sie X, Y und Z hatten mich auf mein Buch hin eingeladen, um mich von der Wirksamkeit ihrer
Behandlung zu überzeugen.
Beim Ersten von ihnen muss man als Patient monatelang auf einen Termin warten.
Wir trafen uns an einem Sonntag. Für unser Experiment untersuchte er mich etwa sechs
Stunden an Händen und Füßen. Drei Akademiker, darunter ein ranghoher Beamter, die
sich seit Jahren von X erfolgreich behandeln lassen, wirkten als Zeugen bei den Tests
mit - sachlich und fair.
Ich saß als Versuchsperson auf einem Stuhl. Das fragliche Messgerät von der Größe
einer Schreibmaschine hatte zwei elektrische Leitungen: Eine führte zu einer Elektrode
in meiner linken Hand, die andere zu einem Taststift. Den drückte der Arzt X
nacheinander auf zahlreiche Punkte meiner Hände und Füße, die als Akupunkturpunkte
gelten. Ein Zeigerinstrument stellte den elektrischen Widerstand dar. Simpel. Die
Besonderheit dieses Verfahrens, das Reinhold Voll 1956 erfunden hat (daher die
Bezeichnung Elektroakupunktur nach Voll, kurz »EAV«), besteht darin, dass das Gerät
mit einer »Messwabe« ausgestattet ist: einem Metallzylinder mit Bohrungen zur
Aufnahme von Glasampullen. Sie werden in die Messwabe gesteckt wie Patronen in die
Trommel eines Revolvers.
X hat einen ganzen Schrank voller Medikamente-Ampullen. Die »EAV«-Anhänger
behaupten, die Proben würden »Schwingungen« aussenden, die mit den
»Schwingungen« der Krankheiten im Körper des Patienten in Resonanz träten. Bei
seinen Patienten stellt X zuerst mittels »EAV« jene Ampullen fest, die zur Krankheit
des Patienten passen, und legt diese dann in den »Übertrager«: Auf dessen linker Seite
befindet sich ein Teller aus Kupfer von der Größe einer Untertasse - hier liegen die
Medikamente-Ampullen. Auf der rechten Seite befindet sich ein ähnlicher Teller aus
Aluminium. Auf diesem liegt eine gläserne Ampulle mit Kochsalzlösung. Auf dem
Kasten befinden sich drei Einstellräder, je eins für die homöopathischen Potenzen D, C
und Q. In der hier eingestellten Stärke überträgt das Gerät angeblich die
»Schwingungen« der linken Ampullen auf die rechte Ampulle. Diese nehme die
»Information« auf, so die Behauptung, daher müsse dem Patienten bloß die
Kochsalzlösung gespritzt werden. X war von dem Apparat ganz begeistert und erzählte,
dass er umgerechnet 3500 Euro gekostet habe.
Einen ähnlichen Medikamententest gibt es beim Verfahren der »Bioresonanz«.
Problematisch finde ich als Physiker die Messwabe, denn nach gegenwärtigem
Kenntnisstand kann ein Medikament in einer geschlossenen Ampulle weder eine
Reaktion im Körper des Patienten, noch eine Änderung des Zeigerausschlags
hervorrufen. Auch am »Übertrager« zweifle ich. Ich kenne keinen Mechanismus, der
den vermeintlichen Übertragungseffekt bewirken könnte. In der Praxis von X versuchte
ich vergeblich, den Kasten zu öffnen. Wenn dieser »Übertrager« funktionieren sollte,
müssten Physik und Chemie radikal geändert oder erweitert werden - eine Revolution in
- 88 der Elektrotechnik wie seit der Erfindung des Transistors nicht mehr. Doch je radikaler
eine Behauptung, desto skeptischer sollte man damit umgehen. Bei X kam ich mir vor
wie im absurden Theater.
Elf Krankheiten, darunter Parasiten in der Galle, Spulwürmer im Dünndarm und ein
Vorstadium von Dickdarmkrebs, »diagnostizierte« Arzt X bei mir - und wollte die
Medikamente dagegen ebenfalls per EAV ermitteln. Statt darauf einzugehen, schlug ich
Plausibilitätsversuche vor.
Wir einigten uns auf die Methode »Eins aus Zehn«: X konnte die Messwabe nicht
sehen. Einer der Zeugen stellte sich mit einer Ampulle, deren intensive Wirkung auf
mich vorher »ermittelt« worden war, vor die Messwabe und gab ein Klopfzeichen. X
untersuchte mich daraufhin und beobachtete den Zeiger, um festzustellen, ob der Gast
die Ampulle in die Messwabe gesteckt hatte oder nicht. Bei zehn Anläufen steckte die
Ampulle dabei nur einmal drin. Und siehe da, X lag daneben. Ein zweiter Versuch,
hoffte er, werde mich überzeugen. Wieder Fehlanzeige. Am folgenden Sonntag wurde
dann per »Eins aus Zehn«-Versuch geprüft, ob der EAV-Arzt erkennen konnte, welche
von zehn Kochsalzampullen mittels »Übertrager« bestrahlt worden waren. Lauter
Fehlschläge! Vergleich meiner Plausibilitätsprüfung: Wer würde sich aufgrund einer
EKG-Diagnose behandeln lassen, wenn der Arzt nicht einmal feststellen kann, ob der
Patient überhaupt an das Gerät angeschlossen ist?
Als ich auf Einladung der Berliner Zahnärztekammer einen Vortrag über alternative
Medizin und Esoterik hielt, berichteten mir anschließend zwei Zahnärztinnen: Viele
Patienten kämen zu ihnen, um sich aufgrund einer EAV-Diagnose gesunde Zähne
ziehen zu lassen, in einem Fall sogar alle Zähne. Eine der beiden Ärztinnen sagte, sie
habe die Wünsche der Patienten erfüllt. Die andere berichtete, sie habe sich geweigert jedenfalls meistens.
Die Ärztin Y führte mir ein Gerät vor, das ähnlich wie EAV funktioniert, aber von
einer anderen Firma hergestellt wird. Sie untersuchte mich ausführlich an Händen und
Füßen und stellte interessante Einzelheiten über meine »Leber- und
Pankreasmeridiane«, meine Gallenblase und meinen »Energiemangel« fest. Ich erhielt
ein umfangreiches, farbig gedrucktes Messprotokoll meiner »Meridianwerte«. Ein
Medikamententest war aber nicht möglich - die zugehörige Software war noch nicht
eingetroffen.
Der Prospekt des Gerätes erklärte dessen Wirkungsweise mit der Quantenphysik,
zwei Heisenberg-Zitaten, einer »Gravitationswelle mit 20-facher Lichtgeschwindigkeit«
und einer »stehenden Vakuumkompressionswelle im hyperbolisch-logarithmischen
Maßstab«. Offenbar spekulierte der Verfasser auf das weit verbreitete Missverständnis,
die Quantenphysik erlaube jede beliebige Behauptung.
Der Arzt Z wollte mich von der Richtigkeit der »angewandten Kinesiologie«
überzeugen. Auch er verfügte über eine umfangreiche Sammlung von Ampullen mit
unterschiedlichen Substanzen. Ich musste jeweils eine Ampulle mit meiner linken Hand
auf meinen Bauch unterhalb des Nabels halten und den rechten Arm horizontal
ausstrecken. Diesen drückte Z mit seiner Hand herunter. Manchmal gelinge ihm dies
nur mit großer Kraft, manchmal mit geringer, sagte er. So stellte er eine »Allergie gegen
Kuhmilchfett« fest, keine aber gegen Roggen. Auch Z stimmte einer
Plausibilitätskontrolle zu. Ich hielt die Kuhmilchfett- und Roggen-Ampulle hinter
meinen Rücken, vertauschte sie so oft, bis ich selbst nicht mehr wusste, welche ich in
der Hand hatte, legte eine weg und hielt die andere vor meinen Nabel (»Eins aus Zwei«Test). Z tippte aufgrund meiner Armkraft darauf, welche ich vor meinem Nabel hielt.
Falsch. Wiederholung, wieder falsch. Das noch ein paarmal. Z landete nur
Zufallstreffer. Erneut die Frage: Wie kann man sich nur auf Grundlage so einer
Diagnose behandeln lassen? Solche wunderlichen Verfahren gibt es in vielerlei
Variationen. Andere Ärzte schreiben die »Information« der Medikamente auf
Magnetkarten (ähnlich Scheckkarten), die der Patient am Leib tragen soll.
- 89 Inzwischen habe ich erfahren, dass mit der Barmenia eine private
Krankenversicherung die Kosten einer EAV-Behandlung bezahlt. Hier geht es also
nicht mehr nur um einige Ärzte, sondern um das Gesundheits- und
Wissenschaftsverständnis in Deutschland.
Ich verallgemeinere die Erfahrungen aus meinen Recherchen zu einer These, die im
Gegensatz zur angenommenen Wirkung von »Schwingungen« der Medikamente auf
»Schwingungen« im Körper steht. Meine These lautet: Es ist nicht möglich, die
medizinische Wirkung von Medikamenten, Nahrungsmitteln und Zahnersatzmaterialien
mittels »angewandter Kinesiologie«, »EAV«, »Bioresonanz« oder ähnlicher Verfahren
zu testen. (Einzige Ausnahme: Der Patient hat zu der Substanz in der Ampulle
emotionale Bindungen wie ein Diabetiker zu Zucker oder ein Alkoholiker zu Alkohol.
Das könnte zu einer psychischen Reaktion führen, wenn er vom Inhalt der Ampulle
erfährt.)
Meine These ist eine »Unmöglichkeitsaussage« und damit die wissenschaftlichste
Form einer Behauptung, weil man sie durch ein einziges Gegenbeispiel widerlegen
kann. Falls meine These falsch wäre, würde diese Einsicht radikale Erweiterungen der
Physik und Medizin erzwingen. Kurzum, sie wäre die Grundlage für mehrere
Nobelpreise. Wenn meine These richtig ist, sollte man die Anhänger der esoterischen
Medizin deshalb nicht lächerlich machen. Die Schulmedizin sollte ernsthaft erforschen,
woher die scheinbaren und tatsächlichen Erfolge der EAV-Freunde stammen.
Je radikaler eine Behauptung, desto skeptischer sollte man damit umgehen. Auch ich
kann meine These nicht allein auf meine Erfahrungen mit drei Ärzten stützen. Ich bin
bereit, mich vor Publikum an Händen, Füßen und Armen untersuchen zu lassen, um
meine These zu prüfen. Praktizieren Sie »EAV«, »angewandte Kinesiologie«,
»Bioresonanz« und so fort? Beweisen Sie mir, dass Ihre Verfahren funktionieren, bevor
Sie gutgläubigen Patienten schwere Krankheiten diagnostizieren oder ihnen die Zähne
ziehen
lassen!
?
- 90 -
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