Universität Trier SS 2009 Fachbereich I, Philosophie Proseminar: Kognitive Ethologie Dozent: Thomas Hoffmann M.A. Protokollantin: Nina Weidenbach Stundenprotokoll zur Sitzung am 22.05.09 Text: „Conscious Chimpanzees? A Review of recent literature“, Alison Jolly 1.1 Überblick Zu Anfang der Sitzung wird Jollys Anliegen erarbeitet, der Grund, warum sie den Aufsatz geschrieben hat und ihre Vorgehensweise. Jolly fasst verschiedene Experimente, die mit Affen gemacht wurden zusammen, und wertet sie mit dem Ziel aus zu zeigen, dass das Verhalten von Affen menschlichem Verhalten oft ähnelt. Als Merkmale nennt sie zum Beispiel Selbstwahrnehmung, Planen und symbolisches Spielen („symbolic play“). 1.2 Zum Begriff Bewusstsein Jolly geht davon aus, dass sich unsere kognitiven Fähigkeiten aufgrund von evolutionären Vorgängen herausbildeten. Sie vertritt also einen sehr biologisch-wissenschaftlichen Standpunkt. Ein solcher Standpunkt scheint die Annahme zu implizieren, dass kognitive Entwicklung bzw. Bewusstsein durchgängig wissenschaftlich erforschbar sind. Wenn man davon ausgeht, dass der Mensch eine Weiterentwicklung des Affen sein könnte, gewinnt die Forschung an Affen einen ganz anderen Stellenwert. Falls sich Ähnlichkeiten zwischen menschlichem Verhalten und Verhalten bei Affen zeigen lassen, wirft das für Jolly also auch ethische Fragen auf. An dieser Stelle geht Herr Hoffmann kurz auf die Philosphiegeschichte ein und dabei besonders auf Descartes und Kant, die Bewusstsein nicht als etwas, das sich vollständig aus technischen, biologischen Phänomenen entwickelt hat ansahen, sondern Bewusstsein eine gewisse Eigenständigkeit zuschrieben, die durch rein wissenschaftliche Betrachtung nicht erfasst wird [Beispiel: Hirnforschung; alle Vorgänge werden systematisiert und auf biologische Vorgänge „reduziert“, dabei kann man etwa einen Wunsch/eine Intention (zumindest dem Inhalt nach) in dem Sinne nicht neuronal feststellen]. Jolly gibt nur eine sehr vage Definition von Bewusstsein, die sie anhand zweier Hauptmerkmale präsentiert: 1) Bewusstsein als die Fähigkeit Handlungsabsichten modifizieren zu können und um die Bedeutung der Handlungen zu wissen. Bewusstsein wird hier als eine Art Zielgerichtetheit betrachtet, als die Möglichkeit Handlungsabsichten aufgrund einer neuen Situation anzupassen oder sich Alternativen zu „überlegen“. Sie bezieht sich dabei auf John H. Crook, der in dieser Fähigkeit einen klaren evolutionären Vorteil sieht. Bezogen auf Affen wäre dies zum Beispiel die Fähigkeit auf raffinierte Weise an ihr Futter zu kommen bzw. Futter zu sehen und den Weg dorthin zu planen. Das Affen zu weit mehr in der Lage sind, wird später in der Sitzung noch erläutert. 2) Bewusstsein als die Fähigkeit, ein Verhaltensgefüge zu erkennen; Verhalten zu zeigen, das das Wissen, dass es andere handelnde Wesen gibt, impliziert. In der Sitzung wird daraufhin kurz die Frage behandelt, woher die Entwicklung einer Einsicht kommen könnte, die impliziert, dass Artgenossen ebenfalls denken und sich auf eine gewisse Art und Weise verhalten. Beim Menschen ist dieses Verhalten ganz selbstverständlich, doch wie sieht es bei Tieren aus? Herr Hoffmann äußert an dieser Stelle Kritik an rein biologisch, evolutionären Erklärungen, die kognitive Vorgänge, Verhaltensweisen etc. auf einer Linie ansiedeln. Er führt an, dass etwa der Vorgang im individuellen, subjektiven Denken anzunehmen, dass es noch andere denkende und handelnde Artgenossen oder Lebewesen gibt, sicherlich auf einer anderen Ebene anzusiedeln ist, als die bloße evolutionäre Entwicklung einer Kralle oder ähnlichem. Aufgrund dieser Kritik wird eine weitere allgemeine Frage angeschnitten: Schreiben wir Tieren aufgrund mancher Verhaltensweisen vielleicht Absichten oder „Denken“ zu, die in Wirklichkeit nur aufgrund des Reiz-Reaktions-Prinzips passieren? Und wenn ja, warum tun wir das? Manche Interpretationen tierischen Verhaltens entstammen möglicherweise „aus“ uns und entsprechen nicht der objektiven Wirklichkeit. Bei der Frage, warum wir bei einigen Tieren oder Tierarten eher bereit sind Absichten/Denken/Bewusstsein zu unterstellen, konnte sich der Kurs nicht wirklich einigen. Anscheinend lässt sich dieses Verhalten nicht nur auf rein wissenschaftlicher Ebene erklären, sondern hat auch etwas mit der (emotionalen) ‚Bindung‘ zum Tier zu tun. Es kam zur Sprache, dass Jolly offenbar Bewusstsein von Aufmerksamkeit und Wahrnehmung unterscheidet. Für sie scheint Leben nicht zwangsläufig subjektives Erleben zu implizieren, sondern könnte bei gewissen Tierarten auch „bewußtlose“ Reiz-Reaktion-Struktur sein. Ihre Intention ist natürlich nicht zu zeigen, dass Affen schlicht Reiz-Reaktion-mäßig reagieren, im Gegenteil. Trotzdem trifft sie diese Unterscheidung, die Herr Hoffmann zu der Kritik veranlasst, dass etwa Aufmerksamkeit doch offenbar einen emotionalen Reizzustand impliziert, der für jemanden etwas ist. Heißt: Machen etwa Schmerzempfindungen nicht nur Sinn, wenn man von einer Selbstbezüglichkeit ausgeht, die wiederum Selbstreflexivität vorauszusetzt? => kann Wahrnehmung aus dem Begriff Bewusstsein völlig heraus genommen werden? 1.3 Merkmal Planen Eine Unklarheit in dem streckenweise doch recht schwierigen Text war die Frage, ob den Schimpansen im Experiment (siehe Text) ein Video von ihnen selbst gezeigt wurde oder ob sie sich einfach im Bildschirm des Fernsehers spiegelten und erkannten. Frau Spiegelhalter äußerte außerdem den Einwand, dass die Reaktion, dass der Affe auf den Bildschirm sah, nicht ausreichend für den Beweis der Selbsterkenntnis ist. Die Missverständlichkeit im Text wurde dann geklärt, offensichtlich befand sich eine Kamera im Käfig, die die Affen live auf ein Fernsehgerät „übertrug“. Ein weiteres Verhaltensmerkmal, welches Jolly untersucht, ist das Prinzip der Planung. Affen sind dazu offensichtlich in der Lage, zum Beispiel bei der Futterbeschaffung (Beispiel: Affen ‚dachten‘ an Nüsse, machten sich auf den Weg und nahmen Werkzeuge mit, um an das Futter zu kommen -> Handlungsabsicht, Planungsverhalten!) Jolly will Kritikern zuvor kommen, die der Meinung sind, dass man Schimpansen aufgrund der offensichtlichen Ähnlichkeiten zum Menschen eher gewisse Fähigkeiten zuschreibt oder zuschreiben will. Ihr Beispiel dafür ist das der Weberameise, die für ihre Larven eine Art Nest baut. Mit der Weberameise hat der Mensch keine offensichtliche Ähnlichkeit, wenn man bei diesem Tier also bestimmte kognitive Fähigkeiten nachweisen könnte, wäre laut Jolly der Vorwurf dem Tier diese Fähigkeiten (aufgrund der Ähnlichkeit zum Menschen) zuschreiben zu „wollen“, entkräftet. Dieser Beweis rief im Kurs jedoch Kritik hervor, denn jede Weberameise zeigt dieses Verhalten, es scheint sich also auf das schlichte Reiz-Reaktion-Prinzip zurückführen zu lassen. Liegt das Problem nicht vielmehr darin, dass man individuelles tierisches Verhalten (wie zum Beispiel der Orang-Utan im Zoo, der morgens Steine einsammelte um mittags Menschen damit zu bewerfen) mit dem regelmäßigen, automatisierten Reiz-Reaktion-Prinzip nicht erklären kann? Unterstellt man bestimmten Tierarten wie zum Beispiel Affen nicht vielmehr deshalb individuelle Absichten? Diese Fragen führten im Kurs zu einer Diskussion darüber, inwiefern persönliche Bezüge bei Interpretationen tierischer Verhaltensweisen eine Rolle spielten. 1.4 Merkmal Symbolisches Verhalten Jolly führt verschiedene Versuche an, die zeigen, dass Affen zu der Entwicklung komplexer Vorstellungen fähig sind (Bsp. pulltoy) und gewisse Wünsche oder Sehnsüchte verarbeiten können. Sie kommt zu dem Schluss, dass wir die Möglichkeit komplexer Vorstellungen bei Affen nicht ausschließen können. Zum Schluss werden noch kurz die Versuche/Beobachtungen besprochen, die Jolly anführt um zu zeigen, dass Affen sowohl zu spielerischem Verstecken als auch zu taktischem Verbergen fähig sind.