Bewusstsein (europäisches)

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Staatliches Studienseminar für das Lehramt an beruflichen Schulen
Prüfungsjahrgang 2004
Referendarsgruppe B
Christian Brunner
Methodisch-didaktische Fachbegriffe der Berufspädagogik
Bewusstsein (europäisches)
1. Das gemeinsame historische Erbe
Bei der Frage nach einem europäischen Bewusstsein im Zusammenhang mit einem
gemeinsamen historischen Erbe ist ein Zitat von Ortega y Gassets von 1929 zu nennen:
„Machten wir heute eine Bilanz unseren geistigen Besitzes..., so würde sich
herausstellen, daß das meiste davon nicht unsrem jeweiligen Vaterland, sondern dem
gemeinsamen europäischen Fundus entstammt. In uns allen überwiegt der Europäer
bei weitem den Deutschen, Spanier, Franzosen (...): vier fünftel unserer inneren Habe
sind europäisches Gemeingut.“ 1
Der gemeinsame europäische Fundus basiert dabei z.B. auf das Christentum, die europäische
Sprachfamilie oder das klassische Erbe (Philosophie).
Im bisherigen europäischen Einigungsprozess seit Mitte des 20. Jahrhunderts wurden vor
allem im Bereich der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik große Fortschritte
gemacht. Als Beispiel ist hier die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung, dem
Euro, genannt. Damals bestanden in der Bevölkerung vielerorts Befürchtungen der Euro
könnte zum eigenen Nachteil gereichen. Von vielen Menschen wurde gefordert die alte
Währung beizubehalten.
Falls Europa heute seine Attraktivität zu verlieren scheint, so könnte dies auch an dem
mangelnden Bewusstsein und Einsatz der Bürger Europas für das europäische Projekt liegen.
Deshalb ist es nötig ist dem Bewusstsein für Europa immer wieder neue Anstöße zu geben.
Möglich ist dies u. a. im Unterricht an beruflichen Schulen.
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2. Europäisches Bewusstsein im Unterricht
Die EG- Bildungsminister gaben in ihrer „Entschließung zur europäischen Dimension im
Bildungswesen“ aus dem Jahr 1988 u.a. als Ziel an,
„das Bewusstsein der jungen Menschen für die europäische Identität zu stärken und
ihnen den Wert der europäischen Kultur und der Grundlagen, auf welche die Völker
Europas ihre Entwicklung heute stützen wollen, nämlich insbesondere die Wahrung
der Grundsätze der Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit und der Achtung der
Menschenwürde (...) (nach Mickel, 1999, S. 641)
Um dies im Unterricht umzusetzen wurde die
-
„ausdrückliche Einbeziehung der europäischen Dimension in die Lehrpläne aller
dafür geeigneten Fächer (...),
-
die Erstellung entsprechender Lernmaterialien,
-
die Lehreraus- und –fortbildung,
-
der Lehrer- und Schüleraustausch usw.
angeführt. (nach Mickel, 1999, S. 642)
3. Europäisches Bewußtsein erfordert Basiswissen
Um ein europäisches Bewusstsein entwickeln zu können ist es erforderlich ein gewisses Mass
an Basiswissen über Prozess der europäischen Integration mitzubringen. Deshalb muss es im
Unterricht Ziel sein zunächst ein bestimmtes europäisches Grundwissen zu vermitteln. Dazu
gehören:
-
Historische und politische Zusammenhänge, die zur Gründung der europäischen
Gemeinschaft führten
-
Grundkenntnisse über
die
Institutionen der europäischen Union, deren
Entwicklung und Probleme
-
Tätigkeitsbereiche und Kompetenzen der Europäischen Union in bestimmten
Politikfeldern (nach Mickel, 1999, S 640)
Um ein europäisches Bewusstsein zu entwickeln muss die Notwendigkeit einer europäischen
Einigung stets erneut legitimiert werden, da es auch in Zukunft immer wieder einschneidende
nationale Veränderungen geben wird. Auch aus diesem Grund ergeben sich didaktische
Erfordernisse die als Grundlage europabezogenen Lernens angesehen werden können:
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-
„die Notwendigkeit der Vermittlung eines theoretischen Gerüsts zum Verständnis
der Unterschiede zwischen herkömmlicher nationaler Politik und multinationaler
Politik in einer kleiner werdenden Welt mit Blick auf die universellen Vorteile und
Risiken,
-
das
Aufzeigen
der
politischen,
wirtschaftlichen
und
gesellschaftlichen
Bedingungen
-
großräumiger regionaler Systeme als Voraussetzung des Überlebens in Freiheit,
-
die Einsicht in qualitativ neue Formen übernationaler Willens- und
Entscheidungsbildung im zunehmenden Maße unter multikulturellen Aspekten,
-
das Verständnis für den weiteren Verlust von nationaler Staatlichkeit.“
(Sander, 1997, S. 425)
4. Methodische Ansätze
Um der europäischen Dimension im Politikunterricht gerecht zu werden, muss das ganze
europäische Feld abgedeckt werden. Das heißt, dass problemorientiert nach einer Lösung von
vorgegebenen Fällen gesucht werden soll. Probleme müssen aus verschiedenen Blickwinkeln
betrachtet werden um sie dann ausführlich diskutieren zu können. Sachverhalte müssen aus
unterschiedlichen nationalen, oder fachlichen Perspektiven bearbeitet werden.
Hierbei empfiehlt sich vor allem die Bearbeitung von Zeitungsartikeln und Verträgen zum
Thema. Das selbständige erarbeiten von Hintergrundinformationen, als Grundlage für eine
Diskussion oder ein Rollenspiel, sollte ein grundsätzlicher Bestandteil sein.
Interesse wird bei diesem, doch eher trockenem Thema, am ehesten durch persönliche
Betroffenheit geweckt. (nach Mickel, 1993, S. 76)
Beispiele für unterschiedliche Methoden könnte, die Meta-Plan-Technik, Planspiele,
Befragungen, Pro- und Contra-Diskussionen, Fall-Beschreibungen, ein Hearing oder die
Zukunftswerkstatt sein. So können in der Zukunftswerkstatt auf der Basis der konkreten
europapolitischen Erfahrungen persönliche und utopische Modelle für die Zukunft Europas
entwickelt werden. Bei einem Hearing können, u.a. durch die Identifikation mit einem
Rollenträger, Problemfelder erarbeitet werden und bei einer Diskussion müssen sich die
Teilnehmer mit verschiedenen Informationen kritisch auseinandersetzen. Reportage und
Befragung dienen dazu sich ein Meinungsbild zu erstellen. (nach Rappenglück, 1997, S. 167)
Als eine weitere praktische Aktivität kommt auch noch ein Projekt bzw. eine Projektwoche in
Frage, die sich z. B. mit dem Frieden durch Europa beschäftigt.
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„Auf diese Weise sollen gemeinsame Denkstrukturen zu internationalen und interkulturellen
Themen entwickelt und nationale Wahrnehmungsmuster relativiert werden.“ (Mickel, 1993,
S. 193)
Literatur:
Mickel, W.: „Lernfeld Europa“, 1993
Mickel, W.: „Handbuch zur politischen Bildung“, Bonn, 1999
Rappenglück, S.: „Europa neu gestalten“, München, 1997
Sander, W.: „Handbuch politische Bildung, Schwalbach, 1997
1
: http://www.lehrerverband.de/europa.htm
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