Antworten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf die Wahlprüfsteine des Deutschen Diabetiker Bundes anlässlich der Bundestagswahl 2013 __________________________________________________________ ______ 1. Wahlbaustein: Hat sich die Versorgungssituation für Diabetiker in den vergangenen Jahren verschlechtert? Mir liegen keine Informationen darüber vor, dass sich die Versorgungssituation verschlechtert hat. Vor allem zwischen 1998 und 2005 – der Amtszeit der rot-grünen Bundesregierung - hat sich in der Versorgung von Diabetes-Kranken einiges getan. Die damals eingeführten Behandlungsprogramme für Typ-1- und Typ-2-Diabetes haben die Behandlung verbessert. Die mittlerweile über 3,6 Millionen eingeschriebenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten eine qualitätsgesicherte und aufeinander abgestimmte Arzneimitteltherapie. Zudem nehmen sie häufiger an Kontrolluntersuchungen und Schulungen teil als Patientinnen und Patienten außerhalb dieser Programme. Deutlich verbessert wurde auch die Qualität der medizinischen Fußpflege, die für viele Diabetikerinnen und Diabetiker so wichtig ist. Diese wurde 2003 mit dem Podologengesetz von der kosmetischen Fußpflege abgegrenzt. Seitdem werden die Podologen als medizinischer Fachberuf behandelt und ihre Leistungen auch von den Krankenkassen finanziert. Für die wachsende Zahl von chronisch kranken Patientinnen und Patienten ist in den letzten Jahren unter der Regierung von CDU und FDP wenig passiert. Ernst zu nehmende Vorstöße für mehr Prävention sowie für mehr Kooperation und Koordination im Versorgungsalltag hat es leider von ihnen nichtgegeben. 2. Wahlbaustein: Was muss sich ändern, damit Diabetiker die notwendige medizinische Versorgung erhalten? Wir brauchen wieder eine Bundesregierung, die die Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen ganz oben auf ihrer Agenda hat. Prävention von Erkrankungen und bessere Information von Diabetikern ebenso wie die Weiterentwicklung anhand der fachlichen Standards müssen vorangebracht werden. 3. Wahlbaustein: Wird die Lebensqualität der Patienten bei der Nutzenbewertung und Vergleichstherapie von Medikamenten ausreichend berücksichtigt? Bei der Frage, ob ein Arzneimittel ein erheblicher Zusatznutzen gegenüber anderen Präparaten zuzubilligen ist, orientiert sich die Nutzenbewertung stark an den sog. „patientenorientierten Eckpunkten“. Darunter sind die Heilung einer Erkrankung, eine erhebliche Veränderung der Überlebensdauer, eine langfristige Freiheit von schwerwiegenden Symptomen oder die weitgehende Vermeidung schwerwiegender Nebenwirkungen zu verstehen. Diese Kriterien sind ein großer Fortschritt gegenüber dem früheren bloßen Wirksamkeitsnachweis, der über den tatsächlichen Patientennutzen eines Arzneimittels überhaupt nichts aussagte. Ich würde es begrüßen, wenn darüber hinaus auch Aspekte der Lebensqualität stärker in die Bewertung einfließen würden. Das würde der Patientenorientierung zugutekommen. Allerdings ist eine solche Weiterentwicklung methodisch anspruchsvoll. Lebensqualität müsste definiert und gemessen werden. Ich halte das nicht für unmöglich, glaube aber, dass dafür noch einiger Beratungs- und Forschungsbedarf besteht. Hierbei sind Patientenvertreterinnen und –vertreter zu beteiligen. 4. Wahlbaustein: Sind Diabetiker in alle Teilbereiche der Gesellschaft voll integriert? Das werden die Betroffenen besser beurteilen können als ich. Als Außenstehende könnte ich mir vorstellen, dass es vor allem bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes Defizite in der sozialen Integration gibt. Die mit der Krankheit verbundenen Routinen und Vorsichtsmaßnahen könnten sich beim Kontakt mit Gleichaltrigen als hinderlich erweisen. 5. Wahlbaustein: Haben Diabetiker den Rechtsanspruch, der ihnen zusteht? Grundsätzlich ja. Probleme wird es immer wieder im Einzelfall geben. Zum Beispiel, wenn die Aufrechterhaltung der Behandlung eines Kindes im Kindergarten oder der Schule eine persönliche Assistenz erfordert und das zuständige Sozialamt sich quer legt. Für solche und ähnliche Fälle ist nicht nur im Interesse der Diabetikerinnen und Diabetiker mehr Anspruchsund Rechtssicherheit erforderlich. Deshalb treten wir Grünen für ein Teilhabegesetz ein, das den Anspruch auf soziale Eingliederung unbürokratisch macht und für die Leistungsgewährung nicht finanzielle Bedürftigkeit zur Voraussetzung macht. 6. Wahlbaustein: Ist die Gesundheitspolitik zur Früherkennung des Diabetes und zur Vermeidung von Folgeerkrankungen ausreichend? Zur Früherkennung existiert mit dem „Gesundheits-Check-up“ für über 35-jährige, auf den alle zwei Jahre Anspruch besteht, und in dessen Rahmen auch eine Blutzuckermessung vorgenommen wird, eigentlich ein geeignetes Instrument zur Früherkennung. Leider wird dieses Angebot vor allen von vielen Männern nur unzureichend wahrgenommen. Was die Vermeidung von Folgeerkrankungen angeht, ist die bereits erwähnte stärkere Vernetzung der Versorgung erforderlich. Hier gibt es in Deutschland noch einen erheblichen Weiterentwicklungsbedarf. Auch weil hier nach einem hoffungsvollen Aufbruch unter RotGrün in den letzten Jahren kaum noch etwas passiert ist. 7. Wahlbaustein: Sind Betroffene, Angehörige und Ärzte ausreichend geschult? Das kann ich nicht abschließend beurteilen. Bei den Betroffenen findet im Rahmen der strukturierten Behandlungsprogramme eine Schulung statt. Ob hier auch mit Blick auf Angehörige und vor allem Ärztinnen und Ärzte noch mehr zu tun ist, wäre zu prüfen. Große Defizite gibt es bei der Ernährungsbildung, die endlich Pflichtelement in den Lehrplänen und Bildungsprogrammen für Kindertagesstätten und Schulen werden muss. 8. Wahlbaustein: Gibt es einen überparteilichen Konsens zur gesundheitspolitischen Vorgehensweise im Fachbereich Diabetes? Nur auf der rhetorischen Ebene. Was die Bereitschaft angeht, in Prävention und neue Versorgungsformen finanziell und politisch zu investieren, ist die sehr unterschiedlich verteilt. Für uns Grüne ist Diabetes einer der entscheidenden medizinischen Herausforderungen und gehört mehr in den Mittelpunkt des Interesses. 9. Wahlbaustein: Herrscht länderübergreifende Einigkeit über die gesundheitspolitische Vorgehensweise im Fachbereich Diabetes? Auf der Ebene der Gesundheitsministerkonferenz ist Diabetes in den letzten Jahren nach meinen Informationen zumindest kein herausgehobenes Thema gewesen. In Schleswig-Holstein haben wir Grüne gemeinsam mit SPD und SSW die Landesregierung zu einem umfangreichen Bericht aufgefordert und planen, auf Grundlage dieses Berichtes weitere Initiativen. 10. Wahlbaustein: Wie informiert über die chronische Stoffwechselerkrankung Diabetes ist die Gesellschaft? Ist die externe und interne Kommunikation der Landes- und Bundespolitik ausreichend? Der Diabetes ist so verbreitet, dass wahrscheinlich die meisten Menschen wenigstens einen Diabeteskranken kennen. Damit ist aber noch kein genaueres Wissen über diese Krankheit verbunden. Das zeigt auch die unzureichende Inanspruchnahme der bereits erwähnten Früherkennungsuntersuchungen. Die Kommunikation kann auf allen Ebenen aus meiner Sicht noch besser werden, erscheint mir aber in Schleswig-Holstein schon recht gut. 11. Wahlbaustein: Wie steht es um die Forderung nach einer nationalen Diabetes-Strategie? Die wird von uns Grünen unterstützt. Zur Bekämpfung der Volkskrankheit Diabetes müssen alle Akteure des Gesundheitswesens, die Wissenschaft und die Politik an einem Strang ziehen. Dazu brauchen wir eine gemeinsame nationale Diabetes-Strategie.