VORTRAG Aktuelle Fragen der Verschwiegenheitspflicht in der klinischen Psychologie und Gesundheitspsychologie /. Sektionsabend 23.10.2003. I. Dokumentation II. Verschwiegenheitspflicht Fragen zu I. Dokumentation: a.) Dokumentationsteile die der Einsicht durch Patienten und Dritte unterliegen: Eine Dokumentationspflicht ist im Psychologengesetz nicht explizit geregelt. Gemäß § 13 Abs. 4 PsychologenG sind Psychologen allerdings verpflichtet, alle Auskünfte über Behandlung, Art und Umfang sowie Entgelt zu erteilen. Daraus folgt, dass entsprechende Aufzeichnungen zu führen sind. Für Detailfragen wäre analog das Ärztegesetz heranzuziehen. Gegenstand der Krankengeschichte sind alle wesentlichen diagnostischen Ergebnisse und therapeutischen Maßnahmen. Dazu gehören Beginn, Verlauf und Beendigung der Behandlung, Diagnose, Art und Umfang der Leistungen, Honorar und andere Vereinbarungen. Höchstpersönliche Aufzeichnungen, Rohdaten, Arbeitsmittel und dergleichen sind nicht Teil der Dokumentation – getrennte Aufbewahrung. b.) Dokumentation in Institutionen: In Krankenanstalten oder anderen Institutionen enthalten Krankengeschichten insbesondere ärztliche Leistungen, -1- pflegerische, psychologische oder psychotherapeutische Leistungen sowie Leistungen der medizinisch-technischen Dienste. Die Führung der Krankengeschichte obliegt in diesem Fall der jeweils behandelnden bzw. betreuenden Person, sodass die jeweils behandelnde bzw. betreuende Person Aufzeichnungen betreffend ihre Tätigkeit zu führen hat. Da in diese Krankengeschichten nicht nur das Personal und die Patienten Einsicht nehmen können, sondern auch allenfalls Gerichte, Verwaltungsbehörden, Sozialversicherungsträger oder weiterbehandelnde Ärzte, ist darauf zu achten, dass diese Dokumentationen keine „Geheimnisse“ im Sinne des PsychologenG enthalten. Empfehlenswert ist daher, lediglich Rahmendaten wie Grund, Zeit, Frequenz und Art der Behandlung festzuhalten. Behandlungsinhalte sollten einer separaten Dokumentation vorbehalten bleiben. c.) Einsichtsrechte: 1. Patient 2. Gesetzlicher Vertreter 3. allenfalls Gerichte, Sozialversicherungsträger, weiterbehandelnde Ärzte, etc. „therapeutisches Privileg“: Eine Einschränkung der Einsicht aus therapeutischen Überlegungen gegenüber dem Patienten ist möglich. Gegenüber dem gesetzlichem Vertreter ist dies nach ständiger Judikatur des obersten Gerichtshofs nicht möglich. Dem gesetzlichen Vertreter ist uneingeschränkt Einsicht in die Dokumentation zu gewähren. Auch aus diesem Grund ist die Trennung Dokumentation – persönliche Aufzeichnungen und Notizen wichtig. Die unter 3. genannten Institutionen und Behörden haben nur soweit Einsicht, wie es für deren Tätigkeit notwendig ist. Fragen zu II. Verschwiegenheit: a.) Definition: Gemäß § 14 PsychologenG sind Psychologen zur Verschwiegenheit über alle in Ausübung des Berufs bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. -2- Geheimnis: Ist eine Tatsache, die nur dem Geheimnisträger bekannt ist, und an der ein Geheimhaltungsinteresse besteht. (Umstände, die als Geheimnis anvertraut wurden) b.) Verschwiegenheitspflicht bei Kindern und Jugendlichen: Problematisch ist das Verhältnis zwischen Klienten und gesetzlichem Vertreter. Nach der Judikatur gilt die Verschwiegenheitsverpflichtung nicht gegenüber dem gesetzlichen Vertreter. Behandelnde Psychologen können sich sohin gegenüber gesetzlichen Vertretern nicht auf diese Bestimmung berufen. (Ein Teil der Lehre vertritt allerdings die Auffassung, dass die Verschwiegenheit gegenüber den gesetzlichen Vertreter im selben Ausmaß gelten soll, wie gegenüber dem Klienten, was zur Folge hätte, dass das therapeutische Privileg auch hier Anwendung finden könnte.) c.) Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht: Ist im PsychologenG, ebenso wie im PsychotherapieG nicht vorgesehen. Die neuere Judikatur (OLG Wien, 10.9.2001, 15 R 135/01k) geht allerdings davon aus, dass auch Psychologen und Psychotherapeuten von ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung gültig entbunden werden können. Begründet wird dies im wesentlichen damit, dass andere Berufsgruppen mit einer ähnlichen Verschwiegenheitspflicht, wie Ärzte oder Rechtsanwälte ebenfalls gültig von dieser Verschwiegenheitspflicht entbunden werden können und eine entsprechende Ungleichbehandlung vom Gesetzgeber ausdrücklich festzulegen gewesen wäre. Es ist empfehlenswert, im vorhinein mit dem Klienten abzuklären, welche der anvertrauten Tatsachen als Geheimnisse anzusehen sind und somit jedenfalls der Verschwiegenheit unterliegen sollen, und welche nicht. Über Tatsachen, die nicht als Geheimnisse definiert werden, kann jedenfalls Auskunft gegeben werden. -3- d.) Pflicht zur Aussage: Grundsätzlich sehen die einzelnen Verfahrensbestimmungen vor, dass Personen, die zur Aussage verpflichtet sind, zu dieser auch durch Beugestrafen gezwungen werden können. Jedenfalls ist einer gerichtlichen oder behördlichen Ladung grundsätzlich Folge zu leisten. Sollte sich im Zuge der Vernehmung herausstellen, dass einzelne Fragen der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, ist darauf hinzuweisen und eine entsprechende Beantwortung zu verweigern. Dies gilt insbesondere für Vernehmungen im Rahmen eines Zivilprozesses. Für Vernehmungen im Strafverfahren gilt das Entschlagungsrecht für die gesamte Vernehmung. Selbst bei gültiger Entbindung ist die zu vernehmende Person befugt, zu entscheiden, ob sie aussagt, oder nicht. (OGH 13 Os 110/96 = RZ 1997/37). -4-