Hinweis: Dieses Protokoll stammt von der Seite www.chids.de (Chemie in der Schule). Dort können unterschiedliche Materialien für den Schulunterricht heruntergeladen werden, unter anderem hunderte von Experimentalvorträgen so wie der vorliegende: http://online-media.uni-marburg.de/chemie/chids/veranstaltungen/uebungen_experimentalvortrag.html Ausarbeitung des Experimentalvortrages: „Glas“ Philipps-Universität Marburg Fachbereich Chemie Lehramtsausbildung Referent: Felix von Lehmden Gehalten am 25.01.2006 Inhalt 1. Einleitung 2. Kurze Geschichte des Glases 2.1 Natürlich vorkommendes Glas 2.2 Anfänge der Glasherstellung 2.3 Die Glasbläserpfeife 2.4 Glasherstellung im Mittelalter 2.5 Otto Schott und die Glasentwicklung 2.6 Industrialisierung 3. Was ist Glas? – Der glasartige Zustand 3.1 Der Glaszustand aus thermodynamischer Sicht 3.2 Nahordnung vs. Fernordnung 4. Anwendungsbeispiele 4.1 Glasherstellung im AST-Element 4.2 Spiegelherstellung 4.3 Thermisch gespanntes Glas 4.4 Elektrische Leitfähigkeit 4.5 Chemische Resistenz 5. Schulrelevanz 5.1 Einordnung in den Lehrplan 5.2 Fächerübergreifender Unterricht (FÜU) 6. Literatur 7. Anhang 1 Einleitung Sollte man in Analogie zu Eisen-, Stein- oder Bronzezeit Anfangs- und Enddatum einer fiktiven „Glaszeit“ angeben, so wäre dies äußerst problematisch. Aufgrund der zentralen Bedeutung des Werkstoffes Glas seit den Anfängen der Menschheit bis in das Zeitalter der Industriekulturen könnte man sogar geneigt sein, diese Epoche als noch längst nicht abgeschlossen anzusehen. 2 Kurze Geschichte des Glases 2.1 Natürlich vorkommendes Glas Als die Steinzeitmenschen zuerst Glas verwendeten, um Werkzeuge und Waffen für die Jagd herzustellen, beherrschten sie noch nicht die Technik, das Glas auch zu produzieren. Stattdessen bearbeiteten sie Obsidian mit Steinkeilen, um scharfe Klingen und Spitzen zu fertigen. Chemisch besteht der Obsidian hauptsächlich aus nicht-kristallinem Siliciumdioxid (ca. 70 Massen-%), sowie aus Kohlenstoff und den Oxiden von Eisen, Aluminium und Calcium. Pfeilspitzen aus Obsidian Quelle: Uni Münster Obsidian (Quelle: University of Texas) Strukturell lässt sich der Obsidian in einer ersten Näherung als unterkühlte Schmelze auffassen, in der zwar Nahordnung (z.B. gleiche Struktur in den SiO4-Tetraedern) vorliegt, jedoch keine Fernordnung zwischen den einzelnen Bausteinen (siehe dazu Kapitel 3). 2.2 Anfänge der Glasherstellung Die Datierung des ersten vom Menschen hergestellten Glases lässt sich auf ca. 5000 v. Chr. eingrenzen. Es entstand dabei wahrscheinlich eher zufällig während des Brennens von Ton in Oberägypten durch das Vorhandensein von kalkhaltigem Sand und Soda ([1] S. 45f). Die z.T. farbigen Glasuren an Tonbehältern lassen sich heute noch in Museen betrachten. Gezielt wurde Glas in Form grüner Glasperlen in der Zeit um 3500 v. Chr. produziert und fand Verwendung in Form von Schmuck und Knöpfen. Rohstoffe wie Sand, Soda, Kalk und Pottasche wurden angeschmolzen, zu einem Pulver zerkleinert, z.T. mit Farbzusätzen versehen, geschmolzen und im zähflüssigen Zustand bearbeitet. Die ersten Zentren der Glasherstellung waren demnach Ägypten und Syrien, wo das Handelsvolk der Phönizier in größeren Mengen Soda transportierten und wahrscheinlich ebenfalls durch Zufall Natron-KalkGlas schmolzen. Einer Überlieferung nach fanden die Seefahrer eines Tages keine natürlichen Steine für ihre Feuerstelle und verwendeten daher Sodaklumpen vom Schiff, die sie in den Sand legten. Später seien „Bäche einer Flüssigkeit“ aus der Schlacke gelaufen, die jedoch sehr schnell abkühlte. In [2] (S. 16) wird jedoch auf die Zweifelhaftigkeit dieser Darstellung hingewiesen, da in einem offenen Lagerfeuer kaum Temperaturen über 600°C erzeugt werden können, die jedoch für die Herstellung von Glas mit Siliciumdioxid (Smp. des Reinstoffes: 1732°C) als Netzwerkbildner zwingend benötigt werden. Das älteste überlieferte Rezept mit einer expliziten Anweisungen zur Glasherstellung entstammt der Tontafelbibliothek des assyrischen Königs Ashurbanipal (668 – 626 v. Chr.). Die Keilschrift lässt sich in etwa wie folgt übersetzen: „Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen, 5 Teile Kreide – und Du erhältst Glas.“ Mit Siliciumdioxid (Sand), Natriumcarbonat (Asche) und Calciumcarbonat (Kreide) sind bereits die bis zu unserem heutigen Gebrauchsglas eingesetzten wesentlichen Glasgemengebestandteile genannt – und das vor über zweieinhalbtausend Jahren. 2.3 Die Glasbläserpfeife Die Erfindung der Glasbläserpfeife durch die Syrer um 200 v.Chr. stellte eine wesentliche Weiterentwicklung der Glasproduktion dar, da somit die Herstellung von dünnwandigem Hohlglas ermöglicht wurde. Vorher hatte man Hohlgläser so hergestellt, dass ein lehmiger Kern mit geschmolzenem Glas überzogen wurde. Die Pfeife besteht prinzipiell aus einem Eisenrohr von 120 bis 150 cm Länge und ist an einem Ende mit einer Verdickung und am anderen Ende mit einem hölzernen Mundstück versehen. Beim Glasblasen entnimmt der Glasbläser dem Schmelzofen einen heißen, zähen Glasklumpen, der frei oder in zusammenklappbare Hohlformen aus Holz unter ständigem Drehen ausgeblasen und in die gewünschte Form gebracht wird. Anschließend wird das heiße Werkstück von der Pfeife abgeschlagen und gekühlt. Die Glasbläserpfeife wurde auch von den Römern zu Zeiten des Kaisers Augustus (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) benutzt, um Kunstgegenstände und Gefäße herzustellen. Auch heute noch ist die Pfeife eines der wichtigsten Utensilien des Glasbläsers. Glasbläser (Quelle: Firma Lamberts Glas AG) Glasbläserpfeife (Quelle: Schott Glaslexikon S. 77) 2.4 Glasherstellung im Mittelalter Nachdem die Weiterentwicklung der Glasherstellung in der Zeit des Verfalls des römischen Reiches gewissermaßen stagnierte, kann das Mittelalter zu einer weiteren Blütezeit der Glasmacherkunst gezählt werden. Besonders die Herstellung von gefärbten und mit Motiven versehenen Kirchenfenstern ist hier zu nennen. Neben der Bewahrung der eigentlichen Fenster ist es den Kirchen und Klöstern auch zu verdanken, dass viele Arbeitsanweisungen zur Glasherstellung über die Jahrhunderte nicht verloren gingen. Zur Herstellung der Kirchenfenster wurde Plattenglas zugeschnitten und in Blei gefasst. Zur Färbung des Glases wurden verschiedene Schwermetallsalze zugesetzt: Kirchenfenster der Marburger Elisabethkirche (Quelle: www.elisabethkirche-mr.de) Metalloxid Summenformel Farbwirkung Cobaltoxid CoO blau Kupferoxid CuO (Cu2O) grün (rot) Chromoxid Cr2O3 grün Manganoxid MnO2 braun, violett, schwarz Eisenoxid Fe2O3 rot, rotbraun Uranoxide UO2 / U3O8 rot, gelb Iridiumoxide IrO2 "Iridiumschwarz" Rutheniumoxid RuO2 schwarz Titanoxid TiO2 gelb, braun Technisch ist besonders die Entwicklung des Hafenofens anzuführen, die Weiterentwicklung einer bereits von den Ägyptern um 1000 v. Chr. verwendeten Konstruktion mit einer tönernen Pfanne über dem offenen Holzfeuer. Der Ofen ist bezüglich der Form von außen vergleichbar mit einem aus Stein und Tonerde gefertigten Bienenkorb und enthält drei Etagen, wobei die untere Etage Platz für das Feuer bietet, während der Mittelraum Einschubvorrichtungen für die mit Glasmasse gefüllten Tonpfannen enthält. Die obere Etage dient der Luftzufuhr zwecks Abkühlung. Im 14. Jhd. Wurden darüber hinaus die ersten geschliffenen Brillengläser gefertigt. Das Zentrum der Glasherstellung im Mittelalter war Venedig, wo die Glashütten schließlich auf die Insel Murano bei Venedig ausgelagert wurde, um ein Flüchten der Arbeiter und damit die Preisgabe der geheimen Gemenge-Zusammensetzung zu verhindern. Zusätzlich wurde der Verrat des Rezeptes zur Herstellung des Veneziano-Glases mit dem Tode bestraft. Das technische Wissen aus der Zeit des 16. Jahrhunderts geht wesentlich auf die Schriften Georg Agricolas (1494-1555) zurück, in dessen zwölftem Buch von „De re metallica“ (vgl. [2] S. 8f) sich detaillierte Bilder und Beschreibungen von Hafenöfen und anderen Techniken finden lassen. Die Bedeutung Agricolas und seiner Beschreibung des Hafenofens ist durch Referenzen bis in das 18. Jahrhundert nicht zu unterschätzen. Im 17. Jahrhundert lässt sich die erste Beschreibung zur Herstellung von Bleikristallglas durch Antonio Neri (1576 – 1614) ebenfalls nach Venedig zurückverfolgen. 2.5 Otto Schott und die Glasentwicklung Der bedeutende Glaschemiker Otto Schott (1851-1935, siehe Abb.) und der Mitinhaber der Firma Carl Zeiss Ernst Abbe (1840-1905) legten aus heutiger Sicht das Fundament für die modernen Glastechnologie. Im väterlichen Kellerlabor untersuchte Otto Schott den Einfluss zahlreicher Elemente auf die Glasschmelze. Anlass für die Neuentwicklungen war der Otto Schott (Quelle: Schott AG) Umstand, dass Abbe für seine hochwertigen optischen Instrumente geeignete Gläser brauchte. Sie sollten hinsichtlich Fehlerfreiheit und Reinheit höchsten Anforderungen gerecht werden und gleichbleibende, vorherbestimmbare optische Eigenschaften aufweisen. Otto Schott gelang nach jahrelangen, zunächst enttäuschend verlaufenen Versuchen mit der 93. Schmelzprobe ein optisches Glas von idealer Beschaffenheit und schaffte damit den Durchbruch bei der Entwicklung neuer optischer Gläser. Eines der ersten Produkte war ein lithiumhaltiges Thermometerglas, das sich unter Wärmeeinwirkung selbst kaum ausdehnte und die Messgenauigkeit nicht beeinflusste. Weitere neuartige Glasarten und Schmelzverfahren wurden ausgedacht und erprobt: Gegen Hitze, Druck und chemische Angriffe widerstandsfähige technische Gläser (Borosilicatgläser), optische Gläser für Mikroskope und Fernrohre in kleinen und großen Abmessungen, Gläser für lichtstarke Fotoobjektive. Im Laufe der Jahre gab es kaum noch ein Gebiet der Industrie, das nicht mit Qualitätsgläsern aus Jena versorgt wurde. Hitzebeständiges Glas zum Kochen und Backen zog in die privaten Haushalte ein und machte „Jenaer Glas“ international bekannt. 2.6 Industrialisierung Bei der Glasherstellung wurden durch die Industrialisierung im Wesentlichen Verbesserungen drei Bereichen ermöglicht: Zunächst konnten Ausgangsstoffe wie etwa Natriumcarbonat durch neue Herstellungsverfahren (1861: Solvay-Verfahren) günstig in großem Maßstab produziert werden, was den Preis für Glas deutlich senkte. Zweitens konnte der Produktionsmaßstab durch die Erfindung des Wannenofens (1868 von Friedrich August Siemens) erhöht werden, indem der neue kontinuierlich heizende Ofentyp den über Jahrhunderte verwendeten Hafenofen ablöste. Letzterer hatte den großen Nachteil, dass nach der Entnahme der Schmelze und Zugabe von neuem Gemenge erneut erhitzt werden musste, was den Produktionskreislauf jeweils unterbrach. Drittens erlaubte die Vollautomatisierung aller zur Herstellung notwendigen Arbeitsprozesse ab 1898 sowie die Erfindung des Fourcault-Verfahrens (1905), welches ab 1914 industriell eingesetzt wurde, eine weitere Steigerung der Produktivität. Wichtigste Voraussetzung dafür war die Ziehdüse, ein auf dem flüssigen Glas schwimmender etwa 3 m langer Körper aus feuerfestem Material mit einem Schlitz. Wird er etwas in die Glasmasse eingedrückt, quillt das flüssige Glas aus dem Schlitz, wird vom Fangeisen aufgenommen und angezogen. Das zunächst unregelmäßig dicke Band wir nach dem Anlaufen gleichmäßig dick. Walzenpaare führen das erstarrte Glas etwa 7 m durch einen Kühlschacht senkrecht nach oben. Am Ende des Schachts tritt es abgekühlt und entspannt aus und kann zugeschnitten werden. In der Folgezeit wurden weitere Verfahren auf Grundlage des Fourcault-Verfahrens entwickelt: So etwa das LibbeyOwens-Verfahren (1917), bei dem das Glas horizontal durch Führungsrollen gezogen wird oder das Pittsburgh-Verfahren (1928), bei dem analog zum Fourcault-Verfahren das Glas senkrecht aus der Schmelze gezogen wird, jedoch mit Hilfe eines Leitkörpers aus Schamotte. Zu den folgenreichsten Entwicklung in der Glasherstellung zählt jedoch zweifelsfrei das Floatglasverfahrens, bei dem die Schmelze auf ein Bett flüssigen Metalls gegossen und aufgezogen wird. Prinzipiell beruht das Verfahren auf dem Umstand, dass sich bei zwei untereinander nicht mischbaren Flüssigkeiten die spezifisch leichtere auf der spezifisch schwereren Flüssigkeit ausbreitet („floatet“). Unter Einwirkung der Schwerkraft und der Oberflächenenergie bildet sich eine völlig ebenen Grenzfläche aus. Als spezifisch schwere Flüssigkeit, die zum Ausgießen der Glasschmelze geeignet ist, wird flüssiges Zinn verwendet (Schmelzpunkt: 232°C). Die Glasschmelze fließt auf der Oberfläche des flüssigen Zinns aus und stabilisiert sich hin zu einer Gleichgewichtsdicke, welche für Kalk-Natron-Glas bei ca. 7,5 mm liegt (vgl. [3], S. 57). Diese Technik ermöglichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Glasherstellung in dem Maßstab, der es uns heute erlaubt, Glas in nahezu allen Bereichen der Technik und der Lebenswelt einzusetzen. So werden beispielsweise in einer Floatglasanlage täglich bis zu 800 t Kalk-Natronglas hergestellt. 3 Was ist Glas? – Der glasartige Zustand Betrachtet man Glas als Sammelbegriff für Materialien, so fällt darunter eine kaum überschaubare Zahl von Stoffen verschiedenster Zusammensetzung, die sich in glasartigem Zustand befinden. Die Fähigkeit zur Glasbildung besitzen verschiedene chemische Stoffe, sogenannte Glasbildner, da sie Netzwerkstrukturen ausbilden. Zu diesen zählen u.A. die Sauerstoffverbindungen von Silicium, Bor, Germanium, Phosphor und Arsen. Lässt man sie nach dem Schmelzen erkalten, so erstarren sie im wesentlichen ohne Kristallisation glasartig. Dieses Verhalten zeigen die genannten Glasbildner auch bei Zumischung von Metalloxiden innerhalb bestimmter vom System abhängiger Zusammensetzungsbereiche. Durch den Einbau solcher glaswandelnder Komponenten entstehen veränderte Bindungsverhältnisse und Gruppierungen in der Netzwerkstruktur, die entsprechende Änderungen der physikalischen und chemischen Eigenschaften der Gläser zur Folge haben. Der glasartige Zustand ist jedoch nicht auf Oxide beschränkt, da er z.B. auch bei rascher Abkühlung von einigen Schwefel-, Fluor- und Selen-Verbindungen entsteht, bzw. sogar bei bestimmten oxidfreien Metalllegierungen unter extremen Bedingungen. Auch manche organische Flüssigkeit kann bei niedrigen Temperaturen in den Glaszustand übergehen (z.B. Glycerin bei –90°C). 3.1 Der Glaszustand aus thermodynamischer Sicht Die Frage, was Glas eigentlich ist, wird je nach Perspektive des Betrachters unterschiedlich beantwortet. So wird ein Techniker unter Glas wohl ein „anorganisches Schmelzprodukt, das erstarrt, ohne zu kristallisieren“ ([4] S.126), verstehen, während SchülerInnen im Unterricht oft der Eindruck vermittelt wird, Glas sei ein nichtkristalliner Festkörper oder eine sog. „unterkühlte Schmelze“. Dieser letzte Aspekt knüpft dabei an die thermodynamische Betrachtungsweise des Phänomens Glas an. Zur Erklärung ist es sinnvoll, von einer Schmelze bei hoher Temperatur auszugehen und den Abkühlvorgang nachzuvollziehen: Eine Schmelze befindet sich oberhalb der Liquidustemperatur im thermodynamischen Gleichgewicht. Kühlt man nun ab, tritt bei Schmelzen, die nicht zur Glasbildung neigen, Kristallisation ein, sobald der Schmelzpunkt erreicht ist. Das Volumen und die Enthalpie des Systems nehmen sprunghaft ab. Bei weiterem Abkühlen nimmt das Volumen des dann kristallinen Festkörpers weiter entsprechend dem thermischen Ausdehnungskoeffizienten ab. Der kristalline Festkörper befindet sich unterhalb und die Schmelze oberhalb des Schmelzpunktes im thermodynamischen Gleichgewicht. Betrachtet man nun eine glasbildende Schmelze, so ist zunächst festzustellen, dass sie sich bis zum Schmelzpunkt analog verhält (Volumenabnahme nach einem Ausdehnungskoeffizienten). Beim Schmelzpunkt allerdings ist keine schnelle Volumenabnahme zu beobachten, sondern das Volumen nimmt weiterhin kontinuierlich ab, d.h. es ist kein sog. „Volumensprung“ zu beobachten. : Kristall : Glas Volumen-Temperatur-Diagramm glasartiger und kristalliner Stoffe (Quelle: Schott Glaslexikon S. 26) Bei weiterem Abkühlen wird ein Punkt, die sog. Transformationstemperatur T g erreicht, unterhalb dem der Ausdehnungskoeffizient etwa dem des kristallinen Festkörpers entspricht, d.h. die Kurve verläuft dann parallel zu der des Kristalls. Bei der Transformationstemperatur strenggenommen nicht ändert schlagartig, sich sondern der Ausdehnungskoeffizient innerhalb eines gewissen Temperaturintervalls. Die Transformationstemperatur T g ist zunächst auch keine druckabhängige Materialkonstante wie die Schmelztemperatur, sondern hängt ihrerseits von der Abkühlgeschwindigkeit ab. Bei höherer Abkühlgeschwindigkeit liegt Tg höher, bei langsamerer Abkühlung nimmt T g niedrigere Werte an. Erst unterhalb von Tg spricht man von festem Glas, oberhalb noch von einer Glasschmelze. Die Distinktion zwischen glasbildenden und kristallbildenden Schmelzen ist insofern gerechtfertigt, da sie sich hinsichtlich ihres Viskositäts-Temperatur-Verlaufs wesentlich unterscheiden. Bei der Liquidustemperatur haben beispielsweise glasbildende Silicatschmelzen eine Viskosität von ca. 10 8 Pa s (siehe Tabelle). Wird nun abgekühlt, steigt die Viskosität über viele Zehnerpotenzen, bis sie bei T g einen Wert annimmt, der um viele Zehnerpotenzen höher liegt (genaue Werte sind wiederum abhängig von der Abkühlgeschwindigkeit, s.o.). Schmelze TS (°C) Viskosität (Pa·s) H2O 0 0.2 Fe 1535 0.7 B2O3 450 106 SiO2 1723 108 Viskosität von Schmelzen am Schmelzpunkt (Quelle: Naturwissenschaft im Unterricht Chemie / 7. Jahrg. 1996 / Nr. 35, S. 9) Die thermodynamische Größe der Viskosität einer Schmelze ist eng mit der Beweglichkeit der in ihr enthaltenen Baugruppen gekoppelt. So zeigt der Vergleich der Viskositäten verschiedener Stoffe am Schmelzpunkt (siehe Tabelle), dass Unterschiede bis zu einem Faktor von 105 bis zu 108 auftreten (vgl. [1] S. 9). Eine Silicatschmelze ist daher zähflüssig, was eine Reorganisation der Baugruppen zur Bildung der kristallinen Phase deutlich erschwert. Bei weiterer Abkühlung steigt die Viskosität schließlich so stark, dass eine Umgruppierung kinetisch nahezu unmöglich wird, obwohl gleichzeitig die thermodynamische Triebkraft für die Kristallisation steigt. Es folgt daraus nicht, dass eine Glasschmelze prinzipiell nicht kristallisieren kann, was ja bereits durch Anwendungen wie z. B. Keramik widerlegt wäre. Vielmehr ist zur Kristallisation die Ausbildung von Kristallkeimen erforderlich. Während dieses Keimbildungsvorganges bilden sich zunächst kristalline Bereiche von nur wenigen Nanometern Größe, die dann in einem zweiten separierbaren Schritt, dem Kristallwachstumsvorgang, in ihrer Größe zunehmen, bis als Endpunkt eine nahezu vollständige Kristallisation der Schmelze erfolgt. Die Geschwindigkeit dieses Vorganges ist am Schmelzpunkt null, steigt jedoch bei Abkühlung entsprechend der thermodynamischen Triebkraft (Entropie) an, erreicht ein Maximum und sinkt schließlich aufgrund der abnehmenden Viskosität wieder ab. Kühlt man nun eine glasbildende Schmelze ab, wird Kristallwachstumsgeschwindigkeit zunächst durchlaufen. der Temperaturbereich Kristalle können jedoch hoher nicht wachsen, da keine Keime vorhanden sind und aufgrund der zu hohen Temperatur auch nicht gebildet werden können. Bei weiterer Abkühlung bilden sich zwar Keime, diese können wegen der bei diesen Temperaturen niedrigen Kristallwachstumsgeschwindigkeit nicht weiter an Größe zunehmen. Schließlich folgt aus diesen Erörterungen, dass die Beantwortung der Frage, was Glas sei, nicht allein durch den Verweis auf bestimmte Stoffklassen erfolgen kann. Vielmehr soll betont werden, dass es im Prinzip möglich sein müsste, alle Schmelzen in den amorphen Glaszustand zu überführen, wenn man nur schnell genug abkühlt. Der theoretische Wert der Abkühlrate für einen „Draht“ von 10 -7 m Durchmesser aus glasartig erstarrtem Silber liegt im Bereich von 1010 K/s (vgl. [1] S. 10). Da die Wärmeenergie über Wärmeleitung aus dem Festkörper abgeführt werden muss, sind die Wärmeleitfähigkeit und die Abmessung des Werkstoffes die begrenzenden Größen. Daher können metallische Gläser im Gegensatz zu den silicatischen Gläsern lediglich in Form von dünnen Folien und Drähten hergestellt werden. Technisch kann dies nur über eine Abscheidungstechnik von Silberatomen auf kalten metallischen Oberflächen realisiert werden. 3.2 Nahordnung vs. Fernordnung Im Unterschied zu einem Glas besteht ein Kristall aus periodisch sich wiederholenden Struktureinheiten und entspricht einem Zustand maximaler Ordnung. Diese bezieht sich daher nicht nur auf die unmittelbare Umgebung des jeweiligen Atoms, sondern es ist bedingt durch den periodischen Aufbau auch eine Fernordnung vorhanden. Im Glaszustand fehlt diese Fernordnung, obwohl die Atome (z.B. Sauerstoff oder Silicium) die gleichen Koordinationszahlen wie im kristallinen Zustand aufweisen. Sogar eine gewisse Ordnung mittlerer Reichweite in der Größenordnung weniger Nanometer lässt sich im Glaszustand ausmachen, ein streng periodischer Aufbau fehlt jedoch. Am Beispiel von Siliciumdioxid lässt sich der Unterschied von Kristall- und Glaszustand besonders gut veranschaulichen, da für sich genommen identische SiO4-Tetraeder lediglich bezüglich der Fernordnung unterscheiden. Kristallines und glasartiges Siliciumdioxid (Quelle: Uni Kiel) Anhand der zweidimensionalen Abbildung erkennt man, dass die tetraedrische Umgebung des Siliciums auch im Glas vorliegt, die in der Aufsicht erscheinenden Ringstrukturen dagegen nicht immer aus sechs SiO4-Einheiten bestehen, sondern unterschiedlich groß sind. Obwohl das in der Mitte dargestellte reine Quarzglas auch in der Praxis erhebliche Bedeutung hat (UV-Absorption), sind die allermeisten der industriell erschmolzenen Gläser Vielkomponentensysteme aus sieben bis zehn verschiedenen Oxiden geschmolzen werden. Die einzelnen Oxide übernehmen dabei unterschiedliche Funktionen in der Glasstruktur. Zunächst gibt es neben SiO 2 auch andere Oxide, die ein Glasnetzwerk aufbauen können, z.B. B2O3 (siehe Versuch I) und P2O5 als häufigste und GeO2, As2O5, Sb2O5, BeF2, ZrF4, AlF3, As2S3, GeS2 und As2Se3 als eher seltene sog. Netzwerkbildner (vgl. [5]). Die sog. Netzwerkwandler wie Alkalimetalloxide, CaO, SrO und BaO erfüllen dagegen eine ganz andere Funktion, die exemplarisch durch folgende Reaktionsgleichung von Natriumoxid in einem silicatischen Netzwerk verdeutlicht werden soll (R = verbrückende Sauerstoffe): R Si O Si R Na2O R Si O Na Na O Si R Das Natriumoxid vermindert dabei die dreidimensionale Vernetzung des Silicatnetzwerkes durch die Bildung von sog. Trennstellensauerstoff mit ganzer negativer Ladung, der von dem vollständig kovalent gebundenen brückenbildenden Sauerstoffatomen zu unterscheiden ist. Der Einbau von Alkalimetallen oder anderen Netzwerkwandlern ändert die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Schmelze und des festen Glases entscheidend. So sinkt beispielsweise die Liquidustemperatur, die Viskosität und Tg durch den Zusatz dieser Stoffe. Während die Herstellungstemperatur von Quarzglas über 2000°C liegt, können die heute am häufigsten produzierten Kalknatronsilicatgläser bereits bei Temperaturen von 1450°C hergestellt werden, was eine ganz erhebliche Erleichterung der Glasherstellung bedeutet. Weitere in das Glas einbaubare Elemente bezeichnet man als sog. Zwischenoxide, da sie je nach Art und Konzentration der weiteren Glaskomponenten entweder die Netzwerkbildung unterstützen oder als Netzwerkwandler fungieren können. Zu dieser Gruppe zählen u.A. MgO, Al2O3, TiO2, ZrO2 und PbO sowie Übergangsmetall- und Seltenerdmetalloxide. Im Anschluss an diese Grundlagen zur thermodynamischen Einordnung und zur Struktur von Glas sollen nun einige Beispiele der Verwendung von Glas im Alltag und in der Technik erörtert werden. 4 Anwendungsbeispiele Glas in einfacher Form lässt sich heute praktisch überall auf der Welt produzieren. Seine wichtigsten Rohstoffe und Heizenergie sind nahezu immer vorhanden, und die erforderliche Technologie steht weltweit zur Verfügung. Es gibt kaum ein Kulturland ohne Glasproduktion auf der Erde. Glas zur Verpackung von Lebensmitteln und Getränken und als Gebrauchsgegenstand im Haushalt ist nicht selten auch der Beginn der Industrialisierung der Entwicklungsländer. Glas kann sich auf reiche Rohstoffreserven stützen und steht im Begriff, andere, knapper gewordene Materialien zu ersetzen. Moderne Technologie erschließt dem Glas beinahe fortlaufend neue Anwendungsgebiete. Insbesondere in zukunftsorientierten Disziplinen deuten alle Entwicklungstrends darauf hin, dass der Werkstoff Glas und die Glastechnologie weiter eine wichtige Rolle spielen werden. Das Glasfaserkabel ist ein Beispiel für die Kommunikationstechnik, die Laseranwendung ein Beispiel für die Medizin. Dabei sind neue Glaswerkstoffe wie „glasige Metalle“ und andere Stoffe im Glaszustand erst am Beginn ihrer technischen Karrieren. Leider lassen sich noch nicht alle neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Glaschemie in schulgerechten Versuchen darstellen. Daher werden im Folgenden eher traditionelle Anwendungen von Glas diskutiert. 4.1 Glasherstellung im AST-Element Das größte Problem bei der Herstellung von Gläsern an der Schule ist zweifelsfrei die Erzeugung der zum Schmelzen von Salzen notwendigen hohen Temperaturen. Aufwendige Apparaturen wie z.B. ein Muffelofen bedürfen einer mehrstündigen Vorheizphase, was oftmals zu nicht überbrückbaren Problemen bei der Planung und Durchführung einer Unterrichtseinheit zum Thema Glasherstellung führt. Seit 1998 bemüht sich Prof. Dr. Bader von der Universität Frankfurt am Main mit der Nutzung von nicht klassischen Energiequellen in Schülerexperimenten (vgl. [6] S.41ff sowie [7]). Zur Herstellung von Glas bietet sich hier besonders die Beheizung eines Porzellantiegels mit Hilfe von Aktivkohle oder Graphitspray im Mikrowellenofen. Dazu kann ein gewöhnlicher Haushaltsmikrowellenofen mit der Strahlungsfrequenz ν = 2,45 GHz verwendet werden (genaue Durchführung siehe Anhang). Im Handel sind Mikrowellen bereits ab ca. 30 Euro zu erstehen. Das Prinzip der Beheizung des Tiegels beruht auf der Anregung von delokalisierten Elektronen des Aktivkohlenstoffes bzw. des Graphitsprays durch Strahlung im Mikrowellenbereich. Damit entfällt sowohl die Anschaffung eines teueren Muffelofens als auch das aufwendige Vorheizen. Bei guter Vorbereitung kann eine Borglasschmelze von Schülerinnen und Schülern in nur sechs Minuten hergestellt werden, was sogar die Konzipierung einer Experimentalreihe zur Evaluation des Einflusses verschiedener Zusätze auf die Schmelze denkbar macht. Zur Erklärung des Schmelzens ist es sinnvoll, den Prozess in mehrere Schritte zu unterteilen: Zunächst erfolgt die Kondensation der Orthoborsäure zu - bzw. -Metaborsäure und weiter zur Polymerem Dibortrioxid. Dieses bildet ein Netzwerk aus amorph verknüpften planaren BO3-Einheiten. Hier kann zur Veranschaulichung für die SchülerInnen auch ein Modell zur Erklärung herangezogen werden. 1 ΔT, H2O 2 1 H3BO3(s) HBO2(s) B2O3(l) 2 ΔT, H2O Als nächster Teilschritt kann die thermische Zersetzung der im Borglasgemenge vorhandenen Carbonate behandelt werden. Dieser Teilschritt kann indirekt auch beobachtet werden, da während des Schmelzvorganges in der Mikrowelle deutlich die durch das Kohlenstoffdioxid verursachte Blasenbildung sichtbar ist. ΔT Na 2CO3(s) 2Na (solv ) CO2(g) " O2 "(solv ) Im dritten Teilschritt wird der Angriff der im vorherigen Schritt gebildeten Trennstellensauerstoff-Anionen auf das Dibortrioxid-Netzwerk behandelt: " O2 "(solv ) O2B O BO2(l) 2BO3 (solv ) Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Glasherstellung im Mikrowellenofen thematisch an das Thema Farbigkeit von Salzen der Nebengruppenmetalle anzuknüpfen, da dem Borglasgemenge eine Vielzahl von farbigen Salzen zugesetzt werden können (siehe 2.4). Als Anwendungsbeispiel kann überdies das Glasrecycling herangezogen werden, da bereits geringe Mengen von Eisen(II)-Kationen dem farblosen Recyclingglas einen deutlichen Grünstich verleihen. Dieser Effekt wird in der Praxis durch Trennung der Glassorten an verschiedenen Containern (Lebenswelt der SchülerInnen) einerseits und den chemischen Zusatz von sog. Entfärbungsmitteln wie z.B. Seleniten (siehe [8] S. 25) andererseits verhindert. 4.2 Spiegelherstellung Traditionell wurden Spiegel stets durch manuelles Verreiben von Metalllegierungen auf Glasplatten hergestellt. Bei dem wahrscheinlich im 15. Jahrhundert in Venedig (vgl. [9] S. 24f) entwickelten Verfahren wurde eine fertig geschliffene und polierte Flachglastafel mit einer reflektierenden Zinnamalgamschicht überzogen. Wichtigstes Arbeitsmittel war der mit einer völlig ebenen Marmorplatte versehene Belegtisch, der seitlich Abflussrinnen besaß und geneigt werden konnte. Auf einen solchen Belegtisch (siehe Abbildung) wurden nun dünne Zinnfolien gelegt und ca. 3-5 mm hoch mit metallischem Quecksilber übergossen. Durch mechanisches Verreiben des flüssigen Quecksilbers bildete sich auf der Zinnoberfläche weiches, plastisches Zinnamalgam, auf das vorsichtig und blasenfrei die sorgfältig vorbereiteten Glasplatten aufgeschoben wurden. Durch Beschweren der Gläser wurde anschließend das Quecksilber, welches noch nicht zu Zinnamalgam reagiert hat, abgepresst und durch Schrägstellen des Belegtisches in den Sammelrinnen abgelassen. Schließlich musste der Amalgam-Spiegel noch aushärten. Problematisch war bei diesem Prozess, dass die Arbeiter auch bei reinlichstem Arbeiten unweigerlich erhebliche Mengen des toxische, leichtflüchtigen Quecksilbers durch Einatmen oder durch Hautkontakt aufnehmen mussten. So zogen sie sich schon nach wenigen Jahren eine chronische, oft tödlich verlaufende Quecksilbervergiftung zu, die unter dem Namen „Merkurialismus“ als typische Berufskrankheit der Spiegelarbeiter bekannt war. Verspiegelung am Belegtisch (Quelle: Geschichte für alle e.V.) Der technische Durchbruch gelang schließlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Erfindung der nasschemischen Versilberung von Glas. Grundlage war ein Artikel unter dem Titel „Über Versilberung und Vergoldung von Glas“, der 1856 in den „Annalen der Chemie und Pharmazie“ veröffentlicht wurde. Sein Autor war der Giessener Chemiker Justus von Liebig. Liebig hatte sich auf Drängen von Johann Caspar Beeg dem Thema „Verspiegelung“ zugewendet, da er als Techniker in Fürth, dem Jahrhundert, Spiegelzentrum nach Verspiegelung einer auf Deutschlands Möglichkeit im 19. suchte, die nasschemischem Wege durchzuführen, um die katastrophalen Arbeitsumstände der Spiegelarbeiter zu verbessern. Beeg selbst dazu in einem Brief an Liebig: „[...] denn wie Sie wohl wissen, ist ja mein Zweck vorzüglich der, die Methode für fabrikmäßige Anwendung – behufs der Verdrängung des perfiden Quecksilbers – auszubeuten [...]“ [10] Nach diversen Problemen bezüglich der Reproduzierbarkeit der Verspiegelungsergebnisse sowie der Beständigkeit zahlreichen der Experimenten Reduktionsmitteln Silberoberfläche mit (Weinsäure, und verschiedenen Justus von Liebig (Quelle: Max Planck Institue for the History of Science, Berlin) Seignette-Salz, Invertzucker, Michzucker, Acetaldehyd, Essigsäure, Eisen- und Kupfer-Salze, Phosphorsäure, Kümmelöl), erfand Liebig 1858 ein Verfahren, die Rückseite eines bereits versilberten Spiegels galvanisch mit einem schützenden Kupferüberzug zu versehen und somit die Haltbarkeit der Silberspiegel deutlich zu erhöhen. Im Schulversuch hat sich der Einsatz von Glucose im Basischen zur Erzeugung eines gleichmäßigen Silberspiegels bewährt (siehe Anhang). Das alkalische Milieu führt zunächst zur Bildung eines Niederschlages aus Silberoxid. 2Ag(aq) 2OH(aq) 2AgOH(aq) Ag2O(s) H2O(l) Um den Niederschlag wieder zu lösen wird daher Ammoniak zugegeben, wobei sich der Diaminsilber(I)-Komplex bildet: Ag2O(s) 4NH3(aq) H2O(l) 2[Ag(NH ) ] 2OH (aq) 3 2 Die Reaktion des Reduktionsmittels Glucose mit dem Diaminsilber(I)-Komplex verläuft langsamer als mit hydratisierten Silber(I)-Kationen. Dieser Effekt ist beabsichtigt, da ein zu schnelles Ausfallen von elementarem Silber zu einer unebenen Oberfläche führen würde. Die Oxidation der Glucose zur Gluconsäure verläuft schematisch nach folgender Reaktionsgleichung: I R CHO(aq) 2OH III (aq) R C OOH H O 2e (aq) 2 (l) Die Reduktion des Silbers im Diaminsilber(I)-Komplex zu elementarem Silber verläuft nach folgender Reaktionsgleichung: I 2[ Ag(NH3 )2 ] (aq) 0 2e 2 Ag(s) 4NH3(aq) Der getrocknete Silberspiegel wird durch Aufsprühen von Klarlack (im Baumarkt erhältlich) vor Oxidation geschützt. Somit erhält man ein fertiges Werkstück, das die Schülerinnen und Schüler auch mit nach Hause nehmen können. 4.3 Thermisch gespanntes Glas Sicherheitsglas ist in der Lebenswelt der SchülerInnen in Form von Panzerglas und Windschutzscheiben vertreten. Solche großflächig thermisch vorgespannten Glasscheiben lassen sich jedoch an der Schule nicht herstellen. Der Effekt des Zerspringens in viele kleine Splitter bei Beschädigung der Oberfläche kann jedoch demonstriert werden (Sicherheitsglas kann von Schrottplätzen bezogen werden). Technisch werden hochfeste Sicherheitsgläser durch Schnellkühlung oder durch Ionenaustausch zur Erzeugung von Eigenspannungen im Glas hergestellt. Dabei wird die Oberfläche unter eine gleichmäßige Druckspannung gesetzt, was eine entsprechende Zugspannung im Glasinneren zur Folge hat (vgl. [1] S. 16). Beschädigte Windschutzscheibe (Quelle: www.wetterklima.de) Beschädigtes Panzerglas (Quelle: RUAG Ammotec AG) Um jedoch nicht auf die Herstellung von thermisch gespanntem Glas im Unterricht zu verzichten, kann man auf die Geschichte der Glasherstellung zurückgreifen. Im 17. Jahrhundert fielen bei der Herstellung von Hohlglas kleine, tropfenförmige Glasperlen in Bologna als Nebenprodukt an. Diese wurden 1642 „Bologneser Tränen“ nach ihrem Entdeckungsort Bologna getauft. Schon damals wurde beobachtet, dass die Tropfen einerseits eine außergewöhnliche Härte gegenüber mechanischem Druck aufwiesen, jedoch schon bei kleinsten Kratzern an der Oberfläche in viele kleine Scherben zersprangen. Dieser Glasstaub wurde im 17. Jahrhundert zusammen mit Wasser als Medizin („Glaswasser“) verabreicht. Bologneser Träne (Quelle: www.wundersamessammelsurium.de) In der Schule können diese Tränen relativ einfach hergestellt (siehe Anhang) und auf die angeführten Eigenschaften der großen Härte (ca. 5 kg/mm 2) und der labilen Oberfläche geprüft werden. Dazu reicht ein Abkneifen mit der Zange kurz oberhalb des thermisch gespannten Tropfens. Das Phänomen kann den Schülerinnen und Schülern mit Hilfe der im Vergleich zu Metallen und kristallinen Stoffen schlechten Wärmeleitfähigkeit amorpher Stoffen wie etwa Glas erklärt werden. Als Beispiel können die Wärmeleitfähigkeiten verschiedener glasartiger und nichtglasartiger Stoffe verglichen werden: λ(Kalk-Natron-Glas)= 1.07 W·m-1·K-1 λ (Ag) W·m-1·K-1 = 20000 Befindet sich ein geschmolzener Glastropfen in einem Medium, welches die Wärme gut abführen kann (z.B. Wasser), so wird zunächst die Wärme in den äußeren Bereichen der Schmelze abgeführt. Beim Abkühlen verringert sich das Volumen der Schmelze und es kommt gegenüber den inneren noch heißen Bereichen zu erheblichen Zugspannungen, da die inneren Bereiche durch die schlechte Wärmeleitfähigkeit des Glases erst später abkühlen. Diese Zugspannungen führen wiederum zu Druckspannungen an der Oberfläche der Glasträne. Schematisch ist dies in folgendem Tropfenquerschnitt dargestellt: Querschnitt einer Bologneser Träne (Quelle: www.wundersamessammelsurium.de) Die Druckspannungen an der Oberfläche führen dazu, dass es bereits bei geringster Beschädigung zu einer „Entladung“ dieser Spannungen kommt, was zur Implosion der Träne führt. 4.4 Elektrische Leitfähigkeit In der Hochspannungstechnik wird Glas aufgrund seiner schlechten elektrischen Leitfähigkeit traditionell als Isolator eingesetzt (siehe Abbildung). Dass dies jedoch nur für einen bestimmten Temperaturbereich und damit für den in 3.1 beschriebenen thermodynamischen Zustand der „unterkühlten Schmelze“ zutrifft, lässt sich in einem Schülerexperiment zeigen (siehe Anhang). Isolatoren aus Glas (Quelle: BINAME AG) Es soll dabei verdeutlicht werden, wie veränderte Versuchsbedingungen das Ergebnis eines Experiments entscheidend verändern können, „die Relativität von Versuchsergebnissen wird (auch) für Schüler deutlich“ ([2] S.34). Die erhöhte elektrische Leitfähigkeit des Glases im T g-Bereich lässt sich für die SchülerInnen auf die erhöhte Mobilität von Alkali-Kationen in der Schmelze zurückführen. Es wäre daher wünschenswert, das Experiment als Vergleich mit einem alkalifreien Glas (z.B. Quarzglas) durchzuführen. Dies wird jedoch in der Praxis aufgrund der hohen Schmelztemperatur von Siliciumdioxid (1726°C) leider kaum möglich sein. Als Anknüpfungspunkt im Leistungskurs kann das Phänomen der Ionenwanderung in amorphen Glasstrukturen näher erörtert werden. Verwendung findet Glas mit kristallinen Silber(I)oxid- und Silber(I)iodid-Einschlüssen beispielsweise in der Ceranfeld- und Festelektrolyt-Technik. Diese und weitere Anwendungen von Hochleistungsgläsern und –keramiken sind genauer dargestellt in [11]. 4.5 Chemische Resistenz Zu den wenigen nasschemischen Versuchen, die in der Schule zum Thema „Glas“ durchgeführt werden können zählt das sog. „Fluoridätzen“. Dabei muss für die SchülerInnen transparent werden, dass nicht etwa die Säurestärke von Flusssäure, sondern vielmehr die Bildung von flüchtigem Siliciumtetrafluorid die treibende Kraft der Reaktion ist. Das anfangs zugegebene Calciumfluorid und die konzentrierte Schwefelsäure repräsentieren dabei die beiden Phasen, die auch in professionellen Ätzpasten von Künstlern zum Einsatz kommen (siehe Abbildung). Glas-Ätzpaste (Quelle: Ulfalux Glasfarben AG) Fluoridgeätztes Glas (Quelle: www.chemie-master.de) Das Gleichgewicht der Reaktion von Flussspat mit konzentrierter Schwefelsäure wird durch das Erhitzen im Sandbad nach rechts verschoben: ΔT CaF2(s) H2SO4(aq) 2HF(g) CaSO4(aq) Der entstandene flüchtige Fluorwasserstoff steigt auf und reagiert an der Oberfläche des Objektträgers mit Siliciumdioxid zu flüchtigem Siliciumtetrafluorid und Wasser. SiO2(s) 4HF(g) SiF4(g) 2H2O(l) Diese Reaktion ist reversibel und bei der Rückreaktion entsteht kristallines Siliciumdioxid, welches man bei längerer Versuchsdurchführung auch als feinen Niederschlag auf dem Objektträger erkennen kann. Im Schulversuch empfiehlt sich der Einsatz von Objektträgern, da aufgrund der geringen Glasdicke die Ätzspuren besonders gut sichtbar sind und bereits nach drei Minuten deutliche Resultate sichtbar sind. Aber auch künstlerische Gestaltungen sind möglich, indem man eine Glasschale oder –platte vollständig mit Klebefolie bedeckt und anschließend ein gewünschtes Muster mit Hilfe eines Messers in die Klebefolie ritzt. Setzt man das Objekt nun der Ätzmischung aus, so werden nur die freien Stellen auf dem Glas von Flusssäure angegriffen. Die SchülerInnen lernen so eine Möglichkeit zur Herstellung von Mattglas kennen. 5 Schulrelevanz Der große Vorteil des Unterrichtsgegenstandes „Glas“ besteht zweifelsfrei in dem hohen Alltagsbezug der Thematik. Nahezu kein Bereich der Lebenswelt oder Technik kann heute auf den Werkstoff Glas verzichten, so dass sich zahlreiche Anknüpfungspunkte an die Lebenswelt der SchülerInnen finden lassen. Nachteilig ist hingegen die geringe Zahl interessanter Experimente, so dass die Möglichkeit der projektbezogenen Zusammenarbeit mit anderen Fächern in Form von fachübergreifendem Unterricht nicht außer Acht gelassen werden sollte (siehe 5.2). 5.1 Einordnung in den Lehrplan Das Thema „Glas“ ist explizit im Lehrplan des Landes Hessen erst in den Richtlinien der 13.2 unter dem Aspekt „Werkstoffe“ des Wahlthemenkomplexes „Angewandte Chemie erwähnt und insofern nur fakultativ durchzuarbeiten. Allerdings bietet sich ein kurzer Einschub zum Thema „Glaszustand“ bereits in der Mittelstufe an, da so die Abgrenzung zum kristallinem Zustand von Stoffen erleichtert werden kann. Dies kann beispielsweise im Rahmen des in der 10.1 zu behandelnden Oberthemas „Atombau, Periodensystem und Ionenbindung“ erfolgen. 5.2 Fächerübergreifender Unterricht (FÜU) Aus dem Anfangs genannten Grund der geringen Anzahl unterrichtstauglicher Experimente zum Thema „Glas“ sollte die Zusammenarbeit mit anderen Fächern besonders gesucht werden. Neben dem klassischen, der Chemie verwandten Fach Physik (Gläser in der Optik und Leitfähigkeit von Gläsern), bieten sich hier auch ansonsten eher nicht mit Chemie assoziierte Fächer wie Kunst oder Geschichte zur Kooperation an. Farbige Gläser wie z.B. Kirchenfenster und Tiffany-Glas sowie das in 4.5 erwähnte Fluoridätzen könnten im Bereich künstlerische Gestaltung Anknüpfungspunkte zur Chemie bieten. In Geschichte lässt sich auf Grundlage der eingangs kurz umrissenen historischen Aspekte der Thematik (siehe 2) der Weg des Glases vom Gebrauchs- und Schmuckgegenstand der wohlhabenderen Bevölkerungsschichten in der Antike und im Mittelalter zum omnipräsenten Alltagsgegenstand der Modernen zurückverfolgen. Auch eine genauere Untersuchung der Bedeutung von Massenfertigung für den Menschen während und nach der Industrialisierung erscheint interessant und lässt sich problemlos an den Unterrichtsgegenstand „Glas“ anbinden. 6 Literatur [1] Naturwissenschaft im Unterricht Chemie / 7. Jahrg. 1996 / Nr. 35 [2] Praxis der Naturwissenschaften - Chemie / 46. Jahrg. 1997 / Nr. 1 [3] Pfaender, H., Schott Glaslexikon, MVG-Verlag 5. Aufl., Landsberg am Lech 1997 [4] Chemie in unserer Zeit / 32. Jahrg. 1998 / Nr. 3 [5] Scholze, H., Glas, Springer Verlag Berlin 1988 [6] Praxis der Naturwissenschaften - Chemie in der Schule / 51. Jahrg. 2002 / Nr. 2 [7] http://www.chemiedidaktik-frankfurt.de/NaT/ (27.02.2006 18:10) [8] Naturwissenschaft im Unterricht Chemie / 4. Jahrg. / 1993 / Nr. 16 [9] Praxis der Naturwissenschaften - Chemie / 40. Jahrg. 1991 / Nr. 5 [10] Beeg, J.C. an Liebig, J. Fürth 21.10.1858, BSB München, Liebigiana II.B. [11] http://www.keramverband.de/keramik/pdf/02/sem02_03.pdf (28.02.2006 15:06) 7 Anhang Versuch I: Glasherstellung im AST-Element Chemikalien: Orthoborsäure HBO3(s) Natriumcarbonat Na2CO3(s) Calciumcarbonat CaCO3(s) Siliciumdioxid SiO2(s) Lithiumcarbonat Li2CO3(s) Gekörnter Aktivkohlenstoff C(s) Materialien: Haushaltsmikrowelle (Strahlungsfrequenz = 2,45 GHz), kleiner Blumentopf mit Untersatz = 8 cm (Baumarkt), feuerfester Mörtel (Baumarkt), Becherglas (100 mL, hohe Form), Frischhaltefolie, Porzellanschälchen (40 mL, niedrige Form), Tiegelzange, feuerfeste Unterlage, Mörser mit Pistill, Vorratsflasche (500 mL, Breithals) Aufbau: Nachdem der kleine Blumentopf einige Stunden im Trockenschrank bei 120 °C getrocknet wurde, wird er mit frisch angerührtem feuerfesten Mörtel zu ca. 2/3 gefüllt (Hinweise auf der Mörtelpackung beachten). In den noch flüssigen Mörtel wird nun das mit Frischhaltefolie umwickelte Becherglas (100 mL, hohe Form) gedrückt. Durch die Frischhaltefolie kann das Becherglas nach Erstarren des Mörtels bequem wieder entfernt werden. Die entstandene Vertiefung wird nun mit etwas gekörntem Aktivkohlenstoff gefüllt. Anschließend wird das Porzellanschälchen auf dem Aktivkohlenstoff platziert, der Zwischenraum zwischen dem Rand der Porzellanwand und dem Mörtel wird mit gekörnter Aktivkohle befüllt (siehe Abbildung). Um das Borglasgemenge herzustellen werden 10.0 g Siliciumdioxid, 106.0 g Orthoborsäure, 18.0 g Natriumcarbonat, 17.0 g Calcliumcarbonat und 42.0 g Lithiumcarbonat im Mörser sorgfältig durchmischt und anschließend in die Vorratsflasche gefüllt. Diese Menge reicht für ca. vier Ansätze im Porzellantiegel (40 mL). Daher empfiehlt es sich unter Umständen, größere Mengen herzustellen, da sich das Gemenge auch problemlos über längere Zeiträume lagern lässt. Durchführung: Zunächst wird der Porzellantiegel zu ca. 2/3 mit Borglasgemenge befüllt. Das AST-Element wird anschließend mitsamt Untersetzer mittig in die Mikrowelle gestellt. Zuvor ist jedoch die in den meisten Haushaltsmikrowelle vorhandene Drehscheibe zu entfernen. Danach wird die Tür geschlossen und die Mikrowelle bei voller Leistung angeschaltet. Sollte das Borglasgemenge innerhalb von etwa fünf Minuten noch nicht geschmolzen sein, ist es notwendig, die Position des AST-Elementes in der Mikrowelle zu verändern, da es auf Grund von Interferenzen im Inneren der Mikrowelle zu sog. „hot spots“ kommt, also zu Bereichen höherer und niedrigerer Strahlungsintensität.1 Nach ungefähr fünf bis sechs Minuten wird die Mikrowelle ausgeschaltet und der Porzellantiegel kann mit Hilfe der Tiegelzange aus dem AST-Element entfernt werden. Anschließend wird die Schmelze auf einer feuerfesten Unterlage (z.B. Laborbank) ausgegossen und abgekühlt. Ergebnis: Nach dem Einschalten der Mikrowelle entstehen kleinere Funken an den sichtbaren Rändern des Aktivkohlenstoffes. Nach drei bis vier Minuten ist durch das Sichtfenster des Mikrowellenofens ein weißer Feststoff sichtbar, der sich an der Oberfläche des Gemenges im Porzellantiegel gebildet hat und auf die Entstehung von Kohlenstoffdioxid hinweist. Die fertige Schmelze glüht orange und knackt hörbar beim Abkühlen auf der feuerfesten Unterlage. Literatur: www.chemiedidaktik-frankfurt.de/NaT/PKS13/LansisHomepage/frames.html (21.02.2006, 12:07 Uhr) Lühken,A.; Bader,H.J.: "Herstellung von Glas und Email im Mikrowellenofen", PdN-Chi 21/51. Jg. 2002, S. 41 - 44 Die „hot spots“ lassen sich mit Hilfe von angefeuchtetem Thermopapier, das an der Oberfläche einer auf die Mikrowelle zugeschnittenen Styroporplatte befestigt ist, ermitteln. 1 Versuch II: Verspiegelung von Fensterglas Chemikalien: Silbernitrat-Lösung (w = 0.1) Glucose-Lösung (w = 0.025) Kaliumhydroxid-Lösung (w = 0.018) Kaliumhydroxid-Lösung (w = 0.1) Ammoniak-Lösung (w = 0.25) Aceton Ammoniumsulfat Entionisiertes Wasser Klarlack (Sprühdose) R: 34-40-53 R: --R: 34 R: 35 R: 34 R: 11-36-66-67 R: --- S: 26-45-60-61 C, N S: --S: 26-36/37/39-45 C S: 26-36/37/39-45 C S: 26-36/37/39-45-61 C, N S: 9-16-26 F, Xi S: --- Materialien: 2 Kristallisierschalen, Glasplatte (herkömmliches Fensterglas), Klebefolie, 2 Messzylinder (50 mL), Messzylinder (100 mL), Becherglas (250 mL), 1dunkele Glasflasche (1000 mL), 3 PE-Flaschen (1000 mL), Glasstab, Geschirrhandtuch, Fön, Spritzflasche, Handschuhe, Spatel, Waage, Schere, Pipette Aufbau: Um eine gleichmäßige und gut haftende Silberschicht zu erhalten, muss die Glasplatte zunächst in einer mit Kaliumhydroxid-Lösung (w = 0.1) gefüllten Kristallisierschale gelagert werden. Dies reinigt die Glasplatte von etwaigen Fettrückständen und ätzt sie minimal an. Nach etwa 2 Stunden wird die zu verspiegelnde Glasplatte von beiden Seiten erst mit entionisiertem Wasser und danach mit Aceton gespült. Nach dem Abtrocknen mit dem Geschirrhandtuch wird eine Seite so mit Klebefolie beklebt, dass letztere etwas über die Ränder hinaussteht (ca. 1 cm) und somit an den Ecken zusammen geklebt werden kann. Die so präparierte Glasplatte wird dann mit der beklebten Seite nach unten in eine leere Kristallisierschale gelegt. Zur Vorbereitung der Reaktionslösung werden zunächst 200 mL Silbernitrat-Lösung tropfenweise mit Ammoniak-Lösung versetzt, bis sich der braun-schwarze Niederschlag von Silberhydroxid gerade wieder aufgelöst hat. Die Lösung wird mit 3 g Ammoniumsulfat in die dunkele Glasflasche (1000 mL) gefüllt und anschließend mit entionisiertem Wasser auf etwa 1 Liter aufgefüllt. Durchführung: In den Messzylindern werden 70 mL Silbernitrat-Lösung (w = 0.1), 35 mL Glucose-Lösung (w = 0.025) und 35 mL Kaliumhydroxid-Lösung (w = 0.018) abgemessen und in folgender Reihenfolge in einem Becherglas (250 mL) vermischt: 1. Glucose-Lösung (w = 0.025) 2. Kaliumhydroxid-Lösung (w = 0.018) 3. Silbernitrat-Lösung (w = 0.1) Diese Mischung gießt man in die Kristallisierschale mit dem beklebten Fensterglas und bewegt sie etwa eine Minute leicht hin und her. Es ist zu beobachten, dass sich die anfangs braun-schwarz gefärbte Lösung nach hellgrau umfärbt und sowohl die Kristallisierschale als auch die Glasplatte mit einer Silberschicht überzogen werden. Nach Ablauf der Reaktion wird die Glasplatte an einer der Klebefolienecken aus dem Reaktionsgemisch gezogen und die versilberte Seite gründlich mit Wasser abgespült. Dann wird die Klebefolie abgezogen und die Silberschicht, ohne dass man sie berührt, mit dem Fön getrocknet und mit Klarlack besprüht. Silberspuren, die sich möglicherweise auf der nicht versilberten Seite befinden, können problemlos mit einem stumpfen Gegenstand abgeschabt werden. Ergebnis: Da die verspiegelte Glasoberfläche durch Klarlack vor Oxidation geschützt ist, erhält man auf dem angegebenen Weg einen haltbaren Taschenspiegel. Literatur: http://dc2.uni-bielefeld.de/dc2/glas/index.html (21.02.2006 17:34 Uhr) Praxis der Naturwissenschaften - Chemie / 40. Jahrg. 1991 / Nr. 5, S. 22ff Versuch III: Thermisch gespanntes Glas Chemikalien: Glasrohre (kein Duran- oder anderes Borosilicatglas) Wasser Materialien: Gebläsebrenner, Becherglas (1000 mL), Kneifzange, Handschuhe, pneumatische Wanne (möglichst groß) Durchführung: Der Gebläsebrenner wird an die Strom- und Gasversorgung angeschlossen. Es ist darauf zu achten, dass keine Menschen oder Gegenstände im Bereich der Flamme geraten. Man befüllt weiterhin das Becherglas (1000 mL) mit Wasser und stellt es unter die Flamme des Gebläsebrenners. Beim Schmelzen des Glasrohres sind Handschuhe zu tragen, da man dem Glas nicht ansieht, ob es heiß oder kühl ist. Beim Anschmelzen wird zunächst das Glasrohr unter ständigem Drehen zugeschmolzen und möglichst gleichmäßig erhitzt. Es bildet sich schließlich ein Glastropfen, der durch die Schwerkraft angezogen in Richtung des wasserbefüllten Becherglases fließt. Man lässt den Tropfen in das kalte Wasser fallen, wobei darauf zu achten ist, dass der Faden, der den Tropfen und das Glasrohr verbindet, nicht abbricht. Ob die Herstellung der Träne („Bologneser Träne“) erfolgreich wahr, erkennt man einerseits an einem lauten Knackgeräusch und andererseits an der Abwesenheit von Rissen in der klaren Träne. Lufteinschlüsse hingegen behindern den Vorführeffekt nicht. Ergebnis: Die fertige klare Träne kann nun nach dem Abkühlen in die große pneumatische Wanne (oder ein anderes durchsichtiges Schutzgefäß) halten und nah am Ende der Träne mit Hilfe der Kneifzange das sog. „Schwänzchen“ abkneifen. Wenn die Herstellung erfolgreich war, fliegen unter einem Knallgeräusch viele winzig kleine Glassplitter an die Innenwand der pneumatischen Wanne. Der Glasstaub kann anschließend durch Kippen der pneumatischen Wanne gesammelt und für Demonstrationszwecke eingesetzt werden. Literatur: http://dc2.uni-bielefeld.de/dc2/glas/index.html (21.02.2006 19:23 Uhr) Versuch IV: Elektrische Leitfähigkeit von Glas Chemikalien: Glasstab (Kalk-Natron-Glas) Kupferdraht Materialien: Stromquelle, 3 Strippen, 2 Krokodilklemmen, Amperemeter, Stativmaterial, Bunsenbrenner, Hebebühne, Schmirgelpapier Durchführung / Ergebnis: Der Glasstab ( = 0.5 cm) wird an beiden Enden mit Kupferdraht, an dem zuvor mit Schmirgelpapier die Isolierung entfernt wurde, so umwickelt, dass zwischen beiden Drahtenden ca. 2 cm des Glases unbedeckt bleiben. Anschließend wird der Glasstab mit Hilfe von Stativmaterial horizontal so fixiert, dass der Bunsenbrenner mit Hebebühne noch darunter passt. An die äußeren Enden der Kupferdrähte wird jeweils eine Krokodilklemme angeklemmt, fixiert und an den Stromkreis mit dem Amperemeter angeschlossen. Vor Versuchsbeginn sollte unbedingt überprüft werden, ob das Amperemeter bei geschlossenem Stromkreis auch ausschlägt bzw. eine Stromstärke anzeigt. Nun wird eine Wechselspannung von ca. 10 Volt angelegt und nachdem die gemessene Stromstärke notiert wurde, entzündet man den Bunsenbrenner und reguliert mit der Hebebühne so, dass sich das nicht mit Kupferdraht bedeckte Glasstück im Zentrum der heißesten Stelle der rauschenden Bunsenbrennerflamme befindet. Erneut wird die gemessene Stromstärke notiert. Sobald das Limit des Messbereichs am Amperemeter erreicht ist oder sobald der Glasstab durchschmolzen ist, wird der Bunsenbrenner ausgeschaltet. Anschließend kann man am Amperemeter eine schnelle Abnahme der Stromstärke beim Abkühlen des Glasstabes beobachten. Für Temperaturen unterhalb des Transformationsbereichs gilbt für die Abhängigkeit das Gesetz von Rasch und Hinrichsen: log A B T = spezifischer elektrischer Volumenwiderstand A, B = glasspezifische Konstanten T = absolute Temperatur Literatur: Naturwissenschaft im Unterricht Chemie / 7. Jahrg. 1996 / Nr. 35, S. 16f Versuch V: Chemische Resistenz von Glas Chemikalien: Calciumfluorid Schwefelsäure (w = 0.95 - 0.97) R: 35 S: 26-30-45 C Materialien: Objektträger, Bleitiegel, Porzellanschälchen mit Sandbad, Dreifuß, Drahtnetz, Feuerzeug, Bunsenbrenner, Spritzflasche, Spatel, Tiegelzange, Pipette Durchführung: Alle Arbeiten sind aufgrund der Entstehung von Flusssäure unter dem Abzug durchzuführen. Auf dem Dreifuß wird zunächst das Drahtnetz mit Sandbad und Bleitiegel platziert, so dass der Bunsenbrenner unter den Dreifuß gestellt werden kann. Anschließend gibt man eine Spatelspitze Calciumfluorid in den Bleitiegel und fügt eine Pipette konzentrierter Schwefelsäure hinzu. Nun legt man schnell den Objektträger auf den Bleitiegel und erhitzt das Porzellanschälchen. Nach ca. drei Minuten ist der Objektträger mit Hilfe der Tiegelzange von dem Bleitiegel zu nehmen und gründlich mit entionisiertem Wasser abzuspülen. Ergebnis: Nach dem Erhitzen ist eine leichte Rauchentwicklung zu beobachten. Auf der Oberfläche des abgespülten Objektträgers kann man eine deutliche Trübung an den Stellen sehen, die auch eine fühlbare Aufrauung des Glases aufweisen. Literatur: http://dc2.uni-bielefeld.de/dc2/glas/index.html (22.02.2006 19:15)