Datum: 28. Januar 2008 Thema: Europa wird vergesslich Demenzerkrankungen auf dem Vormarsch Referent: Dr. Hand G. Lauchart FA für Neurologie, Neurologische Facharztpraxis, Privatklinik Maria Hilf, Klagenfurt Fakten & Daten Im Jahre 2000 zählte man in Österreich alleine 100.000 Demenzkranke. Durch die stetige Überalterung der Bevölkerung rechnet man in der Zukunft mit einer dramatischen Zunahme typischer neurologischer Erkrankungen, wie Parkinson, Schlaganfall und vor allem der Alzheimer Demenz. Die Zahl der von einer Demenz Betroffenen wird im Jahre 2050 dramatisch steigen und wird mit ca. 230.000 prognostiziert. Da bis dahin aber die österreichische Einwohnerzahl von ca. 8 Millionen konstant bleibt, wird sich der prozentuale Anteil an Demenzerkrankten in der Gesamtbevölkerung gewaltig erhöhen. Dies bedeutet einen enormen Umdenkprozess, der bereits jetzt eingeläutet werden sollte. Die Verantwortung liegt jetzt schon in den Händen der Politiker, Ärzte und der Bevölkerung selbst. Die gesundheitspolitische Herausforderung der Zukunft ist das medizinische und soziale Management des älteren Patienten. Um Gedächtnisstörungen zu verstehen, bedarf es einiger neurobiologischer Grundlagen: Definition Gedächtnis Dem Gedächtnis werden bestimmte neuroanatomische Strukturen zugeordnet. Einerseits ist unser Gedächtnis in der grauen Substanz der Hirnrinde lokalisiert (sogenanntes cortikales oder auch explizites Gedächtnis). Hier befindet sich das Wissen um Fakten und Ereignisse. Beispiel: Hauptstadt von Italien ist Rom. Der Kärntner Landesfeiertag ist der 10. Oktober. Andererseits befindet sich das sogenannte implizite Gedächtnis subcortikal, also unter dem Cortex (Hirnrinde). Implizite Gedächtnisleistungen laufen überwiegend unbewusst ab. Beispiel dafür sind eingeschliffene Fertigkeiten wie das Beherrschen der Spiegelschrift. Biologie der Erkrankung Bei Alzheimer beginnt der Krankheitsprozess im sogenannten Hippocampus, das ist ein Kerngebiet im Bereich des Schläfenlappens des Gehirns. Dabei entsteht ein Eiweiß, das sogenannte Tau Protein, welches sich in der Nervenzelle anreichert und den Zellstoffwechsel stört. Der Prozess schreitet voran und immer mehr Nervenzellen werden zerstört. Ausgehend vom Hippocampus erkrankt allmählich das ganze Gehirn und damit auch andere Funktionszentren. Erst im Laufe der Erkrankung kommt es zu einer messbaren Schrumpfung des gesamten Gehirns. Diagnostik 1. Wie alle von der WHO definierten Krankheitsbilder, muss auch für die Diagnose „Alzheimer“ eine typische Symptomkonstellation gefunden werden. Diese wird vom Neurologen oder Psychiater anhand sogenannter Diagnosekriterien gestellt. (ICD10, DSM IV). Eine isolierte Gedächtnisstörung ist für die Diagnose Alzheimer nicht ausreichend. Typische Begleitsymptome sind Wortfindungsstörungen, Wahrnehmungsstörungen, Orientierungsstörungen, Störungen im Planungs- und Handlungsverhalten, sowie Beeinträchtigungen im beruflichen und familiären, sozialen Umfeld. Diagnostik 2. Bei Verdacht auf Demenz, häufig gestellt durch die Angehörigen, den Hausarzt oder auch durch den Patienten selbst, sollte Kontakt mit einem Facharzt für Neurologie aufgenommen werden. Dieser entscheidet nach einer neurologischen Untersuchung einschließlich neuropsychologischer Tests, ob eine weiterführende Abklärung notwendig ist. Dazu zählen neben einer Blutabnahme die Durchführung einer Gehirndurchleuchtung mittels Magnetresonanz- oder Computertomographie (MRT, CT), die Elektroenzephalographie (EEG), falls notwendig auch eine Hirnstoffwechseluntersuchung mit radioaktiv markierten Substanzen (Neuro PET) oder auch eine Hirnwasseruntersuchung (Liquorpunktion). Manchmal ist auch eine genaue neuropsychologische Untersuchung mit Hilfe standardisierter Testverfahren angezeigt. Andere Demenzformen Zwar stellt die Alzheimer Erkrankung mit 80% den größten Anteil aller Demenzen dar, andere Formen wie die vaskuläre Demenz, Demenz mit Lewy-Körperchen, Parkinson Demenz und seltenere Formen wie sogenannte frontotemporale Demenzen, sollten vom Experten abgegrenzt werden. Insbesondere müssen auch andere Ursachen für Demenzsymptome (Verwirrtheit, plötzlicher Verlust von geistigen Fähigkeiten) abgeklärt werden. Beispiele für typische potentiell behandelbare Demenzen sind: Schilddrüsenfunktionsstörungen, Elektrolytstörungen des Blutes, Blutarmut, Medikamentennebenwirkungen, u.v.m. Hinzukommende Probleme Mit der Diagnose kommen auf die Angehörigen einige Probleme zu. Dazu gehören die häufig mit der Demenz assoziierten Verhaltens- und Persönlichkeits-veränderungen. Diese können sehr ausgeprägt und somit für die Umwelt extrem belastend sein. Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus, aggressive Verhaltensmuster und auch die Inkontinenz stellen wohl die schwersten Belastungsfaktoren dar. Angehörige Die Angehörigen laufen Gefahr, relativ rasch in ein Burn out zu geraten. Es gilt daher, bereits frühzeitig mit den Angehörigen in einen intensiven Dialog zu treten und rasch über die Erkrankung und ihre Folgen aufzuklären. Hier sollte auch auf die Unterstützung der Selbsthilfegruppen hingewiesen werden. Therapie Zu den derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten, allen voran die medikamentöse Alzheimertherapie, wird im Rahmen des Vortrages Stellung genommen. Hierbei ist vor allem zu betonen, dass die durch den Facharzt verschriebene Therapie nicht leichtfertig abgesetzt werden darf. Die weltweit gängigen Alzheimermedikamente können zwar die Erkrankung nicht aufhalten, diese aber in ihrem Fortschreiten messbar verzögern. Besprochen werden im Referat auch die wichtigsten auf dem Markt befindlichen Anti-Demenz Mittel, insbesondere in Hinblick auf deren klinisch getestete Wirksamkeit. (Evidence Based Medicine) Nichtmedikamentöse Therapien Neben der medikamentösen Therapie sind aber auch nicht medikamentöse Therapien angezeigt. Im Vordergrund stehen hier die Ergotherapie mit kognitiven Trainingsprogrammen, aber auch Verhaltenstherapien. Vorbeugung und persönliches Risiko Rein vererbte Alzheimerformen sind Raritäten. Meist ist die Angst an Alzheimer zu erkranken, nur weil in der Familie ein solcher Fall vorhanden ist, unbegründet. Die wesentlichen Risikofaktoren (Rauchen, Bewegungsarmut, einseitige, obst- und gemüsearme Ernährung sowie Stress, Depressionen und schlechte Bildung) sind nahezu dieselben wie bei den typischen Zivilisationskrankheiten Zuckerkrankheit, Bluthochdruck, Fettstoffwechsel-störungen, Herzinfarkt, Schlaganfall. Insgesamt dürfen diese Faktoren aber nicht überbewertet werden. Zukunftsaspekte Abschließend wird noch auf mögliche künftige Therapiemöglichkeiten (Impfungen, Gentherapie, etc.) eingegangen. Ziel der Veranstaltung Insgesamt sollte der Vortrag den Hörerinnen und Hörern einen verständlichen Überblick über das Thema Demenz vermitteln. Natürlich können im geplanten Zeitrahmen von einer Stunde nur die wichtigsten Bereiche angeschnitten werden. Die Verantwortung für den Inhalt von Vortrag und dieser Zusammenfassung liegt beim Verfasser. Weitere Informationen: Dr. Hans G. Lauchart Radetzkystraße 35, 9020 Klagenfurt Für Fragen außerhalb der Vortragszeit stehe ich gerne über meine Ordination (Tel.: 0650 971 1211) oder E mail: [email protected]) zur Verfügung.