linken - gsx

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Alpenurlaub auf zwei Rädern (Chaoten am Limit)
Diesen Reisebericht schreibe ich heute Ende 2002 mit der Einstellung wie ich sie 1997
hatte. Naturgemäß gehe ich die Sache heute überlegter und besonnener an. Wie gesagt,
der Bericht spiegelt die Sicht der Dinge aus damaliger Zeit wieder.
Ich muß vorrausschicken, daß ich es hätte wissen müssen. Mit Markus in Urlaub fahren,
kann einfach nicht ohne Aufregung ablaufen. Markus, mein Stiefsohn, damals begnadeter
ZZR 600 Heizer, ist ein Typ der alles mögliche zwischen den Fingern kaputt macht. Und
das natürlich immer ungewollt. Up´s, war ich das etwa. Ich, 12 Jahre älter wie Markus, war
eher der ruhige, ausgeglichene und schüchterne Typ. Aber nur solange ich nicht auf
meiner ZRX 1100 saß.
Ende August 1997, frisch aus einem 16 tägigen Urlaub in Saint-Tropeze
zurückgekommen, ging’s an die Vorbereitungen für einen einwöchigen Trip in die
österreichischen und Südtiroler Alpen, den wir eine Woche später starten wollten.
Diese Alpentour sollte keine Sizing Tour werden. Es sollte Motorrad gefahren werden. So
war es geplant. Ich machte mich sogleich an den Check meiner ZRX. Öl, Wasser,
Bremsbeläge und Licht in Ordnung. In die Elektrischen Steckverbinder noch etwas Öl
sprühen. Ein paar Kabelbinder, Schrauben, Tape und Kleinkram unter der Sitzbank
verstaut, Motorrad noch auf Hochglanz gebracht. Ready to go.
Tag 1 Montag
Montag morgen ging es los. Bei Karlruhe auf die Autobahn Richtung München, in Ulm
dann Richtung Kempten. Ich immer vornweg, da ich die Karten und Ortskenntnis hatte. Bei
Kempten runter von der Autobahn und erst mal ein Wirtshaus suchen; denn Markus wird
ohne Essen recht nervös und grantig. In einem abgelegenen Dorf sind wir dann fündig
geworden. Nachdem Hunger und Durst gestillt waren fuhren wir weiter nach Hindelang
und über das Oberjoch nach Österreich. Das Oberjoch machte schon richtig schön Spaß,
zumal kein Auto vor uns war. Nach einer kurzen Pause auf dem Joch, Weiterfahrt ins
Tannheimer Tal.
Dann der erste etwas anspruchsvollere Paß. Das Hahntennjoch; 1903 Metern hoch, 29
Kilometer lang und 1076 Meter Höhenunterschied. Und wieder kein Auto vor uns. Also ab
die Post. Wir fuhren uns fast in einen Rausch. Vor den Kehren spät bremsen, dabei schon
nach oben schauen ob Gegenverkehr kommt und dann auf dem Scheitelpunkt wieder
Gas aufziehen. War mit der ZRX, trotz ihres hohen Gewichts leicht zu fahren. Hatte ja
auch Drehmoment satt. Markus mit seiner ZZR 600 hatte da schon mehr im Getriebe zu
rühren.
Mitten im Aufstieg, sind wir auf einen, auf Pässen scheinbar noch recht unerfahrenen
Motorradfahrer, aufgefahren. So was habe ich noch nicht gesehen. Im Paß, die
Rechtskurven innen anfahren, dabei fast umfallen, weil man zu langsam fährt, und beim
raus beschleunigen immer die Fahrbahn bis zum linken Rand (Gegenverkehr) brauchend,
hatte er einige mal mehr Glück als Verstand. Das Motorrad, eine Suzuki VX 800 ( das
Ding mit dem V-Motor), war bis oben hin mit Koffer, Topcase, Tankrucksack und Sozia
aufgerödelt. Mein Gott, warum fährt man solche Pässe, wenn es an Fahrsicherheit noch
mangelt.
Warum tun sich manche Leute so etwas an. Wir haben ihn irgendwann überholt. War trotz
seiner geringen Geschwindigkeit gar nicht so leicht, da er die schmale Strasse ganz für
sich beanspruchte und scheinbar auch seine Rückspiegel nicht benutzte. Auf dem Joch
angekommen, erst mal Pause machen und eine drehen. Nach dem genießen dieser
imposanten Landschaft, haben wir uns dann auf den Weg nach Imst gemacht. Dort auf der
Landstraße Richtung Innsbruck. Dort wollten wir uns die Altstadt anschauen. Aber was
machen wir mit unserm Gepäck? Da hatte Markus eine gute Idee. „Wir packen im Bahnhof
alles in ein Schließfach“, und haben somit Bewegungsfreiheit. Gesagt, getan. Alles ins
Schließfach, und ab in die Stadt.
Nach einer Stunde Besichtigung in dieser wirklich schönen Stadt, ging es dann wieder
weiter. In Schwaz sind wir dann in das Zillertal zu abgebogen. Schönes gemütliches
dahergleiten im Verkehr. Nur keine Überholorgien und dadurch Streß. Ich habe ja Urlaub
und Zeit.
Ich glaube, bei Zell am Ziller, hat Markus mich das erste mal überholt. Zuerst hatte ich
mich gewundert, dann aber hab ich verstanden. An der Abfahrt zum Gerloss, sah Markus
an einer Tankstelle einen Wimpel mit einem aufgedruckten Hamburger. Also haben wir
angehalten, damit er nicht nervös und gereizt in Mittersill, unserer ersten Tagesetappe,
ankommt. Er war so Happy, daß er mir einen Hotdog und eine Cola spendierte.
Nach Speis und Trank, wieder auf das Motorrad und weiter. Auf der Überleitung nach
Gerloss habe ich dann in einer Linkskurve eine rote Vespa überholt. Habe wohl dabei zu
früh wieder am Gas gehangen. Mit einem sauberen, aber ungewollten Sligth habe ich den
Überholvorgang abgeschlossen. Markus, der ja hinter mir fuhr, ist der Schreck in die
Glieder gefahren. Im nachhinein stellten wir fest, daß die Straße doch recht staubig war.
Also ist mit der ZRX trotz BT 57, Vorsicht angesagt.
Der Schreck hielt nicht lange an. Vom Zillertal rauf in Richtung Gerloss sind wir sehr flott
unterwegs. Der eine oder andere Rutscher zeigte mir dann doch, daß die
Verschleißgrenze des Reifens bald erreicht ist. Die letzten 15 Kilometer Straße vor
Gerloss liegt in einem kurvenreichen Waldstück direkt am Hang.
Dieses Stück wurde ein Jahr zuvor neu asphaltiert. Die Kanaldeckel wurden aber nicht
dem Niveo der Straße angepaßt, sondern lagen noch ca. 5 cm tiefer. Diese Information
hätte ich Markus vorher geben sollen. Denn als ich dort einen 7,5 Tonner überholte, der
übrigens sehr flott unterwegs war, konnte Markus wegen der fehlenden Kurveneinsicht
nicht mit mir mitziehen. Er setzte dann etwas später in einer Linkskurve zum Überholen
an. Irgendwie war er wohl zu schnell, als er schon an dem LKW vorbei war, hat er noch in
Schräglage fahrend, einen Kanaldeckel mit Vorder und Hinterrad erwischt. Er sagte
anschließend, daß er richtig abgehoben hat. Zum Glück kam es nicht zum Sturz.
Also, weiter Richtung Mittersill. Ab jetzt Vorsicht: Offene Weidehaltung. Kühe laufen hier
frei herum. Unterhalb des Gerloss-Stausees erst in der Linkskurve einen Slight und dann
oberhalb des Sees in der Rechtskurve einen. Jetzt gibt mir der Hinterreifen aber zu
denken. Oberhalb des Sees gibt es direkt an der Straße einen kleinen Kiosk mit allen
möglichen Souvenirs für Bustouristen. Dort hat man einen tollen Blick über den See. Also,
erst mal einen Kaffee und eine Selbstgedrehte um das Erlebte zu verarbeiten.
Nach der ½ stündigen Pause ging’s dann wieder weiter. Kurzentschlossen wird der alte
Geerlosspaß gefahren. Der Neue kosten Maut und ist nicht so reizvoll. Die alte Straße ist
schmal, kurvenreich und hat eine schlechte, brüchige Farbahndecke. Aufpassen ist
angesagt, auch hier ist das Weidevieh frei unterwegs.
Hier wurde auf eigenartige Weise die Fahrbahndecke geflickt. Erst wurde Bitumen
großflächig aufgetragen, und irgendwann kommt dick Splitt darüber. Und das ganz ohne
Hinweisschilder oder Warntafeln. Der Autoverkehr drückt dann den Splitt in den Bitumen.
Aber warum muß die Straße geflickt werden wenn wir von dort oben runtergeschossen
kommen. Wenn du im steilen Gefälle auf ein ca. 30 Meter langes tiefschwarz glänzendes
Straßenstück zukommst, wird es dir erst mal ganz anders ums Herz. Und als ob das nicht
ausreichen würde, kommt uns dort noch der LKW mit dem Splitt entgegen.
Die Straße bloß 3 Meter breit, links der Berg und rechts Stacheldraht und Abgrund. Dort
sind wir irgendwie durchgekommen. Aber die späte Einsicht sagt mir: Es ist ein
unbedeutender Seitenpaß der von uns zu schnell befahren wurde.
Unten in Neukirchen angekommen, ging’s die letzten 30 Kilometer gemächlich weiter bis
nach Mittersill. Dort kennen wir einen Bauer (Rudi), der auf seinem Hof auch zehn
Fremdenzimmer hat. Diese Bekanntschaft kam in den 70er Jahren zustande. In dieser Zeit
war Rudi im Pfälzerwald (Johanniskreuz) als Holzmacher unterwegs. Dort wohnte er in der
Pension meiner Schwiegereltern. Später ging er dann zurück nach Mittersill um den Hof zu
übernehmen. Da der Hof auch noch sehr schön liegt und man dort entspannen kann,
schaue ich sehr gerne dort vorbei.
Nach der herzlichen Begrüßung und anschließender Zimmerübergabe, ging’s erst mal ab
in die Stadt um Geld vom Bankautomaten zu holen. Doch siehe da, die EC-Karte vom
Markus funktionierte nicht. Als ich mir die Karte anschaute, wunderte mich das nicht. Sie
sah aus, als ob sie von Ratten angefressen wurde. Natürlich war ich jetzt schuld, da ich
meinen Tankrucksack zu Hause mit den Magneten auf Markus Geldbeutel gelegt hatte.
Meine Frage ob er wenigstens Euroschecks dabei hat, wurde mit einem „Nein“
beantwortet. Tolle Urlaubsvorbereitung, dachte ich mir. Mir blieb nichts anderes übrig, und
streckte Markus die Urlaubskasse vor. Tat mir ja nicht weh, aber geärgert hat es mich
doch.
Jetzt ging’s zum Essen ins Tauernhaus. Das ist ein altes Haus, in einem urigen Seitental
Richtung Felbertauerntunnel. Dieses Haus wurde im 1400 Jahrhundert zum ersten mal
erwähnt. Es diente als Raststation für die Säumer (Händler) die mit Waren und Vieh über
die Hohe Tauern von und nach Osttirol zogen. Die letzte bauliche Veränderung war Mitte
des 18. Jahrhunderts. Das muß man gesehen haben.
Also, erst mal stielecht Käsespatzen mit Pinzgauer Käse für zwei Personen bestellt. Die
kamen dann in einer gußeisernen Pfanne auf den Tisch. Da ich eigentlich keinen Hunger
hatte, und mehr an einigen Radlern interessiert war, mußte sich Markus die
Zweipersonenpfanne alleine reinziehen. Und was hat er sich gequält.
Satt und zufrieden ging es zurück auf den Hof. Noch eine Flasche Bier und ein Schnaps,
und ab in die Falle.
Tag 2 Dienstag
Die geplante Tour für den 2. Tag
Mittersill, Zell am See, Großglockner, Lienz, DefreggenerTal, Staller Sattel, Antholz.
Nach dem Aufstehen um 07:00 Uhr wurde erst mal ein zünftiges Frühstück. Jetzt macht
die Bergluft auch mir mächtig Appetit. Man könnte ich essen, und Markus sowieso. Um
09:00 Uhr haben wir uns dann von Rudi verabschiedet, und sind in Richtung Großglockner
losgefahren. Der Großglockner ist mit 3798 Metern Österreichs höchster Berg, und liegt
mitten im Nationalpark Hohe Tauern. Hier habe ich schon ganze Tage verbracht und
immer etwas Neues entdeckt.
Auf dem letzten Stück Richtung Mautstation, gab es ein Festival der Rutscher; denn
überall auf der Strasse hat das liebe Vieh seine Visitenkarten hinterlassen. Irgendwann
probiert man dann mal aus wie man das Rutschen des Hinterrades provozieren kann. Und
das macht richtig Laune.
Am Glockner angekommen haben wir erst einmal die happige Maut bezahlt. Wieder auf
die Motorräder geschwungen und losgefahren, hat sich bei uns beiden im Kopf, scheinbar
ein Hebel umgelegt.
Die ZRX, trotz ihren hohen Gewichts sehr handlich, wurde von mir um die Kehren
getrieben wie nie zuvor. Mit dem hohen Drehmoment immer genügend Druck am
Hinterrad ohne irgendwelche Drehzahlorgien, in jeder Ecke spät bremsen (2 mal
Sechskolbensättel und Stahlflexleitungen ) und auf dem Scheitelpunkt wieder früh und hart
ans Gas. Das verschlissene Hinterrad konnte die gewaltigen Kräfte nicht immer auf den
Asphalt bringen; und so gab es immer wieder die schönsten Shlights. Markus rechnete bei
diesen Shlights eigentlich immer mit einem Sturz von mir. Ich blieb aber auf dem Motorrad.
Zwischen den Kehren habe ich die Geschwindigkeit auf ein normales Maß reduziert; ich
will ja nicht übertreiben. Das alles unter stetiger Beobachten des Gegenverkehrs, und das
ganz speziell in den Kehren.
Und wie ist es Markus ergangen?
Er hatte mit seinen 600 Kubik und 102 PS schon mehr zu kämpfen. Immer 1. und 2. Gang,
nie im 3. hat er seinen Motor in Drehzahlregionen jenseits von gut und böse getrieben. Die
ZZR ist auch nicht sehr handlich, wirkt eher strack und ist auf Geradeauslauf ausgelegt.
Er hat die Gabel zwar mit Technoflex Gabelfedern aufgerüstet und das Heck hinten höher
gelegt, aber es ist immer noch ein stracker Bock. Was er mit dem Motorrad dort geleistet
hat war schon enorm. Am nächste Tag tat im die Linke Hand vom vielen Schalten weh.
Und da kommt wieder mein Spruch: “Hubraum ist durch nichts zu ersetzen“.
Wir sind dann bis zur Edelweisspitze hochgefahren. Auf dem Kopfsteinpflaster ließen wir
noch mal die Motorräder richtig rutschen. Wenn es dort feucht ist passiert es von alleine.
Dort oben auf dem Aussichtsplattform trafen wir zwei Biker aus Wien, mit denen Markus
sofort ins Gespräch kam. Markus in pfälzischem und die anderen in Wiener Dialekt. Ich
habe dem Wiener Dialekt nicht folgen können, und genoß deshalb das grandiose
Panorama. Als Markus und ich dann wieder zu den Motorräder gegangen sind, habe ich
ihn gefragt über was sie sich unterhalten haben. Markus Antwort: “Keine Ahnung. Ich Hab
kein Wort verstanden.“ So ist er halt der Markus. Hauptsache babbeln.
Kopfschüttelnd habe ich mir den Helm aufgesetzt. Jetzt ging es weiter zum PasterzeGletscher. Die Pasterze ist mit ca. 9 km Länge der größte Einzelgletscher der Ostalpen. Er
beginnt am Johannisberg (3454 m) und endet unterhalb der Franz-Josefs-Höhe (2100 m)
Dort angekommen traf mich fast der Schlag. Ein riesiges, aus Beton gegossenes
Parkhaus stecht mir ins Auge. Das paßt hier überhaupt nicht hin. Aber so will man den
vielen zahlungswilligen Touristen die Möglichkeit geben ganz nah ranzukommen an die
Pasterze. Was soll’s. Es ist jetzt bei starkem Sturm und Sonnenschein, knapp unter null
Grad. Wir frieren erbärmlich. Auf der Edelweisspitze waren es mindestens 15 Grad. Die
Finger sind so klamm, daß es mir nicht möglich ist eine Zigarette zu drehen. Jetzt aber
nichts wie weg hier.
Auf dem Weg nach Heiligenblut vernehme ich ein Geräusch, das vom Hinterrad kommt.
Ich ahne nichts Gutes. Als ich das Rad untersuchte, war es aber nur ein mit Bitumen
verschmierter Stein, der sich scheinbar in einer Baustelle an das Rad geklebt hat.
Erleichtert geht es jetzt über Heiligenblut nach Lienz. Von dort wollen wir über das
Defreggenertal an den Staller Sattel. Als wir so durch Lienz fahren steigt mir der Geruch
von gebratenem Federvieh in die Nase. Jetzt sehe ich auch die Quelle des Geruchs. Eine
Hähnchenbraterei direkt an der Straße. Sofort fällt mir Markus ein. Blinker links und
parken. Also, erst mal was essen, damit das seelisches Gleichgewicht von Markus nicht
ins wanken gerät. Ich habe keinen Hunger, esse aber aus Höflichkeit auch etwas.
Jetzt wo Markus satt ist und mir die Jacke spannt, geht es weiter zum 2050 Meter hohen
Staller Sattel. Die Staller Sattel-Straße verläuft auf italienischer Seite im Antholzer Tal und
auf Österreicher Seite im Defereggental. Sie ist im oberen Bereich auf Südtiroler Seite in
beiden Richtungen jeweils nur ¼ Stunde pro Stunde geöffnet. Gemütlich sind wir durch
das Defreggenertal bis an den Staller Sattel gefahren. Ein Sonnendurchflutetes, wirklich
tolles uriges Tal. Ich bin immer wieder begeistert.
Oben angekommen war natürlich die Schranke zu. Noch ½ Stunde warten. Na gut, Zeit für
eine Cola und eine Selbstgedrehte. Wenigstens stehen wir ganz vorne. Ich hatte meine
Zigarette gerade angezündet, als der österreichische Zöllner nach den Ausweisen fragte.
Also, Ausweis raus und kontrollieren lassen.
Dann kam der Hammer. Der Ausweis von Markus war schon seit zwei Jahren abgelaufen.
Darauf hin wurde Markus aufgeklärt, daß er sich illegal in der Republik Österreich
aufhielte. Von einer Anzeige würde man absehen, aber ein Verwarnungsgeld in Höhe von
300. Schilling müsse er zahlen, und binnen zweier Tage ausreisen.
Toll, ganz toll. Wirklich Top Vorbereitung. Versaut er mir jetzt den Urlaub?
Und was machen wir jetzt? Kurz entschlossen „Wir fahren nach Innsbruck“ um in der
ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland ein Ersatzdokument ausstellen zu
lassen. Aber erst noch in St.Jakob in die Bank und neue Schilling besorgen, denn wir
hatten uns schon auf Lire eingestellt.
Kurz vor St.Jakob leg ich mich auch noch fast mit dem Motorrad hin. Vor lauter Zorn habe
ich in einer schönen langgezogenen Linkskurve zu schnell das Gas aufgezogen. Dabei ist
mir der Bock fast quergekommen. In St.Jakob fahre ich zur einzigen Bank, und plötzlich
ist Markus nicht mehr da. Ja wo ist er den. Ich habe ihm doch erklärt, wo die Bank ist, und
in St.Jakob kann man sich doch nicht verfahren.
Ich drehe also rum um zu schauen, wo er ist. Kaum bin ich 100 Meter gefahren, kommt er
mir auf dem Motorrad sitzend, und mit den Füßen am Boden für Vortrieb sorgend
entgegen. Ich dachte nur “Scheiße, er hat sich hingelegt“. Dem war dann doch nicht so.
Seine ZZR sei einfach ausgegangen und springe nicht mehr an. Wir schoben das
Motorrad dann noch 200 Meter an die einzige Tankstelle in diesem abgelegenen Tal. Da
ich von Hause aus gelernter Automechaniker bin, nahm ich mich der Sache an. Den
Zündschlüssel auf Ignition und Starter gedrückt. Der Motor läuft wieder. Licht an, Motor
aus.
Ich sagte, “Alles klar Markus“ und drehte mir erst mal eine. Worauf Markus leicht den
Nervösen bekam. Ich erklärte ihm, das der Defekt an der Lichtmaschine oder am
Limaregler liegen würde. Also soll er erst mal die Batterie an der Tankstelle aufladen
lassen. In dieser Zeit schrauben wir das Plastikkleid ab, um den Lichtmaschinenregler zu
finden. Gesagt getan. Als ich den verschmorten Stecker des Reglers sah bin ich erst
einmal erschrocken. Auch der Regler hatte an den Anschlüssen arg gelitten. Im Stecker
waren Unmengen von Grünspan. Da hat ja die Feuchtigkeit mächtig ihr Unwesen
getrieben. Durch die Oxidation der Lichtmaschienenzuleitung am Regler, hatte sich der
Querschnitt über die Zeit immer mehr verkleinert. Irgendwann war der Wiederstand so
hoch, daß mächtig Wärme produziert wurde und der Stecker schmorte. Ein Tropfen
Sprühöl hätte vor Tourbeginn bestimmt diese Aktion verhindert.
Mit all unseren feinmotorischen Fähigkeiten, Klebeband, Streichholz und Draht, konnten
wir den Defekt beheben. Wieder alles zusammengebaut, sprang der Bock sofort an. Glück
gehabt. Markus ist ein Jahr später noch mal mit mir in die Alpen gefahren, ohne in der
Zwischenzeit mal nach dem Stecker zu schauen. Das hat er mir aber erst nach dieser
zweiten Reise gesagt. Ist schon ein Chaot.
Es war jetzt 16:00 Uhr, das Motorrad lief wieder, aber er hatte immer noch keinen gültigen
Ausweis. Was machen wir jetzt? Da ich die wegen dieser unqualifizierten
Urlaubsvorbereitung etwas Zorn hatte, wurde beschlossen über den Felbertauerntunnel
wieder zurück nach Mittersill zu fahren.
Das war erst der zweite Urlaubstag. Was werde ich wohl noch erleben?
Als wir dort wieder auf den Hof fuhren war Rudi doch sehr erstaunt. Als wir ihn bei einem
Bier über unsere Erlebnisse berichteten, mußte er doch sehr lachen. Natürlich bekamen
wir wieder ein Zimmer. Am selben Abend noch beschlossen wir in Mittersill auf dem
Marktplatz bei einigen Radlern die Vorgehensweise für den nächsten Tag. Zuerst nach
Kiefersfelden und für Markus dort am Grenzübergang einen provisorischen Ausweis
ausstellen lassen. Dann weiter nach Rosenheim zu Gummimayer einen neuen
Hinterreifen für mich besorgen (sicher ist sicher). Und dann wieder zurück in die Berge.
Spät nachts, sind wir dann tot müde und leicht angetrunken, in unsere Betten gefallen.
War das ein Tag.
Tag 3 Mittwoch
Die geplante Tour für den 3. Tag
Kitzbühel, Kiefersfelden, Rosenheim. Weiter haben wir nicht geplant. Mal schauen was der
Tag so bringt.
Beim Frühstück war ich noch recht verkatert. Aber die Bergluft und das gute Frühstück
vertrieben den Kater recht schnell. Markus hingegen schüttelte sich einmal, und die Radler
des letzten Abends waren ihm nicht mehr anzusehen. Bei der Verabschiedung hat uns
Kati (Rudi´s Frau) gefragt, ob sie mit dem Beziehen der Betten den Abend abwarten soll,
um sicher zu sein, daß wir nicht doch noch einmal eintrudeln. Ich dachte nur : “ Bitte nicht
noch mal “.
Der Weg nach Kitzbühel führte uns über eine sehr schön geschwungene und gut
ausgebaute Straße über den 1274 Meter hohen Paß Turn. Als wir kurz vor dem Paß
wieder unseren Rhythmus gefunden hatten, übersahen wir auf Kerzengerader Straße faßt
eine Radarkontrolle. Es reichte gerade aus um auf 100 km/h herunterzubremsen. Wieder
mal Glück gehabt. Ab jetzt waren wir hellwach.
Auf der langen Zufahrtsstraße im Ortsgebiet von Kitzbühel (50 km/h), sind mir dann auch
die versteckt am Straßenrad stehenden Gendarmen aufgefallen, die dort eine
Radarmessung durchführten. Hier bist du eigentlich immer zu schnell. Da ich Kitzbühel
schon öfter durchreist habe, war mir aber bekannt, wo gerne geblitzt wird.
Problemlos ging es jetzt mit vorgeschriebener Geschwindigkeit nach Kiefersfelden weiter.
Dort an einer kleinen Zollstation konnten wir unser erstes Problem lösen: Markus bekam
einen gültigen, provisorischen Personalausweis ausgestellt, mit dem er wieder legal nach
Österreich einreisen durfte. Das war schon lustig, wie sich Markus mit dem bayrischen
Zollbeamten unterhielt, jeder in seinem Dialekt. Und komischerweise gab es überhaupt
keinen Verständigungsprobleme.
Nach 15 Minuten ging es weiter über die Autobahn nach Rosenheim. Die Autobahn ganz
frei. Fast kein Verkehr. Also, Vollgas über die Bahn. Markus immer 50 Meter hinter mir.
Außer LKW´s und Kleinwagen gab es nichts zu überholen. Kurz vor Rosenheim machte
ein Schild auf die in 2 Kilometer kommende Abfahrt aufmerksam. Gas weg, wieder nach
rechts. Von dort wollte ich die letzten beiden Kilometer bis zur Abfahrt hinter einem LKW
herfahren. Ca. 100 Meter vor der Abfahrt setzte sich plötzlich ein Mercedes S-Klasse links
neben mich.
Der Fahrer, grau, ca. 55 Jahre alt, schaute mir in das Gesicht und zog dann blitzschnell
ohne zu beschleunigen und blinken, nach rechts auf meine Seite. Er hatte keinerlei
Möglichkeit zwischen mich und den LKW zu kommen. Ich hatte höchstens 7 Meter
Abstand. Und die Tatsache, daß er mich dabei anschaute machte mir eines bewußt: „Der
Arsch wollte mich von der Bahn schießen“.
Ich mußte schnell nach rechts auf den Randstreifen ausweichen um diese Aktion zu
überleben. Das hatte mich so sehr geschockt, daß ich nach dem Ausweichmanöver wie
erstart war. Ich konnte mir noch nicht mal das Kennzeichen merken. Markus der hinter mir
fuhr reagierte sofort. Er überholte mich, und versuchte auf der Ausfahrt die der Mercedes
jetzt rausfuhr, den Idioten zu stellen. Als ich wieder wach wurde, fuhr ich so schnell wie es
vertretbar war hinterher. Der Versuche von Markus, ihn durch abtreten des rechten
Außenspiegels zu stoppen mißlang. Der Mercedes fuhr nun mit einer wahnwitzigen
Geschwindigkeit durch den dichten Verkehr über die Bundesstraße Richtung Rosenheim.
Der wußte wohl genau wo der Hammer hing.
Wir setzten die Verfolgung wegen zu hohen Risikos nicht mehr fort. Jetzt war erst mal
anhalten und Zigarette rauchen angesagt. Eins war klar. Auf dem Autobahnstück von
Kiefersfelden nach Rosenheim habe ich den Mercedes nicht überholt, noch habe ich sonst
irgend einen anderen Verkehrsteilnehmer behindert, genötigt oder bedrängt. Warum
dieser Idiot diese Aktion abgezogen hatte, ist mir bis heute schleierhaft.
Nun gut. Jetzt ging es zu Gummimayer. Ich brauchte einen neuen Hinterreifen. Sie
konnten mir nur mit einem Metzeler ME Z2 dienen, da sonst kein 170er Reifen auf Lager
war. Was für eine Armut. Für den Reifen habe ich dann auch noch 368.- DM bezahlen
müssen. Viel zu teuer! Aber immer noch billiger als in Österreich. Egal, das zweites
Problem war gelöst.
Der Monteur hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß ich den Reifen vorsichtig
anfahren soll wegen des Trennmittels auf der Lauffläche. Das habe ich aber scheinbar 5
Minuten später wieder vergessen. Die Hofausfahrt von Gummimayer lag an einer
Vierspurigen, stark befahrenen Straße. Da ist keine Lücke im Verkehr. Wie biege ich jetzt
nach links ab?
Und je länger ich dort stand, um so größer wurde auch meine Risikobereitschaft die
kleinste Lücke auszunutzen um nach links abzubiegen. Also nutzte ich meine erste
Chance. Ich zog also zügig bei der ersten kleinen Lücke aus dem Hof. Da mußte ich auf
einmal auf die Worte des Monteur´s denken, denn das Hinterrad kam und ich stand ganz
quer auf der Straße. Ich konnte das Gas aber nicht zu machen, da die Lücke wirklich sehr
klein war und ich mich doch in den fließenden Verkehr einordnen mußte. Markus, der das
Ganze beobachtete, sagte später: „ Es sah aus wie beim Supermoto“.
Wir sind dann über die Dörfer wieder In Richtung Kiefersfelden gefahren. Jetzt, wo wir
unsere beiden Probleme gelöst hatten, sollte es jetzt nach Südtirol gehen. Wir wollten über
die alte Brennerstraße nach Sterzing. Spätesten jetzt rächte sich der Verzicht eine
Vignette für die Autobahn zu kaufen. Wieder das Inntal auf der Landstraße zu fahren, war
echt ermüdend.
Wir wollten zwar über den Brenner, aber auf den Großraum Innsbruck wollten wir meiden.
Also schauten wir auf der Karte nach einer Möglichkeit. Und wir fanden eine. Eine alte
Römerstrasse, die bis nach Matrei führt. In Volders bogen wir dann ab in die Berge. Prima,
so konnten wir den Großraum Innsbruck umgehen. Es war eine super Idee dieses
landschaftlich so schön gelegene Sträßchen zu befahren. Schönes, entspanntes
dahingleiten war angesagt. Von Matrei aus ging es über die alte Brennerstraße zügig bis
nach Sterzing weiter.
Nach den vielen Kilometern diese Tages verspürten wir kurz nach Sterzing jetzt mächtig
Hunger. Also entschlossen wir uns, das Ganze nicht so kompliziert zu machen, und
machten eine Rast an einem Imbiß. Eine Currywurst mit Pommes und Cola sollten
ausreichen. Als ich dann mit einem 50.000 Lire Schein bezahlt habe, hat man mir auf
einen 10.000 Lire Schein rausgeben. „Na toll“, dachte ich mir. „Kaum bist du als Tourist
unterwegs, wirst du auch schon abgezockt“. Aber nach einer deftigen Beschwerde ging es
plötzlich. Ich muß aber fairer Weise feststellen, daß es in diesem Urlaub nicht mehr
vorkam. Die Menschen in Südtirol waren alle sehr zuvorkommend und freundlich.
Nun ging es im Eiltempo den 2097 Meter hohen Jaufenpaß rauf. Die Paßstraße hat auf
einer Länge von 39 Kilometern maximale Steigungen bis 12 %. Sie ist eine der
Landschaftlich schönsten Paßstraßen in den Südtiroler Bergen. Die Straße befand sich
damals auf dieser Seite, in einem katastrophalem Zustand. Baumwurzeln hatten die
Fahrbahndecke angehoben. Frostaufbrüche waren nicht richtig instandgesetzt worden.
Das hieß für uns, daß das Vorderrad öfters mal in die Höhe ging und das Hinterrad immer
wieder den Kontakt zur Straße verlor. Beim raus beschleunigen aus den Ecken, mußte ich
mich doch sehr konzentrieren, denn der neue Hinterreifen baute keinen Grip auf. Dort
wußte ich noch nicht, daß mich der mangelnde Grip den ganzen Urlaub begleiten würde.
Das Hinterrad rutschte noch, und das Vorderrad ging wegen einer Bodenwelle wieder
hoch. Aber irgendwie entwickelt man ein Gefühl dafür, wo die Grenze ist.
Mir hat es auf jeden Fall riesig Spaß gemach, das Drehmomentpotential meiner ZRX
auszunutzen. Markus hat es auch richtig gut gefallen, hatte aber etwas mehr zu kämpfen
als ich. Es fehlte das Drehmoment. Er mußte aber seiner ZZR immer richtig in den Hintern
treten. Aber das Gerät lief richtig super.
Oben auf dem Jaufenpaß angekommen, war erst mal eine kurze Pause angesagt. Die
Aussicht von dort oben war gewaltig. Da es schon später Nachmittag war, mußten wir uns
auf Zimmersuche begeben. Mir war aus dem Vorjahr, in St.Leonard eine Holztafel am
Straßenrand aufgefallen, die den Schriftzug „Jeden Mittwoch Bikerstammtisch„ hatte. Also
entschlossen wir uns, den Jaufenpaß herunterzufahren und dort zu übernachten. Die
Talfahrt nach St.Leonard führte über enge Serpentinen durch einen dichten Wald, und lädt
an verschiedenen Stellen zu einer Pause ein. Pause machen war aber bei uns nicht
angesagt sondern Schußfahrt ins Tal.
Im Tal angekommen, fuhren wir das etwas abgelegene Hotel mit dem Bikerstammtisch an.
Als wir dort angekommen waren ist Markus über die Luxuskarossen auf dem
Hotelparkplatz erschrocken. Er sagte zu mir: „Komm laß uns fahren, so wie das hier
ausschaut, können wir uns das nicht leisten“. Es sah wirklich sehr gehoben aus. Zeit zum
Überlegen hatte ich keine, da der Chef schon auf uns zukam und fragte, ob wir ein Zimmer
für eine Nacht bräuchten. Klar, wir wollten ein Zimmer für eine Übernachtung, und 45.000
Lire waren schon in Ordnung. Auf meine Frage, ob ich mit Check bezahlen kann, oder ihm
Lire lieber sind, antwortete er: “Am liebsten sind mir D-Mark“.
Später ist mir dann noch aufgefallen, daß die Übernachtungspreise, die in den Zimmern in
aushingen, nur in D-Mark angegeben waren. Von Lire keine Spur. Auf der Speisekarte
waren alle Preise fett in DM angegeben, und darunter, kaum leserlich die Preise in Lire.
Erstaunlich auch, daß der damals ca. 35jährige Kellner Adolf hieß. Wer gab seinem Kind
nach dem 2. Weltkrieg noch den Namen Adolf?
Nachdem wir uns den Straßendreck mit einer Dusche abgespült hatten, wollten wir nur
noch in Ruhe ein paar Radler stürzen und vielleicht etwas essen. Also sind wir in das
Restaurant auf die Terrasse, von wo wir alles überschauen konnten. Dort hatte der Wirt an
diesem Abend für die Gäste ein Bingospiel organisiert. Da wir uns nicht lumpen lassen
wollten, spielten wir auch mit. War eigentlich nicht schlecht.
Ein paar Radler später kam ein weißer Landrover mit blauen Streifen auf den Hof
gefahren. Das waren die Carabinieri, sie nutzten das Polizeiauto auch nach Feierabend.
Als sie langhaarig, mit Jeans, Holzfällerhemd und grobem Schuhwerk ausstiegen,
erspähten sie den Kellner. Mit ausgestrecktem rechten Arm grüßten sie ihn mit den
Worten: “Berg heil, Adolf“.
Irgendwie stockte mir jetzt der Atem. Auch dem Wirt war es unangenehm. Es bekam ja
jeder der Gäste mit. Scheinbar ist der Südtiroler Freiheitsdrang so groß, das man eine
nach außen hin erkennbare Abgrenzung von Italien auch mit solch einer, ich glaube
gespielten Gesinnung, sucht.
Ein paar Radler später sind wir dann in unsere Betten gefallen. So ein Tag an frischer Luft
macht doch schon ganz schön müde. Na, das war ja wieder ein ereignisreicher Tag
gewesen. Und der nächste wird der absolute Hammer.
Tag 4 Donnerstag
Die geplante Tour für den 4. Tag
St.Leonard, Meran, Stilfser Joch, Bormio, Livingo, Offenpaß, Reschenpaß, Landeck
Früh am Morgen ging es durch das Passeiertal nach Meran. Die Straße, teilweise eng
geschlungen, wird gesäumt von Tausenden Apfelbäumen. In Meran hieß es dann erst mal
halt machen und die Stadt anschauen. Meran liegt auf 324 Meter Meereshöhe in einem
Talkessel, in den der Vinschgau, das Etsch- und das Passeiertal einmünden. Da die Stadt
ist im Norden und Osten von hohen Bergketten geschützt. Das ist der Grund für das hier
herrschende mediterrane Klima. Es ist kaum zu glauben was hier alles wächst. Palmen,
Zypressen, Kakteen und andere für diese Breitengrade sonst eher exotisch anmutende
Pflanzen wurden von uns bestaunt.
Meran wirkte auf uns, auch wegen des südländischen Fahrstils der Einheimischen,
eigentlich schon italienisch. Wir sind dann auch nach einer Stunde wieder aufgebrochen.
Vorbei an den schönen alten Gebäuden der Forst-Brauerei ging es durch das Vinschgau
weiter Richtung Stilfser Joch. Das ganze Tal scheint nur aus Obstkulturen zu bestehen.
Überall Apfelbäume die von Bewässerungsanlagen feucht gehalten werden müssen, da
das Etschtal sehr wenig Wasser hat. Das versprühte Wasser vermittelte den Eindruck, als
ob alles mit einem dünnen Spinnennetz überzogen wäre.
Aber schon war es mit dem Landschaft genießen vorbei. Markus überholte mich, und
machte an der Abfahrt nach Laas halt. Er hatte Straßenstaub in das Auge bekommen.
Dadurch war seine Kontaktlinse verrutscht. Also fuhren wir die paar Meter nach Laas rein,
damit er seine Linse nicht verliert, und sein Auge mit Augentropfen behandeln kann. Als
sich sein Auge und seine Nerven beruhigt hatten ging es wieder weiter.
Jetzt ging es endlich zum Stilfser Joch, für jeden Motorradfahrer „DIE“ Herausforderung
schlechthin. Wie es jeden Moslem einmal in seinem Leben nach Mekka zieht, so muß
auch jeder Motorradfahrer einmal in seinem Leben das Stilfser Joch erklimmen. Auf den
49 Kilometern bis Bormio erwarteten uns bei der Auffahrt zum 2074 Meter hohen Jochs,
48 enge Kehren mit bis zu 15% Steigung. Bei der Abfahrt nach Bormio werden es noch
mal 39 Kehren mit maximal 12% Gefälle sein.
In Prad am Stilfser Joch, war erst mal tanken angesagt. Wir mußten beobachten, daß
doch sehr viel Motorräder in Richtung Stilfser Joch fuhren. Wir dachten schon, daß uns
jetzt der Spaß genommen wird. Dies stellte sich aber später als kein Hindernis dar. Da sie
alle leicht zu überholen waren. Einige zeigten wieder in den Kehren diesen
abenteuerlichen und unsicheren Fahrstiel. Die Rechtskehren innen anzufahren, und nicht
von ganz links außen, ist schon gewagt. Ich möchte zwar niemanden disqualifizieren, aber
etwas Vorbereitung gehört dazu, wenn man sich an solche Pässe wagt.
Jetzt ging es also los. In den ersten engeren Ecken, noch weit unten im Tal, ist mir dieser
Verfluchte Hinterreifen permanent am wegschmieren. O. K. die Straße ist leicht staubig,
aber mit dem Bridgestone währe mir das garantiert nicht passiert. Oder lag es an dem drei
Zähne größeren Kettenblatt.
In Trafoi liefen wir auf eine Fireblade auf. Als er merkte das wir auch recht schnell
unterwegs waren, legte er noch etwas Tempo zu. Ich ließ mich auf das Spiel ein, und
verschärfte auch das Tempo, aber ohne die Absicht ihn überholen zu wollen. Im unteren
Teil liegen die ersten Kehren noch in bewaldetem Gebiet. Dort zeigten sich öfters mal
noch feuchte Stellen auf dem schlecht geflickten, holprigen und brüchigem Asphalt. Da
Markus und ich die Fireblade nicht ziehen lassen wollten, sind wir immer wieder so hart an
das Gas gegangen, daß die Hinterräder erbarmungslos durchdrehten. Irgendwie hatte er
es drauf mit seiner Blade. Es ist sicher nicht das Motorrad, daß für solche Pässe
geschaffen wurde. Markus Motorrad übrigens auch nicht.
Die Kehren nahm er mit der Blade nicht so agil, aber auf den Geraden spielte er sein
Leistung und sein geringes Gewicht aus. Richtig wegziehen konnte er aber nie. Im oberen
Teil der Auffahrt, dort wo keine Bäume mehr wachsen, packte jeden der absolute Ergeiz.
Jetzt, wo keine Bäume mehr die Sicht einschränkten, und wir sahen, ob von oben
Gegenverkehr kommt, wurde vor den Kehren noch später gebremst. Da konnte ich mich
voll auf meine gewaltigen Stopper verlassen. Die Fireblade setzte sich immer wieder auf
den Geraden etwas ab, bremste aber doch etwas früher als ich. So war ich vor jeder
Kehre mit meinem Vorderrad auf Höhe seines Hinterrades. Dann beim Gas aufreißen
immer wieder das selbe Spiel: Während das Vorderrad den Kontakt zur Straße verlor,
rutschte das Hinterrad leicht. Und wegen der holprigen Fahrbahn, immer wieder das kurze
durchdrehen des Hinterrades. Das war es ein ganz schön anstrengender Balanceakt. Aber
man gewöhnt sich ja an so Einiges.
Die Luft wurde immer dünner, und die Motorräder verloren merklich Leistung. Ich mußte
jetzt öfters mal den 2. Gang bis in den Begrenzer jagen, da mir für den Anschluß zum
Dritten jetzt die Power fehlte. Markus, dessen Motorrad die ganze Zeit sowieso keinen
dritten Gang gesehen hatte, mußte jetzt alles aus seiner Kiste rauspressen. Mit diesem
Stiel sind wir bis zum Joch hochgedonnert. Schließlich ist es geschafft. Souvenirläden
säumen die Straße, Motorräder stehen am Straßenrand und bilden den höchsten
Motorradtreffpunkt Europas. Hier sieht es aus wie auf dem Rummel.
Jetzt mußten wir erst mal durchschnaufen. Das hatte doch schon sehr angestrengt. Der
Kollege mit der Fireblade, mit dem wir uns noch eine Weile nett unterhielten, teilte mit uns
noch eine Tüte Gummibärchen. Er meinet zu uns, daß er seine Fireblade, in den zwei
Jahren die er sie schon hat, noch nie so bewegt hätte. Es hätte ihm wahnsinnigen Spaß
bereitet, so in einer Gruppe zu fahren. Er wollte später weiter über den Ubrailpaß in die
Schweiz fahren.
Da das Ganze doch einige Kalorien gezehrt hatte, mußten wir etwas zu essen nachlegen.
Hier steht Europas höchste Bratwurstbude. Die Bratwurst wird auf einem Vinschgerl (
größeres dunkles Brötchen) zusammen mit Sauerkraut serviert. Bei der Bestellung wirst
du dann gefragt, ob du viel oder wenig furzen willst. Das ist die Frage nach der
gewünschten Menge des Sauerkrautes. Italienische Touristen bekommen bei der Frage,
was für eine Wurst das sei, „Eichhörnchen/Murmeltier mit etwas Gemse“, als Auskunft.
Egal, die Wust schmeckte super, lag aber schwer im Magen.
Nach Speis und Trank ging es weiter nach Bormio. Der Biker auf der Fireblade schloß sich
uns an. Er wollte kurz unterhalb der Paßhöhe über den Umbrailpaß in die Schweiz fahren.
Da die ersten 3 Kilometer der Straße waren gut ausgebaut waren, ging es mit viel
Schwung bergab. Als wir an der Abzweigung zum Urmail vorbeifuhren, war die Fireblade
immer noch hinter uns. Später, bei einer kurzen Pause auf halbem Weg nach Bormio,
fragten wir ihn, ob er nicht mehr in die Schweiz wolle. Da schaute er uns mit großen
Augen erstaunt an, und sagte: “Das ist so toll den Berg herunter gelaufen, ich habe ganz
vergessen, wo ich eigentlich hin wollte“. Er verabschiedete sich, und fuhr wieder hoch zum
Umbrailpaß.
Ja ja, so kann es gehen. Über extrem schlecht Straßen ging es weiter den Berg herunter.
Durch enge, unbeleuchtete Galerien, die auch noch Biegungen hatten, mußten wir uns
förmlich durchtasten. Diese Umstände zwangen uns dazu den Speed rauszunehmen.
Weiter unten, wo es auch wieder Bäume gab, sah die Fahrbahn wieder besser aus, und
es ging wieder schneller voran.
Kurz vor Bormio bogen wir dann ab, von hier aus ging es durch eine reizvolle
Berglandschaft mit schönen Kurven über den Passo di Foscale (2291m) nach Livingio.
Auch hier machte mir der blöde Hinterreife mit seiner Rutscherei Probleme. Bei einer
Pause, oberhalb von Livingio, entdeckten wir, daß an Markus Vorderradfelge einen Schlag
hatte. Oh, oh. War das der Kanaldeckel vor Gerloss? Er muß es wohl gewesen sein. Aber,
nicht so schlimm.
Nun fuhren wir nach Livingio(1800m) rein. Da Livingo Zollfreigebiet ist, wollten wir hier
tanken und Zigaretten kaufen. Irgendwie liegt dieser Ort im Nichts. Alles so kahl und karg.
Im Winter sieht es hier aber besser aus. Da verdeckt der Schnee die Bausünden.
Da es jetzt um die Mittagszeit war, hatten hier außer Restaurants, alle Läden zu. Italien
eben. Da ich kaum mehr Sprit im Tank hatte, hieß es also noch eine Stunde warten.
Markus zog sich während dieser Zwangspause noch eine Pizza rein, bevor es wieder
weiterging.
Um von hier aus in das Schweizer Münstertal zu gelangen, muß man erst über die
Staumauer des Lago del Gallo, um dann dort direkt durch den gebührenpflichtigen Munt
La Schera Tunnel fahren. Der 3,7 Kilometer lange Tunnel ist nur wechselseitig befahrbar,
da seine Breite nur 2,5 Meter beträgt. Am Ende des Tunnels mußten wir noch eine
argwöhnische Zollkontrolle über uns ergehen lassen. Jetzt waren wahren wir in der
Schweiz. Das heißt: Verkehrsvorschriften ganz genau befolgen, sonst wird es sehr teuer.
Ich wußte schon vor dieser Reise, daß hier oft geblitzt wird.
Der gute Vorsatz hielt nur bis kurz vor der Paßhöhe. Als wir wieder Serpentinen sahen
ging es wieder mit Elan an die Sache. Spektakulär fuhren wir den Paß dann über schöne
enge Serpentinen herunter. Immer die wunderbare Weitsicht über das ganze Tal vor
Augen. Auf kürzestem Weg ging es jetzt wieder in Richtung Südtirol. Ich weiß gar nicht
mehr, wo genau wir über die Grenze sind, aber wir kamen irgendwie nach Mals in Südtirol.
Von dort ging es jetzt mit etwas mehr Schwung zum Reschenpaß rauf. Die Straße geht
hier in großen geschwungenen Bögen bergauf. Überholen, ist hier fast überall gefahrlos
möglich.
In einer langgezogenen Kurve steht ein Denkmal, mit dem die Italiener, ihrer im Krieg
gefallenen Soldaten gedenken. Man bedenke, es steht in Südtirol. Das dies bei der
Bevölkerung nicht immer auf Verständnis gestoßen ist, zeigte sich in der Vergangenheit in
Form von Anschlägen. Nun gut. Es ging gegen Abend, und eine Pause war nun nötig. Wir
tranken an dem Souvenirlädchen gegenüber des Denkmals noch einen Kaffee, und
überlegten uns, wo wir übernachten sollten. Mir fiel dann Landeck ein. Dort hatte ich schon
im Jahr zuvor übernachtet.
Am Reschenstausee und Nauders vorbei sind wir in Richtung Landeck gefahren. Da
runter zu donnern hat noch mal mächtig Laune gemacht. Schon beeindruckend, wie die
Straße sich an, und in den Felsen schmiegt. Unten im Tal angelangt, hielten wir uns
wieder an die Geschwindigkeitsbeschränkungen, denn Kontrollen der Gendarmerie sind
hier an der Tagesordnung. In Urgen, drei Kilometer vor Landeck haben wir dann ein
Zimmer bekommen. Am Abend, bei einigen Radlern, viel uns auf, daß wir in den vier
Tagen nicht einmal überholt worden sind. ( der Arsch von Mercedesfahrer in Rosenheim
mal ausgenommen) Wir sind schon einen scharfen Schnitt gefahren.
Ich habe keine Ahnung mehr, wie viele Kilometer und Höhenmeter wir an diesem Tag
bewältigt haben, auf jeden Fall war ich total kaputt. Mal schauen was der nächste Tag so
bringt.
Tag 5 Freitag
Die geplante Tour für den 5. Tag
Landeck, Silvretta, Arlberg, Flexenpass, Hochtannbergpaß, Bregenzer Wald
Morgens ging es dann recht früh wieder los. Die Etappe für diesen Tag hatten wir nicht
geplant. Wir wollten einfach mal schauen, wo es uns heute hintreibt. Jetzt sollte es erst
einmal über die Silvretta nach Bludenz gehen. Also, rauf auf die Böcke und los. Von
Landeck ging es erst mal in das Paznauntal. Super Straße, aber doch einiges an Verkehr.
Da die Einheimischen hier ganz flott fuhren machten wir uns zuerst keinen Kopf über,
wann und wo wir überholen können.
Das hat sich aber dann schnell erledigt. Der erste Touri mit Auto heute morgen mußte
ausgerechnet in dieser Kurve Schritt fahren, um sich die Landschaft zu betrachten. Was
für ein Glück, daß wir nicht voll angegast hatten. Beim Vorbeifahren war uns dann einiges
klarer. Er hatte auf dem Kofferraumdeckel einen stilisierten Fisch aufgeklebt. Diese Sorte
hatte uns in den letzten Tagen immer wieder überrascht. Entweder rumschleichen, ohne
Blinker abbiegen oder rausziehen oder nicht auf andere Verkehrteilnehmer achten. Die
Krönung aber, ist anhalten in Serpentinen, um die schöne Aussicht genießen zu können.
Im Grunde also unberechenbar.
Da uns so ein Verhalten nur zur erhöhten Wachsamkeit zwingt, aber nicht zu
Unmutsäußerungen, nahmen wir es locker und fuhren weiter das Tal hoch.
In Ischgl hat man einiges an Hotelburgen hingestellt. Ich empfand es als schrecklich wie
hier ein Dorf verschandelt wurde. Nichts wie weiter dachte ich. Kurz hinter Galltür kommt
die Mautstation, wo man seinen Wegezoll für die Zufahrt zur Sivretta-Hohalpenstraße
entrichten muß. Und überall Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h.
Aber was für eine Verschwendung, diese schön geschwungen und übersichtliche Straße
so langsam zu fahren. Da wir uns nicht unnütz quälen wollten, haben wir die Gasschieber
wieder etwas weiter geöffnet. Hier war die Straße ja auch wieder frei von Verkehr.
Markus, der dieses mal vorne fuhr, ließ es schön laufen. Plötzlich und unverhofft ging er in
die Eisen. Was war geschehen? Er sah ein weißes Auto mit rotem Aufdruck am
Straßenrand, und dachte wohl, es wäre die Gendarmerie. Als wir in Höhe des Autos
waren, sahen wir niemanden. Da hat Markus wieder Gas gegeben um 1 Kilometer später
wieder scharf abzubremsen. Da stand das gleiche Auto auf einer Wiese. Und wieder die
Angst, geblitzt zu werden.
Später am Stausee, klärte es sich auf. Die Autos gehörten nämlich dem Energiebetreiber
des Stausees. Und weil wir wegen der hohen Geschwindigkeitsübertretung, Angst über
die möglichen strafrechtlichen Folgen hatten, wurde auf vorgeschriebene Geschwindigkeit
herunter gebremst. Nach einer Pause am Stausee waren die Bedenken schnell verflogen.
Abwärts ging es jetzt die enge, steile und kurvenreiche Straße hinunter. Flott ging es nur
phasenweise, denn, jetzt am frühen Vormittag kamen uns von unten, vermehrt Autos
entgegen. Die brauchen in den Kehren einfach mehr Platz. Ist halt so.
Die Weiterfahrt durch das Montafon wurde bis kurz vor Bludenz zur Bummeltour.
Geschwindigkeitsbeschränkungen von 50 bis maximal 70 km/h. Vor Bludenz bogen wir
dann rechts ab in Richtung Arlbergpass. Kurz vor der Paßhöhe geht es nach links ab zum
Flexenpass, um dann über die schmale Nordrampe, die kurvenreich aber ohne Kehren ist,
zum 1773 Meter hohen Flexenpass zu kommen. Die Strasse ist hier recht abenteuerlich in
die steile Felswand gehauen.
Durch Zürs, das im Sommer einer Geisterstadt ähnelt, und Lech ging es jetzt weiter zum
1675 Meter hohen Hochtannbergpass. Dieser Paß ist die Verbindung vom Lechtal in den
Bregenzer Wald. Im oberen Abschnitt schmiegt sich die bis 14% steile Straße, recht
abenteuerlich an den Felsen.
In Lech war es noch angenehm warm. Aber schon am Hochtannbergpaß war es
unangenehm kühl. Und zu Regnen fing es jetzt auch noch an. Kurz nach der Paßhöhe
hörte der Regen aber schon wieder auf. Unten angekommen ging es erst mal auf
Zimmersuche.
Und wieder mal waren wir zu schnell, was uns erst bewußt wurde, als uns zwei
Österreichische Biker überholten, und uns mit Handzeichen zum langsam fahren
aufforderten. An einer roten Ampel klärten sie uns über die starken Radarkontrollen auf.
Hoppla, jetzt waren wir wieder hellwach. Die Region Bregenzer Wald ist übersäht mit
stationären Radaranlagen, und Gendarmerie ist auch starke vertreten. Da die
Geschwindigkeit eigentlich überall auf maximal 70 km/h reglementiert war, hielten wir uns
jetzt mit unserer Heizerei zurück.
In Schoppenau wurden wir dann bei unserer Zimmersuche fündig. Eine schöne
Privatpension mit sehr großem Zimmer, für Österreichische Verhältnisse sogar recht
günstig, kamen wir unter.
Nach einer ausgiebigen Dusche sind wir in dann gegen Abend in das Dorf, denn wir hatten
ja Hunger. In einem urigen Dorflokal beendeten wir den Tag mit einem guten Essen, und
den obligatorischen Radlern. Im Hintergrund lief das Radio mit dem Wetterbericht. Dort
wurde gemeldet, daß es auf dem Hochtannbergpaß stark schneit. Mann, da haben ja noch
mal Glück gehabt. An diesem Abend blieben wir recht lange sitzen. Es ging erst spät in
das Bett. Und nächster Tag, ist letzter Tag.
Tag 6 Samstag
Die geplante Tour für den 6. Tag
Bregenzer Wald, Bregenz,
Wellbachtal, Stelzenberg.
Schwarzwaldhochstrasse
(Markuseierabfrierstrasse),
Der nächste Morgen war nicht so schön. Das Frühstück war zwar Extraklasse, aber das
Wetter ließ jetzt zu wünschen übrig. Leichter Nieselregen zwang uns das erste mal in die
Regenkombi. War nicht schön, aber hier im Bregenzer Wald ist es wegen der vielen
Radarmessungen sowieso besser langsam zu fahren. Durch eine dicht bewaldete
Landschaft ging es jetzt nach Bregenz. Von dort wollten wir um den Bodensee herum
nach Singen fahren. Als es aufhörte zu Regnen hielten wir auf einem Rastplatz an um uns
der Regenbekleidung zu entledigen.
Bei Singen ging es jetzt auf die Autobahn Richtung Stuttgart. Ziel war es, zwischen
Rottweil und Rottenburg wieder abzufahren, um ab Freudenstadt über die
Schwarzwaldhochstraße nach Badenbaden zu gelangen. Kaum auf der Autobahn
überkam uns wieder das Tier. Die Bahn war frei, also Feuer frei. Markus war auf seiner
ZZR ja gut gegen den Fahrtwind geschützt, ich aber saß dem Wetter ausgesetzt auf
einem Naked Bike. Den einzigsten Schutz den ich hatte war die etwas höhere
Tourenscheibe, und den hoch gepackten Tankrucksack vor meiner Brust.
Es regnete zwar nicht mehr, aber der Himmel war bedeckt und es wurde immer kälter.
Scheinbar war die Luft durch das diesige Wetter voll mit Sauerstoff. Die ZZR lief jetzt zu
Hochform auf. Ich aufrecht sitzend, voll im Wind. Der Tacho ging immer weiter 230, 240,
250, 255, 260. Mir riß es fast den Kopf weg. Dieses Tempo zogen wir 80 Kilometer lang
durch. Die Autobahn war ja frei. Der eine ohne andere dicke Audi oder BMW wechselte
wiederwillig die Spur von links nach rechts. Machte schon irgendwie riesig Spaß. Quittiert
wurde das Ganze, durch Topzuschlag beim Spritverbrauch. Die Tankanzeige fiel mit
rasender Geschwindigkeit, und zwang uns die nächste Tankstelle aufsuchen. Dort
bemerkten wir auch, daß dieser hohen Geschwindigkeit auch die Reifen Tribut zollen
mußten. Die Lauffläche war ganz schön zerfranselt. 40 Kilometer nach Rottweil verließen
wir dann die Autobahn.
Kurz vor Freudenstadt überraschte uns dann plötzliche ein Platzregen. Ruckzuck waren
wir naß bis auf die Haut. An einer Tankstelle gab es jetzt erst mal zwei heiße Kaffee. Nach
einer Pause stiegen wir wieder in unsere Regenkombi und fuhren weiter zur
Schwarzwaldhochstrasse. Es wurde immer nebliger und kälter. Wir sahen jetzt fast nichts
mehr. Bei einer kurzen Pause bemerkte ich wie Markus zitterte. Er war ziemlich fertig, und
auch ich hatte keine Lust mehr auf die Kälte. Jetzt machte es irgendwie keinen Sinn
mehr, hier mit klatschnassen Klamotten im eiskalten Nebel herumzustochern. Wir
entschlossen uns die erste Gelegenheit zu nutzen, um die B 500 Richtung Rheinebene zu
verlassen.
In Ruhestein fuhren wir dann über ein enges und kurvenreiches Sträßchen abwärts nach
Oppenau. Kaum in Oppenau angekommen, schien die Sonne. Die Temperaturen
erinnerten auch wieder an den Sommer. Über die Badische Weinstraße ging es, ohne
Regenkombi, aber immer noch mit nassen Klamotten zur Autobahn weiter. Dort ging es
mit kommoden 160 km/h nach Karlsruhe weiter. Später wollten wir in Landau auf die B10
wechseln.
Markus, der jetzt wieder Heimatluft schnupperte, fuhr jetzt vor. Er war nicht mehr zu
halten. Aber, anstatt in Landau abzufahren fuhr schon in Kandel Mitte ab. Er merkte erst 2
Kilometer weiter, daß er in die falsche Richtung fuhr. Aber als er es merkte, bremste er so
heftig, daß ich einem Crash nur knapp entgehen konnte in dem ich auf eine Verkehrsinsel
auswich. Schon wieder massig Glück gehabt.
Über Kandel, Bad Bergzabern und Klingenmünster ging es jetzt zur Schlußetappe. Das
Wellbachtal, unsere Hausstrecke, wartete auf uns.
Das Tal fast frei, und wir gut drauf, gingen die Gäule wieder bei uns durch. Markus
vorneweg, ließ es richtig krachen. Ich hinterher, merkte nichts mehr von den Problemen
mit meinem Hinterreifen. Er hatte jetzt gute Haftung, und machte sich auch sonst nicht
negativ bemerkbar. Kann scheinbar an der anderen Asphaltbeschaffenheit in den Alpen
gelegen haben.
Kurz vor Johanniskreuz ließ ich Markus ziehen, denn das Tempo wurde mir jetzt doch zu
scharf. In Johanniskreuz trafen wir uns aber wieder. Auf dem Parkplatz machten wir noch
einmal eine kleine Pause. Von hier aus riefen wir zu Hause an und gaben eine Kanne
Kaffee in Auftrag, denn es waren jetzt bloß noch 10 Minuten bis nach Hause.
Mit lauten Motoren liefen wir in den Hof ein. Nach der Begrüßung, ging erst mal an den
Kaffeetisch. Unser Kumpel Mark, der an diesem Tag Geburtstag hatte war auch da. Er
konnte an der Alpentour leider nicht teilnehmen, da er seinen Urlaub schon mit uns in
Saint-Tropeze verbraten hatte.
Und wie das halt so ist, haben Markus und ich, die Erlebnisse dieser Woche in etwas
heroischer Form dargeboten. Mark, hat uns das eine oder andere sicherlich nicht
geglaubt. Er hat aber ein Jahr später mit Markus und mir, eine zehntägige Alpentour
gemacht, und unsere Erfahrungen betätigt bekommen.
Resümierend kann ich ohne Übertreibung sagen, daß diese Tour von einem
durchschnittlichen Biker, physisch und psychisch nicht zu packen gewesen wäre. Denn wir
sind ohne große Unterbrechungen einfach nur gefahren. Und das recht schnell. Trotzdem
sollte es jeder Motorradfahrer einmal in seinem Leben packen, und in die Alpen fahren.
Folgetouren die ich noch niederschreiben werde
1998 Motto: „Jeder so wie er kann“
Markus (ZZR 600), Mark (Bandit 600), Ich (ZRX 1100)
Südtirol, Dolomiten, Österreich
1999 Motto: „Immer cool bleiben“
Mark (Bandit 600), Ich (ZRX 1100)
Südtirol, Dolomiten, Österreich
2000 Motto: „Fight the Fat”
Ich alleine (KTM 640 Supermoto)
Südtirol, Dolomiten, Österreich, Trentino
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