"MEDIZIN UND BAU" -

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"MEDIZIN UND BAU" –
die wissenschaftliche Erschließung der Bau- und Nutzungsgeschichte
des Josephinum
(Ruth KOBLIZEK, April 2008)
PROJEKTBESCHREIBUNG
1. Hintergründe für die Entstehung der medizinisch – chirurgischen Akademie
„Josephinum“1
Im Jahr 1785 wurde die „medizinische – chirurgische Akademie“ von Joseph II. gegründet,
wenig später erhielt sie den Namen „Josephs - Akademie“ und schließlich bürgerte sich die
Bezeichnung „Josephinum“ ein. Diese Institution wurde mehrfach geschlossen und jeweils
mehr oder weniger verändert wiedereröffnet. Nachdem das Gebäude bis 1918 von der
militärärztlichen Applikationsschule genützt wurde, übernahm es die Universität Wien. Ab
1920 beherbergte es lange Zeit das Institut für Geschichte der Medizin und das Institut für
Pharmakognosie der Universität Wien. Nunmehr befindet sich „das Josephinum“ im Besitz
der medizinischen Universität Wien, die 2002 als Nachfolgerin der medizinischen Fakultät
der Universität Wien gegründet wurde.
Dieses Gebäude kann auch als „Symbol“ gesehen werden, das der realen Umsetzung einer
bestimmten Idee diente. In diesem Sinn ist „das Josephinum“ fast als Akronym zu verstehen,
das die speziellen Vorstellungen davon versinnbildlicht, wie ein Gesundheitswesen zur Zeit
Josephs II. aus- und aufgebaut werden sollte. Immerhin wurden hier jene Personen
ausgebildet, die dieses Gesundheitswesen tragen sollten. Das „Josephinum“ kann jedoch
nicht auf eine Institution reduziert werden, in der lediglich das Ziel verfolgt wurde,
medizinische Fachkräfte für das Militär auszubilden. Vielmehr sollte es als Teil dessen
verstanden werden, was häufig als „Josephinismus“ bezeichnet wird – eine bestimmte
Vorstellung davon, wie die Gesellschaft gestaltet sein sollte und die Umsetzung dieser
Denkweisen.
Bis weit in das 19. Jahrhundert wurde das Gesundheitswesen in erster Linie durch
Heilkundige getragen, die ihre Kenntnisse nicht primär über eine akademische Ausbildung
erworben hatten. Da die Medizin immerhin auch eine praktische Tätigkeit war und ist,
konnten mit einer Ausbildung, die mehrere Jahre dauerte und primär im handwerklichen
Kontext vermittelt wurde, durchaus dem aktuellen Wissensstand adäquate medizinische
Kenntnisse und Fähigkeiten erworben werden. Spätestens ab der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts erfolgte ein Teil der Ausbildung dieser nicht-akademischen Heilkundigen auch
an den Universitäten. In seinen Vorschlägen zur Verbesserung der Struktur der Wiener
medizinischen Fakultät von 1749 empfahl Gerard van Swieten (1700-1772) eine Trennung
der Bereiche Lehre und Verwaltung des Gesundheitswesens. 2 Über mehrere
Zwischenstufen erfolgte die Ausgliederung der Verwaltung des Gesundheitswesens aus dem
Tätigkeitsbereich der medizinischen Fakultäten schlussendlich durch die Sanitäts- und
Kontumazordnung von 1770.
Die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens, die Durchsetzung von Strukturen, die diesen
Vorgaben entsprachen und die Überwachung dieses Prozesses ist als eines der Ziele der
vgl. dazu Horn, Sonia: „…eine Akademie in Absicht der Erweiterung der medizinisch – chirurgischen
Wissenschaft…“ – Hintergründe für die Entstehung der medizinisch-chirurgischen Akademie
„Josephinum“. In: Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jh., Bd. 22 im
Druck
2 Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA) – Allgemeines Verwaltungsarchiv (AVA) – Akten der
Studienhofkommission (StHK), Karton 1 fol. 100-105.
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„josephinischen Verwaltung“ zu sehen. In seinen Vorschlägen für die Verbesserung der
medizinischen Studien ging Gerard van Swieten auf das Problem ein, dass Bader und
Wundärzte wohl an der medizinischen Fakultät geprüft wurden, ihnen aber die Möglichkeit,
einen geregelten theoretischen Wissensstand zu erwerben, bislang nicht geboten worden
war. Er schlug vor, einen Lehrer zu ernennen, der die Chirurgen und die im
handwerklichen Kontext bereits ausgebildeten Chirurgen in Anatomie, theoretischer
Chirurgie, Operations- und Verbandlehre unterrichten, Unterrichtssprache sollte deutsch
sein. 3 3 Auf diese Weise sollte das handwerkliche Wissen und Können durch ein
einheitliches theoretisches Wissen komplettiert werden. So sollten alle auf einen
einheitlichen Wissensstand gebracht werden.
Grundsätzlich sollte an der medizinisch-chirurgischen Akademie jeder, der sich für eine
medizinische Tätigkeit interessierte und entsprechend geeignet war, die Möglichkeit haben,
eine fundierte und umfassende Ausbildung zu erhalten. Festzuhalten ist auch, dass
Heilkundige hier nicht grundsätzlich für den Militärdienst ausgebildet wurden. Sie sollten
sowohl als „Zivilchirurgen“ als auch als Militärärzte tätig sein.
Die starke Bindung der Akademie an die militärische Verwaltung hat möglicherweise noch
einen weiteren Aspekt. Die hier ausgebildeten Militärärzte waren nicht nur für die Betreuung
des Heeres zuständig. In den „militärisch verwalteten Gebieten“, der sog. Militärgrenze,
oblag ihnen auch die medizinische Versorgung der dort lebenden Bevölkerung.4
Eindeutiger Auftrag der medizinisch-chirurgischen Akademie war es auch, medizinisches
Wissen zu sammeln und weiter zu entwickeln. Daher kann diese Einrichtung nicht auf ihre
Ausbildungsfunktion reduziert werden.
2. Konzept und Ablauf des Projektes:
Bücher, die sich mit dem Josephinum und seiner Baugeschichte befassen, gibt es, wie von Helmut
Wyklicky (1985) oder von Manfred Skopec (2002). Auch Erna Lesky schrieb 1979 über „Das
Wiener Institut für Geschichte der Medizin im Josephinum“. Auch in einigen Reiseführern aus dem
19. Jahrhundert findet das Josephinum immer wieder Erwähnung. Allerdings sind in diesen nach
einigen einleitenden Bemerkungen über das Gebäude die meisten Erläuterungen über die
Sammlung der Wachspräparate zu finden. Auch die neuere Literatur befasst sich vorrangig mit den
Schauobjekten an sich.
Das Gebäude hat jedoch eine wechselvolle Geschichte aufzuweisen – vom Ausbildungszentrum
über Studiensaal bis zum Sammlungsort und wiedererwecktem Studien- und Forschungsplatz.
Die Aufgabe der zwischen 1783 und 1785 nach Plänen von Isidor Marcellus Amandus Canevale
errichteten k.k. medizinisch-chirurgischen Josephs-Academie war die Ausbildung von Ärzten und
Wundärzten. Der Bau des Josephinums stand dabei in Zusammenhang mit dem zwischen 1783
und 1784 errichteten Militär-Garnisons-Hauptspitals an der heutigen Van-Swieten-Gasse (Standort
des Josephinums: Währinger Strasse 25).
Für den Neubau des Josephinum wurden zunächst eine alte Schießstätte und ein Gutshof
aufgekauft. Der Bau war 1785 ausgeführt und beinhaltet im Mitteltrakt eine große Stiege mit
(nachbearbeiteten) Stufen von hartem, weißem Kaiserstein aus Kaisersteinbruch.
Zur Eröffnung ließ Kaiser Joseph II. auch eine vierzig Dukaten schwere Gedenkmünze prägen.
Die Bibliothek wurde mit 6.000 Bänden ausgestattet und um 30.000 Gulden Wachspräparate für
das angeschlossene anatomisch-pathologische Museum angefertigt. Zusätzlich gab es
ÖStA – AVA – Akten der StHK Karton 1 fol. 111
Vgl. dazu: Karl KASER, Freier Bauer und Soldat. Die Militarisierung der agrarischen Gesellschaft in der
kroatisch-slawonischen Militärgrenze (1535-1881), sowie: Peter KRAJASICH, Die Militärgrenze in Kroatien mit
besonderer Berückscihtigung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den Jahren 1754-1807. In:
Direktion des Heeresgeschichtlichen Museums (Hg.), Die K.K. Militärgrenze. Beiträge zu ihrer Geschichte (=
Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, Bd. 6, 1973) 95-128.
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mineralogische, botanische und zoologische Sammlungen. 1786 wurde die Akademie allen
übrigen Fakultäten gleichgestellt und erhielt das Recht Doktoren und Magister der Medizin und
Wundarznei zu graduieren. Die Akademie hatte 6 Lehrstühle (Anatomie, Pathologie, chirurgische
Operationen, Medizin, Botanik und Chemie), sowie eine Prosektur).
In kunstgeschichtlicher Hinsicht ist der Bau des Josephinum für die Zeit von Joseph II fast eine
Rarität, da er eigentlich nur zwei Repräsentationsbauten errichten ließ – die Nationalbibliothek am
Josephsplatz und das Josephinum (und im weiteren Sinne den Umbau des Alten Allgemeinen
Krankenhauses, heute Campus). Für sich selbst ließ Joseph II nur das Schlössel im Augarten
errichten. Im Vergleich zur der Bautätigkeit seiner Mutter Maria Theresia oder seines Großvater
Karls VI. ist das ein - im wahrsten Sinn des Wortes – sichtbarer Unterschied und zeigt andere
Denkweisen (z.B. den Vorrang von für die Bevölkerung „nützlichen“ Bauten) und ein anderes
Verständnis von „Herrschaft“. Deshalb verwundert es, dass es so gut wie keine umfassenden
Studien bzw. Erforschung der wechselvollen Baugeschichte des Hauses gibt. Zudem ist es von
besonderem Interesse, dass offenbar Erkenntnisse von in der damaligen Meinung „Gesunden
Bauens“ umgesetzt wurden – immerhin war auch der nahe gelegene „Narrenturm“ ein sehr
innovatives Bauwerk seiner Zeit und wurde ebenfalls von Isidore Canvale konzipiert. Aber auch bei
diesem Aspekt zeigt sich, dass bis jetzt noch keine fundierten Studien geleistet wurden.
Das beantragte Projekt basiert vor allem darauf, was in Wiener Archiven zu finden ist. D.h. die
Hauptarchive (z.B. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kriegsarchiv,
Archive der Universität Wien und der Technische Universität, sowie die Sammlungen der MUW)
werden auf die Hinweise auf das „Josephinum“ zu durchleuchten. Die Suche ist offen für
Dokumente wie handschriftliche oder gedruckte Erlässe, Vorträge, Beschreibungen von
Bauvorgängen oder Festreden bis zu Bilddokumenten in allen Facetten (Zeichnungen, Medaillen,
Dias, Fotos etc.) Weiters soll auch die zeitgenössische Literatur bzw. Wienbeschreibungen, die in
späteren Zeiten zu den „Reiseführern“ über die „k.u.k. Residenzstadt Wien“ wurden, analysiert
werden und definiert werden, auf welche Aspekte (Architektur, Sammlungen etc.) in diesen Texten
zu verschiedenen Zeiten besonders ausführlich eingegangen wurde. Besonders spannend wird
sicher die Suche nach Plänen in diesem Zeitraum (1780 - heute), auf denen oft interessante
Details zu finden sind. So zeigen sich in Grundbüchern und in Stadtplänen die Ankäufe der
Grundstücke und die Entstehung des ersten Baues. Pläne von Innen stellen eine Ergänzung dar
und zeigen, wie sich Räume und ihre Nutzung wandeln.
3. Ziel des Projektes:
Ziel des Projektes „Medizin und Bau“ ist die wissenschaftliche Aufarbeitung der „Bau- und
Nutzungsgeschichte“ des Gesamtkomplexes des Josephinum. Dabei sollen die vielfältigen
Informationen der Texte, Abbildungen, Fotos, Drucke etc., die über das Josephinum verfasst
wurden, aus den zahlreichen Archiven in Wien zusammengetragen werden. Ziel ist eine
umfassende fundierte Recherche, um eine Dokumentation der baulich-künstlerischen
Gestaltung vom ersten Planungsentwurf bis heute zu verfassen. Es soll zuletzt ein
aussagekräftiges und übersichtliches „Nachschlagewerk“ existieren, dass für die nahe und
ferne Zukunft der geplanten Umgestaltungen unabkömmlich sein wird und die
kunsthistorische Grundlage für das geplante Gesamtkonzept der Restaurierung des Hauses
darstellen soll. Die Zukunftsvision wäre eine Visualisierung der Bau- und Nutzungsgeschichte
im "virtuellen Museum" (= www.meduniwien.ac.at/geschichte) bzw. auf DVD (nach dem
Beispiel von Carnuntum).
4. Laufzeit des Projektes:
2 Jahre – aufgeteilt in drei Workpackages (1.5.2008 – 30.4.2010)
Erster Teil: Recherche in den Archiven (Zeitraum Mai bis Jahresende 2008)
Zweiter Teil: Aufarbeitung und Auswertung sowie notwendige Nachrecherchen
(Zeitraum: Januar – Dezember 2009)
Dritter Teil: Visualisierung (Zeitraum: Januar – April 2010)
5. Literatur
FURCH, Helmuth: Kaiserstein in Wiener Bauten, 300 Beispiele. In: Mitteilungen des
Museums- und Kulturverein Kaisersteinbruch, Nr. 59 (Dezember 2000).
HORN, Sonia: „…eine Akademie in Absicht der Erweiterung der medizinisch – chirurgischen
Wissenschaft…“ – Hintergründe für die Entstehung der medizinisch-chirurgischen Akademie
„Josephinum“. In: Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jh.,
Bd. 22 (2008, im Druck)
KASER Karl, Freier Bauer und Soldat. Die Militarisierung der agrarischen Gesellschaft in der
kroatisch-slawonischen Militärgrenze (1535-1881)
KRAJASICH Peter, Die Militärgrenze in Kroatien mit besonderer Berückscihtigung der
sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den Jahren 1754-1807. In: Direktion des
Heeresgeschichtlichen Museums (Hg.), Die K.K. Militärgrenze. Beiträge zu ihrer Geschichte
(= Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, Bd. 6, 1973) 95-128.
LESKY, Erna, Das Wiener Institut für Geschichte der Medizin im Josephinum (2. Aufl.,
Wien 1979).
POCH-KALOUS, Margarete, Johann Martin Fischer: Wiens bildhauerischer Repräsentant des
Josefinums. In: Forschungen zur österreichischen Kunstgeschichte (3/1949).
SKOPEC, Manfred [Hrsg.], Anatomie als Kunst : anatomische Wachsmodelle des 18.
Jahrhunderts im Josephinum in Wien. Mit Textbeiträgen von Edith Almhofer und Photographien
von Alexander Koller (Verlag Brandstätter, 1. Aufl., Wien 2002).
WYKLICKY, Helmut, Das Josephinum: Biographie eines Hauses. Die medicinisch-chirurgische
Josephs-Akademie seit 1785; das Institut für Geschichte der Medizin seit 1920 (Wien 1985).
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