WienerZeitung 12032016

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Wiener Zeitung
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12/03/2016
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Sehtest mit Laterna Magica
Wachsmodelle, Augenspiegel, Chirurgie: Ausstellung in Wien dokumentiert Beginn der Augenheilkunde.
Von Eva Stanzl
Wien. Grauer Star nimmt dem Leben die Farben. Er legt einen
Schleier über die Welt und führt
unbehandelt zur Erblindung. Heute kann der trübe Teil der Linse
mit einem winzigen Schnitt entfernt und durch eine Kunstlinse
ersetzt werden, dann ist der Blick
wieder klar. Die Operation, die viele für eine Errungenschaft der modernen Medizin halten würden,
nahm ihren Ausgang aber schon
im 18. Jahrhundert.
"Die erste Beschreibung einer
Operation gegen Grauen Star kennen wir aus dem Jahr 1753", erklärt Moritz Stipsicz, Ausstellungskurator im Wiener Josephinum,
und deutet auf eine Vitrine mit
blitzenden Operationsbestecken.
"Man schnitt den Star aus dem Auge. Statt zu erblinden, konnten Betroffene nacJiher mit sehr starken Brillen sehen." Die Journalistengruppe blickt auf hauchdünne
strenge Klingen und Scheren mit
kunstfertig
wellenförmigen
Schneiden in samtgefütterten Futteralen. "Das hätte ich mich nicht
getraut", entfährt es jemandem,
und eine Frau merkt an: "Unglaublieh, dass das schon damals ging."
Der Wiener Mediziner Georg Joseph Beer gründete 1812 in Wien
die weltweit erste Universitäts-Augenklinik am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt. Sie war der
Grundstein zu einer eigenständigen Entwicklung der Augenheilkunde und des augenärztlichen
Unterrichts im Rahmen des universitären Medizinstudiums. 1883
wurde in Wien die II. UniversitätsAugenklinik gegründet, womit es
mit dem Josephinum, das 1785 als
chirurgischmedizinische Akademie eröffnet wurde, drei Zentren
für Augenheilkunde gab.
Die Ausstellung "De Oculis: Die
Sammlung Aichmair im Josephinum" ist seit Donnerstagabend zu
sehen
anlässlich einer Schenkung von 600 Objekten aus der
Sammlung Aichmair an das Josephinum, das die Sammlung der
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mit einem Augenspiegel den Augenhintergrund auf Verletzungen
oder Gerinnsel absuchen", erklärt
Stipsicz. Weiters gibt es OptikerProbierkästen, Sehprobentafeln in
verschiedenen Schriften und drehbare Sehtests, mit denen Augenärzte wie in einer Laterna Magica
die Wahrnehmung bewegter Bilder
überprüfen konnten.
Optische Brillen, Sonnenbrillen,
Schutzbrillen und Scherzbrillen
sind in unterschiedlichsten Variationen aus Perlmutt, Horn, Schildpatt, Holz, gebläutem Stahl, Silber
und Gold vorhanden. Hinzu kommen monokulare und binokulare
Ferngläser, Lupen und Mikroskope
sowie eine Kollektion seltener Augen-Votivgaben, die nach erfolgter
Heilung von einer Krankheit als
symbolische Opfer der Kirche geschenkt wurden.
"Höhepunkt als Sammler"
"Ich war zwar immer schon ein guter Beobachter und sehr neugierig", erklärt der heute 93-jährige
Herbert Aichmair seine Beweggründe als Sammler: Was mir sehr
gut gefallen hat, habe ich sehr intensiv angeschaut und mir dabei
gedacht, so etwas möchte ich auch
haben. Wenn ich dann etwas in
dieser Richtung gefunden habe,
habe ich es besonders gehütet.
,Sammeln" war das aber noch
nicht. Um eine Sammlung aufzubauen, muss man sich spezialisieren." Privat zu sammeln heißt
auch, sich Wissen anzueignen und
sich den Sammlungsgegenständen
zu widmen. Dennoch empfindet
Medizinischen Universität Wien halben Jahrhunderts und um- Aichmair weniger Trennungsbeherbergt. Zu sehen ist eine Aus- spannt einen Zeitrahmen vom 18. schmerz als Freude. "Die Schenwahl der spezialisierten und faszi- bis zum Ende des 20. Jahrhun- kung ist wie der Höhepunkt meinierenden historischen Samm- derts. Die wohl größte Privat- ner Sammlertätigkeit."
lungsgegenstände sowie medizini- sammlung dieser Art gliedert sich
Aus dem Bestand des Josephische Darstellungen von Krank- in die Bereiche Diagnostik, opti- num sind Moulagen zu den Augenheitsbildern. Eine Reihe eleganter, sche Sehbehelfe, Volkskunst, Chir- erkrankungen des 19. Jahrhunthemenbezogener,
zeitgenössi- urgie, Lehrmodelle und persönli- derts zu sehen und historische hisscher Kunstwerke mildert die allzu che Objekte. Zu den diagnosti- tologische Wachsmodelle, die die
plastische Qualität mancher wis- schen Instrumenten zählen eine Entwicklung des Auges in der Emsenschaftlicher Exponate ab.
beträchtliche Anzahl an Augen- bryologie darstellen. Dazu gibt es
Die Sammlung des ehemaligen spiegeln, darunter einer des Erfin- in der bis 8. Oktober laufenden
Wiener Augenarztes Hermann ders Hermann von Helmholtz aus Schau eine Kollektion höchst unAichmair entstand im Laufe eines 1852. "Schon damals konnte man terschiedlicherGlasaugen.
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