title circulation issue page Wiener Zeitung 27.600 12/03/2016 29 Sehtest mit Laterna Magica Wachsmodelle, Augenspiegel, Chirurgie: Ausstellung in Wien dokumentiert Beginn der Augenheilkunde. Von Eva Stanzl Wien. Grauer Star nimmt dem Leben die Farben. Er legt einen Schleier über die Welt und führt unbehandelt zur Erblindung. Heute kann der trübe Teil der Linse mit einem winzigen Schnitt entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt werden, dann ist der Blick wieder klar. Die Operation, die viele für eine Errungenschaft der modernen Medizin halten würden, nahm ihren Ausgang aber schon im 18. Jahrhundert. "Die erste Beschreibung einer Operation gegen Grauen Star kennen wir aus dem Jahr 1753", erklärt Moritz Stipsicz, Ausstellungskurator im Wiener Josephinum, und deutet auf eine Vitrine mit blitzenden Operationsbestecken. "Man schnitt den Star aus dem Auge. Statt zu erblinden, konnten Betroffene nacJiher mit sehr starken Brillen sehen." Die Journalistengruppe blickt auf hauchdünne strenge Klingen und Scheren mit kunstfertig wellenförmigen Schneiden in samtgefütterten Futteralen. "Das hätte ich mich nicht getraut", entfährt es jemandem, und eine Frau merkt an: "Unglaublieh, dass das schon damals ging." Der Wiener Mediziner Georg Joseph Beer gründete 1812 in Wien die weltweit erste Universitäts-Augenklinik am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt. Sie war der Grundstein zu einer eigenständigen Entwicklung der Augenheilkunde und des augenärztlichen Unterrichts im Rahmen des universitären Medizinstudiums. 1883 wurde in Wien die II. UniversitätsAugenklinik gegründet, womit es mit dem Josephinum, das 1785 als chirurgischmedizinische Akademie eröffnet wurde, drei Zentren für Augenheilkunde gab. Die Ausstellung "De Oculis: Die Sammlung Aichmair im Josephinum" ist seit Donnerstagabend zu sehen anlässlich einer Schenkung von 600 Objekten aus der Sammlung Aichmair an das Josephinum, das die Sammlung der - - - mit einem Augenspiegel den Augenhintergrund auf Verletzungen oder Gerinnsel absuchen", erklärt Stipsicz. Weiters gibt es OptikerProbierkästen, Sehprobentafeln in verschiedenen Schriften und drehbare Sehtests, mit denen Augenärzte wie in einer Laterna Magica die Wahrnehmung bewegter Bilder überprüfen konnten. Optische Brillen, Sonnenbrillen, Schutzbrillen und Scherzbrillen sind in unterschiedlichsten Variationen aus Perlmutt, Horn, Schildpatt, Holz, gebläutem Stahl, Silber und Gold vorhanden. Hinzu kommen monokulare und binokulare Ferngläser, Lupen und Mikroskope sowie eine Kollektion seltener Augen-Votivgaben, die nach erfolgter Heilung von einer Krankheit als symbolische Opfer der Kirche geschenkt wurden. "Höhepunkt als Sammler" "Ich war zwar immer schon ein guter Beobachter und sehr neugierig", erklärt der heute 93-jährige Herbert Aichmair seine Beweggründe als Sammler: Was mir sehr gut gefallen hat, habe ich sehr intensiv angeschaut und mir dabei gedacht, so etwas möchte ich auch haben. Wenn ich dann etwas in dieser Richtung gefunden habe, habe ich es besonders gehütet. ,Sammeln" war das aber noch nicht. Um eine Sammlung aufzubauen, muss man sich spezialisieren." Privat zu sammeln heißt auch, sich Wissen anzueignen und sich den Sammlungsgegenständen zu widmen. Dennoch empfindet Medizinischen Universität Wien halben Jahrhunderts und um- Aichmair weniger Trennungsbeherbergt. Zu sehen ist eine Aus- spannt einen Zeitrahmen vom 18. schmerz als Freude. "Die Schenwahl der spezialisierten und faszi- bis zum Ende des 20. Jahrhun- kung ist wie der Höhepunkt meinierenden historischen Samm- derts. Die wohl größte Privat- ner Sammlertätigkeit." lungsgegenstände sowie medizini- sammlung dieser Art gliedert sich Aus dem Bestand des Josephische Darstellungen von Krank- in die Bereiche Diagnostik, opti- num sind Moulagen zu den Augenheitsbildern. Eine Reihe eleganter, sche Sehbehelfe, Volkskunst, Chir- erkrankungen des 19. Jahrhunthemenbezogener, zeitgenössi- urgie, Lehrmodelle und persönli- derts zu sehen und historische hisscher Kunstwerke mildert die allzu che Objekte. Zu den diagnosti- tologische Wachsmodelle, die die plastische Qualität mancher wis- schen Instrumenten zählen eine Entwicklung des Auges in der Emsenschaftlicher Exponate ab. beträchtliche Anzahl an Augen- bryologie darstellen. Dazu gibt es Die Sammlung des ehemaligen spiegeln, darunter einer des Erfin- in der bis 8. Oktober laufenden Wiener Augenarztes Hermann ders Hermann von Helmholtz aus Schau eine Kollektion höchst unAichmair entstand im Laufe eines 1852. "Schon damals konnte man terschiedlicherGlasaugen. 1/1