Tetanus (Wundstarrkrampf) Klaus Kath Definition Unter Tetanus versteht man eine Wundinfektion, die durch das Toxin des Tetanuserregers zu Lähmungen und Krämpfen der Muskulatur führt und oft tödlich endet. Erreger Der Erreger ist das Clostridium tetani, ein grampositives1, stäbchenförmiges Bakterium, das sich nur in sauerstoffarmer Umgebung vermehren kann (obligat anaerob). Clostridium tetani kommt überall auf der Erde vor, hauptsächlich im Erdreich (besonders in mit Tiermist gedüngten Böden), im Staub, in und an faulen Holz, an Pflanzen, aber auch im Verdauungstrakt und Stuhlgang von Menschen und Tieren. Es wurde um 1885 als Erreger des Wundstarrkrampfs entdeckt. Durch seine Fähigkeit, Sporen zu bilden, dass heißt, die genetische Information in einer mehrschichtigen Hülle abzukapseln, erreicht der Erreger optimale Resistenz2 gegen Hitze und Austrocknung und kann in dieser Form auch in einer sauerstoffreichen Umgebung überleben, aber nicht vermehren. Dieses Bakterium ist in der Lage, ein sehr starkes Gift (ein Toxin3) zu produzieren, welches die Nerven und Bestandteile des Blutes schädigt. Infektionsweg Weil dieses Bakterium praktisch überall im Erdreich vorhanden ist, kann es bei jeder Verletzung, das heißt auch bei sehr kleinen Bagatellverletzungen, in die Wunde gelangen. Besonders gefährlich sind jedoch tiefe verschmutzte Wunden mit ungenügender Sauerstoffzufuhr, vor allem wenn Fremdkörper (z. B. Holzsplitter, Rosendornen oder Ähnliches) in der Wunde verblieben sind. Auch Stich- und Bisswunden sind sehr gefährlich. In Verbrennungswunden oder wenn Gewebe abgestorben ist, vermehren sich die Keime auch besonders schnell und produzieren ihr Gift. Dabei geht das Bakterium am Eintrittsort von der Sporen- in die Vegetativform4 über, vermehrt sich unter anaeroben5 Bedingungen und gibt das Toxin Tetanospasmin dort in die Blutbahn ab. Von da aus gelangt das Toxin entweder über periphere6 Nervenbahnen oder über den Blutweg in das Gehirn, wo es Muskel entspannend wirkende Synapsen7 hemmt, so dass es zu Krämpfen der Muskulatur kommt. Tetanus kann auch bei Haustieren, zum Beispiel bei Pferden (durch Hufverletzungen) oder bei Schafen (Schurverletzungen) und anderen Tieren auftreten. Bei Tieren ist die Erkrankung häufig mit dem Tod verbunden. Inkubationszeit Die Inkubationszeit8 liegt zwischen 3 und 30 Tagen, kann aber auch bereits nach einem Tag erfolgen, wenn eine höhere Toxinmenge vorliegt, selten dauert die Inkubationszeit länger. 1 Grampositiv = dunkelblau färbend Resistenz = Widerstandsfähigkeit eines Organismus gegenüber äußeren Einflüssen 3 Toxin = Gift 4 Vegetativform = Pflanzliche Form 5 Anaerob = Sauerstoffarm, ohne Sauerstoff lebend 6 Peripher = Am Rande befindlich, äußere 7 Synapse = Berührungsstelle zwischen Muskel und Nerv 8 Inkubationszeit = Zeit von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit 2 -1- Äußerung der Erkrankung Wenige Tage bis etwa drei Wochen nach der Verletzung (die Zeitspanne hängt von der aufgenommenen Keimmenge und von Ort, Art und Ausdehnung der Verletzung ab; eine kurze Zeit zwischen Infektion und Ausbruch von Krankheitssymptomen spricht für einen schweren Verlauf) beginnt die Erkrankung mit allgemeinem grippeähnlichen Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, einer mäßigen Temperaturerhöhung, Taubheitsgefühl oder Schmerzen in der Wundgegend, allgemeine Unruhe. Weil alle diese Symptome jedoch häufig auch bei einfachen Infektionskrankheiten vorkommen, denkt kaum jemand jetzt schon an eine Tetanuserkrankung. Es folgt eine Erhöhung der Muskelspannung, die zuerst zu einer Kieferklemme (Trismus) führt. Dies kann sich äußern durch Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken. Man sollte bei jeder Kieferklemme annehmen, dass es sich um einen Tetanus handelt. Bei der Erkrankung sind oft auch die Überstreckung des Rumpfes mit Rückwärtsbeugung des Kopfes [Abbildung 1] und eine Art verzerrtes Grinsen (risus sardonicus, auch ‚Teuflisches Grinsen’ genannt [Abbildung 2]) und hochgezogene Augenbrauen durch die Krämpfe der Gesichtsmuskulatur typisch. Dann folgt vom Kopf und Nacken absteigend eine Muskelstarre (Rigor) der langen Rückenmuskeln (Opisthotonus) und Bauchmuskeln, es folgen die Muskeln der Arme und Beine, der Rippen, des Kehlkopfes und schließlich des Zwerchfells. Die Erkrankten können wegen Krämpfen der Mundund der Speiseröhrenmuskulatur nicht essen, haben stärkste Muskelschmerzen, erleben aber ihre Krankheit bei vollem Bewusstsein. Bei Krämpfen der Kehlkopf- und Rippenmuskulatur kommt es zu schweren Störungen der Atmung, bei Lähmungen des Zwerchfells erstickt der Erkrankte im Krampf. Geringe Reize von außen (z.B. Geräusche und Licht) verursachen neue Krämpfe der Muskulatur, die etwa ein bis zwei Minuten dauern und meistens in Minutenabständen ausgelöst werden und so stark sein können, dass Knochenbrüche die Folge sind. Weitere Krankheitssymptome sind Halsschmerzen, Frösteln, Schwindel, vermehrtes Schwitzen, Schlaflosigkeit, erhöhte Temperatur und Krämpfe der Zwerchfellmuskulatur mit Schluckauf. Auf Grund von Krämpfen der Blasen- und Darmmuskeln kommt es zu Verstopfung, und der Erkrankte kann keinen Harn mehr lassen. Später kann der Betroffene nicht mehr sprechen oder schreien. Im Endstadium der Erkrankung können die Patienten an Herzrhythmusstörungen, Kammerflimmern9, Herzinsuffizienz10 und Atemstillstand versterben. Man kann Tetanus anhand der typischen Symptome in Verbindung mit einer Verletzung diagnostizieren. Wichtig ist es, frühzeitig an die Möglichkeit eines Wundstarrkrampfes zu denken. Durch einen Abstrich der Wunde kann man im Labor nach Erregern oder Toxin suchen. Bei einer Grundimmunisierung und regelmäßigen Auffrischungen ist eine Tetanuserkrankung unwahrscheinlich. Die Krankheit mit Krämpfen dauert etwa drei Wochen, bis zur vollständigen Erholung dauert es Monate. Tetanus ist meldepflichtig. 9 Kammerflimmern = Unkontrollierter Herzschlag Herzinsuffizienz = Herzmuskelschwäche 10 -2- Gegenmaßnahmen/Therapie Bei Verdacht auf eine Tetanuserkrankung muss der Erkrankte sofort in eine Klinik eingewiesen werden. Entscheidend für den Verlauf der Krankheit ist die frühzeitige Einleitung der Therapie. Man gibt dem Erkrankten ein Gegengift (Antitoxin), tierisches oder menschliches Immunglobulin11, welches das Gift neutralisieren soll, dieses geht aber nur, wenn es noch nicht im Gehirn angekommen ist. Des Weiteren wird ein Antibiotikum, meistens Penicillin, und vorgefertigte Antikörper gegen den Tetanuserreger verabreicht. Die Frühbehandlung der Krankheit ist deshalb sehr wichtig, weil das Antitoxin nur wirkt, solange der Giftstoff noch nicht die Blutbahn verlassen und die Nervenzellen befallen hat. Der Patient wird auf der Intensivstation behandelt, er bekommt Medikamente, die die Muskelspannung herabsetzen und starke Beruhigungsmittel. In schweren Fällen müssen die Patienten manchmal beatmet und in ein künstliches Koma versetzt werden. Wegen der starken Erregbarkeit brauchen die Patienten ein Einzelzimmer und müssen vor allen unnötigen Reizen (wie Licht, Geräusche, Berührungen usw.) geschützt werden, da diese sofortige Muskelkrämpfe auslösen. Meistens ist dieses Einzelzimmer ein abgedunkelter und schallgeschützter Raum. Die Wunde wird sofort sorgfältig ausgeschnitten. Dies ist besonders bei tiefen Wunden wichtig. Hier kann Schmutz und totes Gewebe die Vermehrung des Tetanusbakteriums fördern, weil der Tetanuserreger ein Keim ist, der bei fehlendem Sauerstoff die besten Lebensbedingungen vorfindet, deswegen schafft man durch das Herausschneiden der Wunde eine sauerstoffreiche Umgebung. Da die Gesichtsmuskulatur verkrampft, umfasst die Therapie auch die Offenhaltung der Atemwege. Der Erkrankte erhält über eine Nasensonde Sauerstoff, auch eine künstliche Beatmung an einer Beatmungsmaschine ist häufig nötig. Da die Erkrankung keine Immunität12 erzeugt, die Person kann also an der gleichen Infektion wieder erkranken, muss der Erkrankte eine vollständige Tetanusimmunisierung, sprich eine Tetanusimpfung erhalten. Maßnahmen für die Kontaktpersonen sind nicht erforderlich, da Tetanus nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Letalität Bei unbehandelten, insbesondere älteren Menschen liegt die Letalität 13 bei 30 bis 90 Prozent nach zwei bis drei Wochen. Je kürzer die Inkubationszeit, desto schwerer ist der Verlauf der Erkrankung. Auch bei Einsatz aller Therapiemöglichkeiten liegt die Sterblichkeit an Wundstarrkrampf bei 25% 50%. Prophylaxe Man sollte zur Prophylaxe14 von Tetanus eine Impfung durchführen. Diese Impfung wird bereits im Kindesalter durchgeführt und nach 6 Wochen erneut aufgefrischt. Nach einer dreifachen Impfung (‚Grundimmunisierung’) besteht ein voller Schutz. Aber nach Aussagen der ‚STIKO’15 sollte man auch im sechsten Lebensjahr eine Auffrischimpfung durchführen. Auch eine Impfung im elften und im achtzehnten Lebensjahr soll notwendig sein. Eine Auffrischung ist ansonsten nach 10 Jahren nötig, im Falle einer Verletzung wird sie nach 5 Jahren durchgeführt. Meistens wird die Tetanusimpfung in Kombination mit anderen Erkrankungen wie Diphtherie, Hepatitis B oder Keuchhusten durchgeführt. Kommt es zur Verletzung und der Patient hat keinen Tetanusimpfschutz, wird zu der ersten Impfung zusätzlich ein sofort wirksames Immunglobulin10 11 Immunglobulin = Protein, das die Eigenschaften eines Antikörpers aufweist Immunität = Person ist ‚immun’ gegen eine Krankheit, die Person kann die Krankheit nicht wieder bekommen 13 Letalität = Wahrscheinlichkeit, an einer Erkrankung zu sterben 14 Prophylaxe = Vorbeugung, Verhütung 15 STIKO = Ständige Impfkommission (in Berlin) 12 -3- verabreicht. Seine Wirkung hält aber nur eine kurze Zeit an, deshalb darf man auf die anschließende Vervollständigung des Impfschutzes nicht verzichten. Die Impfung gegen Tetanus ist eine für alle Menschen empfohlene Impfung, sie wird von den Krankenkassen bezahlt. (Die Kosten für eine Impfdosis betragen ca. 2 Euro, die Kosten für eine Intensivbehandlung eines Tetanuskranken können sich leicht auf über 50.000 Euro summieren). Nach einer Verletzung muss außerdem jede Wunde gesäubert und desinfiziert werden. Tiefe Wunden, wie zum Beispiel Hundebisse, dürfen nicht durch eine Naht verschlossen werden, damit in das Wundgebiet genügend Sauerstoff gelangen kann. Sonderformen des Tetanus Lokaler16 Tetanus: (z.B. Kopftetanus bei Gesichtsverletzung), dabei ist die Muskulatur nur in einer Region betroffen. Diese Sonderform ist relativ selten und hat gute Heilungschancen. Puerperaler17 Tetanus: Nach Geburten und Fehlgeburten, ausgehend von einem infizierten Uterus18 (betrifft die Mutter). Tetanus neonatorum19: Von infizierter Nabelschnur ausgehende Infektion (betrifft das Kind). Sie entwickelt sich bei Kindern, die von unzureichend immunisierten Müttern entbunden werden und bei denen eine hygienisch unzureichende Behandlung des Nabels erfolgte. Postoperativer20 Tetanus: Von einer Operationswunde ausgehende Infektion. Häufigkeit Laut des Robert-Koch-Instituts in Berlin kommen in der Bundesrepublik Deutschland wegen des hervorragenden Impfschutzes pro Jahr weniger als 10 Tetanusfälle vor. Von diesen an Tetanus erkrankten Menschen versterben ca. 3 Menschen (30%) an dieser Krankheit. Weltweit kommt es jährlich zu ca. 1 Million Erkrankungen mit rund 600.000 Todesfällen. In Deutschland haben von den 30-40-jährigen fast 20%, und bei den 60-70-jährigen sogar fast 50% keinen oder nur einen minimal ausreichendem Impfschutz. 16 Lokal = An einem Ort Puerperal = Das Wochenbett betreffend, hier: Die Mutter betreffend 18 Uterus = Unterleib, Bauch 19 Neonatorum = Hier: Das Kind betreffend 20 Postoperativ = Nach einer Operation auftretend 17 -4- Anhang Bilder: Quellen Hausseite des Robert-Koch-Instituts in Berlin (http://www.rki.de) Hausseite des Deutschen grünen Kreuzes (http://www.dgk.de) DUDEN Fremdwörterbuch Ausgabe 7 Pschyrembel – Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage Medizin und Gesundheit – Neues großes Lexikon 2004 Brockhaus 19. Auflage von 1994 -5-