Zwischen Widerstand und Kooperation Umgang und Gespräche mit Eltern DDR. ALAIN SCHMITT Inhalt ErzieherInnen kommen immer wieder in die Lage, Gespräche mit Eltern führen zu wollen oder zu müssen. Selten sind es „gute Nachrichten“, die ausgetauscht werden sollen – im Gegenteil, häufig werden solche Gespräche zwingend nötig, weil die ErzieherInnen ein Kind als verhaltensauffällig, schwierig, originell, retardiert, zurückgezogen, unkooperativ, von Gewalt bedroht, hyperaktiv o.ä. einschätzen, oder/und der Unterricht durch das Kind deutlich beeinträchtigt ist. Nahezu 10% aller Kinder werden von ErzieherInnen als „problematisch“ eingeschätzt, Tendenz steigend seit zwei Jahrzehnten. Bei Schülerproblemen ist immer wieder folgende erstaunliche Beobachtung möglich: Diskutiert man mit ErzieherInnen, neigen diese dazu, die Ursachen vieler Übel bei den Eltern zu suchen; die Eltern machen zu Hause alles Mögliche verkehrt, was die LehrerInnen in der Schule dann ausbaden müssen. Spricht man mit Eltern, ist es genau umgekehrt. Es gibt viele Klagen über LehrerInnen, die in der Schule wieder einreißen, was man zu Hause mühsam aufgebaut hat. Beides kommt vor und es ist gerechtfertigt, Verantwortlichkeiten und Ursachen zu suchen; oft verfehlen diese gegenseitigen Vorwürfe aber auch den Kern des 1 „Schülerproblems“ und drehen weitgehend um Vorurteile, die von Ängsten und Missverständnissen motiviert sind. Dieser u. a. „Kommunikationsknoten“, die letztlich dazu führen, dass der Umgang miteinander im gegenseitigen Widerstand endet und das Schülerproblem aus dem Blick gerät, sollen im Kurs vorgestellt werden. nikationsknoten“ Beispiele sind anderer kulturelle, möglicher ethnische „Kommu- oder soziale Unterschiede zwischen ErzieherInnen und Eltern, die verschiedene Wert- und Erziehungsvorstellungen bedingen. Ziel ist es, Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten, die helfen, die Kooperation im Interesse aller Beteiligten, und nicht zuletzt im Interesse des betroffenen Kindes/Jugendlichen, aufzubauen und aufrechtzuhalten. Mögliche weitere Themen dabei sind: Die Angst der Eltern vor den LehrerInnen und die Angst der LehrerInnen vor den Eltern – Der Zeitmangel und die zusätzliche Belastung – „Diagnostizieren“, die Frage der „Schuld“ und wo Verständnis Grenzen hat – Gesprächsführung, Konflikt- und Eskalationsmanagement – Vernetzung und Aufbau persönlicher Ressourcen. Dauer 1.5 Tage, 9.5 Einh. à 50 min (z.B. Di 15-18, Mi 8:30-12, 13:3016:30) Ablauf Vortrag und Kleingruppenarbeit zu etwa gleichen Teilen; Selbsterfahrungselemente, Rollenspiele. Unterlagen werden zur Verfügung gestellt. 2 Inhalt/Zeit Dauer Tag 1, Nachmittag, 15:00-18:00 A Überblick über Kurs 30 min B Kennenlernrunde: Wer bin ich? Erwartungen. 30 min C Selbsterfahrung I: Widerstand und Kooperationbereitschaft 60 min Pause 20 min Vortrag „Normales Verhalten bei Kindern/Jugendlichen“ 40 min D Am Abend zu Hause: Bitte Arbeitsblätter „Kommunikation“, „Partnerorientiertes Gespräch“ und „Gespräch“ ausfüllen und auswerten (Selbsterfahrung II, 25 min) Tag 2, Vormittag, 8:30-12:00 Vortrag „Diagnostizieren: Wie geht das und was teile ich wem wie mit?“ 30 min Pause 10 min F Vortrag „Gesprächsführung – Selbsttestungen (Selbsterfahrung II)“ 30 min G Selbsterfahrung III: Aktives Zuhören und Trittbretter 80 min Pause 15 min Selbsterfahrung IV: Der Ton macht die Musik – Kleines Theater 45 min E H Tag 2, Nachmittag, 13:30-16:30 I Selbsterfahrung V: Gesprächsvorbereitung in konkreten Fällen J Literatur K Materialien 120 min Abbildung und Arbeitsblatt „Kommunikation“(Einschätzung des eigenen Stiles) Arbeitsblatt „Partnerorientiertes Gespräch“ (Einschätzung der eigenen Orientierung) Arbeitsblatt „Gespräch“ (Selbstreflexion darüber, was ich wünsche oder befürchte) Lehrerfragenbogen zum Verhalten von Kindern/Jugendlichen (Einschätzung des schwierigen, auffälligen Schülers) 3 persönlicher, institutioneller und gesellschaftlicher Zwischen Widerstand und Kooperation Hintergrund Umgang und Gespräche mit Eltern + Vorbereitung im konkreten Fall: Allgemeine Vorbereitung auf Umgang/Gespräche: + + Selbstreflexion eigene "Falldiagnose(n)” eigene Lösung(en) Hilfeplan, Vernetzung HypothesenGesprächsverlauf Ziel(e) des Gespräches Selbsterfahrung Vernetzung/Ressourcen Wissen "Diagnostizieren" Gesprächsführung Hilfeplanung + + + + + Supervision, Intervision interne Psychologen u.a. externe Psychologen u.a. externe Hilfsinstitutionen Amt für Jugend u. Familie + Lesen z.B. Trapmann & Rotthaus (2003) Auffälliges Verhalten im Kindesalter. Ein Handbuch für Erzieher und Eltern. allgemeine Fortbildung z.B. "Es gibt keine Kindertherapie ohne Einbeziehen von Bezugspersonen" + + + + + 4 Joining Humor Umgang mit Kritik Fehlermanagement (De)Eskalation Zuhören und Trittbretter Ressourcen, Ausnahmen und Defizite Gesprächsführung + + + + + + + Was ist normal? Leistung, Psyche und soziales Umfeld (Familie, Kultur) soziale Verträglichkeit (Schule, Schulklasse, LehrerInnen) Ressourcen, Ausnahmen, Defizite Ursachen-Ideen Normalisieren / Pathologisieren und die Situation der Eltern? "Diagnostizieren" + + Wissen Rahmen: Raum, Zeit, Atmosphäre + Selbsterfahrung I zum Thema „Widerstände und Kooperationsbereitschaft von LehrerInnen und Eltern angesichts eines gemeinsamen Gesprächs“ 2 Gruppen à 6 Personen. Jede Gruppe macht ein Plakat nach folgendem Schema (30 min); anschließend Austausch in der Großgruppe (30 min). Bereitschaft zum Gespräch Eltern Gefühle Irgendetwas passt nicht in der LehrerInnen Angst/Besorgnis Ich muss, weil der Schüler Schule. Ich bin verpflichtet mich regelmäßig Schuld Gefühle Angst? unterrichten verunmöglicht. Zorn? Ich bin verpflichtet … Schuld Ich will, weil mir das Kind leid tut. Mitleid zu kümmern … Usw. Widerstände gegen ein Gespräch Eltern Keine Zeit. Keine Lust. Gefühle LehrerInnen Angst? Eigentlich will ich nicht – wie Wut? komme ich dazu, mich mit so einem Problem zu beschäftigen. Ich bin in der Erziehung überfordert. Resignation, Ich bin Pädagoge und nicht Therapeut … Angst Usw. 5 Gefühle Wut/Zorn „Normales“ Verhalten bei Kindern/Jugendlichen Warum ist „Normalität“ überhaupt in so einem Kurs wichtig? a) Sie brauchen vor einem Gespräch mit Eltern eine beschreibende Einschätzung von dem was passt oder nicht, also eine Art „Diagnose“. Dabei wiederum ist es wichtig, zu bedenken, was normal ist und worin die Abweichung genau besteht. Die Hauptbegriffe, um die es bei Eltern-Lehrer-Gesprächen geht, sind Verhaltensauffälligkeiten (oder –störungen oder –abweichungen von der Norm) und Leistungsdefizite (also wieder Abweichungen von der Norm). Lehrer stellen sich letztlich ständig inituitiv oder ausdrücklich die Frage nach der Normalität ihrer Schüler und/oder Klasse. b) Im Gespräch selbst ist es die Einschätzung und Bewertung von „Normalität“ und Abweichungen davon sehr wichtig. Eine der häufigsten Fragen in den Erstgespächen in der psychologischen Praxis ist jene danach, ob das Kind oder die Familie oder man selbst als Eltern „normal“ sei. Hier gibt es große Ängste und Unsicherheiten. Sie müssen wissen, dass dies eine ausgeprochene oder unausgesprochene wichtige Dimension von Elter-Lehrer-Gesprächen ist. Eltern stellen sich laufend die Frage, ob sie oder ihre Kinder oder Familie „normal“ sind. Was ist "normal"? "Normal" ist das .. o statistischer Mittelwert, idealtypisches Beispiel .. was im Lehrbuch als statistisches Mittel oder als (paradigmatisches) Beispiel oder Möglichkeit angeführt ist (Kinder lügen ziemlich oft) oder o Referenzgruppen .. was ich in meiner Umgebung – im Klassenzimmer, zu Hause usw. - öfters oder am häufigsten wahrnehme, erlebe, was alle tun/sind/haben (Kinder lügen mitunter) o Biografie .. was ich in meinem Leben erfahren habe (Ich war immer brav und habe nie gelogen), und für den Anderen das, was sie/er in seinem Leben erfahren hat (sie/er ist in einer sozialen Umwelt aufgewachsen, die sie/ihn dazu (ver)führte oder zwang, oft zu lügen)? o Werte .. was meinen und allgemeinen Gesetzen, Idealen, Werten, Normen entspricht (Du sollst nicht lügen!) 6 Normal kann also vielerlei und vieles sein; es bedarf einer sozialen Konsensbildung und viel Wissens, um z.B. herauszufinden, was an einem bestimmten Verhalten oder einer bestimmten Kinderzeichnung sexualisiert ist, was (un)typische Kinder- oder Jugendlichenkultur ist. Es gibt einen persönlichen Begriff von Normalität und einen durch die soziale Gruppe bestimmten Begriff, der (a) allgemein kulturell sein kann (religiös, wissenschaftlich, rechtlich usw.), oder (b) etwas enger durch die Referenzgruppen bestimmt (Familien, Sportgruppen, peer-goups, Kindergärten, Berufsgruppen usw. haben alle bestimmte Normen) oder auch (c) sehr speziell (psychiatrisch-medizinisch, klinisch-psychologisch usw.) sein kann. Letztere interessieren uns hier besonders und sind hauptsächlich durch statistische Ideen und durch idealtypische Beispiele geprägt, die sich eben in Lehrbüchern finden. Auf diese möchte ich zunächst genauer eingehen, sage aber gleich dazu, dass wir es im Alltag immer mit einer Kombination von allen drei Ebenen zu tun haben. Kulturelle/historische/soziale Dimensionen sozial anerkannte oder sogar belohnte Anormalität: extremer Altruismus wie Mutter Theresa, Exzentrizität wie gewisse Künstler Wharhol, aber auch Schamane, enthaltsam lebende Priester, Heilige · kulturelle und historische Veränderung dessen, was als normal gilt (cf. Norbert Elias Beispiele im Prozeß der Zivilisation, Spucken bei Tisch und andere Tischmanieren wie Besteckverwendung usw., aber auch Gesetze, die das Böse, Auszuschließende definieren (Beispiel Homosexualität in den psychiatrischen Klassifikationen und Gesetzen). Verschiedenste "Lehrbücher" mit unterschiedlichen Zugängen: · Statistik: Normalverteilung, Mittelwerte und Entwicklung/Veränderung (Wachstumskurve, Normen bei Psycho-Tests, Epidemiologie: z.B. Wie viele Menschen bekommen im Laufe ihre Lebens in den USA eine psychiatrische Diagnose? 52% keine, 21% eine Störung, 13% 2, 14% 3 oder mehr, die häufigsten Störungen bei Kindern laut einer deutschen epidemiologischen Studie, s. später Schlußfolgerung: Norm + Einzelfall betrachten · Universalien: Anthropologie, Biologie, Verhaltensforschung, Grundlagenuntersuchungen (was in allen Kulturen vorkommt, z.B. die 5-6 Grundemotionen; was in vielen oder allen Kulturen vorkommt und im Tierreich bei unseren biologisch nächsten Verwandten beobachtbar ist, Zungenkuß – Mund-zu-MundFütterung, Territorialität, Flirt mittels Pflanzen überreichen; oder was eindeutig genetisch festgelegt und/oder angeboren ist, fünf Finger usw., Farbensehen und –Farbendummheit/blindheit, Linkshändigkeit, optische Täuschungen; die Einteilung der Farben? Geschlechtsidendität?) · Psychologie: (Klinische P., Entwicklungspsychologie und –psychopathologie), Einteilung der Persönlichkeiten nach Comer, GEO-Abbildung · Pathologie: Psychiatrie, ICD-10, DSM-IV-R, andere medizinische Lehrbücher, "übermäßig", "nicht altersentsprechend", auch soziale Kriterien usw.; idealtypische Präsentation von bereits kategorisierten Fällen, Symptomen, Syndromen usw. · Spezialliteratur, thematisch gegliedert: z.B. Paul Ekman "Warum Kinder lügen", 1985 Beispiel daraus: Entwicklungspsychologie des Lügens, dazu auch Folie zu Kohlberg · Spezialfälle: z.B. Anzeigen und Prozesse bei Verdacht auf sex. Kindesmissbrauch; 10% der Anzeigen entstehen durch Lügen von Kindern/Jugendlichen; wieviele % durch Lügen von Erwachsenen ist nicht bekannt, es dürfte allerdings ein relativ hoher %-Satz sein; 6 von 7 7 Verdachtsfällen, die am AJF oder im KISZ landen sind Fehlalarme; aus meiner Praxis sind mir einige Lügen-Fälle bekannt; in der Tendenz sind es die Mütter/Frauen, die falsch beschuldigen, und die Männer/Täter, die abstreiten. Lassen Sie mich noch einmal zum persönlichen Begriff von Normalität zurückkommen: Welche psychologischen Momente (Gefühle, Gedanken, Verhalten) sind wichtig, wenn man selbst oder andere mit Normalität oder Andersartigem in Berührung kommt? Denken über (A)Normalität soziologisch gesehen (be)urteilen wir innerhalb von Sekundenbruchteilen Geschlecht, Alter, Status (über Kleidung, Gepflegtheit u.ä.) eines anderen Menschen und bilden so Vorurteile (die im Alltag ein Muß sind, da sie Denken und Handeln vereinfachen; ohne Vorurteil wären wir überfordert von der Menge und Komplexität der Information, die auf uns einströmt) wir neigen zu Idealen, Ideologien usw. und damit zum Denken in Typologien, Kategorien,zur abstrakten Verallgemeinerung; das Normalen und das Nicht-Normale wird idealtypisch dargestellt (psychiatrielehrbücher sind genauso aufgebaut, dass sie das Pathologische idealtypisch beschreiben) und übersehen dabei die Übergangsformen, Nuancen, Graubereiche, Zwischenstufen usw. Man schätzt dass auf einen Lehrbuchfall 20 unscharfe, nicht ganz alle Kriterien oder nur einige Kriterien erfüllende Fälle kommen, die dann keine Fälle mehr, sondern Verdachtsdiagnosen sind. Diese Neigung zum Schwarz-Weiß-Denken oder zur Reduktion des Komplexen hat Vor- und Nachteile. mit Diagnostizieren, Klassifizieren und mit Vorurteilen bekommen wir Macht über den anderen, wir grenzen uns ab, meistens nach unten, d.h. wir setzen den anderen unter uns, werten ihn ab, so dass wir uns sicherer fühlen Moralische Dimension normal wird sehr oft mit gut, richtig, wahr, unschuldig assoziiert, anormal mit böse, schuldig usw. Dabeisein: Konformität vs. Originalität wir wollen normal sein, dazugehören, Konformitätsdruck (vs. Individualismus) Gruppendynamik: Experimente von Milgram, Ash und Sherif, s. Zimbardo4 :618ff bei Untersuchungen über Persönlichkeit, Verhalten usw. schätzen sich sehr viele der Befragten als "durchschnittlich" und daher als normal ein Gefühle/Verhalten dem Normalen resp. Anormalen gegenüber Masse & Macht. Canetti S. 1-2. "Nichts befürchtet der Mensch mehr als die Berührung durch Unbekanntes." (Häuser als Abgrenzung, in der Öffentlickeit, Individualdistanz usw.) "Es ist die Masse allein, in der der Mensch von dieser Berührungsfurcht erlöst werden kann." Angst vor dem Anderen, Andersartigen, Fremden, Fremdartigen (vs. Neugier und Faszination des Andersartigen), Angst vor Ansteckung und Übertragung der Abweichung auf das Normale Ekel, Ächtung, Ausstoßung, Bestrafung des Fremden, Kranken, psychisch Kranken, Behinderten usw. (Psychiatrieentwicklung der letzten 200 Jahre, Faschismus im 20 Jahrhundert) Pathologie der (A)Normalität veränderte Bewußtseinszustände Pathologie der Normalität: Schüchternheit, bin ich verrückt, Größenwahn- und Minderwertigkeitsvorstellungen, also verschiedene Wahnvorstellungen, nicht normal zu sein, wie 8 schlecht zu riechen, deformiert zu sein .. die Frage, ob man nun normal sei oder verrückt beschäftigt quasi alle Kunden irgendwann in einer Beratung/Psychotherapie, nicht selten ist es sogar das Hauptanliegen des Erstgespräches. Offensichtlich ist das bei gesellschaftlich eher tabuisierten Themen wie psychotischen Zuständen, schweren Zwangsgedanken oder sexuellen Störungen. Wenn diese Frage fehlt oder gar die Kunden angeben, die Welt in ihrem Sinn verändern zu wollen (bei schweren paranoiden Zuständen wird die gesamte Welt als deformiert betrachtet, so manche Pädophile, die für eine Liberalisierung der Gesetzgebung usw. eintreten, dann gilt dies eher als ein Zeichen besonderer Schwere der Abweichung; die Krankheitseinsicht und die Einsicht, nicht normal gehandelt zu haben, ist auch ein wichtiges Kriterium bei der Unterscheidung zw. Neurose und Psychose und bei der psychiatrisch-forensichen Beurteilung ob ein als geistig-abnorm eingestufter Straftäter entlassen werden kann oder nicht) 9 Der "normale" Jugendliche in Beispielen Entwicklungspsychologie und Entwicklungspsychopathologie in Beispielen Probleme bei den existierenden Daten: (A) große Streuungsbreite, große Unsicherheit der Daten, (B) wenig aktuelle Daten usw. Dennoch: Einige Prinzipien lassen sich ableiten; ich versuche bei Beispielen immer wieder den Bezug zur Schule herzustellen Sprache & Sprechen - Mehrsprachigkeit und Dysgrammatismus Intelligenz(tests) - IQ-Normen, Projektive Tests Denken (Glas-Wasser-mit Zucker-Experiment Piaget 1964) Moralische Entwicklung (Kohlberg) Wenn Kinder erwachsen werden: Schritte auf dem Weg in die Autonomie Psychische Störungen bei Kindern/Jugendlichen Gefühle - Reaktionen von Kindern/Jugendlichen (Wut, Angst, Schuld & Scham, Trauer) bei Trennung der Eltern Gewalt: Grunddaten Elternstrafen – Lehrerstrafen Sexuelle Entwicklung, sexueller Missbrauch und die Folgen, sexualisiertes Verhalten, Medienberichte Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung, oppositionelles Trotzverhalten 10 Intelligenz(tests) - IQ-Normen von genial über normal zu schwerstgradig geistig behindert (idiotisch), IQ-Messungen kaum jemals kultur- oder bildungsfrei möglich, der aktuellste genormte Test für Intelligenzmessung bei Kindern und Jugendlichen ist der AID-2 (von Kubinger et al. entwickelt, Wien) gilt bereits als "alt" (er wurde zw. 1995 und 1997 genormt) Projektive Tests (Kinderzeichnung, Sceno, Familie in Tieren, CAT/TAT, Rorschach, Familienbrett) Merksätze: (1) Außer für die Kinderzeichnung gibt es weder für Erwachsene Normen noch für Kinder/Jugendliche Entwicklungsnormen. (2) Es kann prinzipiell keine Normen geben, da Projektionen hochgradig individuell sind; es sind stets die Kommentare des Projezierenden in seinem Lebenskontext zu interpretieren (Freuds "Es gibt keine Traumdeutung ohne die Einfälle des Träumenden" ist unbedingt analog zu verwenden.) Moralische Entwicklung (Kohlberg)mit drei Ideen: erstens dass es vom Alter und vom moralischen Entwicklungsstand abhängt, welche Sanktionen sinnvoll sind; zweitens dass bei der Entwicklung von Verhaltenskatalogen ideale Vorstellungen davon, wie SchülerInnen sein sollten meistens von konventionellen oder sogar eher noch von postkonventionellen Bildern ausgehen, man glaubt z.b. dass es ja von Innen kommen sollte, dass ihr Gewissen oder ihr Respekt so weit gediehen sein sollten, dass ..; drittens, dass man auch über Belohnungssysteme, und nicht nur über Bestrafungssysteme nachdenken sollte bei der Erstellung von Verhaltensregeln und – sanktionen. Daten: siehe nächste Seite Wenn Kinder erwachsen werden: Schritte auf dem Weg in die Autonomie Entwicklungsschritte auf dem Weg zur Unabhängigkeit von den Eltern Männer Frauen 14.7 Essen machen 13.9 Aussehen selbst bestimmen 15.6 15.1 heimkommen, wann man will 17.4 17.9 eigenes Geld verdienen 20.5 Auszug aus dem Elternhaus 20.6 20.7 22.2 0 5 10 15 Alter (Jahre) 11 20 25 Psychische Störungen bei Kindern/Jugendlichen: produktive vs. unauffällige Störungen, Äquifinalität, Äquipotentialität, Komorbiditäten Aquifinalität: Ein- und dasselbe Symptomenbild kann verschiedenste Ursachen haben. Also z.B. eine Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung kann entweder durch Scheidung der Eltern oder einen Autounfall oder eine unglückliche Liebe o.a. ausgelöst/verursacht werden. Aquipotentialität: Jedes Ereignis (..) kann ganz verschiedene Symptomenbilder auslösen. Komorbidität: gerade bei Kindern und Jugendlichen sind das gemeinsame Auftreten verschiedenster Symptomenbilder sowie unklare Symptomenbilder typisch. In 50% der Fälle liegt neben der offensichtlichen Diagnose noch eine andere vor, besonders häufig sind die verdeckten Störungen Angststörungen. Prävalenz (%) psychische Störungen SchülerInnen 14-18a Zeitpunkt Untersuchung Lebenszeit 3.2 8.8 Paniksyndrom 0.35 0.82 Agoraphobie 0.41 0.70 Sozialphobie 0.94 1.46 Spezifische Phobie 1.40 1.99 Zwangssyndrom 0.06 0.53 Trennungsangst 0.18 4.21 Überängstlichkeit 0.47 1.29 2.9 20.3 schwere Depression 2.57 18.48 dysthymesSyndrom 0.53 3.22 Aufmerksamkeits- und expansive Verhaltensstörung 1.8 7.3 Unaufmerksamkeit & Hyperaktivität 0.41 3.10 oppositionellesTrotzverhalten 0.94 2.46 Dissozialität 0.13 3.22 10% 37% Angststörungen Unipolare Depression irgendeine Störung 12 Gefühle - Reaktionen von Kindern/Jugendlichen (Wut, Angst, Schuld & Scham, Trauer) bei Trennung der Eltern. 80% (!!) der Kinder und Jugendlichen wachsen bei einem Elternpaar auf, die anderen bei Alleinerziehenden; Scheidungs- und Trennungsraten steigen seit Jahrzehnten, aber vor allem bei kinderlosen Paaren. Reaktionen auf Trennung/Scheidung der Eltern (nach Fthenakis 1995, Familiendynamik 20) Lebensalt "Normale, übliche, häufige" er Verhaltensäußerungen Nachtangst, Schlafprobleme, sozialer Rückzug bis 3 (bis 2) Regression (Trennungsangst, Rückschritte in Sauberkeit, Wiedereinführen von Ersatzobkjekten), Irritierbarkeit, Ängstlichkeit, Wut, Trotz, oppositionelles Verhalten, Schlafstörungen, Verlangsamung des Identitätsfindungs- und Individuationsprozesses, Verlangen nach physischer Nähe Aggressivität (geschlechtstypische 3 und 4 Internalisierung bei Mädchen und Externalisierung bei Buben, d.h. Mädchen richten die Wut gegen sich selbst, Buben richten sie gegen die Umwelt), Irritierbarkeit, vermindertes Selbstwertgefühl, (Ur)Misstrauen, Trauer, Einsamkeit, Gehemmtheit in Spiel, Fantasie und Verhalten, Selbstbeschuldigungen wegen dem Zerfall der Familie 13 5 und 6 Aggressivität, Ängstlichkeit, Ruhelosigkeit, (ähnlich vorher, verschärft) Irritierbarkeit, Trennungsprobleme, Wutanfälle, sozialer Rückzug und Depressivität, Schlafstörungen, Phobien, Zwänge, Schuldgefühle 7 und 8 anhaltende Traurigkeit - Depressivität, existentielle Ängste, Leistungdefizite, Loyalitätskonflikte, Schulprobleme psychosomatische Erkrankungen, Depression, 9 bis 13 Pseudoreife, Zorn, Angst, Einsamkeit, Scham, Identitäts- und Loyalitätskonflikte, Selbstwertprobleme, Schulschwierigkeiten, existentielle Ängste, Ohnmachtsgefühle (zunächst sehr heftige, dann angepasstere 14 bis 19 Reaktionen): Zorn, Trauer, Schmerz, Zweifel an eigener Beziehungsfähigkeit, abrupte Ablösung vom Elternhaus, Flucht in Fantasiewelten 14 Gewalt: Grunddaten, Elternstrafen – Lehrerstrafen gewalt gegen kinder ist sehr verbreitet Trotz vieler gesetzlicher Verbesserungen - 1974 wurde in Österreich die körperliche Züchtigung in der Schule verboten, 1977 das seit 1811 bestehende Züchtigungsrecht der Eltern abgeschaft - sind heute immer noch viele Kinder von personaler und struktureller Gewalt betroffen. Zu ersterer rechnet man Gewalt in der Familie (sexueller Missbrauch, physische und psychische Misshandlungen und Vernachlässigung durch Verwandte, nahe Bekannte), in der Schule (durch Erzieher, Mitschüler, peers) und durch Fremde im (halb)öffentlichen Raum. Personale Gewalt z.B. durch ErzieherInnen ist in den letzten 25 Jahren stark zurückgegangen, dennoch gaben 1995 in Ö 16% der Jugendlichen an, in der Grundschule öfters geschlagen worden zu sein. 25% berichten von keinerlei negativen Erfahrungen. Auch miteinander gehen Kinder nicht friedlich um: In Kindergarten und Schule sind sie in der freien Spielzeit ca. alle 20 min in einen Konflikt verwickelt, wovon jeder zehnte mit massiveren Gewaltformen einhergeht. Strukturelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche findet sich in den Massenmedien (internet, Film, Nachrichten, reality TV - mit 12 Jahren haben sie z.B. 14 000 Totschläge oder Morde in Bildmedien "erlebt"), in "Spielen" (Comics, Computergames), aber auch in der Arbeitswelt (Kinderarbeit) und in Kriegsgebieten. Schließlich enthalten unsere Ideenwelten (wie Rechtssysteme, pädagogische Theorien) Gewaltelemente. Diese verändern sich nur langsam: Die Vorstellung der Erbsünde begleitet uns seit Jahrtausenden, seit dem Mittelalter gibt es so etwas wie Kindheit, im 19. Jhdt. war die Hochblüte der Schwarzen Pädagogik, die davon ausging, dass Kinder von Geburt an schlecht seien und zum Guten und zur Wahrhaftigkeit erzogen werden müssten; die UN-Charta für Kinderrechte entstand 1989. innerfamiliäre gewalt ist bedeutsam Da innerfamiliäre Gewalt im Rahmen enger, lebenswichtiger Beziehungen passiert, ist sie ein deutliches Entwicklungsrisiko und kann nachhaltige, mitunter über Generationen dauernde Folgen haben. epidemiologie: 5-10% der Kinder regelmäßig betroffen Insgesamt hat (in Österreich) Gewalt gegen Kinder in ihrer objektiven Schwere eher ab15 als zugenommen. Dies betrifft v.a. Gewalterfahrungen als direkte Folge materieller Notlagen (z.B. Kindesweglegung, Kinderarbeit) u. die Anwendung körperlicher Gewalt. Vorsichtige Schätzungen ergeben, dass 5-10% aller Kinder/Jugendlichen in Ö regelmäßig von innerfamiliärer Gewalt betroffen sind – das sind 85-190 000 Menschen. Es gibt keine verlässlichen Daten über Vernachlässigung und psychische Misshandlung. Die Deutsche Jugendhilfe schätzt, dass 6-7% aller Kinder vernachlässigt sind - 10% davon seien schwer betroffen. Körperliche Gewalt ist ein nicht selten angewendetes Mittel der Erziehung: 10% der Eltern verzichten ganz darauf, 1/3 geben häufiger Klapse und Ohrfeigen, 1/3 greifen ab und zu, 5-7% sogar häufiger zu schwereren Gewaltmitteln, d.h. sie verabreichen eine Tracht Prügel oder schlagen mit Gegenständen. Beschränkt man sich auf gravierendere Formen sexueller Übergriffe, so zeigt sich, dass ca. 9% der Mädchen und 3.5% der Buben zu Masturbation oder genitalen Berührungen vor oder mit anderen verführt oder gezwungen wurden. Bei ca. 5% der Mädchen und 1.5% der Buben ist es genitaler, oraler oder analer Geschlechtsverkehr. 2/3 der betroffenen Mädchen und 3/4 der betroffenen Buben erleben diese Übergriffe nur einmal. In 25% aller Fälle stammen die Täter aus dem Familienkreis; es sind Onkel, Väter, Brüder etc. Die meisten Übergriffe (50%) passieren im Bekanntenkreis, hier zur Hälfte von Seiten anderer Jugendlicher. In 25% der Fälle sind die Täter Fremde. 16 Elternstrafen – Lehrerstrafen, N=3000 Jugendl, N=3000 Erwachsene, 1995 Anteile SchülerInnen (%, 12 und 16 Jahren, BRD) haben zumindest einmal im Leben erfahren durch .. - Eltern % LehrerInnen % Ohrfeige 81 Ohrfeige 15 Fernsehverbot 67 Freiheitsstrafe Nachsitzen 68 Ausgehverbot 64 Rausgehen aus Klasse 19 Niederbrüllen 52 deftige Ohrfeige 44 Schweigen/Ignorieren 36 Strafarbeiten Schreiben Mensadienst (sozial) Hausmeisterdienste Taschengeldentzug 34 Tracht Prügel 31 Tracht Prügel mit Gegenstand 15 Schläge mit Gegenstand 2 nie erlebt 10 nie erlebt 7 (mehrmals 6%) Fremde (Nachbarn usw.) 19 56 31 die Akzeptanz von körperlichen Strafen in der Erzeihung sinkt allgemein seit Jahrzehnten, sowohl rechtilich wie informell - Gewalt wird von 75% der Eltern nicht als adäquates Erziehungsmittel angesehen, die körperlichen Strafen werden als affektive Reaktion auf Ohnmachsgefühle oder Hilflosigkeit beschrieben - je häufiger Kinder zu Hause Körperstrafen erfahren, o umso mehr nehmen sie dieses als Norm und o umso mehr akzeptieren sie dieses als angemessen und befürworten sie diese als Erziehungsmittel (statistische und Gewohnheitsnorm wird zur ethischen und Zielnorm) und o umso wahrscheinlicher ist es, dass sie auch in der Schule und von Fremden körperliche Gewalt erfahren (weil sie keine anderen Grenzen kennen, weil sie verhaltensauffäliger sind ..??) 17 Sexueller Kindesmissbrauch Wollte man so etwas wie ein Minimalsyndrom kurz- u. mittelfristiger Folgen herausarbeiten und vergleicht man sexuell missbrauchte Kinder mit Kontrollgruppen, zeigen erstere in einem Drittel der Fälle eine höhere Symptombelastung in den Bereichen Aggressivität sexualisiertes Verhalten Angst sozialer Rückzug Depressivität Äußerst wichtig ist, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung im allgemeinen nur ein Drittel der Kinder überhaupt (diese) Symptome zeigen; nahezu die Hälfte erscheint völlig symptomfrei. Dies gilt auch allgemeiner ab dem Ende eines Missbrauchs: ca. ein Drittel der Kinder zeigt gar keine Folgen, ein Drittel leidet mittelfristig, durchlebt also eine mehrwöchige bis einige Monate währende Krise, und ein Drittel ist nachhaltig, möglicherweise bis ins Erwachsenenalter hinein, beeinträchtigt. Alles hängt entscheidend von der Intensität des sKM ab. Ein ganz entscheidender Punkt ist, dass es bei innerfamiliärer Gewalt in der Regel weder klare (pathognomonische) Symptome noch ein eindeutiges physisches oder psychisches Syndrom gibt. Alle Aussagen sind Wahrscheinlichkeitsaussagen; die genannten Folgen können also auftreten, treten auch im statistischen Mittel etwas häufiger auf als in Kontrollgruppen, aber kaum je in einem Einzelfall gemeinsam - als Syndrom. Jedes Kind findet eine ihm eigene Form, um auszudrücken, dass es an einer Misshandlung leidet. Das sei an sexualisiertem Verhalten verdeutlicht. Damit sind gemeint sexualisiertes Spielen mit Puppen, häufiges Anfertigen von Zeichnungen sexuellen Inhaltes, Einführen von Finger oder Gegenständen in After oder Vagina, exzessives und/oder öffentliches Masturbieren, verführerisches Verhalten, Ersuchen um sexuelle Stimulation von anderen, sexuelle Belästigung anderer, altersunangemessenes Wissen über Sexualität. Es stimmt: Sexuell missbrauchte Kinder zeigen häufiger sexualisiertes Verhalten als nicht sex. missbrauchte Kinder. Dieser Unterschied sinkt aber auf die Hälfte, wenn man missbrauchte Kinder mit klinischen Populationen vergleicht, also mit nicht-missbrauchten Kindern, die in psychotherapeutischer o. psychiatrischer Behandlung sind. In Zahlen: Nach sKM legen 30% der Kinder sexualisiertes Verhalten an den Tag; 70% verhalten sich "normal". Zudem gelten diese niedrigen Wahrscheinlichkeiten nur bis zu einem Alter von 6-7 Jahren. Sind die Kinder einmal eingeschult, so unterscheiden sie sich kaum noch von nicht-missbrauchten. 5% aller Schulkinder verhalten sich "sexualisiert", unabhängig davon, ob sie missbraucht wurden oder nicht. Schlussfolgerungen: (1) Aus dem Auftreten sexualisierten Verhaltens allein lässt sich bestenfalls ein Hinweis, aber sicher kein Beleg für sKM oder eine andere Gewalterfahrung ableiten. (2) Kenntnisse über die Folgen sind unumgänglich, um fachlich begründet zu diagnostizieren; ebenso wichtig ist aber zu wissen, was die Norm ist – z.B. jene der sexuellen Entwicklung -, von der das beobachtete, "verdächtige" Verhalten abzuweichen scheint. 18 Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung, oppositionelles Trotzverhalten (ODD oppositional deviant diaorder) Noch einmal ein einfacheres Beispiel: Lehrbuchstandardsformulierungen, sowohl Klinische Psychologie wie Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie wie die internationalen Krankheitsklassifikationen ICD-10 oder DSM-IV wie Spezialliteratur sprechen von einem unpassenden und nicht dem Entwicklungsstand entsprechenden Ausmaß ohne jemals die unten angeführten Formulierengen quantitativ zu präzisieren. ADHS Unaufmerksamkeit 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Beachtet oft Einzelheiten nicht genau oder macht Flüchtigkeitsfehler bei schulischen Aufgaben, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten. Hat oft Mühe, längerfristig aufmerksam zu sein bei Arbeit oder Spiel. Scheint oft nicht zuzuhören, wenn direkt angesprochen. Führt oft Anweisungen nicht vollständig aus oder beendet Arbeiten in der Schule, zuhause oder am Arbeitsplatz nicht (nicht verursacht durch oppositionelles Verhalten oder weil Anweisungen nicht verstanden wurden). Hat oft Mühe, Tätigkeiten planvoll abzuwickeln. Vermeidet, übernimmt nur ungern oder verweigert oft Aufgaben, die anhaltende Konzentration erfordern (z.B. in der Schule o. bei Hausaufgaben). Verliert oft Dinge, die für Aufgaben und Tätigkeiten notwendig sind (z.B. Spielzeug, Hausaufgabenheft, Schreibstifte, Bücher oder Werkzeug). Wird oft leicht abgelenkt durch unwesentliche Reize. Ist oft vergesslich bei Alltagstätigkeiten. Hyperaktivität (1-6) und Impulsivität (7-9) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Zappelt oft mit Händen oder Füßen oder windet sich auf dem Stuhl. Verlässt oft den Sitzplatz im Klassenzimmer oder in anderen Situationen, bei denen Sitzenbleiben erwartet wird. Rennt oft herum o. klettert überall hoch in unpassenden Situationen (bei Jugendl. kann sich dies lediglich in Gefühlen der Ruhelosigkeit äußern). Hat oft Mühe, bei Spiel und Freizeitaktivitäten keine Geräusche zu machen. Ist oft umtriebig oder benimmt sich oft wie von einem Motor angetrieben. Redet oft übermäßig viel. Platzt oft mit der Antwort heraus, bevor Fragen komplett gestellt sind. Hat oft Mühe zu warten, bis er/sie an der Reihe ist. Unterbricht oder stört oft andere (mischt sich z.B. in Unterhaltungen oder Spiele ein). ODD 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Verliert oft die Geduld, wird schnell ärgerlich, wütend. Hat für sein Entwicklungsalter ungewöhnlich häufige und heftige Wutausbrüche. Streitet oft mit Erwachsenen. Trotzt oder weigert sich oft den Wünschen oder Regeln von Erwachsenen nachzukommen, widersetzt sich aktiv gegen Anweisungen. Stört oft vorsätzlich/absichtlich andere. Gibt oft anderen die Schuld für das eigene Verhalten oder die eigenen Fehler. Ist oft empfindlich/reizbar oder leicht von anderen gestört. Ist oft wütend oder nachtragend. Ist oft boshaft oder rachsüchtig. 19 Leider lassen sich in all jenen Lehrbüchern die wir konsultiert haben (s. Literatur), fast keine Normen (Ausnahme s. Tabelle unten) für die hier relevanten Verhaltensweisen finden. Dies bedeutet, dass jeder auf seine eigenen oder jene von "Experten" (Experten können Psychologen, Psychotherapeuten, Ärzte, Erzieher mit besonderen Kentnissen sein, die Erfahrung mit ADHS oder ODD-Kindern haben) zurückverwiesen ist. Alter (Jahre) 6-7 8-9 9-10 12 6-7 8-9 10-12 13-16 Konzentrationsfähigkeit ohne Unterbrechung 15 Minuten 20 Minuten 25 Minuten 40 Minuten nutzbringende tägliche Arbeitszeit einschließlich Schule u. Hausaufgaben 3 Stunden 4 Stunden 6 Stunden 7 Stunden nach Martin R (1978) Sind Hausaufgaben familienfeindlich? Klett-Cotta 20 „Diagnostizieren“ – Wie geht das und was teile ich wem wie mit? Einleitung. Diagnose im weiteren Sinn Leitsatz: Stellen sie fest, was ist und was nicht ist, oder sorgen sie dafür, dass festgestellt wird, was ist und was vorliegt und was nicht, bevor gehandelt wird. Diagnostizieren, also systematisches Beobachten und Erfassen von Verhalten, Gefühlen, Denken und physiologischen Funktionen, dient dem Verstehen, Vorhersagen und Verändern, insbesonders dadurch, dass es die Anwendung bereits vorhandenen allgemeinen Wissens über ein Symptom oder ein Syndrom (eine spezielle Gruppe von Symptomen) erlaubt. Dabei wird nach einem bestimmten Schema vorgegangen, wobei zunächst Daten erhoben werden und aus diesen (i) eine Diagnose (z.B. "einfache Aufmerksamkeitsdefizitstörung ADHS, hochgradig ausgeprägt"), (ii) Differentialdiagnosen (z.B. es handelt sich NICHT um oppositionelles Trotzverhalten, NICHT um eine Intelligenzminderung und auch NICHT um asoziales Verhalten), eine (iii) Prognose (z.B. ADHS wächst sich üblicherweise nicht aus, führt oft zu einem Schulleistungsdefizit und in weiterer Folge zu antisozialem Verhalten) und schließlich (iv) eine Differentialindikation abgeleitet wird, die es im günstigsten Fall erlaubt, die nützlichste Hilfe einzuleiten (z.B. tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie ist bei ADHS eher wenig wirksam, multimodale Verhaltens- und Familientherapie unter Einbezug von Erziehern und Eltern ist die Methode der Wahl, sollte sie nicht wirken, sollte auch ein Versuch mit Medikamenten unternommen werden). (A) Wie hängen Diagnostik und "Normalität" zusammen? - Man kann nicht nicht diagnostizieren. - Diagnostik (gr.) bedeutet sowohl Erkennen wie Entscheiden, also Entscheidendes Erkennen, noch genauer, Entscheidendes Wiedererkennen. - Wir "diagnositizieren" ständig im Alltag, und natürlich auch, wenn wir mit Schülern zu tun haben und dann Hilfe planen. Dies passiert intuitiv. - Inituitiv "diagnositizieren" wir, in dem wir einschätzen, ob und wie sehr (mehr oder weniger) normal ein Verhalten, Denken, Gefühl ist. 21 (B) Systemtheoretisch orientiertes Vorgehen beim „Diagnostizieren“ in der Schule In der Regel ist es sinnvoll, vom individuellen Verhalten auszugehen und nach der Klärung auf dieser Ebene die nächst“höhere“ zu betrachten. Dadurch erhält ein vorerst „unerklärliches“ Verhalten möglicherweise einen neuen Sinn (hier sowohl als Bedeutung, Erklärung und Ursache zu verstehen) und es entstehen Handlungsalternativen. Individuelle Ebene Es geht hier um die Beschreibung und Sammlung von dem was ist und von „erklärenden“ Hypothesen bezüglich der Schwierigkeiten und Ressourcen des einzelnen Schülers und Lehrers. Daraus ergeben sich auf Schülerseite etwa Beschreibungen der Leistungsfähigkeiten und –defizite, von psychischen Besonderheiten, Begabungsschwerpunkten, Motivationszusammenhängen usw. Ebenso gehören familiärer und kultureller Hintergrund dazu. Es ergeben sich dadurch Beschreibungen wie Beispiel Beschreibung Schüler: Aggressiv im Mathematik- und Turnunterricht, verträumt/unkonzentriert in Deutsch, allgemein ängstlich (Prüfungsangst?, Schulangst?) und schweigsam, gute Begabung in Sprachen, bewegungsgehemmt, folgt Anforderungen nur wenn autoritär vorgetragen, insbesonders bei männlichen Lehrern. Eltern uninterressiert an Schule, serbo-kroatische Herkunft (Muttersprache!?), Mutter bisher Ansprechpartnerin, Vater lebt in Familie, mehrere Geschwister. Hilfsmittel und -personen sind Lehrer- und Elternfragebogen (s. Anhang), der Blick der KollegInnen, andere Profis wie z.B. Logopäden (Sprache, Sprechen), Ergo- und Physiotherapeuten (Wahrnehmung, Bewegung, Koordination), klinische und SchulPsychologen (Leistungen bei allgemeiner Intelligenz, bei Schreiben und Rechnen, bei Konzentration; emotionaler Zustand/Entwicklung) und Psychotherapeuten (emotionaler Zustand/Entwicklung, familiärer und lebensgeschichtlicher Hintergrund) sowie Ärzte (Kinderärzte, Kinder- und Jugendpsychiater) oder eventuell für Spezialfälle (Verdacht auf sex. Kindesmissbrauch oder andere Gewalt in der Familie) Sozialarbeiter oder spezialisierte Psychologen/Psychotherapeuten. Beispiele Hypothesen: Ursachen der Schwierigkeiten völlig unklar; sowohl Sozialisationsmängel (Vater desinteressiert, Mutter überfordert?) wie Entwicklungsrückstand (Unreife, Infantilismen) wie seelische Traumen (aus Kriegsgebiet 22 eingewandert?) kommen in Frage. Eine interessante Alternativhypothese ist oft jene, dass Lernen und Schule an sich, ohne dass besondere Umstände gegeben sind, zu Schwierigkeiten, Auffälligkeiten oder Störungen führen können.1 Beispiel Selbst- oder Fremdbeschreibung LehrerIn: Ambivalent zum Schüler, zw. Sympathie und Antipathie wechselnd, ebenso abwechselnd sehr streng-autoritär, dann laisser-faire, allgemein gerecht, lobt und anerkennt viel, teilweise unecht. Usw. Bereits auf dieser Ebene ist es sehr wichtig, für suich selbst und in Gespräche sowohl eine defizit- als auch eine ressourcenorientierte und wertschätzende Sprache/Denken zu verwenden. D.h., es geht darum, die Defizite zwar klar zu beschreiben, aber ebenso deutlich diese sprachlich positiv zu formulieren und dazu die Ressourcen und Ausnahmen festzuhalten. Beispiel ressourcenfossierender „Diagnostik“ bei ADHD (Hyperaktivität, Impulsivität, Aufmersamkeitsstörung) A defizitorientierte Beschreibung, B wertschätzende Beschreibung A Ausmaß der Aktivität überhaupt nicht 0 ein wenig 1 ziemlich stark 2 sehr stark 3 1. ist unruhig und übermäßig aktiv 2. ist erregbar, impulsiv 3. stört andere Kinder 4. bringt angefangene Dinge nicht zu Ende, kurze Aufmerksamkeitsspanne 5. ist ständig zappelig 6. ist unaufmerksam, leicht abgelenkt 7. Erwartungen müssen umgehend erfüllt werden, ist leicht frustriert 8. weint leicht und häufig 9. zeigt schnellen und ausgeprägten Stimmungswechsel 10. hat Wutausbrüche, explosives, unvorhersagbares Verhalten 1 Beispiele dazu sind (1) das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen (Sprachbarrieren, religiöse Differenzen …); (2) das Nebeneinander innerfamiliärer und äußerer, schulischer Regelsysteme (zu Hause laisser-faire, in der Klasse autoritär), (3) emotionale Überempfindlichkeiten wie niedriges Selbstvertrauen, das auf ortsübliche, „normale“ Anforderungen trifft (Schul- oder Prüfungsangst können die Folge sein) oder große Schüchternheit (das Kind trifft auf viele neue Menschen und ist überfordert; schließlich (4) leichte, bisher kaum bemerkte körperliche Defizite wie Farbenblindheit oder eine Hörbeeinträchtigung, die verschiedenen Lernprozesse erschweren. 23 B Ausmaß der Aktivität kaum 0 wenig 1 viel 2 sehr viel 3 1. ist angemessen aktiv 2. kontrolliert Erregung, reguliert selbst 3. kooperiert mit anderen Kindern 4. beendet angefangene Dinge 5. ist ruhig 6. ist aufmerksam 7. kann abwarten 8. ist fröhlich 9. zeigt angemessene Stimmungen 10. zeigt Wut angemessen Kommentar zu Defizite und Ressourcen festhalten, eigene und die des Betroffenen: Angesichts wachsender Listen psychischer Störungen neigen Kliniker und möglicherweise Erzieher dazu, das Beobachtete eher auf die Seite der Störungen und des Pathologischen als auf jene des Normalen zu stellen; v.a. Kliniker neigen dazu, aus der Tatsache, dass jemand sie konsultiert, zu schließen, dass dieser Mensch eine Störung haben muss; weil Kliniker also Störungen erwarten und suchen, neigen sie dazu, Beobachtungen, die für Störungen sprechen, überzubewerten und solche, die dagegen sprechen, zu übersehen oder unterzubewerten. Dies wird manchmal als "Hineinlesesyndrom" bezeichnet oder auch als "Defizitorientierung", die sowohl bei Ärzten wie Psychologen, Pädagogen und Psychotherapeuten weit verbreitet ist. Die Orientierung am Defizit oder Problem versperrt den Blick auf vorhandene Ressourcen und Stärken, die möglicherweise entscheidend zu Lösungen beitragen können. Weit verbreitet ist auch, dass Beobachtungen der Eltern eher zu viel, Ansichten der Kinder eher zu wenig Beachtung geschenkt wird. Schließlich: Im allgemeinen schätzt man, dass auf ein klinisches Vollbild einer psychischen Erkrankung 10-20 Fälle von subklinischen und anderen Verdünnungsformen vorkommen. Mit diesen unscharfen Phänomenen hat man meistens im Alltag zu tun, nicht mit den klinischen Vollbildern wie sie im Lehrbuch idealtypisch vorgestellt werden. Beziehungsebene Lehrer - Schüler Diese ist als zusätzliche Ebene zur individuellen gedacht. Eine wichtige Frage ist, ob die Interaktionen der zwei Individuen erst die Schwierigkeiten erklären und ob andere oder gar keine Probleme vorliegen, wenn Schüler oder Lehrer mit Dritten interagieren. Aussagen wie „Lehrer und Schüler sind sich gegenseitig nicht sympathisch. Das geht vor allem von … aus.“ Auch ist zu beschreiben, wie dieser Schüler/Lehrer mit anderen Schülern/Lehrern umgeht und in Beziehung tritt. Eine weitere Frage ist, welche Interaktionen vermindern oder vermehren ein „Symptom“ wie „Wut- oder Weinanfall“. Hier ist die Suche nach Ausnahmen sehr hilfreich. 24 Systemebene „Lehrer – Schüler – Klasse“ Zwischen Lehrern und Schülern und Schulklassen gibt es klare Grenzen und Rollenzuweisungen und -aufteilungen. Insbesonders zu starre oder zu durchlässige (diffuse) Grenzen und sog. Rollendiffussionen führen zu dysfunktionalen Interaktions- und Beziehungsmustern. Diffus bedeutet etwa, wenn Schüler die Autorität des Lehrers nicht anerkennen und ihm sehr „unhöflich“ begegnen. Koalitionen zwischen Lehrer und bestimmten Schülern führt zu einer Erstarrung der Gruppenstruktur. Beschreibende Aussagen wie „In dieser Klasse kann man nicht unterrichten“ oder „Eine fleißige Klasse“ oder „Den Lehrer ekeln wir raus“ sollten jedenfalls hinterfragt und in ihren Konsequenzen mitbedacht werden. Systemebene „Lehrer – Lehrerschaft – Direktor – Schule Schulen Schulsystem“ Dazu gehören die verschiedenen Schulklasse einer Schule, die unterrichtenden Lehrer und der Direktor sowei die verschiedenen daranhängenden Aussensysteme (Schulaufsicht, Politik, Elternverbände ..). Schulklassen werden miteinander verglichen, „schwierige“ und „leichte“ Klassen entstehen aus Sicht der Lehrer, abenso „harmlose“ und “doofe“ Lehrer aus Sicht der Schüler, Klassen und Elternvertretungen, Cliquen im Lehrerkollegium bilden sich, der Direktor ist „anwesnd und bemüht um die Schulführung“ oder „politisch unterwegs und selten da“ usw. Es lohnt sich auch hier mitunter, beschreibende Aussagen zu sammeln und auf Zusammenhänge zum vorliegenden „Schülerfall“zu überprüfen. Schlussfolgerung Diagnostizieren = Denken in Wahrscheinlichkeiten = komplexe Einschätzung des Einzelfalles (Äquifinalität, Äquipotentialität, Komorbiditäten ..) = Nutzen Sie das Wissen von (möglichst vielen) wirklich unabhängigen Expert/innen. Die Psychodynamik von Fällen, die ihnen nahe gehen/stehen zieht sie in ihren Bann. = Arbeiten Sie an einer komplexen Einschätzung der Lage. Berücksichtigen Sie, was dafür aber auch, was dagegen spricht. Wiederholen Sie diesen Schritt oft und regelmäßig. 25 (C) Die Position der Eltern - oder wie und von wo aus Eltern in ein Gespräch mit Lehrern einsteigen Eltern haben Ängste, Befürchtungen Werden sie in ihrer Kompetenz/Fähigkeiten als Mütter, Väter in Frage gestellt? Oder sind sie es bereits weil es Schwierigkeiten mit ihrem Kind gibt? Eltern fürchten die (Vorwürfe der) LehrerInnen. Sie fühlen sich ohnmächtig der Schule und deren VertreterInnen, dem System Schule usw. gegenüber. „Die“ sitzen am längeren Ast, können sie doch über die Schulkarriere/Berufschancen und so große Bereiche des Lebens ihres Kindes wichtige Entscheidungen treffen (z.B. Noten vergeben). Eltern fühlen sich unterlegen. Das Gespräch findet in der Schule, auf fremdem Territorium, in unvertrauter Umgebung usw. statt. Lehrer führen viele solche Gespräche, sind es gewohnt, sind routiniert .. Eltern haben alte Erfahrungen mit der Schule – möglicherweise unangenehme, die sie sich nicht in Erinnerung rufen wollen, die aber unweigerlich durch die Schule (Geruch, Geräusche, Gebäude, Kinder usw.) ausgelöst werden. Eltern haben Schuld- und Schamgefühle Eltern fühlen sich möglicherweise bereits seit langem in der Erziehung überfordert und stehen jetzt vor dem lange befürchteten „Ergebnis“ ihrer „Bemühungen“ und „Unfähigkeiten“. Jetzt sind sie unsicher. Eltern sind traurig, haben Mitleid, leiden mit Sie haben in der Erziehung versagt oder wissen genau, dass es die Scheidung, eine Hörbehinderung, eine Prüfungsangst oder eine anderer Hintergrund ist, der schulische Folgen hat. Sie bedauern und betrauern die Situation ihres Kindes. Eltern ist alles wurscht Eltern freuen sich Eltern freuen sich, Lehrer kennen zu lernen. Eltern freuen sich, dass endlich ein kompetenter Pädagoge die Nöte ihres Klindes und ihre eigene Ohnmacht demgegenüber erkannt hat und mit ihnen nach einer Lösung suchen will. Eltern sind wütend/zornig oder mißtrauisch Eltern fühlen sich bedroht, in ihrer Zuständigkeit in Frage gestellt. Wieso darf sich der/die einmischen? Was passiert hinter meinem Rücken, auf dem Rücken meines Kindes? Ist das Jugendamt vielleicht informiert? Eltern fühlen sich gezwungen zu kommen; sie sind widerspenstig, reaktant. Sie kommen dann aus bloßem Pflichtbewußtsein, aus schlechtem Gewissen, weil Eltern dies eben tun zu müssen, oder aus dem Druck/ der Angst heraus, dass andere, mächtigere Systeme aktiviert werden (Jugendamt, Pflegschaftsgericht usw.) Eltern sind wütend auf ihr Kind, weil sie es voll verantwortlich/schuldig sprechen für das, was gerade abläuft. Wieso kann der kleine Trottel nicht braver sein? Wieso tut das Kind mir das an? Eltern wähnen sich im Recht, halten Lehrer und Schule für unfähig und wollen es denen zeigen. Eltern ist alles wurscht und sind angefressen, dass sie kommen (müssen). 26 Die Position der Lehrer - oder wie und von wo aus Lehrer in ein Gespräch mit Eltern einsteigen Lehrer haben Ängste, Befürchtungen Werden sie in ihrer Kompetenz/Fähigkeiten als Lehrer/Pädagogen in Frage gestellt? Oder sind sie es bereits weil es Schwierigkeiten mit ihrem Kind gibt? Lehrer fürchten die (Vorwürfe der) Eltern. Sie glauben, dass sie Misserfolge rechtfertigen müssen, dass sie möglicherweise als „schlechter“ Lehrer beschimpft werden, dass sie ihre Verantwortung der Schulkarriere/ den Berufschancen des Kndesgegenüber nicht genügend nachgekommen sind. Die Lehrer sind oft nicht ausgebildet für Gespräche mit Eltern – sie fühlen sich hilflos und überfordert. Lehrer haben mitunter Vorstellungen, dass sie unfehlbar seien oder von anderen so betrachtet werden; daher befürchten sie, dass ihnen möglicherweise ein „Fehler“ nachgesagt oder nachgewiesen werden wird. Lehrer haben Schuld- und Schamgefühle Lehrer wissen mitunter, dass sie einiges unterlassen oder nicht rechtzeitig auf die Schwierigkeiten des Schülers eingegangen sind oder die Eltern informiert haben. Sie wissen von anderen Fällen, dass sie nicht unfehlbar sind. Jetzt sind sie unsicher. Lehrer sind traurig, haben Mitleid, leiden mit Lehrern bedauern und betrauern die Situation des Kindes, sehen seine Ängste, Behinderung, Verwirrung u.ä. Lehrern ist alles wurscht Lehrer freuen sich Lehrer freuen sich, Eltern kennen zu lernen. Lehrer sind wütend/zornig oder mißtrauisch Lehrer fühlen sich bedroht, in ihrer Zuständigkeit in Frage gestellt, oder sind hilflos oder von den Kindern in Frage gestellt. Wieso muss ich mich mit scheinbar nicht-pädagogischen Dingen beschäftigen? Das interessiert mich nicht, ich habe keine Zeit, bin sowieso schon überlastet und gestresst. Lehrer fühlen sich gezwungen, das Gespräch zu führen; sie sind widerspenstig, reaktant. Sie führen dann das Gespräch aus bloßem Pflichtbewußtsein, aus schlechtem Gewissen, weil Lehrer dies eben tun müssen, oder aus dem Druck/ der Angst heraus, dass andere, mächtigere Systeme aktiviert werden (Direktor, Inspektor, Jugendamt, Pflegschaftsgericht usw.) Lehrer sind wütend auf den störenden Schüler, weil sie ihn/sie voll verantwortlich/schuldig sprechen für das, was gerade abläuft. Wieso kann der kleine Trottel nicht braver sein? Wieso tut das Kind mir das an? Wieso habe ich keinen ruhigeren Arbeitsplatz? Lehrer wähnen sich im Recht, halten die Eltern für unfähig und wollen es denen zeigen. Lehrer ist alles wurscht und sie sind angefressen, dass sie das Gespräch dennoch führen (müssen). 27 (D) Normalisieren und Pathologisieren, und „Placeboeffekte“ Diagnostizieren beinhaltet auch Gefahren. So kann es zu einer Etikettierung (Etiketten neigen dazu, hängenzubleiben, zu kleben, man wird sie nicht mehr los nach dem Motto "Einmal Verbrecher, immer Verbrecher") und Stigmatisierung führen (soziokulturelle und gesellschaftliche Entwertung des diagnostizierten Menschen) sowie selbsterfülllende Prophezeihungen einleiten. Letzteres sei am Beispiel "Geistige Behinderung" erläutert. Diagnostische Kategorien werden allzu oft als Aussage über das allgemeine Verhalten und Potential eines Menschen gesehen, also als über Zeit und Situationen hinweg stabile, innere und wenig veränderbare Eigenschaften und Fähigkeiten. Dies kann dazu führen, dass ein Mensch mit bestimmten Vorurteilen versehen wird ("das kann er bestimmt nicht lernen"). Auch werden dementsprechende Anforderungen an ihn gestellt ("dieses Kind ist behindert und darf immer spielen wenn wir mit den anderen das große Einmaleins üben"). Nach einer bestimmten Zeit kann dieser Mensch tatsächlich einiges nicht (mehr) und glaubt möglicherweise auch selbst, so zu sein, wie er von Außen beschrieben und behandelt wird (in unserem Beispiel "behindert", mit Lerndefiziten behaftet, und daher z.B. weniger wert usw.). - Andererseits zeigt die therapeutische Erfahrung und die Literatur, dass das sog. "Normalisieren" (also einem Menschen zu sagen, dass das, was er als krank und abnormal an sich empfindet, normal sei), sehr entlastend wirken und Hoffnung auf Veränderung machen kann. Entlastung und Hoffnung auf positive Veränderung sind zwei sehr wesentlich unspezifische Wirkfaktoren von psychosozialer Hilfe. Normalisieren als Intervention sehen: Kundenorientierung, heißt, Normalisieren oder Pathologisieren/Diagnostizieren kann nützlich sein, im Einzelfall entscheiden; grundsätzlich zunächst normalisieren und schauen, welche Reaktion kommt (alle sagen immer, ich sei normal, aber ich fühle mich nicht so und ich fühle mich nicht ernst genommen wenn alle das immer sagen usw.) Diagnosen können also entlasten und belasten und man sollte bei ihrer Verwendung in der Kommunikation mit den Betroffenen sehr vorsichtig und flexibel umgehen. Diagnostizieren soll nicht die Suche nach Lösungen behindern, sondern sie unterstützen. 28 Gesprächsführung Metakommunikation I: Grundhaltungen (v.a. Beziehungs- und Selbstoffenbarungsebene) Nützliche Haltungen/Vorgangsweisen Rollenklärung. Lehrer & Moderator & Gesprächsführer & Mensch; Helfender (nicht Richter, Beweissammler, Strafender …) Ziele/Prinzipien, ethische Normen gegeneinander abwägen (Kindeswohl, Schuleswohl, mein Wohl, Gruppen- = Klassenwohl usw.) Gleichberechtigung Grundprinzip ist, dass verschiedene Fachleute ihr Wissen und Erfahrung zusammentragen, mit dem Ziel, eine für das Kind optimale Lösung zu entwickeln. Eltern sind Fachleute für das Kind als Ganzes, zu Hause, in der Freizeit, mit Freunden in den Ferien, für seine Lebensgeschichte und familiären und kulturellen Rahmen usw.; Lehrer sind schulpädagogische Fachleute, die das Kind in der Schule, Klasse, bei seinen schulischen Leistungen usw. kennen und einen guten Vergleich mit vielen Gleichaltrigen haben. Differenzierte Kundenorientierung Lösungssorientierung (weniger Problemorientierung) Orientierung an der Lebenswelt des Gegenüber Orientierung an Ressourcen, Können und Ausnahmen (weniger an Defiziten) = Wertschätzung, Lob, Anerkennung Gelassenheit. Entwickeln Sie Frustrationstoleranz gegenüber mehrdeutigen Situationen. Nehmen sie sich Zeit, wirken sie keinesfalls unter Zeitdruck. Legen sie dennoch zu Anfang den Zeitrahmen fest und machen sie ihn öffentlich. Verständnis, Interesse. Jeder Fall ist einmalig, neu und anders. Transparenz, Offenheit. Handeln Sie im Mitwissen und Einverständnis der Betroffenen. Stellen Sie ein Gesprächsklima her, das Kooperation, Vertrauen und Mitwissen in den Vordergrund stellt (nicht Kampf, Konkurrenz). Freundlichkeit, Respekt, Kritikfähigkeit Bemühen um Objektivität, Suche nach Verständigung, nicht nach Deutung/Interpretation 29 Wenig nützliche oder Fehlhaltungen (Mitschka 2002, S. 26) Moralisieren, Kritisieren, Vorwürfe machen. Direkt oder indirekt bewerten (meistens abwerten aus der Sicht der eigenen Wertvorstellungen). „Diagnostizieren“. Fachterminologie (defizitorientiert, unverständlich, pathologisierend) in übermäßigem Ausmaß anwenden; mitschwingt dabei oft die Demonstration eigener Überlegenheit (verbaler „Gescheitheit“) oder Besserwisserei. Generalisieren, Abstrahieren. Theoretisieren. Situationsunabhängige Statements, die verallgemeinernd sind; Einzelerfahrungen oder situationsabhängige Zusammenhänge werden ignoriert. Mit logischen Argumeten überfallen. Bagatellisieren. Die persönliche und subjektive Sichtweise und Gefühlswelt des Gegnüber wird nicht ernst genommen, verkleinert, verniedlicht. Egozentrieren. Zu viel von sich reden oder die eigenen Erfahrungen, Verhaltensweisen, Gefühle als Norm darstellen. Interpretieren. Etwas aus den Mitteilungen oder dem Verhalten des Gegenüber herausholen oder hineinlegen, wofür es nur wenige Hinweise, Beweise oder Veranlassung gibt. Ausfragen. Zu viele lineare (was hat wer wann wie getan) oder strategische und suggestive (könnte nicht Folgendes ..) Fragen stellen, schlimmstenfalls mit übertriebener Neugierde gepaart (aufdringlich, intime Fragen usw.). Besser: Offene (Wie meinen sie das? Erzählen sie mir mehr von ..) oder zirkuläre (Was würde ihr Mann dazu sagen?) Fragen stellen. Sich in Details verlieren. Belehren/Predigen. Von oben herab reden, etwas als unumstößlich hinstellen. Ratschläge erteilen. Zu schnell und zu viel Lösungen anbieten und dabei Grenzen und Möglichkeiten des anderen übergehen. Rationalisieren. Theoretische Debatten, Überlegungen und Begründungen vorziehen und (so) von persönlichen, eigenen oder anderen subjektiven (gefühlsmäßigen u.a.) Zusammenhängen ablenken. Ignorieren, Ablenken, Ausweichen. Bestimmte Gesprächsinhalte übergehen, überhören (obwohl sie wiederholt da waren). Warnen, Anordnen, Fordern, Ermahnen, Drohen Killerphrasen: „Da könnte ein jeder kommen.“, „Man kann nicht ..“, „Das haben wir immer (nie) so gemacht!“, „Das kommt nicht in Frage!“, „Man muss doch bloß ..“, „Das ist lächerlich.“ 30 Metakommunikation II: Strategien im Gespräch Joining und Humor Ein zentrale Ressource beim Joining und bei „schweren“ Gesprächen überhaupt ist der Humor. Fehlermanagement - Umgang mit Kritik (u.a. nach Sachse 2003, Histrionische und narzisstische Persönlichkeitsstörungen, Hogrefe, Göttingen, S. 121-136) Mit Fehlermanagement ist gemeint, dass man passierte Fehler, die man erkannt hat, oder die man auch erst während dem Gespräch erkennt, als Verbesserungspotentiale betrachten sollte. Konfuzius meint, einen Fehler begehen sei nicht das eigentliche Problem, sondern nichts daruas lernen, das sei der eigentliche Fehler. Hier sind nicht nur persönliche Fehler wie eine falsch verbesserte Prüfungsarbeit, sondern auch Fehler im System wie das Einschalten des Jugendamtes hinter dem Rücken der betroffenen Familie, gemeint. Anders gesagt: man muss mitunter auch Fehler anderer, zu dessen System man aus der Sicht des Gesprächspartner gerechnet wird, auf die eigene Kappe nehmen und sich eventuelle für andere oder das System entschuldigen. Konkret heißt das, dass man fehlerfreundlich sein sollte, den Fehler anerkennen und klar und deutlich benennen und beschreiben sollte. Sehr günstig ist es auch, nicht abzuwarten bis der Gesprächspartner vielleicht von selbst drauf kommt – oder eben zu hoffen dass er/sie es nicht anspricht oder nicht bemerkt – sondern „offensiv“ selbst davon zu reden. Deutliches, konkretes, direktes Ansprechen und Beschreiben sowie eine Entschuldigung für den Fehler wirken oft Wunder. Entschuldigungen werden quasi immer angenommen. Durch diese Vorgangsweise wird nicht nur ein (potentielles) Hindernis aus dem Gespräch geräumt, sondern überdies zeigt man sich fehlbar, dass man schwierigen Gesprächslagen gewachsen ist, und dass man sich entschuldigen und lernen kann. Wichtig dabei als Haltung im Gespräch ist es, als ganze Person zur Verfügung zu stehen (als Mensch greifbar zu sein) und weder in der Rolle des Lehrers oder des Moderators o.ä. zu bleiben. Diese Haltung ist ebenso wichtig bei einer anderen schwierigen Gesprächssituation, nämlich dem Umgang mit Kritik. In Gesprächssituationen, wo Kritik gegen einen selbst geäußert wird, sollte man Ruhe bewahren und darauf abzielen, das Gesagte professionell und möglichst nicht persönlich zu 31 nehmen, auch wenn es so gemeint ist. Gegenvorwürfe, Verteidigungen sind wenig nützlich. Rechtfertigungen oder Darstellungen der eigenen Position (Stellungnahmen) sind erst dann hilfreich und werden erst dann vom Kritiker gehört, wenn die Kritik zuerst gehört wurde. Primäres Ziel ist es, das Gespräch wieder dorthin zu leiten, wofür es gedacht war. Üblicherweise nutzt es also nichts, so zu tun, als habe man die Kritik überhört, sie „auszusitzen“. Sie kehrt dann meistens Minuten später in ähnlichem oder ganz anderem Gewande wieder. Vielmehr ist Kritik als eine Krise im Gespräch zu verstehen, die unbedingt für alle Parteien zufriedenstellend gelöst werden muß, bevor man mit dem eigentlichen Gespräch weitermachen kann. Krisen in Gesprächen haben immer Priorität vor allen anderen Zielen. Hilfreich ist hier zunächst das Standhalten, Anerkennen der Krise im Gespräch und die Bitte, die kritischen Umstände genauer zu beschreiben. Besonders kritisch für den Kritisierten ist das oben angesprochen Dilemma mit der Professionalität. In der Kritik ist der Lehrer quasi immer als Person und ad personam angesprochen. Einerseits heißt das, dass er auch nicht als Person zurückweichen darf, sondern zeigen muss, dass er/sie der Situation gewachsen ist. Andererseits erfordert die Grundposition Lehrer-Moderator-Gesprächsleiter, dass der Lehrer die Kritik nicht ganz persönlich nehmen darf, sondern im Sinne eines professioneller Gesprächsführung reagieren muss. Sehr hilfreich ist es, die Kritik aufzugreifen und zu wiederholen und dabei einfliessen zu lassen, dass es sich um die subjektive Sicht des Kritikers handelt: „Sie fühlen sich ungerecht behandelt“, „Sie haben den Eindruck, dass ich ..“, Es erscheint ihnen als ob wir Lehrer ..“. Offenes, schnelles, ehrliches, Ansprechen der „kritischen“ Situation lässt sie oft ebenso schnell deeskalieren; ausweichendes, unpersönliches Drumherumreden lässt sie oft eskalieren. Man sollte also zusammenfassend versuchen, die Krise im Gespräch zunächst zu markieren, d.h. als solche erkennbar zu machen und ihr Priorität geben, dann eine Klärung, d.h. eine nähere Beschreibung versuchen, schließlich und dann erst eine eigene Stellungnahme dazu abgeben, und schlußendlich, nachdem man die Erlaubnis des Gegenüber erfragt hat, zum eigentlichen Gespräch zurückkehren. Das Überwinden einer Krise im Gespräch festigt noch einmal die Gesprächsbasis. (De)Eskalationsrichtlinie für die gesamte Kommunikation und Teile davon (einzelne Gespräche) Eine ganz entscheidende Perspektive ist jene, dass das eigene Handlen stets daraufhin 32 eingeschätzt werden sollte, wie sehr es neue Situationen schafft, die die Betroffenen unter psychischen oder sozialen Druck setzen. Als Faustregel kann man sich merken, dass eigenes Handeln so sein sollte, dass es den Druck bei allen Beteiligten möglichst reduzieren, oder, wenn nicht anders möglich, in möglichst kleinen Schritten erhöhen sollte. Richtlinie: Deeskalieren Sie Konflikte wenn möglich. Wenn nötig, eskalieren Sie Konflikte, aber dann in möglichst kleinen Schritten. Das Äußerste kommt später. Metakommunikation III: Sprechen und Zuhören, Pausen Sprechen Ordnen Sie ihre Gedanken bevor sie sprechen. Genehmigen sie sich notfalls eine Pause, sogar draußen am Gang. Das Gehörte verstehend zusammenfassen, bevor man den eigenen Standpunkt erläutert. „Ihrer Meinung nach ..“, „Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann meinen Sie ..“ „Sie haben das Gefühl ..“, „Sie denken/wollen dass ..“ Das Gehörte konkretisieren: „Das bedeutet also konkret, dass ..“, „Ich würde gerne dieen Punkt besser verstehen ..“ Drücken sie sich genau (prägnant), einfach, kurz und konkret aus – machen sie kurze Sätze, lassen sie irrelevante Details weg (Negativbeispiele sind die meisten Politiker bei öffentlichen Aussagen). Bringen nicht zu viel in einer Aussage unter. Entwickeln sie einen für den Gesprächspartner sichtbaren roten Faden für das Gespräch und für die einzelnen Teile davon (Die Logik der Argumentation muss stimmen). Bereiten sie sich den roten Faden und die einzelnen Argumentationen vor dem Gespräch auf Papier vor und nehmen sie ihren Zettel mit ins Gespräch. Beachten sie die Auffassungskapazität ihres Gegenüber. Antworten sie direkt und möglichst bald auf die Beiträge ihrer Gesprächspartners. Falls sie sich inzwischen etwas anderes überlegt haben, stellen sie dies hinten an, notieren sie es notfalls, aber bringen sie es nicht deswegen ein, weil sie es gut finden oder den Faden dorthin biegen wollen. Reversible Sprache: „Meine Meinung dazu ist … was denken sie?“ „Ich weiß nicht, ob Sie das so wie ich sehen.“ „Bitte sagen Sie ruhig Ihre Ansicht dazu; dazu sind wir ja da, um zu verstehn ..“ „Ich“ anstelle von „man/frau“ 33 Zuhören Hören sie mit ungeteilter Aufmerksamkeit und mit Interesse/Neugierde zu. Denken sie nicht an eigene beabsichtigte Beiträge während der andere spricht. Das kommt erst in den Gesprächspausen dran. Wenn sie zu viel eigene Beiträge planen, während der andere spricht, wirken sie dann desorientiert oder egozentriert wenn sie drankommen. Versuchen sie, die wichtigen und wesentlichen Elemente dessen, was der Gesprächspartner bringt, zu erfassen - den Gesamtsinn der Mitteilung - und darauf einzugehen. Lassen sie die Details Details sein. Denken sie auch die ihnen als Wiederholung vorkommenden Teile der Mitteilung nicht selbst zu Ende und lassen sie den anderen stets ausreden. Führen sie nicht die Gedanken des anderen für diesen zu Ende. Akzeptieren sie Unsicherheiten und zaghafte Aussagen. Eine Ausnahme ist, wenn der Gesprächspartner schwafelt und sie im Gespräch so wertvolle Zeit verlieren; das sollte aber wirklich eine Ausnahme sein. Versuchen sie, die Gedankengänge und das Weltbild ihres Gesprächspartner zu verstehen. Vermeiden sie, dessen Argumentationen oder Ideen, die für sie neu sind, in ihr eigenes Weltbild zu integrieren (pressen). Aktives Zuhören. Aufnehmendes Zuhören („Aha! So!? Erzählen Sie mir mehr darüber. Das finde ich sehr interessant.). Umschreibendes Zuhören, Spiegeln, mit eigenen Worten wiedergeben (Sie meinen dass,..Es geht Ihnen um ..). Mitfühlendes Zuhören, in Worte fassen was möglicherweise mitschwingt (Das scheint Ihnen besonders Sogen zu machen). 34 Gesprächspausen Pausen gehören zum Gespräch. Sie können verschiedenes bedeuten, und mitunter ist es günstig, die Beduetung im sinne von aktivem Zuhören anzusprechen. Pausen können bedeuten „Sie sind dran“, meistens begelitet von Blickkontakt oder kurzem Kopfnicken oder einer fragenden Aufforderung an den anderen. „Ich denke nach“, meistens begleitet von Blicken in die Ferne, am Gesprächspartner vorbei. Der Redner braucht die Denkpause und hofft, dass das Gegenüber sie auch gewährt und abwartet auf das, was folgt. „Das ist mir peinlich“, meistens von gesemktem Kopf/Blick begleitet. Die Situation/Erzählung ist dem Redner unangenehm, er schämt sich oder hat Schuldgefühle. Hier aknn es besonders wichtig sein, zu sagen, dass man diese Pause versteht: „as ist Ihnene jetzt peinlich“. „Lass uns schweigen“, meistens mit Blick in die Ferne oder mit starkem Blickkontakt assoziiert, weil oft der Redner das Gesagt unterstreichen oder nachklingen lassen will. Das Bitten um oder Einfordern einer Pause kann schwierige Gesprächssituationen deutlich entschärfen (s. oben das über Umgang mit Kritik Gesagte), da es die Wichtikeit einer Gesprächsteiles deutlich herausstreicht. Formulierungen wie „Lassen Sie mich kurz nachdenken“ oder „Ich brauche eine Pause zum Nachdenken“ oder „Ich will das für mich ordnen“ sind hilfreich. Auch das Verlassen des Raumes ist möglich. Pausen können für beide unagenehm sein und auch bedeuten, dass ein Tabu- oder unangenehmes Thema ansteht, oder bloß dass alle müde sind und eine Erholungspause brauchen. Das gilt es natürlich auch zu klären. 35 Selbsterfahrung III: Aktives Zuhören und Trittbretter 4 Gruppen à 3 Personen. Die Übung besteht für jede Gruppe darin, mindestens ein, besser zwei Lehrer-ElternGespräche zu führen. Dabei ist jeweils ein Teilnehmer Beobachter, einer in der Lehrer- und einer in der Elternrolle. Ein kurzes Drehbuch steht zur Verfügung; es muss aber keineswegs befolgt werden, d.h. es können auch eigene Fälle geprobt werden. Insgesamt stehen 75 min zur Verfügung; jedes Gespräch soll etwa 15-20 min dauern; dann soll es zu einem 15minütigen feedback-Runde kommen, bei der der Beobachter rückmeldet und die zwei „Rollen“ erzählen, wie es ihnen gegangen ist. Drehbuch MUTTER (M) KOMMT, UM SICH BEI DER LEHRERIN (L) NACH DEM SCHULISCHEN FORTKOMMEN IHRES 9JÄHRIGEN SOHNES TOM ZU ERKUNDIGEN. M HAT UM DEN TERMIN GEBETEN, WEIL SIE ZUNEHMEND UNSICHER WURDE BEZÜGLICH TOMS LEISTUNG (ABNEHMEND SEIT EINIGER ZEIT) IN DER SCHULE. AUCH L HAT SCHON ÖFTERS AN EINE „VORLADUNG“ GEDACHT (BENEHMEN ZUNEHMEND AUFFÄLLIG, LEISTUNG ABFALLEND), ABER DEN ANRUF BEI DER FAMILIE IMMER WIEDER VERSCHOBEN. NUN IST IHR M ZUVORGEKOMMEN. LETZTE W OCHE WAR TOM BESONDERS AUFFÄLLIG, SOWOHL LEISTUNGS- WIE BENEHMENSMÄßIG; ER HAT W UT- UND W EINANFÄLLE, SOBALD NEUES AUF IHN ZUKOMMT. DAFÜR WIRD ER VON DEN ANDEREN GEHÄNSELT – ALS HEULSUSE UND FEIGLING. L IST NICHT SICHER, OB M DAVON WEIß. ROLLENVORSCHRIFT L: ETWAS GENERVT, GEHETZT, ÜBERMÄßIG LÖSUNGSORIENTIERT ROLLENVORSCHRIFT M: UNSICHER-ÄNGSTLICH, TOM IN SCHUTZ NEHMEND, KLAGEND (DASSELBE DREHBUCH KANN MIT ANDEREN ROLLENVORSCHRIFTEN NOCH EINMAL GESPIELT WERDEN!) Anweisung auf Metaebene. Der Lehrer hat die Aufgabe, ein zielorientiertes Gespräch zu führen und alle Bereiche „Joining“, „gemeinsame Diagnose“, „Lösungsvorschläge“, „Hilfeplan“ und Kooperation/nächste Schritte“ s. Abbildung S. 3) abzudecken. L darf sich 5 min vorbereiten. Der Elter nimmt die vom Drehbuch vorgesehene Rolle ein; keine Vorbereitung. Der Beobachter versucht darauf zu achten, wie „gut“ der Lehrer das Gespräch führt, wo er sogenannte Trittbretter – Gelegenheiten, die der Elter in seinen Aussagen geboten hat, um die Ziele des Gespräches aus Sicht des Lehrers zu erreichen – gesehen und genutzt hat, und wo er Trittbretter übersehen und nicht genutzt hat. Die Rückmeldungen des Beobachters sollen/müssen wertschätzend, am Können der Redner orientiert (an dem, was sie gut gemacht haben), echt, konkret und anschaulich formuliert sein. 36 Selbsterfahrung IV: Der Ton macht die Musik – Kleines Theater Ziel: Aufzeigen, wie Einstellungen und Haltungen in einem Gespräch dieses verändern. Setting Großgruppe, Gesamtdauer 45 min. Zwei Durchgänge à ca. 10 min, bei dem jeweils drei Personen auf der Bühne als Elter, Lehrer und „Kommuniaktionssupervisor“ sind. Alle anderen sind Zuschauer/Beobachter. Ablauf Elter und Lehrer führen ein Gespräch, z.B. nach dem Drehbuch aus Übung II (s.u. für ein weiteres Drehbuch), wobei der Lehrer immer auch der Moderator ist. Der Supervisor hat einige (10?) Kartone mit jeweils einem Wort darauf zur Verfügung. Dieses Wort beschreibt Einstellungen/Haltungen in einem Gespräch; die eine Hälfte soll positiv (freundlich, bemüht, zuhörend/aufmerksam, ressourcenorientiert, ..) und die andere Hälfte negativ sein (vorwurfsvoll, verärgert, uninteressiert, defizitorientiert, unterbrechend, unsicher …). Der Supervisor steht in Durchgang 1 hinter dem Lehrer und zeigt in beliebiger Reihenfolge dem Elter seine Kartone so, dass der Lehrer sie nicht sieht. Der Elter muss den Anweisungen auf dem Karton folgen. Der Supervisor kann seine Kartone beliebig einsetzen; die Rehenfolge ist ihm/ihr überlassen. In Durchgang 2 steht de Supervisor hinter dem elter und zeigt dem Lehrer die Kartone; dieser befolgt jetzt die Anweisungen darauf. Nach den Aufführungen Austausch in der Großgruppe. Vorbereitung (a) Mögliche Einstellungen/Haltungen sammeln (s. z.B. Übung 1 „Widerstand und Kooperationsbereitschaft“). Kartone vorbereiten. (b) Rollenverteilung. Supervisor bekommt von Zuschauern seine Kartons. Durchgang 1. (c) Neue Rollenverteilung. Supervisor bekommt Kartons. Durchgang 2. (d) Diskussion in Großgruppe. Drehbuch. EIN 10JÄHRIGES MÄDCHEN TRAUT SICH IN DER SCHULE NIE ETWAS ZU SAGEN., SONDERN SITZT IMMER STUMM AUF SEINEM PLATZ. DIE LEHRERIN DENKT: AN MIR KANN DAS NICHT LIEGEN, DENN ICH BIN IMMER FREUNDLICH ZU DEN KINDERN. W AHRSCHEINLICH HABEN IHR DIE ELTERN ZU HAUSE ANGST GEMACHT. DIE ELTERN DENKEN: ZU HAUSE IST PIA ÜBERHAUPT NICHT SCHÜCHTERN, SONDERN NUR IN DER SCHULE. ALO MUSS DIE LEHRERIN IHR ANGST MACHEN. POTENTIELLE AUSWEGE: UNTER WELCHEN BEDINGUNGEN TRAUT SICH PIA ZU SPRECHEN? W ANN NICHT? W IE KÖNNEN ELTERN UND LEHRERIN IHR HELFEN, IHRE STÄRKEN (AN) ZU ERKENNEN UND IHR SELBSTVERTRAUEN ZU ERHÖHEN? 37 Selbsterfahrung V: Gesprächsvorbereitung in konkreten Fällen Ziel Vorbereitung eines realen Lehrer-Eltern-Gespräches anhand von eigenen, konkreten Beispielen. Üben der Vorbereitung in der Großgruppe, wobei der Seminarleiter einen Elternteil nach Anweisung des Teams spielt. Setting Zwei Gruppen à 6 TeilnehmerInnen. 1 TelnehmerIn präsentiert ihren eigenen Fall und wird vom Team der 5 anderen auf ein Gespräch vorbereitet, wobei das Schema der Abbildung von Seite 3 des Skriptums sowie zum Bereich Wissen v.a. das Handbuch von Trapmann & Rotthaus genutzt werden soll. Der Gruppenarbeit stehen 70 min zur Verfügung; in der Großgruppe stehen für beide Übungsgespräche und Feedback zusammen 50 min zur Verfügung. Ablauf (70 min) Der Fall wird präsentiert (10 min). Das Team bereitet die Lehrerin/den Lehrer auf das Gespräch vor in den Kategorien a) Selbstreflexion (Wie geht es mir mit dem Fall?) b) Falldiagnose - Hypothesen zu den Ursachen - Wissen (Was liegt vor? Was sagt das Lehrbuch dazu? Eventuell Hilfsmittel Lehrerfragebogen nutzen, s. Anhang) c) Eigene Lösung(en) – Hilfeplan (Wie stelle ich mir Veränderung/Hilfe vor?) d) Vernetzung – Ressourcen (Weiss ich, wer/was noch helfen könnte?) e) Hypothesen zu dem zu erwartenden Gesprächshintergrund (Wie werden die Eltern sein? Wer will was von wem? Was nicht?) f) Ziel(e) des Gespräches – Wo, wann wird es sein? (Was will ich erreichen – mindestens, optimalerweise) 38 Literatur Frick J (2001) Die Droge Verwöhnung. Huber, Bern Gordon T (1977) Lehrer-Schüler-Konferenz. Wie man Konflikte in der Schule löst. Heyne, München Kret E (1997) Verhaltensauffällig – Was tun? Arbeitshandbuch für Schule und Familie. Veritas, Wien Mitschka R (2001) Sich auseinandersetzen – Miteinander reden. Ein Lern- und Übungsbuch zur professionellen Gesprächsführung. Veritas, Wien Schmitt A, Rehm E (2002) Hyperaktive, unaufmerksame und oppositionell-trotzige Kinder/Jugendliche. Von Zappelphillipen und Traumliesen, Struwwelpetern und Trotzköpfen. Psynfo2, Infomaterial Eigendruck, Wien Schulz von Thun F (1981, 1989, 1990) Miteinander reden 1, 2 ,3. Rowohlt, Reinbeck bei Hamburg Schwäbisch & Siems (1974) Anleitung zum sozialen Lernen für Paare, Gruppen und Erzieher. Rowohlt, Reinbeck bei Hamburg Trapmann H & W Rotthaus (2003, 10. Aufl.) Auffälliges Verhalten im Kindesalter. Handbuch für Eltern und Erzieher. Modernes Lernen, Dortmund Materialien Abbildung und Arbeitsblatt „Kommunikation“mit Auswerteschema: Vier Ebenen sind nahezu immer in kommunikative Prozesse eingebaut: Fakten, Beziehung, Appell und Selbstdarstellung (Einschätzung des eigenen Stiles) Arbeitsblatt „Partnerorientiertes Gespräch“ mit Auswerteschema (Einschätzung des eigenen Kommunikationsverhaltens) Arbeitsblatt „Gespräch“ mit Auswerteschema (Selbstreflexion darüber, was ich mir optimalerweise von einem Gespräch/Gesprächspartner wünsche oder was ich bei einem schwierigen Gespräch befürchte) Lehrerfragenbogen zum Verhalten von Kindern/Jugendlichen (TRF) (Einschätzung des schwierigen, auffälligen Schülers) Elternfragebogen zum Verhalten von Kindern/Jugendlichen (CBCL) 39 Arbeitsblatt „Kommunikation“ (Einschätzung des eigenen Stiles) Sachebene/Fakten FA KT EN Selbstdarstellung Selbstoffenbarung Worüber informiert, redet er/sie? Welche Theorien, Ursachen werden dargestellt? Was folgt daraus? Was sagt sie/er über sich selbst? Wie geht es ihr/ihm? Empfänger müssen vier Ebenen "verstehen". "Verstehen" ist Interpretation und Konstruktion. Beziehung Appell Was hält sie/er von mir? Wie redet er/sie mit mir? Wer bin ich aus der Sicht? Welche Beziehung haben wir? Waswill sie/er bewirken? Was wird erwartet? Was will sie/er von mir? Was soll ich denken, tun, fühlen? Beispiel: „Für ein Gespräch ist das Ohr wichtiger als die Zunge“ (Thornton Wilder) Ein einem lauen Sommerabend sitzt ein älteres Lehrerehepaar vor dem Fernseher. Er steht auf, geht in die Küche, öffnet den Kühlschrank, knallt ihn wieder zu und sagt: „Da gibt’s kein Cola (Bier?) mehr!“ Wenn sie mit dem Sachohr (als auf die faktische Information im Text) gehört hat, dann antwortet sie: „Danke für die Information, Schatz. Das habe ich nicht gewußt!“ Wenn sie mit dem Appellohr (also auf die potentielle Aufforderung) gehört hat, dann rennt gleich zur Tankstelle oder ins Wirtshaus und organisiert das Getränk. Wenn sie mit dem Beziehungsohr (also auf die potentiellen Vorwürfe) gehört hat, dann verteidigt sie sich z.B. damit, dass sie auch arbeitet, die Kinder aus dem Kindergarten abholen musste, das gleiche Recht auf Erholung und Versorgtwerden wie er hat usw., und bleibt angefressen sitzen. Wenn sie mit dem Selbstdarstellungs-/offenbarungsohr (also auf die Gefühls- und Seelenlage ihres Mannes) gehört hat, dann sagt sie: „Schatz, gell, du ärgerst dich, du bist durstig und dir gelüstet nach Bier und du kannst jetzt keins trinken.“ Auflösung/Zuordnung zum Arbeitsblatt: Wie oft haben Sie welche Antworten gegeben? a) ................. Selbstdarstellung/-offenbarung b) ................. Bezug zur Beziehung c) .................. Sachebene – Austausch von Fakten d) ................. Appellcharakter Wenn ich z.B. am meisten (d)-Antworten gegeben habe, neige ich dazu, die Appelle in diesen Gesprächen mehr wahrzunehmen. 40 Arbeitsblatt „Partnerorientiertes Gespräch“ (Einschätzung des eigenen Kommunikationsverhaltens) Auswertung des Arbeitsblattes. Tragen Sie die Nummer Ihrer Antwort zu jedem der Gesprächsausschnitte in die Tabelle ein, in dem sie das dazugehörende Kästchen schraffieren. Addieren Sie für jede Zeile A bis F die Anzahl der schraffierten Kästchen. Anzahl Fall 1 Fall2 Fall 3 Fall 4 Fall 5 Fall 6 Fall 7 Fall 8 Fall 9 2 4 6 1 3 5 1 3 5 4 6 2 5 1 6 3 4 2 6 5 1 3 2 4 3 2 1 4 5 6 3 4 5 6 2 1 6 2 5 1 4 3 2 6 4 5 1 3 5 1 3 6 2 4 AntwortFall 10 schraffierter tendenz Kästchen 3 4 6 1 5 2 A B C D E F Jetzt sehen sie, welches Antworttendenz (A bis F) bei Ihnen dominiert. Von stark dominierender Tendenz spricht man, wenn sie mindestens 5 Kästchen in einer Zeile schraffiert haben, von dominierender Tendenz bei 3-4 Kästchen. Sollten Sie 9 oder 10 Kästchen einer Zeile schraffiert haben, dann spricht man von einer systematischen Haltung in Gesprächen; dies deutet auch an, dass Sie wenig flexibel in der Gesprächsführung sind. Die verschiedenen Antworttendenzen sind unten zusammenfassend beschrieben. A Ihre Antworten sind wertend, d.h. Sie implizieren einen moralischen Standpunkt und fällen ein ablehnendes oder zustimmendes Urteil über Ihren Gesprächspartner. B Ihre Antworten sind Interpretationen. Sie verstehen, was Sie verstehen wollen. Sie betonen, was Ihnen wichtig erscheint und Ihr Verstand sucht nach einer Erklärung. Sie verzerren die Aussage des Gesprächspartners und verfremden seinen Gedankengang. C Ihre Antworten haben tröstenden Charakter und zielen auf eine Ermutigung, Beruhigung und Kompensation ab. Sie empfinden Mitleid und glauben, dass man die Sache nicht noch stärker dramatisieren sollte. D Ihre Antworten sind forschend. Sie bemühen sich, mehr zu erfahren und lenken das Gespräch in die Richtung, die Ihnen wichtig scheint, verdächtigen dabei aber möglicherwiese den Gesprächspartner, das Wichtigste zu verschweigen oder Zeit zu verschwenden. E Sie neigen dazu, in Ihren Antworten eine schnelle Lösung des Problems zu geben. Sie reagieren durch Handeln und drängen zur Tat. Sie finden schnell die Lösung, die Sie geben würden und warten wenig ab, bis Sie mehr erfahren haben. F Ihre Antworten zeigen Verständnis und spiegeln Ihre Bemühung wider, sich in die Problemlage des Anderen zu versetzen. Sie wollen v.a. sicher gehen, das Gesagte richtig verstanden zu haben. Diese vorurteilsfreie Haltung ermutigt den Gesprächspartner und stimuliert zu weiterer Nachforschung. 41 Arbeitsblatt „Wünsche & Befürchtungen angesichts eines Gespräches“ (Selbstreflexion darüber, was ich mir optimalerweise von einem Gespräch/Gesprächspartner wünsche oder was ich bei einem schwierigen Gespräch befürchte) Nehmen wir an, Sie haben eine Sorge oder ein Problem und möchten gerne mit jemanden darüber reden. Welche Eigenschaften wünschen Sie sich von Ihrem/Ihrer Gesprächspartner/in? (Besipiele: zugewandt, aufmerksam, freundlich, …) Welche Eigenschaften und Verhaltensweisen vom Gesprächspartner würden Sie stören? (Beispiele: unsensibel, zynisch, abwertend …) Was könnte Sie veranlassen, das Gespräch abzubrechen? (Beispiele: ungeduldig, wenn er/sie starke Gefühle nicht aushält, unsympathisch …) Was erleben Sie, wie fühlen Sie sich, wenn Sie mit einer relativ fremden Person ein zielorientiertes Gespräch führen (müssen), von dem Sie vermuten oder sicher sind, dass es schwierig/anstrengend u.ä. sein wird? (Beispiele: Anspannung, Angst, Ratlosigkeit …) 42