Hessischer Rundfunk Hörfunk – Bildungsprogramm Redaktion: Karl-Heinz Wellmann WISSENSWERT Kein Durchbruch: Fälschungen der Klonforschung in Korea Von Karl-Heinz Wellmann unter Mitarbeit von Martin Fritz und Kathrin Fischer Sendung: 16.01.2006, 8:30 bis 8:45 Uhr, hr2 06-005 COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/ der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks. Autor Betrügereien gibt es überall. Da wurde zum Beispiel in Paris ein deutscher Staatssekretär festgesetzt, weil er unrechtmäßig Geld angenommen haben soll. Andernorts hat ein angeblicher Priester wochenlang seinen Dienst verrichtet, obwohl der Mann keinerlei kirchliche Befugnisse hatte. Ähnliche Berichte gibt es hin und wieder über falsche Ärzte, und das Genre des Heiratsschwindlers ist seit Jahrzehnten gut für Spielfilme und fürs Bauerntheater. Warum also sollten ausgerechnet Forscher frei sein vom Gedanken, dass ein bisschen Hochstapelei der Karriere förderlich sein könnte. Dass sie es nicht sind, dass auch einige deutsche Forscher durch Betrug ihrer Karriere nachgeholfen haben, zeigen diese Beispiele. (40) khw Fälschungen Ton 1 dt. Fälle 4' Autor [Man könnte noch den Bonner Chemiker erwähnen, dem vor 2 Jahren der damals 10 Jahre alte Doktortitel wegen Fälschung der Experimente aberkannt wurde, oder den Neuropathologen vom Max Planck-Institut für Psychiatrie, der 1996 zugab, jahrelang u.a. Daten zur Alzheimer-Forschung frei erfunden zu haben.] // Schlimm an solchen Fälschungen ist nicht nur, dass Steuergelder von diesen Forschern nutzlos verbraucht werden, dass sie den seriösen Forschern dann fehlen, sondern vor allem auch, dass Dutzende andere Forscher auf falsche Wege gelotst werden: Was im einen Labor klappt, versuchen drei andere nachzuvollziehen, sie scheitern daran – aber ob das Scheitern an der Unmöglichkeit liegt, ein Experiment zu wiederholen, weil es in Wirklichkeit noch nie funktioniert hat - oder ob es an der eigenen Unzulänglichkeit liegt – das weiß man eben nicht. // Und so haben vermutlich jeweils Dutzende Forscher ihre Diplomanden und Doktoranden auf falsche Fährten gesetzt, und diese Nachwuchskräfte standen am Schluss als die Dummen da – jahrelange Arbeit war in den Sand gesetzt. // So dürfte es auch in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der Klonforschung gewesen sein, nachdem Herr Hwang Woo-suk seit 2004 seine beim Schwein gut funktionierenden Klontechniken angeblich auf den Menschen übertragen hatte. Martin Fritz hat das Klonen von Schweinen wenige Tage vor dem Zusammenbruch der Showfassade in Hwangs koreanischem Klonlabor so erlebt: (1,20) M. Fritz: Für eine Demonstration seiner Technik führt er seine Besucher in die Abteilung für Tierexperimente seines Labortraktes. In einem sterilen Anzug, ausgestattet mit einer Haube auf dem Kopf und einer Mullbinde vor dem Mund, passiert man eine Luftdusche gegen Staubteilchen. Im ersten Laborraum sitzen Studenten und Mitarbeiter an einem langen Tisch und pulen in murmelgroßen blutigen Bällen – die Eierstöcke von Schweinen, frisch geliefert aus dem nahegelegenen Schlachthof. Mit einer Spritze ziehen die Laboranten eine gelbliche Flüssigkeit aus den Organen, in der die begehrten Eizellen schwimmen. Der nächste Laborraum ist abgedunkelt, dort arbeiten die Wissenschaftler an den Eiern unter dem Mikroskop. O-Ton Hwang I 95+098 VOICE OVER: “Die menschliche Eizellen sind - verglichen mit tierischen Eizellen - sehr klebrig und zerbrechlich. Es erfordert deshalb eine große Geschicklichkeit, mit ihnen umzugehen. Diese Mitarbeiterin hat fünf Jahre Erfahrung und den Vorgang 100.000 Mal durchgeführt.” M. Fritz: Dabei wird das ursprüngliche Genmaterial mit einer Mikronadel aus der Zelle herausgequetscht und bei einer Injektion durch fremdes Material ersetzt. Danach werden die ursprüngliche Zelle und ihr neuer Inhalt durch einen elektrischen Schock biologisch aktiviert, man kann auch sagen: miteinander verbunden. Die geklonten Zellen kommen in eine Nährlösung und stehen für einige Tage in einen Brutschrank. Professor Hwang betont: O-Ton Hwang I 107+95 Teil II VOICE OVER: “Diese Behandlungsmethode besteht aus aufeinander folgenden Schritten. Wenn wir sie samstags oder sonntags unterbrechen würden, könnten wir nur zwei bis drei Tage in der Woche arbeiten. Wir benötigen also Geduld und Fleiß für diese Art von Forschung. Wir benutzen bis zu 1500 Tier-Eier täglich, auch ám Wochenende. Daher ist unser Labor 365 Tage im Jahr in Betrieb und 7 Tage die Woche.” M. Fritz: Wenn die neuen Klonzellen gut gewachsen sind, packt Professor Hwang sie in einen Behälter und rast mit Laboranten und Leibwächtern quer durch die südkoreanische Hauptstadt Seoul gen Süden. Bei der halsbrecherischen Tour fahren die beiden schwarzen Limousinen auf der Standspur an den berüchtigten Staus vorbei, denn am Steuer sitzen bewaffnete Polizisten, die den Professor wie einen nationalen Schatz bewachen sollen. Der südkoreanische Staat fürchtet eine Entführung von Hwang nach Nordkorea oder einen Anschlag von religiösen Fundamentalisten auf den bekanntesten Wissenschaftler des Landes, der bereits mit einer eigenen Briefmarke geehrt wurde. Während der Fahrt schlummert Hwang tief, denn nachts gönnt er sich nicht mehr als drei oder vier Stunden Schlaf. Schließlich halten die zwei Limousinen vor einem heruntergekommenen Schweinestall zehn Minuten abseits der Autobahn. Hwang erklärt: O-Ton Hwang No. II 001 VOICE OVER: “Wenn wir es nicht schaffen, die geklonten Eier binnen zwei Stunden einzusetzen, dann sterben sie ab. Deshalb müssen wir uns wirklich sehr beeilen auf dem Weg vom Labor in den Stall.” O-Ton Schweineschreien No. II 010 M. Fritz: Im übel riechenden Stall haben seine Mitarbeiter bereits alles für die kleine Operation vorbereitet. Zwei Schweine wurden betäubt und mit dem Rücken nach unten in eine Metallwanne gelegt. Mit einem geübten Schnitt öffnet Hwang den Schweinebauch, holt mit einem Griff die Gebärmutter heraus und injiziert das geklonte Ei. Nur wenige Meter weiter stehen bereits geklonte Schweine nebeneinander fressend am Trog. Auch bei Schweinen ist das Klonen nur eine Technik für ein höheres Ziel: Geklonte Schweine mit menschlichen Immun-Genen sollen einmal Organe für Transplantationen zum Menschen liefern. Auch diese Organe sollen, so die Hoffnungen der Wissenschaftler, vom Empfänger nicht abgestoßen werden. O-Ton Hwang No. II 21 ff. VOICE OVER: “Als erstes wollen wir die Bauchspeicheldrüse übertragen, danach Schritt für Schritt das Herz, die Nieren, die Lunge und schließlich die Leber. Wir machen diese Experimente bereits seit 10 Jahren. Ich hoffe, dass wir in naher Zukunft einen sicheren und effizienten Weg finden, sie auf Affen zu übertragen. Danach werde ich mit vielen Ärzten darüber sprechen, mit Ärzten, die sich auf Organtransplantationen spezialisiert haben, ob wir es auch mit dem Menschen probieren können.” M. Fritz: Xenotransplantation heißt diese Übertragung von Tier zu Mensch, und sie ist fast genau so umstritten wie das Klonen, denn viele Forscher befürchten, dass bei der Organstransplantation auch Tier-Viren auf den Menschen übergehen könnten, mit unabsehbaren Folgen. Bei der Forschung zur Übertragung von Tierorganen ist das Team von Professor Hwang zwar mit an der Weltspitze, aber andere Länder wenden dafür mehr Mittel auf und ihre Forscher haben bessere Bedingungen. Den Schweinestall zum Beispiel musste Hwang persönlich von einem Bauern pachten, die Universität hat keinen eigenen. Auf diesem Forschungsgebiet ist Hwang nur einer von vielen Wissenschaftlern. Ihm es ist bisher nur mit durchwachsenem Erfolg gelungen, Schweineorgane wie Lunge und Herz auf einen Hund zu übertragen. Dagegen haben die Südkoreaner bei der Stammzellenforschung einen kleinen Vorsprung vor der globalen Konkurrenz herausgearbeitet. Schon aus reinem Nationalstolz möchte Hwang diesen Vorsprung verteidigen. Autor Über die Motive könnte man fröhlich spekulieren, die den Klon-Forscher dazu veranlasst haben, neben den erfolgreichen Schweine-Experimenten und neben dem ersten geklonten Hund den Durchbruch beim Erzeugen von menschlichen Stammzellen rundweg zu erfinden. Ob es nun falsch verstandener Patriotismus war, oder der Wunsch, den Geldgebern jene Ergebnisse zu liefern, auf die sie gewartet haben, oder einfach der Irrglaube, man werde die Klontechnik beim Menschen schon noch beherrschen und dann wird niemand mehr den anfänglichen Schwindel bemerken und man ist dann der Erste, dem das gelang – denkbar ist vieles. Zumindest der letzte Gedanke ist alles andere als abwegig, wenn man diese Selbsteinschätzung von Hwang Woo-suk hört: O-Ton Hwang No. I No. 53 VOICE OVER: “Ich stehe jetzt mit unserer Forschung noch vor einer sehr dicken Mauer. Sie scheint sehr dick und hart zu sein, noch dicker und härter als die Berliner Mauer. Aber die Deutschen haben diese Beton-Mauer durchbrochen. Deshalb werde auch ich versuchen, meine Mauer zu überwinden, diese dicke wissenschaftliche Mauer, damit wir in naher Zukunft das Ziel erreichen, unheilbar Kranke zu heilen.” Autor Die koreanische Untersuchungskommission aber kam vorige Woche zum Ergebnis: Die Mauer war zu hoch, auch wenn Hwang dies bis heute nicht zugegeben hat. Martin Fritz. khw Fälschungen Ton 4 Fritz – Untersuchungsbericht 1'20