WISSENSWERTES ZUM THEMA GENTECHNIK IN ÖSTERREICH Helga Berthold Bundesministerium für Gesundheit - Abteilung II/B/9 Fassung: Juli 2009 1. Was ist Gentechnik und wie funktioniert sie? Unter Gentechnik versteht man Methoden zur gezielten künstlichen Veränderung der Erbinformation auch über Artgrenzen hinweg.1 Jedes Lebewesen, ob Mensch, Tier oder Pflanze, ist aus Zellen aufgebaut, wobei eine Zelle die kleinste „selbständige“ Einheit eines Lebewesens ist. Jede einzelne Zelle eines Lebewesens enthält die gesamte Erbinformation für den ganzen Organismus. Gespeichert werden diese Informationen in der Desoxyribonukleinsäure (DNS; engl. desoxyribonucleic acid, DNA). Die Vererbung von bestimmten Merkmalen an die nächste Generation erfolgt durch die Weitergabe von DNA. Ein Gen ist ein Abschnitt auf der DNA, das für spezifische Merkmale verantwortlich ist. Die Gesamtheit aller Gene einer Zelle nennt man Genom.2 Ziel der Gentechnik ist es, die Erbinformation von Lebewesen zu entschlüsseln und sie auch über Artgrenzen hinweg zu verändern und nutzbar zu machen. Unter Organismen versteht man ein- oder mehrzellige Lebewesen oder nichtzelluläre vermehrungsfähige biologische Einheiten einschließlich Viren, Viroide und unter natürlichen Umständen infektiöse und vermehrungsfähige Plasmide3. Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sind Organismen, deren genetisches Material (DNA) mit gentechnologischen Methoden so verändert worden ist, wie dies unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination oder andere herkömmliche Züchtungstechniken nicht vorkommt. Ausgesuchte einzelne Gene können daher auch artübergreifend von einem Organismus (Pflanze, Tier Mikroorganismus) auf einen anderen übertragen werden, um eine bestimmte Eigenschaft zu erreichen. Mitte der 1970er Jahre gelang es erstmals, fremde Gene in einen lebenden Organismus (damals Bakterien) einzubauen. Die ersten gentechnisch veränderten Organismen waren somit entstanden. Heute ist die Entwicklung von gentechnisch veränderten Pflanzen bis zur Marktreife fortgeschritten. Die derzeit auf den Markt gebrachten gentechnisch modifizierten Pflanzen bilden vor allem Resistenzen gegen Schädlinge und/oder Toleranz gegen Herbizide. 2. Wo wird Gentechnik angewandt? Mittlerweile wird Gentechnik in vielen Bereichen von Wissenschaft, Industrie und Technik eingesetzt: 1 Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, Broschüre „Gentechnik geht uns alle an!“ (2000) Bobek, Broschüre „Gentechnikinformation“ (1998), Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz 3 Gentechnikgesetz 1994 idgF - § 4 Z 1 2 - 2 - 2.1. Gentechnisch veränderte Organismen in der Humanmedizin Im Bereich der Medizin können beispielweise in der Pharmazie schon seit vielen Jahren gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zur Herstellung von Medikamenten eingesetzt werden. Derart produzierte Medikamente können in größeren Mengen als auf konventionelle Weise hergestellt werden und erzielen teilweise auch eine höhere Wirksamkeit. Von der Gentechnik erwartet man sich auch große Fortschritte bei der Therapie von bisher schwer oder nicht heilbaren Krankheiten (z.B. Krebs, AIDS, Herz-Kreislauferkrankungen), im Bereich der Diagnostik (z.B. bei Erbkrankheiten) und Gentherapie, bei der ein defektes oder fehlendes Gen durch ein normales und funktionierendes Gen ersetzt oder ergänzt werden kann. 2.2. Gentechnisch veränderte Mikroorganismen Im Bereich der Lebensmittelindustrie können beispielsweise in der Lebensmittelverarbeitung gentechnisch veränderte Mikroorganismen – sogenannte Starterkulturen – etwa zur leichteren und rascheren Produktion von Joghurt, Käse, Rohwurst und Brot zugesetzt werden. Weiters können aus gentechnisch veränderten Organismen Nahrungsmittelzusatzstoffe wie zum Beispiel Vitamine und Enzyme gewonnen werden. Im Bereich der Umwelttechnologie können beispielsweise gentechnisch veränderte Mikroorganismen (GVM), das sind kleine, einzellige, nur unter dem Mikroskop sichtbare Lebewesen, zum Beispiel für den Schadstoffabbau als Alternative zu chemischen Produktionsverfahren (z.B. bei der Zellstoffherstellung in der holzverarbeitenden Industrie) ebenso wie zur Abwasserreinigung (z.B. Kläranlagen, Grundwasserreinigung) eingesetzt werden. 2.3. Genetisch veränderte Pflanzen Die meisten genetisch veränderten Pflanzen sind tolerant gegenüber bestimmten Unkrautvernichtungsmitteln und/oder resistent gegen Schädlinge. Weitere Entwicklungen zielen auf Eigenschaften wie Ertragsteigerung, Erhöhung der Lagerungs- und Transportfähigkeit, Verzögerung des Reifeprozesses von Pflanzen und Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegen Krankheitserreger (z.B. Bakterien, Viren, Pilze), Kälte oder Trockenheit. Im Bereich der Agrar-, Lebens- und Futtermittelindustrie erhoffen sich die Anwender der Gentechnik durch den Einsatz gentechnischer Verfahren qualitativ höherwertigere Produkte sowie Produktionssteigerungen bei gleichzeitiger Reduktion der Herstellungskosten und des Chemikalieneinsatzes. Die gentechnischen Eingriffe erfolgen in der Agrarindustrie zumeist durch die Veränderung des Erbgutes von Pflanzen und dienen derzeit der Entwicklung ertragreicherer und widerstandsfähigerer Sorten. - 3 - Der weltweite Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen hat in den letzten Jahren zugenommen und deren Tendenz ist weiterhin steigend. 2008 führten Sojabohnen die weltweite Liste der angebauten genetisch veränderten Pflanzen an, gefolgt von Mais, Baumwolle, Raps und Zuckerrüben. In der Europäischen Union ist 2008 die Anbaufläche für gentechnisch veränderte Pflanzen im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückgegangen. Der Grund liegt im Verbot des Anbaus des Bt-Mais MON810 in Frankreich.4 Bei den bereits in Verkehr gebrachten GVO-Produkten führt Mais die Liste an, gefolgt von Baumwolle, Raps, Sojabohne, Nelke und Zuckerrübe. Derzeit sind 30 Produkte innerhalb der EU zugelassen; näheres siehe Gentechnikregister gemäß § 101c Abs. 1 und 2 GTG. 2.4. Genetisch veränderte Tiere Zielsetzungen der genetischen Veränderung von Nutztieren sind unter anderem die Verbesserung der Widerstandskraft gegen Infektionskrankheiten (z.B. Schweine in Masttierhaltung), Erhöhung der Widerstandskraft (z.B. gegen Kälte bei Fischen), Wachstums- bzw. Leistungssteigerung, z.B. dass Tiere schneller wachsen (Fische) oder Kühe mehr Milch geben. Derzeit ist aber kein derartiges transgenes Tier in der EU zur Marktzulassung beantragt bzw. zugelassen. 3. Welche gesetzlichen Bestimmungen zur Gentechnik gibt es in Österreich? Mit 1.1.1995 ist in Österreich das Gentechnikgesetz in Kraft getreten. Dieses Gesetz ist in erster Linie ein Sicherheitsgesetz, das bei Anwendung der Gentechnik ein möglichst hohes Maß an Sicherheit für die Gesundheit der Menschen (einschließlich seiner Nachkommenschaft) und der Umwelt (insbesondere der Ökosysteme) gewährleistet, aber auch die Anwendungen der Gentechnik zum Wohle des Menschen durch Festlegung eines rechtlichen Rahmens für deren Erforschung, Entwicklung und Nutzung fördern soll.5 Im Gentechnikgesetz wird folgendes geregelt: - Die Arbeit mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in geschlossenen Systemen, das heißt in Laboratorien. Diese Arbeiten sind anmelde- oder genehmigungspflichtig. Je nach Art der Tätigkeit, die in vier Risikogruppen eingeteilt wird – kein Risiko, geringes Risiko, mäßiges Risiko, hohes Risiko – werden entsprechende Sicherheitsvorkehrungen vorgeschrieben. - Das Freisetzen von gentechnisch veränderten Organismen, das heißt das absichtliche Ausbringen von GVO aus einem geschlossenen System (Labor) in die Umwelt, das zu Forschungs- und Entwicklungszwecken beabsichtigt und zeitlich wie örtlich befristet ist. Freisetzungen müssen von der österreichischen Behörde 4 5 Quelle: www.transgen.de, 13.07.2009 Gentechnikgesetz 1994 idgF - § 1 Z 1 und Z 2 - 4 - - - - - - - genehmigt werden und dürfen auch nur in Österreich erfolgen. Bislang wurde noch kein derartiger Freisetzungsantrag in Österreich genehmigt. Das Inverkehrbringen, das heißt das auf den Markt bringen von Erzeugnissen, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solche enthalten. Diesbezüglich sind EU-weite Genehmigungsverfahren unter Einbindung der Mitgliedstaaten vorgeschrieben. Die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die aus gentechnisch veränderten Organismen oder deren Teilen bestehen, solche enthalten oder aus solchen gewonnen wurden. Die genetische Analyse und die Gentherapie am Menschen. Einrichtungen, die prädiktive Genanalysen zu medizinischen Zwecken durchführen, sind bewilligungspflichtig. Ebenso bedarf die Durchführung der somatischen Gentherapie (das heißt die Körperzellen, nicht aber die Keimzellen betreffend) einer Genehmigung durch die Behörde. Der Datenschutz hinsichtlich Genanalyse-Daten, welche besonders strengen Datenschutzbestimmungen unterliegen. Die Einrichtung und die Aufgabe der Gentechnikkommission und ihrer drei wissenschaftlichen Ausschüsse zur Beratung der Behörde. Die wissenschaftlichen Ausschüsse für Freisetzungen und Inverkehrbringen, für Genanalyse und Gentherapie am Menschen sowie für Arbeiten mit GVO im geschlossenen System haben bei entsprechenden genehmigungspflichtigen Anträgen Gutachten zu erstellen. Das Gentechnikbuch: es handelt sich hierbei um ein objektiviertes Sachverständigengutachten der Experten der drei wissenschaftlichen Ausschüsse der Gentechnikkommission. Die Durchführung von Kontrollen durch die Behörde zur Überprüfung der Einhaltung der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen. Strafbestimmungen bei Verstößen gegen Bestimmungen des Gentechnikgesetzes. Diese können mit Geldstrafen bis zu 36.300 Euro geahndet werden, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Das Bundesministerium für Gesundheit, Abteilung II/B/9, ist die zuständige Behörde für die Anmeldung oder Genehmigung von Arbeiten mit GVO in Laboratorien, für Anträge auf Freisetzungen oder das Inverkehrbringen von GVO, sofern diese in Österreich gestellt werden, sowie für die Zulassung von Einrichtungen, die genetische Analysen oder Gentherapien am Menschen durchführen. Für die Anmeldung oder Genehmigung von Arbeiten mit GVO in Laboratorien sowie für Freisetzungen im Bereich der Universitäten ist das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung die zuständige Behörde in Österreich. Eine weitere Mitzuständigkeit für den Aufgabenbereich Gentechnik liegt im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. - 5 - 4. Welche Grundsätze sind bei der Vollziehung des österreichischen Gentechnikgesetzes zu beachten? 4.1. Vorsorgeprinzip Gemäß dem Vorsorgeprinzip (§ 3 Z 1 GTG idgF) sind Arbeiten mit GVO und Freisetzungen von GVO in die Umwelt nur zulässig, wenn dadurch nach dem Stand von Wissenschaft und Technik keine nachteiligen Folgen für die Sicherheit zu erwarten sind. Diesem Prinzip wird auf mehrfache Weise Rechnung getragen: Beispielsweise bei Arbeiten mit GVO in Laboratorien ist der Betreiber einer gentechnischen Anlage von Gesetz wegen angehalten, durch die Bestellung eines entsprechenden qualifizierten Beauftragten für die biologische Sicherheit, seines Stellvertreters und des Komitees für die biologische Sicherheit die Sicherheit bei der Arbeit mit GVO zu gewährleisten. Weiters ist für Arbeiten mit GVO im geschlossenen System in höheren Sicherheitsstufen (das bedeutet mäßiges und hohes Risiko) der zuständige wissenschaftliche Ausschuss der Gentechnikkommission einzubinden. Die Einbindung des jeweiligen wissenschaftlichen Ausschusses gilt analog auch für Anträge für Freisetzungen von GVO in die Umwelt und für Anträge zur Durchführung von genetischen Analysen am Menschen. Seitens der Behörde werden zur Überprüfung der Einhaltung der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen regelmäßig Kontrollen durchgeführt. 4.2. Zukunftsprinzip Gemäß dem Zukunftsprinzip (§ 3 Z 2 GTG idgF) sind der Forschung auf dem Gebiet der Gentechnik und der Umsetzung ihrer Ergebnisse unter Beachtung der Sicherheit keine unangemessenen Beschränkungen aufzuerlegen. Daraus lässt sich ein Verbot unangemessener Beschränkungen, nicht aber eine Förderungspflicht des Staates ableiten. Normative Beschränkungen der Gentechnik sind am Übermaßverbot zu messen, das heißt, das Verbot (die Beschränkung) muss in einem sachlich angemessenen Verhältnis zur Art, Größe und Wahrscheinlichkeit des Risikos stehen 6. 4.3. Stufenprinzip Gemäß dem Stufenprinzip (§ 3 Z 3 GTG idgF) darf die Freisetzung von GVO nur stufenweise erfolgen (step-by-step-Verfahren), indem die Einschließung der GVO stufenweise gelockert und deren Freisetzung nur ausgeweitet werden darf, wenn die Bewertung der vorhergegangenen Stufe ergibt, dass die nachfolgende Stufe mit dem Vorsorgeprinzip vereinbar erscheint. In Österreich wurde bis dato kein Antrag auf Freisetzung von GVO genehmigt. 6 Kerschner/Lang/Satzinger/Wagner, Kommentar zum GTG (2007), S 28 RZ 29 - 6 - 4.4. Demokratisches Prinzip Gemäß dem Demokratischen Prinzip (§ 3 Z 4 GTG idgF) ist die Öffentlichkeit nach Maßgabe des Gentechnikgesetzes in die Vollziehung einzubinden, um deren Information und Mitwirkung sicherzustellen. Diesem Prinzip trägt das Bundesministerium für Gesundheit unter anderem mit der seit 1997 eingerichteten Internet-Homepage mit der Adresse http://www.gentechnik.gv.at Rechnung. Diese stellt nicht nur eine wichtige Informationsquelle für interessierte Bürgerinnen und Bürger dar, sondern auch ein nützliches Hilfsmittel für die Antragsteller (unter anderem für diverse Formulare) im Rahmen der Verwaltungsverfahren gemäß dem Gentechnikgesetz. Im Sinne einer verstärkten Transparenz zu Gunsten der Öffentlichkeit hat die Behörde bei Genehmigungsanträgen für Arbeiten im geschlossenen System in höheren Sicherheitsstufen und im großen Maßstab (Sicherheitsstufe 3 und 4) sowie bei Freisetzungsanträgen ein Anhörungsverfahren durchzuführen. Die Anhörungen sind öffentlich, das heißt es ist jedermann gestattet, Einsicht in die Unterlagen zu erhalten und im Rahmen der Anhörungsverfahren allfällige Bedenken zu äußern. 4.5. Ethisches Prinzip Bei genetischen Analysen und Gentherapien am Menschen ist auf die Wahrung der Menschenwürde Bedacht zu nehmen. Der Verantwortung des Menschen für Tier, Pflanze und Ökosystem ist Rechnung zu tragen. Diesem Prinzip (§ 3 Z 5 GTG idgF) ist im Hinblick auf den raschen wissenschaftlichen und technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Gentechnologie und bei der Anwendung gentechnischer Methoden in der Humanmedizin auch bei der Durchführung des Gentechnikgesetzes bestmöglich Rechnung zu tragen. 5. Welche Rechtsvorschriften gibt es in Österreich? Basierend auf dem österreichischen Gentechnikgesetz aus dem Jahr 1994 (in Kraft getreten 1.1.1995, geändert in den Jahren 1998, 2002, 2004 und 2005) wurden folgende Verordnungen erlassen und Register erstellt: - Systemverordnung – über die Sicherheit bei Arbeiten mit GVO in geschlossenen Systemen - Freisetzungsverordnung – über Inhalt, Umfang und Form eines Antrages auf Genehmigung einer Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen - Gentechnik-Registerverordnung - über das öffentlich zugängliche Gentechnikregister gemäß § 101c Abs. 1 und 2 GTG - 7 - - Gentechnikregister gemäß § 101c Abs. 1 und 2 GTG – enthält Daten über Erzeugnisse, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder diese enthalten und zum Inverkehrbringen zugelassen sind sowie Angaben über allfällige Freisetzungen/Anbaustandorte von GVOs (die beiden letzteren Rubriken sind derzeit nicht relevant) - Genanalyseregister gemäß § 79 Abs. 1 Z 1 GTG - Gentherapieregister gemäß § 79 Abs. 1 Z 2 GTG - Ringversuchsregister gemäß § 79 Abs. 1 Z 3 GTG - Anhörungsverordnung - regelt das für die Beteiligung der Öffentlichkeit vorgesehene Verfahren (gemäß dem Demokratischen Prinzip) - Vereinfachungsverordnung - über die Anwendung vereinfachter behördlicher Verfahren bei weiteren Anträgen auf eine bereits gemäß § 68 Abs. 3 GTG zugelassene Einrichtung zur Durchführung von genetischen Analysen - Gentechnik-Kennzeichnungsverordnung - über die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solche enthalten und über weitere Angaben zu deren Inverkehrbringen - Verordnung über das Verbot des Inverkehrbringens von gentechnisch verändertem Raps GT73 in Österreich - Verordnung über das Verbot des Inverkehrbringens von gentechnisch verändertem Raps aus den Ölrapslinien Ms8, Rf3 und Ms8xRf3 in Österreich und Aufhebung der Verordnung betreffend das Verbot des Inverkehrbringens von gentechnisch verändertem Mais Bt 176 - Verordnung über das Verbot des Inverkehrbringens von gentechnisch verändertem Mais der Linie MON 863 - Verbot des Inverkehrbringens von gentechnisch verändertem Mais Zea mays L., Linie MON 810 zum Zweck des Anbaus in Österreich - Verbot des Inverkehrbringens von gentechnisch verändertem Mais Zea mays L., T25 zum Zweck des Anbaus in Österreich Seitens des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wurden folgende Verordnungen erlassen: - Futtermittel-GVO-Schwellenwert- Verordnung – über Höchstgehalte von bestimmten gentechnisch veränderten Organismen in Futtermitteln - Saatgut-Gentechnik-Verordnung - über die Verunreinigung von Saatgut mit gentechnisch veränderten Organismen und die Kennzeichnung von GVO-Sorten und Saatgut von GVO-Sorten - Saatgut-Anbaugebiete-Verordnung – zur Erlassung von Bestimmungen über Anbaugebiete bei der Saatguterzeugung Weitere Rechtsvorschriften bzw. Leitlinien: - Gentechnikbuch gemäß § 99 GTG – dokumentiert den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik im Bereich der Gentechnik - 8 - - Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Schutz der Arbeitnehmer/innen gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe (Verordnung biologische Arbeitsstoffe – VbA) - AEV Gentechnik (Verordnung) – regelt die Begrenzung von Abwasseremissionen aus Arbeiten mit GVO - Österreichisches Lebensmittelbuch (Codex) - hierbei handelt es sich um keine Rechtsvorschrift, sondern hauptsächlich um Richtlinien, die die österreichische Verbrauchererwartung widerspiegeln, so insbesondere die - Richtlinie zur Definition der "Gentechnikfreien Produktion" von Lebensmitteln und deren Kennzeichnung - Gentechnik-Vorsorgegesetze der Länder – gemäß der Zuständigkeit der Länder zur Regelung der Koexistenz eines allfälligen Anbaus von GVO mit konventionellen und biologischen Bewirtschaftungsformen unter Sicherstellung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftsentwicklung 6. Welche Rechtsvorschriften zur Gentechnik gibt es in der EU? Zu den wesentlichen Rechtsvorschriften in der EU zählen: - Systemrichtlinie 2009/41/EG (vormals 90/219/EWG) - über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen - Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG (vormals 90/220/EWG) - regelt das Freisetzen von GVO und die Zulassungsverfahren für das Inverkehrbringen von GVO, die nicht Lebensmittel oder Futtermittel sind, sowie die Anforderungen an die Bewertung von Auswirkungen von GVO auf die Umwelt (Umweltrisikobewertung) - Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 - regelt das EU-weite Verfahren für die Zulassung und die Kennzeichnung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel - Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit - Verordnung (EG) Nr. 1946/2003 - über grenzüberschreitende Verbringungen genetisch veränderter Organismen - Richtlinie 98/44/EG - über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen - Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 betreffend die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen 7. Zusammenspiel der Rechtsordnungen National - EU: Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen der Europäischen Gemeinschaft (EG) sind verbindliche Rechtsakte; Empfehlungen und Stellungnahmen der EG sind unverbindliche Rechtsakte. - 9 - Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Das heißt, die Verordnung gilt nicht nur für Mitgliedstaaten, sondern ohne Erfordernis der innerstaatlichen Umsetzung (zum Beispiel in ein Gesetz) in jedem Mitgliedstaat. Sie sind von nationalen Vollzugsbehörden unmittelbar anzuwenden und begründen unmittelbare Rechte und Pflichten der Bürger. Die Richtlinie richtet sich grundsätzlich nur an Mitgliedstaaten. Sie legt verbindliche Ziele fest, überlässt aber Form und Mittel der Umsetzung dieser Ziele den innerstaatlichen Stellen. Richtlinien bedürfen also der Umsetzung durch nationale Rechtsetzungsakte (z.B. Freisetzungsrichtlinie – umgesetzt im III. Abschnitt des GTG). Die Entscheidung ist in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet. Sie wird zur verbindlichen Regelung eines bestimmten Sachverhalts erlassen (z.B. Produktzulassungen in der Europäischen Union). Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich. 8. Welche Anwendungen der Gentechnik gibt es in Österreich? Beim Bundesministerium für Gesundheit sind die Gentechnikkommission und ihre wissenschaftlichen Ausschüsse zur Beratung der Behörde über alle sich aus der Vollziehung des Gentechnikgesetzes ergebenden Fragen eingerichtet. Diesem Gremium obliegt weiters die Beschlussfassung über vorgeschlagene Kapitel des Gentechnikbuches, in dem der Stand von Wissenschaft und Technik für alle gesetzlich vorgesehenen Bereiche gentechnischer Anwendungen in Österreich zu dokumentieren ist. Gemäß § 99 Gentechnikgesetz erstellt die Gentechnikkommission auf der Grundlage der ihr von den ständigen wissenschaftlichen Ausschüssen übermittelten Berichte in dreijährigen Abständen (erstmals 1998) einen Bericht über die Anwendungen der Gentechnik in Österreich. Dieser Bericht ist vom Bundesminister für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung dem Nationalrat vorzulegen. Der Bericht enthält eine zusammenfassende Darstellung a) der in Österreich durchgeführten Arbeiten mit GVO in geschlossenen Systemen, b) des Bereichs des Freisetzens von GVO und Inverkehrbringens von Erzeugnissen, die aus GVO bestehen oder solche enthalten, sowie c) allgemeiner Angelegenheiten der in Österreich durchgeführten Genanalysen und Gentherapien am Menschen. - 10 - Die dabei beobachteten Entwicklungen im Hinblick auf die eingangs erwähnten Grundsätze (Vorsorgeprinzip, Zukunftsprinzip, Stufenprinzip, demokratisches und ethisches Prinzip) werden von der Gentechnikkommission bewertet und die bildungsund forschungspolitischen sowie wirtschaftlichen Konsequenzen der beobachteten Entwicklung für Österreich untersucht und dargestellt. 8.1. Arbeiten mit GVO in geschlossenen Systemen Die Durchführung von Arbeiten mit GVO in geschlossenen Systemen (Laboratorien) ist nach Maßgabe der §§ 19 und 20 des Gentechnikgesetzes anmelde- bzw. genehmigungspflichtig. Zuständige Behörde ist, soweit diese Arbeiten mit GVO in wissenschaftlichen Hochschulen oder in wissenschaftlichen Einrichtungen des Bundes in seinem Ressortbereich oder durch diese erfolgen, der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, im Übrigen der Bundesminister für Gesundheit. In der Zeit von 1.1.1995 bis 31.12.2007 wurden folgende Anmeldungen bzw. Anträge auf Genehmigung von Arbeiten mit GVO eingebracht7: Sicherheitsstufe BM für Wissenschaft und Forschung BM für Gesundheit kleiner Maßstab kleiner Maßstab großer Maßstab Gesamt großer Maßstab 1 588 1 124 37 750 2 170 0 83 1 254 3 6 0 4 0 10 4 0 0 0 0 0 Die angeführten Zahlen geben die Anzahl der Verwaltungsverfahren (aufgrund der Anmeldungen bzw. Genehmigungsanträge) bei den Behörden wieder. Sie sind jedoch nicht gleichzusetzen mit der Anzahl der durchgeführten Arbeiten mit GVO, deren Zahl infolge der differenzierten Anmeldungs- und Genehmigungspflichten höher ist. Die Sicherheitsstufe 1 umfasst Arbeiten, bei denen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik von keinem oder nur einem vernachlässigbaren Risiko für die Sicherheit der Gesundheit der Menschen und der Umwelt auszugehen ist. Die Sicherheitsstufe 2 umfasst Arbeiten, bei denen von einem geringen, Sicherheitsstufe 3 von einem mäßigen und Sicherheitsstufe 4 von einem hohen Risiko für die Sicherheit auszugehen ist. 7 letzte offizielle Zahlen laut viertem Bericht der Gentechnikkommission gemäß § 99 Abs. 5 GTG (2008) - 11 - Unter Arbeiten im kleinen Maßstab versteht man Arbeiten mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen (GVM) der Sicherheitsstufe 1 bis zu 600 Liter Kulturvolumen, der Sicherheitsstufe 2 bis zu 100 Liter Kulturvolumen, der Sicherheitsstufen 3 und 4 bis zu 10 Liter Kulturvolumen sowie Arbeiten mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren. Alle anderen als die genannten Arbeiten mit GVM sind Arbeiten im großen Maßstab. 8.2. Freisetzen von GVO und Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die aus GVO bestehen oder solche enthalten Jede Freisetzung von GVO sowie das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die aus GVO bestehen oder solche enthalten, bedarf der Genehmigung durch die Behörde. In der Zeit von 1996 bis 1998 wurden fünf Freisetzungsanträge gestellt, von welchen jedoch keiner genehmigt wurde. Seither wurde weder beim Bundesministerium für Gesundheit noch im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung ein Antrag auf Genehmigung zur Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen gestellt. Seit Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes wurde in Österreich bis dato kein Antrag auf Inverkehrbringen gestellt. Der Genehmigung des Inverkehrbringens durch die österreichische Behörde stehen jedoch Genehmigungen zum Inverkehrbringen gleich, die von Behörden anderer EUMitgliedstaaten im Verfahren gemäß der Richtlinie 2001/18/EG (vormals Richtlinie 90/220/EWG) erteilt worden sind. Die Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung von GVO in die Umwelt regelt die Freisetzung von GVO für Versuchszwecke (Feldversuche), das Inverkehrbringen durch Anbau, Einfuhr oder Weiterverarbeitung von GVO in industrielle Produkte (non food products wie z.B. Industrieöle, Biodiesel oder Erzeugnisse der Pharmaindustrie). Bei Anträgen auf Inverkehrbringen nach der Richtlinie 2001/18/EG übermittelt die Europäische Kommission nach Erstellung eines positiven Risikobewertungsberichts jenes Mitgliedstaates, bei dem das Dossier eingereicht wurde, den Antrag an die zuständigen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten können dann binnen 60 Tagen Einwendungen erheben. Werden keine Einwendungen erhoben, erteilt die nationale Behörde jenes Mitgliedstaates, bei dem das Dossier eingereicht wurde, eine auf maximal zehn Jahre befristete Zustimmung. Bei Einwendungen wird der Antragsteller zur Nachbesserung des Antrages aufgefordert. Danach erfolgt eine weitere Prüfung durch die Mitgliedstaaten innerhalb von weiteren 45 Tagen. Im Anschluss daran erfolgt eine Abklärung im zuständigen Ausschuss, wo die Mitgliedstaaten abstimmen. Sollte hierbei keine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden, wird das Dossier an den Rat übermittelt. - 12 - Wenn dieser ebenfalls keine Entscheidung trifft, wird das Dossier an die Kommission weitergeleitet, welche letztendlich entscheidet8. Sämtliche nach der Freisetzungsrichtlinie - sowie auch jener nach den EUVerordnungen 258/97 und 1829/2003 - genehmigten Erzeugnisse sind im österreichischen Gentechnikregister gemäß § 101c Abs. 1 und 2 GTG erfasst, welches laufend aktualisiert wird. Im Mai 2004 wurde erstmals ein genetisch verändertes Lebensmittel nach der Novel Food Verordnung (EG) Nr. 258/97 zum EU-weiten Inverkehrbringen zugelassen (Bt11 Süßmais). Zwischenzeitlich wurden noch drei weitere genetisch veränderte Lebensmittel nach dieser Verordnung zum EU-weiten Inverkehrbringen zugelassen (es sind dies die Maissorten NK603, GA21 und MON863). Seit 2004 sind neue Zulassungsanträge für GVO, die ausschließlich für die Herstellung von Lebens- oder Futtermittel verwendet werden, nach der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 zu stellen. Die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 regelt das Inverkehrbringen von Lebens- oder Futtermitteln, die aus GVO bestehen, diese enthalten oder daraus hergestellt sind. In Bezug auf das Inverkehrbringen nach der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 erstellt die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) das Gutachten zur Sicherheit des Produktes im Rahmen eines zentralisierten Verfahrens. Binnen 90 Tagen können die Mitgliedstaaten Kommentare abgeben, aber keinen Einspruch erheben. Die EFSA ist jedoch verpflichtet, allfällige Kommentare bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen9. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA – European Food Safety Authority) wurde im Jahr 2002 mit Verordnung (EG) Nr. 178/2002 errichtet. Hauptaufgabe der EFSA ist die Risikobewertung. Dabei handelt es sich um einen wissenschaftlich untermauerten Vorgang mit den vier Stufen der Gefahrenidentifizierung, Gefahrenbeschreibung, Expositionsabschätzung und Risikobeschreibung. Die Verantwortung für das Risikomanagement, nämlich das Setzen von Maßnahmen, bleibt den Entscheidungsträgern der Europäischen Union, das heißt in diesem Fall der Europäischen Kommission vorbehalten10. Die Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 regelt die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von GVO und von aus GVO hergestellten Lebens- oder Futtermitteln. Sie ermöglicht es, GVO und GVO-Erzeugnisse über die gesamte Produktions- und Vertriebskette zurückzuverfolgen, da jedes Unternehmen genaue Aufzeichnungen führen und den Käufer entsprechend informieren muss. 8 Kerschner/Lang/Satzinger/Wagner, Kommentar zum GTG (2007), S 186-187 Kerschner/Lang/Satzinger/Wagner, Kommentar zum GTG (2007), S 385-387 10 Mahmood, Lebensmittelrecht – Grundlagen (2007) 9 - 13 - Mit diesen EU-Verordnungen wurde ein neues umfassendes Zulassungsverfahren für alle Lebens- und Futtermittel, die aus GVO hergestellt werden, sowie eine strenge Kennzeichnungspflicht und erhöhte Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit festgelegt. Neue Zulassungsanträge werden seither immer weniger über die Verfahren gemäß der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG, sondern hauptsächlich gemäß dem Verfahren der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 abgewickelt, welche als zentrale Risikobewertungsstelle die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vorsieht. In Österreich haben wir eine vergleichbare Institution mit der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH. (AGES), deren Hauptaufgabe die Risikobewertung sowie die Entwicklung daraus resultierender Vorschläge für das Risikomanagement ist. Das Risikomanagement ist Aufgabe des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Umweltrisikobewertung sowie die Prüfung des Monitoringplans von gentechnisch veränderten Pflanzen erfolgt in Österreich durch das Umweltbundesamt (UBA). Das Umweltbundesamt ist somit bei allen einschlägigen Verfahren zur Marktzulassung von GVOs eingebunden. Bis dato wurden über dreißig Produkte nach diesen Rechtsvorschriften zugelassen, wobei einige Zulassungen zwischenzeitig abgelaufen sind (aktueller Stand: 37 Produkte, davon 7 Produkte abgelaufen) - siehe Gentechnikregister gemäß § 101c Abs. 1 und 2 GTG. In folgenden Fällen verhängte Österreich ein Verbot für das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Erzeugnisse (Importverbot) gemäß Richtlinie 2001/18/EG: es sind dies drei genetisch veränderte Maissorten (MON863 - Import; T25 und MON810 - Anbau; Anmerkung: das Importverbot für Lebensmittel- und Futtermittelzwecke wurde mit Verordnung BGBl. II Nr. 180/2008 und Nr. 181/2008 für Mais MON810 und T25 aufgehoben) sowie zwei genetisch veränderte Rapssorten (GT73 und Ms8/Rf3 - Import). Die Gründe für das Importverbot waren vielfach: nicht ausreichende Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips, mangelhafte Dossiers, ungenügende Risikobewertung etc. Derzeit sind alle Importverbote in Kraft. Ebenso gibt es keinen Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in Österreich. Auf dem europäischen Markt sind hauptsächlich gentechnisch veränderte Lebensund Futtermittel aus den Produkten Mais, Sojabohne, Zuckerrübe und Rapsöl im Handel erhältlich. Wie dem Österreichischen Ernährungsbericht 2008 zu entnehmen ist, werden gentechnisch veränderte Lebensmittel in Österreich wenig akzeptiert. Der Handel hat darauf reagiert: alle Lebensmittelhandelsketten haben sich einer freiwilligen Selbstbeschränkung unterworfen und alle deklarierten Lebensmittel wurden aus den - 14 - Regalen verbannt. Dies zeigen auch die Kontrollergebnisse der jährlichen Schwerpunktaktionen des Gesundheitsministeriums mit der Lebensmittelaufsicht: seit 2005 wurde kein zugelassenes gentechnisch verändertes Produkt bezüglich Gentechnik-Kennzeichnung beanstandet. Der Grund für die geringe Akzeptanz könnte neben einem oft behaupteten Informationsmangel auch darin liegen, dass die Konsumenten in den derzeitig am Markt befindlichen gentechnisch veränderten Produkten keinen Vorteil für sich erkennen können. Die Herbizid- und/oder Insektenresistenz bzw. Virusresistenz bringen ihrer Ansicht nach nur den Produzenten und den Konzernen als Patentinhaber Vorteile. Ob die GVO der nächsten oder übernächsten Generation (wie zum Beispiel Produkte mit erhöhtem Vitamingehalt, mit veränderter Fettsäurezusammensetzung zur Verbesserung des Nährwertes, befreit von allergieauslösenden Proteinen oder mit oral wirkenden Impfstoffen) eine höhere Akzeptanz erfahren werden, wird sich erst in der Zukunft weisen11. 8.3. Das Europäische Schnellwarnsystem „RASFF“: Mit Artikel 50 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit wurde die Basis für das Europäische Schnellwarnsystem „RASFF - Rapid alert system for food and feed“ geschaffen. Anhand dieses Systems wird zur Sicherung des Schutzes der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdung der rasche Austausch an Informationen innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) und der Europäischen Freihandelszone (EFTA) und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gewährleistet12. Auch Österreich ist als EU-Mitgliedstaat in dieses System eingebunden. Die zentrale Kontaktstelle für die administrative Abwicklung befindet sich in der AGES Salzburg, Institut für Lebensmitteluntersuchung. Von dort werden sämtliche Meldungen an die betroffenen Stellen weitergeleitet. Konkret wird unter anderem festgelegt, dass Informationen über ein Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher, das durch in der EG/EFTA vorgefundene Lebens- oder Futtermittel ausgelöst wird, der Europäischen Kommission zu melden sind. Von dieser wird dann die Information über ein mit Passwort gesichertes System im Internet als sogenannte „ALERTs“ (Warnmeldung) an die Mitgliedstaaten der EG und EFTA sowie an die EFSA weitergeleitet. Die einzelnen Staaten treffen dann in Folge entsprechende Maßnahmen. Seit 2008 sind über fünfzig Meldungen von Österreich an die Europäische Kommission über RASFF übermittelt worden, wovon mehrere Meldungen GVOs 11 12 Elmadfa et al., Österreichischer Ernährungsbericht 2008 (2009) Herzog, Bericht des Bereichs Verbraucher-Gesundheit 2004 (2005) - 15 - betrafen. Es handelte sich dabei hauptsächlich um nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Reis. 8.4. Genanalysen und Gentherapien am Menschen Die Durchführung von Genanalysen am Menschen zu medizinischen Zwecken darf nur in hierfür zugelassenen Einrichtungen erfolgen. Seit Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes wurden zirka 130 Anträge (Neuanträge sowie vermehrt Erweiterungsanträge) auf Zulassung von Einrichtungen zur Durchführung von Genanalysen gestellt. Es handelt sich dabei durchwegs um Einrichtungen (Abteilungen oder Institute) im Rahmen von Krankenanstalten und Universitätskliniken sowie vermehrt auch um private Einrichtungen. Seitens des wissenschaftlichen Ausschusses der Gentechnikkommission für Genanalyse und Gentherapie am Menschen werden die Einrichtungen einer Begutachtung unterzogen und erst nach Vorliegen aller Voraussetzungen mit Bescheid zugelassen. Ein aktuelles Verzeichnis aller nach dem Gentechnikgesetz zugelassenen Einrichtungen zur Durchführung von genetischen Analysen findet sich im Genanalyseregister gemäß § 79 Abs. 1 Z 1 GTG. Eine somatische Gentherapie am Menschen darf nur von einem Arzt in einer hierfür zugelassenen Krankenanstalt durchgeführt werden. Seit Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes wurden zehn Anträge auf Zulassung von Einrichtungen zur Durchführung einer somatischen Gentherapie am Menschen und zwölf Anträge auf Genehmigung zur Durchführung einer somatischen Gentherapie am Menschen im Rahmen einer klinischen Prüfung gestellt. Aufgrund von Expertisen des wissenschaftlichen Ausschusses der Gentechnikkommission für Genanalyse und Gentherapie am Menschen konnte die Hälfte der Anträge mittels Bescheid genehmigt werden. Das diesbezügliche Gentherapieregister gemäß § 79 Abs. 1 Z 2 GTG befindet sind derzeit noch in Bearbeitung. 9. Risikoforschung Wie bereits eingangs erwähnt, handelt es sich beim österreichischen Gentechnikgesetz gemäß § 1 Z 1 GTG idgF in erster Linie um ein Sicherheitsgesetz, um die Gesundheit des Menschen sowie die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen durch gentechnisch veränderte Organismen zu schützen. Aus diesem Grund sind bei der Durchführung von Arbeiten mit GVO im geschlossenen System und bei Freisetzungen entsprechende Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten und ist bei der Durchführung von genetischen Analysen und Gentherapien die Qualitätssicherung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu gewährleisten. Effektive Forschung im Bereich der Sicherheit der Anwendung von GVO kann gewährleisten, dass mögliche Risiken und Gefahren erkannt, evaluiert und in ihrer mittelund langfristigen Konsequenz für Menschen und Umwelt erfasst werden können. Seitens des Gesundheitsministeriums werden – teilweise in Kooperation mit dem - 16 - Lebensministerium - Projekte zur Risikoforschung gemäß § 102 des Gentechnikgesetzes finanziert, dies insbesondere betreffend Freisetzung und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Pflanzen, aber auch im Bereich der Humanmedizin. In den vergangenen zehn Jahren wurden mehr als 50 Forschungsprojekte vom Bundesministerium für Gesundheit vergeben. Die dazu publizierten Endberichte können unter dem Link Bestellservice eingesehen und auch gratis bezogen werden. 10. Ausblick Durch die ständig steigenden Herausforderungen an die Gentechnik und immer größer werdenden Anforderungen in diesem Bereich ist es auch in Hinkunft notwendig, zum Wohle und Schutz der menschlichen Gesundheit, der Tiere und der Umwelt dem Sicherheitsgedanken gemäß § 1 des Gentechnikgesetzes Rechnung zu tragen. Das Gesundheitsministerium als federführend tätige Behörde nach dem Gentechnikgesetzes kommt dieser Verantwortung sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene nach: Österreich wirkt zum Beispiel in diversen Ausschüssen der Europäischen Kommission, der OECD, UNESCO oder auch EFSA mit. Hier werden etwa entsprechende Rechtstexte und Leitlinien erarbeitet (wie zum Beispiel die Überarbeitung der EFSA-Guidelines zur Sicherheitsbewertung von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln).Weiters werden immer wieder internationale Konferenzen und Meetings organisiert, so in jüngster Vergangenheit auch eine große Fachkonferenz zum Thema "Regional Aspects in Precautionary GMO Decision Making" in der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Zuletzt erfolgte auch die Auslagerung der Risikobewertung von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln vom Gesundheitsministerium in die AGES. All diese Initiativen tragen dazu bei, dass auch in Zukunft ein verantwortungsvoller und sicherer Umgang mit der Gentechnik gewährleistet ist. ***** Weitere relevante Informationen zum Thema Gentechnik finden Sie im Internet unter: http://www.bmg.gv.at http://www.lebensministerium.at http://www.bmwf.gv.at http://www.umweltbundesamt.at http://www.ages.at http://europa.eu - 17 - http://efsa.europa.eu http://www.transgen.de http://ec.europa.eu/food/dyna/gm_register/index_en.cfm Literaturhinweis: Bobek, Broschüre „Gentechnik und Lebensmittel“ (2001), Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Bobek, Broschüre „Gentechnikinformation“ (1998), Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, Vierter Bericht der Gentechnikkommission gemäß § 99 Abs. 5 des Gentechnikgesetzes (2008) Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, Broschüre „Gentechnik geht uns alle an!“ (2000) Elmadfa et al., Österreichischer Ernährungsbericht 2008 (2009), Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien Gaugg, Broschüre „Vom Feld bis zum Teller“ (2004), Bundesministerium für Gesundheit und Frauen Gentechnikgesetz 1994, Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG) und das Produkthaftungsgesetz geändert wird, BGBl I 1994/510 - in der geltenden Fassung Herzog, Bericht des Bereichs Verbraucher-Gesundheit 2004 (2005), Bundesministerium für Gesundheit und Frauen Kerschner/Lang/Satzinger/Wagner, Kommentar zum Gentechnikgesetz (2007), Manz Verlag Mahmood, Lebensmittelrecht – Grundlagen (2007) - 18 -