Mit Pseudonym streitet sich`s leichter

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Bewertung des
Informationsgehaltes auf einer
Skala von 1-10:
schriftliche
Kurzbewertung:
Jonas Viering
Mit Pseudonym streitet sich’s leichter
Süddeutsche Zeitung (16.08.01)
Der Bundestag bietet ein Diskussionsforum im Internet an. Hier können die
Bürger ihre Meinung kundtun und über politische Themen diskutieren. So
können sie sich unter der Adresse www.elektronische-demokratie.de, dem
Diskussionsforum des Parlaments, zum Thema „Modernisierung des
Informationsrechtes“ austauschen. Nach den Aussagen verschiedener Politiker
sei ein Meilenstein für den interaktiven Austausch der Bürger gelegt worden.
„Die Themen betreffen jeden Bürger in seinen Interessen“, so die FDP. Durch
ein Pseudonym können die Bürger ihre Identität geheim halten und so frei
diskutieren. Es wird angestrebt, die sich bislang noch zurückhaltenden Politiker
stärker in das Forum einzubinden. Dieses Forum sei in erster Linie ein
Modellversuch, bei dem alle Beteiligten noch lernen müssen, so der Moderator
des Forums Johann Bizer.
Diskussionsforum des Bundestags
5-6 Punkte
kurze Beschreibung des Diskussionsforums; nur bedingt informativ
Aufgaben:
1. Eröffnet die Internetseite www.elektronische-demokratie.de wirklich neue Möglichkeiten der
politischen Information und Kommunikation?
2. Würden Sie sich an interaktiven Diskussionen beteiligen? Was spräche aus Ihrer Sicht
dafür/dagegen? Begründen Sie Ihre Antwort.
Mit Pseudonym streitet sich’s leichter
Mit einem Diskussionsforum im Internet erforscht der Bundestag die Möglichkeiten der
elektronischen Demokratie.
Von Jonas Viering
(SZ vom 16.8.2001) - Bratwurstmitsenf, Chocochips und Crash engagieren sich für die Demokratie.
Allerdings macht das Mühe: „Leider ist mir nicht geläufig, was die Begriffe ZRP beziehungsweise
TDSV bedeuten, ABER DAS KRIEG‘ ICH NOCH RAUS!“, beschwert sich der Bürger Crash im Internet
über Juristenkürzel in der Debatte über ein neues Datenschutzrecht.
„Wo man diese Paragrafen nachschlagen kann, kann ich nicht so genau sagen, aber ich würd’s mal in
einer Bibliothek versuchen, wenn ich die Zeit dafür hätte...“ – in der Not vertraut offenbar auch ein
Computerfreak wie Crash dem Medium Buch.
Wie fast alle seiner Diskussionspartner verbirgt er sich hinter einem Pseudonym. Dabei äußert er sich
keineswegs in einer konspirativen Netznische, sondern in einem offiziellen Forum des deutschen
Bundestags.
Die Internetadresse zeugt vom hehren Anspruch. Unter www.elektronische-demokratie.de hat das
Parlament eine Diskussionsplattform online gestellt, auf der das Volk über die Modernisierung des
Informationsrechtes diskutieren soll. Statt bloß Informationen bereitzustellen, sucht der Bundestag hier
den Austausch mit dem Bürger.
Hohe Erwartungen der Initiatoren
Große Worte begleiteten den Start des interaktiven Forums vor einem Monat. „Neuland“ werde
betreten, verkündete die CDU, von einem „Meilenstein“ sprach die SPD. „Nur der Auftakt für
weitergehende Formen der Bürgerbeteiligung“, ja „der elektronischen Partizipation“ sei dies,
trompeteten die Grünen.
Und die FDP meinte, es würden „Themen angeboten, die wirklich jeden Bürger unmittelbar in seinen
Interessen betreffen“. Nur gut 20 Bürger sind es bislang, die tatsächlich über Verschlüsselung und
Datenschutz mitdiskutieren.
Die Organisatoren warten sehnsüchtig auf das Ende des Sommers, weil dann die Informatiker aus
dem Urlaub zurückkommen – von denen erhoffen sie sich mehr Beteiligung. Vorerst geht es in dem
Forum etwas drunter und drüber.
„Ahnungslosigkeit“ und „bodenlose Frechheit“ wirft ein Diskutant einem anderen vor, weil dieser die
Verschärfung von Strafrecht auch nur erwähnte. „Die Geheimdienste“ verletzten den Datenschutz,
kommentiert ein dritter, Hacker hingegen fast nie. Wieder ein anderer fachsimpelt über
Chiffrierungsalgorithmen, also höhere Mathematik. Und alle gemeinsam kritisieren das Forum, im dem
sie sich tummeln.
Gesetzesinitiative geplant
„Gibt es – ganz ehrlich – Bundestagspolitiker, die sich in diesem Forum informieren?“, fragt einer.
Zumindest Initiator Jörg Tauss, Abgeordneter der SPD, tut es. „Das soll keine Diskussion werden, wo
am Ende nur rauskommt: Schön, dass wir drüber geredet haben“, betont er. Noch vor dem Ende der
Legislaturperiode will Tauss auf der Grundlage des Forums eine Gesetzesinitiative auf den Weg
bringen.
In der Redaktionskonferenz des Forums sitzen immerhin Politiker aller Fraktionen, darunter auch die
Vorsitzende des für Datenschutz zuständigen Innenausschusses. „Das ist allerdings die
Internetavantgarde des Bundestags“, erklärt Johann Bizer, Datenrechtler an der Universität Frankfurt
und Moderator des Forums.
Das Ganze sei ein Modellversuch, aus dem man für die geplante Ausweitung elektronischer
Demokratie lernen wolle. „Und wenn jemand Müll in das Forum schreibt, bleibt das als Müll drin
stehen“, sagt er. Das gehöre schließlich zur Demokratie.
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