Praxis der Viszeralchirurgie Onkologische Chirurgie Bearbeitet von Jörg-Rüdiger Siewert, Matthias Rothmund, Volker Schumpelick Neuausgabe 2005. Buch. XII, 917 S. Hardcover ISBN 978 3 540 21914 9 Format (B x L): 19,3 x 27 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Klinische und Innere Medizin > Onkologie, Psychoonkologie Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte. 35 35 Ösophaguskarzinom J.R. Siewert, H.J. Stein, F. Lordick 35.1 Grundlagen – 404 35.1.1 35.1.2 35.1.3 Chirurgische Epidemiologie – 404 Pathologie, Klassifikation – 404 Prognostische Faktoren – 409 35.2 Klinische Symptomatologie 35.3 Diagnostik und Staging – 410 35.4 Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre 35.4.1 35.4.2 35.4.3 35.4.4 35.4.5 Pathogenese und Präkanzerosen – 413 Diagnostik – 413 Therapieziele und Indikationsstellung – 413 Chirurgische Strategie und Verfahrenswahl – 414 Operationstechnik – 416 35.5 Adenokarzinom der Speiseröhre (»Barrett-Karzinom«) 35.5.1 35.5.2 35.5.3 35.5.4 35.5.5 Pathogenese und Präkanzerosen – 419 Barrett-Frühkarzinom – 420 Therapieziele und Indikationsstellung – 420 Chirurgische Strategie – 421 Operationstechnik – 423 35.6 Postoperative Behandlung 35.7 Intra- und postoperative Komplikationen 35.8 Ergebnisse der chirurgischen Therapie – 426 35.9 Neoadjuvante, adjuvante und additive Therapie – 428 35.9.1 35.9.2 Adjuvante und additive Therapie – 428 Neoadjuvante präoperative Therapie – 428 35.10 Palliation 35.11 Empfehlungen zur Nachsorge Literatur – 409 – 424 – 430 – 431 – 413 – 431 – 425 – 419 404 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom Aus epidemiologischer und tumorbiologischer Sicht muss zwischen Plattenepithel- und Adenokarzinomen der Speiseröhre unterschieden werden. Die grundsätzlichen chirurgischen Therapieprinzipien sind allerdings für beide Tumoren ähnlich. Bei beiden gilt die R0-Resektion als wesentliches chirurgisches Therapieziel. Dieses kann bei T1- und T2-Tumoren sicher erreicht werden. Bei lokal fortgeschrittenen Tumoren (T3 und T4) werden derzeitig neoadjuvante Therapieprinzipien erprobt. Von dieser Therapie profitieren Patienten, die auf die Vorbehandlung mit einer Tumorreduktion (»Downsizing« oder gar »Down-Staging«) ansprechen. Sogenannte »Non-Responder« haben eine schlechte Prognose. Ihnen steht nur eine palliative Therapie zur Verfügung. Nach chirurgischer R0-Resektion oder bei Patienten, die auf eine neoadjuvante Therapie ansprechen, ist die Prognose nicht schlechter als bei anderen vergleichbaren gastrointestinalen Tumoren, sodass eine aggressive Therapie sinnvoll ist. 35.1 ⊡ Abb. 35.1. Häufigkeitsverteilung der verschiedenen histologischen Typen resezierter Ösophaguskarzinome am Patientengut der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar, TU München 1982– 2003 Grundlagen 35.1.1 Chirurgische Epidemiologie 35 Das Ösophaguskarzinom rangiert in Deutschland derzeit an 11. Stelle der Krebstodesfälle mit einer Inzidenz von 4 bis 5 Neuerkrankungen pro Jahr und 100.000 Einwohner. Histologisch handelt es sich überwiegend um Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome. Epidemiologie, Ätiologie, bevorzugte Lokalisation und Tumorbiologie zeigen deutliche Unterschiede zwischen dem Plattenepithel- und dem Adenokarzinom des Ösophagus, sodass sie als separate Entitäten zu betrachten sind (Stein et al. 2000e). Im Gegensatz zum Plattenepithelkarzinom, für das eine deutliche geographische Häufung in einzelnen Regionen Asiens und des Nahen Ostens besteht, ist das Adenokarzinom des distalen Ösophagus eine Erkrankung der westlichen Welt. Hier nimmt die Inzidenz des Adenokarzinoms im distalen Ösophagus derzeit nahezu exponentiell zu (Devesa et al. 1998; Bollschweiler u. Hölscher 2000). Die Zunahmerate übertrifft die aller anderen epithelialen Tumorentitäten. Im Gegensatz dazu zeigt die Inzidenz des Plattenepithelkarzinoms in der westlichen Welt keine wesentlich Zu- oder Abnahmetendenz. Im eigenen Gesamtpatientengut von mehr als 1300 resezierten malignen Ösophagustumoren handelte es sich bei ▬ 57% um Plattenepithelkarzinome, bei ▬ 39% um Adenokarzinome und bei ▬ 4% um andere, seltene Entitäten (⊡ Abb. 35.1). Während der Anteil der Adenokarzinome zwischen 1987 und 1991 ca. 30% betrug, liegt er seit 2000 bei über 50% (⊡ Abb. 35.2). Sowohl beim Plattenepithelkarzinom als auch beim Adenokarzinom sind Männer deutlich häufiger betroffen als Frauen. Patienten mit einem Adenokarzinom sind durchschnittlich 10 Jahre älter als Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom und gehören häufig einer höheren sozialen Schicht an. Bei Patien- ⊡ Abb. 35.2. Relative Zunahme der Prävalenz von Adenokarzinomen im Patientengut der resezierten Ösophaguskarzinome der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar, TU München 1982–2003 ten mit einem Adenokarzinom besteht in der Regel eine langjährige Refluxanamnese, während beim Plattenepithelkarzinom eine jahrelange Alkoholanamnese im Vordergrund steht. An Begleiterkrankungen liegt beim Patienten mit Adenokarzinom häufig eine koronare Herzerkrankung vor, die Patienten sind häufig übergewichtig. Im Gegensatz dazu besteht bei Patienten mit Plattenepithelkarzinom zum Diagnosezeitpunkt in der Regel häufig neben einer obstruktiven Lungenfunktionsstörung bei chronischem Nikotinabusus auch eine Malnutrition und Leberfunktionsstörung bis hin zur Zirrhose (⊡ Tabelle 35.1). Damit ist auch das operative Risiko bei diesen beiden Patiententypen unterschiedlich zu beurteilen. Patienten mit Plattenepithelkarzinom sind durch die Operation mehr gefährdet als Patienten mit Adenokarzinom. 35.1.2 Pathologie, Klassifikation Die pathologische Einteilung der malignen Tumoren des Ösophagus erfolgt nach der WHO in ▬ epitheliale Tumoren (Plattenepithelkarzinome, Adenokarzinome), ▬ mesenchymale Tumoren (Leiomyosarkome) und ▬ seltene Entitäten. 35 405 35.1 · Grundlagen ⊡ Tabelle 35.1. Chirurgische Epidemiologie von Patienten mit Plattenepithelkarzinom und Adenokarzinom des Ösophagus (Patienten der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar der TU München) (n=1285) Plattenepithelkarzinom Adenokarzinom p Medianes Alter 53,4 Jahre 62,2 Jahre p<0,001 Männlich : weiblich 7:1 8:1 n.s. Akademiker 20,8% 52,9% p<0,01 »White collar« 27,2% 27,7% »Blue collar« 52,2% 20,2% Alkoholabusus (Prävalenz) 69,7% 42,3% p<0,001 Nikotinabusus (Prävalenz) 69,3% 51,9% p<0,05 Malnutrition (Prävalenz) 24,1% 1,9% p<0,001 Lungenfunktion (mittlerer FEV1 in % von normal) 82,5% 93,7% p<0,05 Kardiovaskuläre Risikofaktoren (Prävalenz) 19,5% 34,8% p<0,01 Eingeschränkte Leberfunktion (Prävalenz) 35,3% 24,9% p<0,05 Beruf (Prävalenz) n.s. nicht signifikant. ⊡ Abb. 35.3a,b. a Endoskopischer und endosonographischer Aspekt eines typisch exulzerierend und submukös-infiltrativ wachsenden Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus und b exophytische Wachstumsform eines Adenokarzinoms im distalen Ösophagus auf dem Boden einer langstreckigen Barrett-Mukosa 406 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom ⊡ Tabelle 35.2. TNM/pTNM-Klassifikation der Ösophaguskarzinome (UICC 2002) ⊡ Tabelle 35.3. Stadieneinteilung der Ösophaguskarzinome (Nach UICC 2002) TNM: Klinische Klassifikation Stadium Primärtumor Regionäre Lymphknoten Fernmetastasen Stadium 0 Tis N0 M0 Stadium I T1 N0 M0 Stadium IIA T2,T3 N0 M0 Stadium IIB T1,T2 N1 M0 Stadium III T3 T4 N1 Jedes N M0 M0 Stadium IVA Jedes T Jedes N M1a Stadium IVB Jedes T Jedes N M1b T – Primärtumor TX T0 Tis T1 T2 T3 T4 Primärtumor kann nicht beurteilt werden Kein Anhalt für Primärtumor Carcinoma in situ Tumor infiltriert Lamina propria oder Submukosa Tumor infiltriert Muscularis propria Tumor infiltriert Adventitia Tumor infiltriert Nachbarstrukturen N – regionäre Lymphknoten Die regionären Lymphknoten sind Zervikaler Ösophagus ▬ Skalenuslymphknoten ▬ Lymphknoten an der V. jugularis interna ▬ Obere und untere zervikale Lymphknoten ▬ Periösophageale Lymphknoten ▬ Supraklavikuläre Lymphknoten Intrathorakaler Ösophagus (oberer, mittlerer, unterer) ▬ Obere periösophageale Lymphknoten (oberhalb V. azygos) ▬ Subkarinale Lymphknoten ▬ Unter periösophageale Lymphknoten, ausgenommen zöliakale ▬ Mediastinale Lymphknoten ▬ Perigastrische Lymphknoten, ausgenommen zölialkale Lymphknoten 35 NX N0 N1 Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden Keine regionären Lymphknotenmetastasen Regionäre Lymphknotenmetastasen M – Fernmetastasen Fernmetastasen können nicht beurteilt werden MX Keine Fernmetastasen M0 Fernmetastasen M1 Für Tumoren des unteren thorakalen Ösophagus M1a Metastase(n) in zöliakalen Lymphknoten M1b Andere Fernmetastasen Für Tumoren des oberen thorakalen Ösophagus M1a Metastase(n) in zervikalen Lymphknoten M1b Andere Fernmetastasen Für Tumoren des mittleren thorakalen Ösophagus M1a Nicht anwendbar M1b Nichtregionäre Lymphknoten oder andere Fernmetastasen Entsprechend der normalen Wandauskleidung treten Plattenepithelkarzinome entlang der gesamten Speiseröhre auf. Adenokarzinome finden sich nahezu ausschließlich im distalen Ösophagus. Auch im Wachstumsverhalten bestehen Unterschiede zwischen Adenokarzinom und Plattenepithelkarzinom. Während Plattenepithelkarzinome exulzerierend und submukös infiltrativ wachsen, liegt beim Adenokarzinom häufig ein exophytisches Tumorwachstum vor (⊡ Abb. 35.3a,b); in Anlehnung an die Laurén-Klassifikation beim Magenkarzinom könnte man das Plattenepithelkarzinom als diffus wachsendes Karzinom bezeichnen, während das Adenokarzinom eher einem intestinalen Wachs- tumstyp entspricht. Ein multizentrisches Tumorwachstum entlang der gesamten Speiseröhre liegt beim Plattenepithelkarzinom bei bis zu 15% der Patienten vor, beim Adenokarzinom dagegen praktisch nie (mit Ausnahme multizentrischer, schwerer Dysplasien im Bereich der intestinalen Metaplasie). Die Klassifikation der Eindringtiefe des Primärtumors, der Lymphknotenmetastasierung und Fernmetastasierung sowie die Stadiengruppierung der Ösophaguskarzinome erfolgt anhand der Richtlinien der UICC (International Union against Cancer, Sobin 2002; ⊡ Tabelle 35.2, 35.3). Im Gegensatz zum Plattenepithelkarzinom des Ösophagus treten Lymphknotenmikrometastasen beim Adenokarzinom des distalen Ösophagus erst verzögert auf. So liegen bereits bei bis zu 50% der pT1-Plattenepithelkarzinome Lymphknotenmetastasen oder Mikrometastasen vor, während Lymphknotenmetastasen oder Mikrometastasen beim auf die Mukosa begrenzten (pT1a-)Adenokarzinom praktisch nie und beim Submukosa (pT1b-)-Adenokarzinom bei weniger als 20% der Patienten nachweisbar sind (Natsugoe et al. 1998; Feith et al. 2000; Mueller 2000). Eine hypothetische Erklärung hierfür ist, dass es aufgrund der langjährigen Refluxkrankheit mit rezidivierenden Ösophagitiden bei Patienten mit Adenokarzinom zu einer Okklusion der submukösen Lymphabflusswege kommen könnte. Die Richtung der Lymphknotenmetastasierung erfolgt entsprechend der embryologischen Entwicklung des Ösophagus bei Tumoren oberhalb der Trachealbifurkation überwiegend kranialwärts, bei Tumoren unterhalb der Trachealbifurkation überwiegend kaudalwärts (Liebermann-Meffert et al. 2001). Bei Tumoren auf Höhe der Trachealbifurkation erfolgt der Lymphabfluss bidirektional nach kranial und kaudal (⊡ Abb. 35.4a–c). Typisch für das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus ist weiterhin eine longitudinale lymphogene Schleimhautmetastasierung und eine intramurale, submuköse Ausdehnung v. a. nach oral wie aboral (Liebermann-Meffert et al. 2001). Fernmetastasen treten entsprechend dem venösen Abfluss der Speiseröhre bei Tumoren des proximalen Ösophagus v. a. in der Lunge, bei Tumoren der unteren Ösophagushälfte und des ösophagogastralen Übergangs v. a. in der Leber auf. Erst in fortgeschrittenen Stadien werden Skelettmetastasen und Metastasen in anderen Organen beobachtet. 407 35.1 · Grundlagen 35 ⊡ Abb. 35.4a Schematische Darstellung des Lymphabflusses des Ösophagus. a a Neben der histopathologischen Klassifikation ist eine topographisch-anatomische Einteilung der Ösophaguskarzinome von wesentlicher therapeutischer Relevanz. International akzeptiert ist für das Plattenepithelkarzinom die Einteilung anhand des Bezuges zum Tracheobronchialsystem (Siewert et al. 1992; Liebermann-Meffert et al. 2001). Es werden unterschieden (⊡ Abb. 35.4): ▬ Tumoren unterhalb der Trachealbifurkation (»infrabifurkale Karzinome«), ▬ Karzinome mit Bezug zum Tracheobronchialsystem (»suprabifurkale Karzinome«) und ▬ rein auf den zervikalen Ösophagus beschränkte Karzinome. Besser ist noch eine Festlegung in Hinblick auf den Bezug des Primärtumors zum Tracheobronchialsystem, d. h. die Differenzierung von Tumoren ▬ »mit Bezug zum Tracheobronchialsystem« und ▬ »ohne Bezug zum Tracheobronchialsystem«. Die beiden Klassifikationsmöglichkeiten sind nicht ganz deckungsgleich, weil auch ein unterhalb der Trachealbifurkation gelegener Tumor durchaus Bezug zum Tracheobronchialsystem haben kann. Der entscheidende Kontaktpunkt ist immer der linke Hauptbronchus. Aufgrund der Embryogenese besteht hier eine bindegewebige Brücke zwischen Ösophagus und linkem Hauptbronchus. Diese bindegewebige Brücke stellt eine Leitschiene für ein organübergreifendes Tumorwachstum dar. Deshalb erfolgt hier meist die erste Kontaktaufnahme des Tumors zum Tracheobronchialsystem (Liebermann-Meffert et al. 2001). Beim Adenokarzinom des distalen Ösophagus ist die Abgrenzung zu anderen Adenokarzinomen des ösophagogastralen Übergangs (AEG) wichtig. Hierbei ist es in erster Linie erforderlich, das Barrett-Karzinom oder Adenokarzinom des distalen Ösophagus (AEG Typ 1) vom eigentlichen Kardiakarzinom (AEG Typ 2) und dem die Kardia infiltrierenden subkardialen Magenkarzinom (AEG Typ 3) zu differenzieren (Siewert et al. 2000). Dies erfolgt am besten entsprechend der im Kap. 36 angeführten Kriterien. 408 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom ⊡ Abb. 35.4b, c b Lymphknotenkompartments beim Ösophaguskarzinom. Lokalisation des Primärtumors »infrabifurkal« (b) und »suprabifurkal« (c) 35 35 409 35.2 · Klinische Symptomatologie ⊡ Tabelle 35.4. Unabhängige Prognosefaktoren nach Resektion eines Ösophaguskarzinoms. (Multivariate Analyse von 1285 resezierten Patienten) B SE Wald df Signifikanz Exp(B) 0,696 0,132 27,641 1 0,000 2,005 –0,269 0,147 3,324 1 0,068 0,764 Alter 0,011 0,045 4,374 1 0,036 1,011 Lymphknoten positiv 0,036 0,007 1 0,000 1,037 –0,011 0,004 7,741 1 0,005 0,989 N (Lymphknoten) 0,573 0,102 31,791 1 0,000 1,773 M (Fernmetastasen) 0,284 0,144 3,908 1 0,048 1,329 R (Residualtumor) 0,56 0,094 35,817 1 0,000 1,752 G (Grading) 0,071 0,078 0,824 1 0,364 1,073 T (Tumor) 0,309 0,06 26,39 1 0,000 1,863 Postoperative Komplikationen 0,569 0,101 34,747 1 0,000 1,814 Barrett-/Plattenepithel-Ca Geschlecht Lymphknoten insgesamt 24,07 35.1.3 Prognostische Faktoren Eine komplette makroskopische und mikroskopische Tumorresektion (R0-Resektion) stellt sowohl beim Adenokarzinom als auch beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus den wesentlichen unabhängigen prognostischen Faktor dar (Stein et al. 2001; ⊡ Tabelle 35.4). In der Subgruppe der Patienten mit R0-Resektion sind der Lymphknotenstatus und die T-Kategorie unabhängige Prädiktoren für ein Langzeitüberleben (Roder et al. 1994). Auch der histologische Tumortyp ist multivariat ein unabhängiger Prognosefaktor. Tumorlokalisation, Tumorlänge, Ausmaß der Lymphadenektomie, Alter, Geschlecht, Ernährungszustand und tumorbiologische Faktoren konnten in multivariaten Analysen bislang nicht als unabhängige Prognosefaktoren gesichert werden (Stein et al. 2001). In mehreren Studien zeigte sich jedoch ein unabhängiger prognostischer Effekt der postoperativen Komplikationsrate, der Anzahl der peri- und postoperativ erforderlichen Bluttransfusionen und der Erfahrung des Behandlungszentrums. Die Behandlung von Patienten mit Ösophaguskarzinom sollte deshalb an spezialisierten Zentren mit hohem Patientenaufkommen erfolgen (Birkenmaier 2002). 35.2 Klinische Symptomatologie Ösophaguskarzinome bleiben in der Regel lange symptomlos und machen sich erst bei Obstruktion von mehr als zwei Dritteln des Ösophaguslumens durch eine Dysphagie bemerkbar. Schmerzen, Heiserkeit und Gewichtsverlust zeigen ebenfalls ein fortgeschrittenes Tumorstadium an. Die Häufigkeit verschiedener Symptome zum Diagnosezeitpunkt ist in ⊡ Tabelle 35.5 dargestellt (Daly et al. 2000). Spezifische Frühsymptome eines Ösophaguskarzinoms existieren nicht. Die Diagnose früher Tumorstadien erfolgt deshalb in der Regel nur im Rahmen endoskopischer Überwachungsprogramme oder als Zufallsbefund. Der Nutzen engmaschiger endoskopischer Überwachungsprogramme ist für Risikogruppen gesichert (Stein et al. 1996). In der westlichen Welt gehören hierzu v. a. Patienten mit bekanntem langstreckigen Barrett-Ösophagus. Im eigenen Patientengut führte die endoskopische Überwachung dieser Patienten in den letzten Jahren zu einer deutlichen Zunahme der Prävalenz früher Tumorstadien beim Adenokarzinom des Ösophagus (⊡ Abb. 35.5). ⊡ Tabelle 35.5. Häufigkeit verschiedener Symptome zum Diagnosezeitpunkt eines Ösophaguskarzinoms (n=3466). (Nach Daly et al. 2000; JACS 2000) Symptom Prävalenz (%) Dysphagie 74 Gewichtsverlust 57,3 Sodbrennen 20,5 Odynophagie 16,6 Atemnot 12,1 Chronischer Husten 10,8 Heiserkeit 6,1 Hämatemesis 6,6 Zervikale Lymphknotenschwellung 5,5 410 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom bemethoden (z. B. mit Lugol-Lösung oder Methylenblau) lassen sich makroskopisch nicht sichtbare Frühbefunde und eine häufig bestehende Multizentrizität nachweisen. Die Biopsie ist zur histologischen Sicherung und Differenzierung, Beurteilung des Gradings und Bestimmung eventueller molekularer Prognosefaktoren unerlässlich. Entscheidendes Kriterium v. a. bei der Beurteilung der Resektabilität eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus ist sein Bezug zum Tracheobronchialsystem. ⊡ Abb. 35.5. Zunahme der Prävalenz früher Tumorstadien beim Adenokarzinom des distalen Ösophagus im einigen Patientengut Anhand epidemiologischer Daten erscheint die endoskopische Überwachung auch sinnvoll für Patienten mit langjähriger Achalasie, langjährigen Verätzungsstrikturen und Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom im oberen aerodigestiven Trakt (Mund, Oropharynx, Hypopharynx, Larynx). 35.3 35 Diagnostik und Staging Vorrangiges Ziel aller Diagnostik ist es, die R0-resektablen, d. h. tumorfrei zu resezierenden Patienten zu identifizieren und diese der chirurgischen Therapie zuzuführen (Siewert et al. 1997). Folgende diagnostische Informationen sind für eine individualisierte Therapieentscheidung notwendig (Stein et al. 2001; ⊡ Tabelle 35.6). Histologische Sicherung und topographischanatomische Lokalisation des Primärtumors Die erste Maßnahme in der Diagnostik eines Ösophaguskarzinoms ist die Endoskopie mit Biopsie. Durch endoskopische Fär- Bei Kontakt des Primärtumors zum Tracheobronchialsystem oder Nachweis einer Fistel sind die Grenzen einer sinnvollen Resezierbarkeit erreicht (Siewert et al. 1992). Die Mitresektion von Teilen des Tracheobronchialsystems bis hin zur Pneumonektomie ist zwar technisch möglich, aber prognostisch belegt ineffektiv, sodass derartige Kombinationseingriffe heute keinen Platz in der Therapie des Ösophaguskarzinoms haben. Besonders problematisch sind Tumoren mit Lokalisation in Höhe der Trachea. Hier gibt es praktisch keine Gewebeschicht zwischen Ösophagus und Trachea (⊡ Abb. 35.6a). Eine R0-Resektion ist deshalb nur bei frühen Tumorstadien (T1/T2) möglich. Zur Abklärung der Lagebeziehung zwischen Ösophaguskarzinom und Tracheobronchialsystem ist eine hochauflösende Computertomographie (CT) des Mediastinums am meisten weiterführend (⊡ Abb. 35.6b). Auch ein Röntgenbreischluck unter Darstellung des gesamten Thorax ermöglicht eine indirekte Zuordnung von Primärtumor und Trachealbifurkation, mit diesem Verfahren können auch zuverlässig bereits bestehende Fisteln ins Tracheobronchialsystem oder Mediastinum nachgewiesen werden. Unbefriedigend ist dagegen der endoskopische Ultraschall (EUS), da hiermit eine Darstellung des Tracheobronchialsystems derzeit nicht möglich ist. ⊡ Tabelle 35.6. Diagnostisches Vorgehen bei Vorliegen eines Ösophaguskarzinoms Diagnostische Maßnahme Fragestellung Obligate Diagnostik Endoskopie und Biopsie Tumorausbreitung und histologische Sicherung Hochauflösende CT des Mediastinums; evtl. Röntgenbreischluck Abklärung der Lagebeziehung zum Tracheobronchialsystem CT Thorax und Abdomen Ausschluss von Fernmetastasen Zusätzliche Diagnostik in bestimmten Situationen Endoskopischer Ultraschall Festlegung der T-Kategorie des Tumors Tracheobronchoskopie und Biopsien des Tracheobronchialsystems Bei enger Lagebeziehung von Ösophaguskarzinom und Tracheobronchialsystem: Ausschluss einer Infiltration des Tracheobronchialsystems Diagnostische Laparoskopie Beim lokal fortgeschrittenen Adenokarzinom des distalen Ösophagus: Ausschluss einer Lebermetastasierung oder Peritonealkarzinose Stützlaryngoskopie Bei Vorliegen eines Plattenepithelkarzinoms: Ausschluss eines Zweitkarzinoms der oberen Luftwege 411 35.3 · Diagnostik und Staging 35 ⊡ Abb. 35.6. a Darstellung der engen Beziehung zwischen Pars membranacea der Trachea und dem Ösophagus im anatomischen Schnittpräparat (mit freundlicher Genehmigung von Frau Prof. D. Liebermann-Meffert). b Die hochauflösende CT zeigt eine deutliche Impression der Pars membranacea der Trachea durch ein lokal fortgeschrittenes suprabifurkales Plattenepithelkarzinom des Ösophagus Bei Nachweis einer engen Lagebeziehung zwischen Tracheobronchialsystem und Ösophaguskarzinom muss eine Infiltration mittels Tracheobronchoskopie und ausgiebigen Biopsien ausgeschlossen werden (Riedel et al. 2001). Ausschluss von Fernmetastasen Beim Nachweis von Fernmetastasen ist eine chirurgische Resektion, auch unter palliativen Gesichtspunkten, nicht mehr sinnvoll. In der Praxis beschränken wir uns auf den Ausschluss von Leber- und Lungenmetastasen mittels CT. Der Positronenemissionstomographie (PET) kommt eine zunehmende Rolle beim Ausschluss von Fernmetastasen zu, um so mehr als die PET für die Responseevaluation im Rahmen einer neoadjuvanten Vorbehandlung zunehmend größere Bedeutung erlangt und hierzu eine Ausgangs-PET-Untersuchung ohnehin benötigt wird. Das Knochenszintigramm gehört nach unserer Erfahrung nicht zur Routinediagnostik. Eine Knochenmarksbiopsie zum Nachweis von isolierten Tumorzellen ist derzeit nur im Rahmen wissenschaftlicher Protokolle indiziert. Beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus erbringt eine diagnostische Laparoskopie, abgesehen vom eventuellen Nachweis einer Leberzirrhose, keinen onkologisch-diagnostischen Gewinn. Im Gegensatz dazu lässt sich beim lokal fortgeschrittenen Adenokarzinom des distalen Ösophagus mittels diagnosti- scher Laparoskopie bei bis zu 30% der Patienten eine bislang okkulte Lebermetastasierung oder Peritonealkarzinose nachweisen (⊡ Tabelle 35.7). Die diagnostische Laparoskopie gehört hier zum Standard v. a. bei geplantem multimodalen Vorgehen (Stein et al. 1997). T/N-Kategorie des Primärtumors Nach Ausschluss von Fernmetastasen fällt die Therapieentscheidung beim Ösophaguskarzinom ausschließlich orientiert an der T-Kategorie. Die N-Kategorie ist nur unsicher evaluierbar und deshalb kein verlässliches Kriterium. Aussagen zur Dignität eines Lymphknotens sind mittels Bildgebung nur indirekt über seine Größe möglich. Der sicherste Weg, die T-Kategorie des Ösophaguskarzinoms zu evaluieren, ist der EUS. Der Vorhersagewert der TKategorie mittels EUS liegt in erfahrenen Händen bei deutlich über 80% (Dittler u. Siewert 1993). Kann die Tumorstenose mit dem Ultraschallendoskop nicht passiert werden, muss von einem lokal fortgeschrittenen Tumorstadium ausgegangen werden. Zusätzlich ergibt der EUS auch Informationen zur topographischen Anatomie des Tumors, d. h. zur Art und Richtung des extraösophagealen Wachstums und seiner Umgebungsbeziehung. Zudem kann von der T-Kategorie recht zuverlässig auf die N-Kategorie und R0-Resektabilität geschlossen werden (⊡ Tabelle 35.8, 35.9). Auch mit den neuen hochauflösenden Spiral-CT ist eine verbesserte Aussage zur T-Kategorie möglich geworden. ⊡ Tabelle 35.7. Informationsgewinn durch diagnostische Laparoskopie beim Plattenepithelkarzinom und Adenokarzinom des Ösophagus. (Nach Stein et al. 1997) Lebermetastasen Peritonealkarzinomse Tumorzellen in der Lavage Leberzirrhose Plattenepithelkarzinom des Ösophagus T1/T2-Tumor 0/19 (0%) 0/19 (0%) 0/19 (0%) 2/19 (10,5%) T3/T4-Tumor 3/36 (8,3%) 0/36 (0%) 0/36 (0%) 5/36 (13,9%) Adenokarzinom des distalen Ösophagus T1/T2-Tumor 1/9 (11,1%) 0/9 (0%) 0/9 (0%) 0/9 (0%) T3/T4-Tumor 4/16 (25%) 3/16 (18,6%) 4/16 (25%) 0/16 (0%) 412 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom ⊡ Tabelle 35.8. Rate an kompletten makroskopischen und mikroskopischen Tumorresektionen (R0-Resektion entsprechend der UICC/AJCC-Definition) beim Plattenepithel- und Adenokarzinom des Ösophagus in Abhängigkeit von der pT-Kategorie (Daten der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar, TU München 1982–2000) Plattenepithelkarzinom des Ösophagus (%) Adenokarzinom des distalen Ösophagus (%) pT1 Mukosa (pT1a) 100 100 Submukosa (pT1b) 91 100 pT2 84 84 pT3 70 68 pT4 48 59 Gen-Expressionslevel zeigten in ersten Untersuchungen ebenfalls vielversprechende Ergebnisse als Responseprädiktoren bei neoadjuvanter Polychemotherapie. Responseevaluation mittels klinischer oder konventionell bildgebender Verfahren ist derzeit nicht zuverlässig möglich. In neueren Studien konnte jedoch eine gute Korrelation zwischen dem Abfall der Glukoseaufnahme im Primärtumor in der FDGPET-Untersuchung und dem Ansprechen auf eine Vorbehandlung aufgezeigt werden. Risikoanalyse Nur die Analyse der für die Ösophaguschirurgie als wichtig erkannten Organfunktionen hilft weiter. In der Literatur angegebene Globalscores haben zur Abschätzung des operativen Risikos einer Ösophagektomie enttäuscht (Bartels et al.1997). Beim Plattenepithelkarzinom ist diese Risikoanalyse von ganz besonderer Bedeutung. Aufgrund der epidemiologischen Daten und der regelmäßig vorhandenen Alkoholanamnese steht beim Plattenepithelkarzinom die Analyse der Leberfunktion ganz im Vordergrund. Cave 35 ⊡ Tabelle 35.9. Prävalenz von Lymphknotenmetastasen beim Plattenepithel- und Adenokarzinom des Ösophagus in Abhängigkeit von der pT-Kategorie (Daten der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar, TU München) Plattenepithelkarzinom des Ösophagus (%) Adenokarzinom des distalen Ösophagus (%) pT1 Mukosa (pT1a) 8 0 Submukosa (pT1b) 36 20 pT2 58 67 pT3 74 85 pT4 79 89 Ausschluss eines synchronen Zweitkarzinoms der oberen Luftwege Zweitkarzinome in den oberen Luftwegen finden sich bei bis zu 10% der Patienten mit Plattenepithelkarzinom des Ösophagus. Deshalb ist zu ihrem Ausschluss eine Tracheobronchoskopie sowie Stützlaryngoskopie erforderlich. Responseprädiktoren und Responseevaluation bei neoadjuvanten Therapiekonzepten Da nur Patienten mit einem objektiven Ansprechen auf eine neoadjuvante Radio-/Chemo-Therapie oder alleinige Chemotherapie von multimodalen Therapieprotokollen profitieren, ist eine Erfassung möglicher Responseprädiktoren sowie eine frühzeitige Responseevaluation sinvoll. Derzeit steht hier als wichtigster Prädiktor nur das Grading zur Verfügung. Ein G4-Grading oder der Nachweis kleinzelliger Tumorkomponenten in der prätherapeutischen Biopsie gelten als günstige Hinweise für den Erfolg einer Chemotherapie. Thymidilat-Synthase und ERCC-1- Da eine manifeste Leberzirrhose (Child B und C) eine Kontraindikation für eine Ösophagektomie darstellt, muss ihr Ausschluss mit allen Mitteln erfolgen: sowohl mit Funktionstests (Albumin, Geringungswerte, Aminopyrinatemtest etc.) als auch durch die morphologische Beurteilung (Ultraschall oder CT und, in Zweifelsfällen, die Leberbiopsie). Eine Evaluation der pulmonalen Funktion ist für die beim Plattenepithelkarzinom stets notwendige Thorakotomie wichtig, aber nur selten limitierend, da postoperative Atemhilfen als Therapie zur Verfügung stehen. Die Abklärung der kardiovaskulären Funktion ist obligat, allerdings spielt die koronare Herzkrankheit beim Plattenepithelkarzinom anders als beim Adenokarzinom nur eine geringe Rolle. Wichtig ist auch die Erhebung des peripheren Gefäßstatus durch Doppler und Ultraschall, insbesondere im Bereich der Karotiden. In allen Zweifelsfällen mit arterieller Verschlusskrankheit muss auch die Durchblutungssituation im Bereich des Truncus coeliacus überprüft werden. Ein Hauptproblem der Risikoanalyse v. a. bei Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom ist die Erfassung und Objektivierung der Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit des Patienten (Bartels et al. 1997). Diese ist oft durch jahrelangen Alkoholkonsum deutlich reduziert. Darüber hinaus ist die Erfassung der akuten Alkoholabhängigkeit zum Zeitpunkt der Operation erforderlich, da ein postoperatives Entzugssyndrom die Letalität des Eingriffs um mindestens 50% erhöht. Derzeit ist eine objektive Evaluation dieser Funktionen außerordentlich schwierig. Insgesamt sollte ein Patient mit einem Plattenepithelkarzinom in die derzeit zur Verfügung stehenden relativ aggressiven Therapieprotokolle nur dann einbezogen werden, wenn seine Risikoanalyse eine ausreichende Belastbarkeit ausweist. In der eigenen Klinik werden die einzelnen Organfunktionen mittels eines Scoresystems gewichtet und zusammengefasst (⊡ Tabelle 35.10). Die Erfahrungen mit diesem Scoresystem zeigen, dass Patienten mit einem Gesamtscore von bis zu 21 Punkten mit einem vertretbaren Risiko ösophagektomiert werden können, bei 413 35.4 · Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre 35 ⊡ Tabelle 35.10. Risiko-Score-System. (Nach Bartels et al. 1998b) Parameter Präoperative Einschätzunga (Scorepunkte) Wichtungsfaktorb Allgemeinzustand 1–2–3 4 4 12 Kardiale Funktion 1–2–3 3 3 9 Leberfunktion 1–2–3 2 2 6 Lungenfunktion 1–2–3 2 2 6 11 33 Composite Score (Summe) a b Maximum (Scorepunkte) Präoperative Einschätzung: 1 normal, 2 leichte Einschränkung, 3 schwere Einschränkung. Wichtungsfaktor. einem Gesamt-Score über 21 Punkten steigt das Operationsrisiko deutlich. Circa 30% unserer Patienten werden, trotz eines bereits vorselektionierten Krankengutes, alleine aufgrund dieser Risikoanalyse von einer chirurgischen oder multimodalen Therapie ausgeschlossen (Bartels et al. 1998). 35.4 Minimum (Scorepunkte) Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre wege wird synchron oder metachron ein Plattenepithelkarzinom des Ösophagus diagnostiziert (Stein et al. 1996). 35.4.2 Diagnostik Das diagnostische Vorgehen bei Patienten mit Plattenepithelkarzinom ist in ⊡ Abb. 35.7 zusammengefasst. 35.4.1 Pathogenese und Präkanzerosen 35.4.3 Therapieziele und Indikationsstellung Für die Ätiologie des Plattenepithelkarzinoms werden exogene Noxen verantwortlich gemacht. Als gesichert gilt ein dosisabhängiger Zusammenhang mit Alkoholkonsum, Rauchen sowie dem Verzehr von nitrosaminhaltigen Nahrungsmitteln. Als Präkanzerosen gelten Verätzungsstrikturen und die Achalasie. Bei bis zu 50% der Patienten mit einer autosomal-dominant vererbten Tylose entwickelt sich vor dem 50. Lebensjahr ein Plattenepithelkarzinom des Ösophagus (Stein u. Siewert 1994). Bei bis zu 10% der Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom der oberen Luft⊡ Abb. 35.7. Algorithmus zum diagnostischen und therapeutischen Vorgehen beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus Eine komplette Tumorresektion mit ausreichendem Sicherheitsabstand (R0-Resektion) ohne Gefährdung des Patienten durch den operativen Eingriff ist das Hauptziel jedes chirurgischen Therapieansatzes. Alle Informationen, die im Rahmen des Tumorstagings (insbesondere in Hinblick auf die R0-Resezierbarkeit) und der Risikoanalyse gewonnen werden, müssen gemeinsam bewertet werden. 414 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom ⊡ Tabelle 35.11. Selektion des Therapieprinzips basierend auf prätherapeutischer Einschätzung der Resektabilität des Tumors und funktioneller Operabilität 35 R0-Resektion möglich (lokoregionaler Tumor) R0-Resektabilität fraglich (lokal fortgeschrittener Tumor) Tracheobronchiale Fistel, Fernmetastasen Guter Allgemeinzustand Primäre Resektion Multimodale Therapie Palliation Eingeschränkter Allgemeinzustand Primäre Resektion Multimodale Therapie oder oder definitive Radio-/Chemo-Therapie Palliation Schlechter Allgemeinzustand Definitive Radio-/Chemo-Therapie, ggf. lokale Maßnahmen Definitive Radio-/Chemo-Therapie, ggf. lokale Maßnahmen Palliation Für das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus ergeben sich folgende Therapieentscheidungen (Siewert et al. 1992; ⊡ Tabelle 35.11, vgl. Abb. 35.7): ▬ Ist der Tumor mit hoher Wahrscheinlichkeit R0-resezierbar (T1/T2 oberhalb der Trachealbifurkation, T1/T2/T3 unterhalb der Trachealbifurkation) und erscheint eine Resektion anhand des Risikoscores vertretbar, ergibt sich eine Indikation für eine primäre Ösophagektomie. ▬ Erscheint der Tumor nicht R0-resezierbar (v. a. bei Bezug des Tumors zum Tracheobronchialsystem), ist der Patient aber sonst belastbar und weist keine Fernmetastasen auf, wird er in ein neoadjuvantes Therapieprotokoll aufgenommen. Spricht der Tumor auf die Vorbehandlung an (Evaluation mittels PET) erfolgt eine »Second-line-Resektion« ( s. Abschn. 35.3). ▬ Alle Patienten mit ungünstiger Risikoanalyse oder fortgeschrittenem Tumorstadium – insbesondere beim Nachweis von Fernmetastasen – werden in nichtchirurgische Therapieprotokolle eingeschlossen. Dazu gehören auch Patienten mit existenter oder beginnender Fistelbildung zum Tracheobronchialsystem. 35.4.4 Chirurgische Strategie und Verfahrenswahl Eine Standardisierung der chirurgischen Therapie ist sehr empfehlenswert. Training und Erfahrung können in aller Regel auch in größeren Zentren mit nur 3 bis 4 Operationsverfahren, insbesondere auch hinsichtlich der Erkennung und Therapie von postoperativen Komplikationsmöglichkeiten, gesammelt werden. Die Standardisierung und die Konzentration auf wenige Eingriffe ist ein wesentlicher Beitrag zur Sicherheit in der Ösophaguschirurgie. Andererseits machen es unvorhergesehene Situationen (z. B. geplantes Rekonstruktionsorgan steht nicht wie erwartet zur Verfügung; es stellen sich vorher nicht diagnostizierte Tumorkom- plikation dar) notwendig, dass der Operateur das ganze Spektrum der Ösophaguschirurgie einschließlich der verschiedenen Rekonstruktionsmöglichkeiten im Notfall beherrscht. Empfehlungen für die wichtigsten klinischen Situationen sind in ⊡ Tabelle 35.12 zusammengefasst. Stellenwert und optimales Ausmaß der Lymphadenektomie werden in der Literatur sowohl beim Adenokarzinom als auch beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus nach wie vor kontrovers diskutiert, da ein überzeugender Nachweis einer Prognoseverbesserung durch ausgedehnte Lymphadenektomie in randomisierten Studien bislang nicht belegt ist (Siewert 1999; Nishihira et al. 1998; Stein et al. 2003; Hulscher et al. 2002). Der indirekte Vergleich von Ergebnissen verschiedener Zentren mit unterschiedlicher Strategie bezüglich der Lymphadenektomie weist aber darauf hin, dass, wie beim Magenkarzinom, bei Patienten mit gerade beginnender Lymphknotenmetastasierung ein Prognosegewinn erreichbar sein könnte (Prinzip der sog. D2Lymphadenektomie). Die regionale D2-Lymphadenektomie stellt deshalb im eigenen Vorgehen einen unverzichtbaren Bestandteil der chirurgischen Therapie des Ösophaguskarzinoms dar. Das Ausmaß der Lymphadenektomie richtet sich dabei nach dem histologischen Tumortyp, der Tumorlokalisation und dem Tumorstadium (Fujita et al. 1995; Siewert u. Stein 1999). Beim Plattenepithelkarzinom ist in Anbetracht der häufigen longitudinalen submukösen Lymphangiosis carcinomatosa immer die subtotale Ösophagektomie indiziert. Die subtotale Ösophagektomie und Rekonstruktion kann am besten von rechts-thorakal und abdominal ausgeführt werden. Für einen übersichtlichen Operationssitus während des thorakalen Aktes ist die einseitige Lungenventilation notwendige Voraussetzung. Auch für die übersichtliche Ausführung der mediastina- ⊡ Tabelle 35.12. Plattenepithelkarzinom des Ösophagus: Verfahrenswahl bei der chirurgischen Therapie Klinische Situation Empfohlenes Vorgehen Patienten ohne neoadjuvante Vorbehandlung oder mit neoadjuvanter Chemotherapie Subtotale Ösophagektomie mit Mediastinektomie und Lymphadenektomie (einzeitig) Patienten mit vorangehender Radio- oder Radiochemotherapie Zweizeitiges Vorgehen (»Sicherheitschirurgie«) Zervikales Ösophaguskarzinom Segmentale Resektion des zervikalen Ösophagus nach Vorbehandlung mit kombinierter Radio-/Chemo-Therapie, Jejunuminterposition 415 35.4 · Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre len Lymphadenektomie ist die transthorakale Ösophagektomie von rechts die beste Therapieoption. Die Ösophagektomie selbst sollte immer en bloc, d. h. im Zusammenhang mit einer Mediastinektomie (Entfernung des umgebenden Fett- und Lymphgewebes einschließlich der Pleura mediastinalis und fakultativ der V. azygos und des Ductus thoracicus) durchgeführt werden (Fumagalli et al. 1996). Die Lymphadenektomie ist integraler Bestandteil der En-bloc-Ösophagektomie und beinhaltet: ▬ die periösophagealen Lymphknoten oberhalb des Zwerchfells und entlang der V. cava inferior bis hin zu ihrem Eintritt in das Perikard, ▬ die Lymphknoten im Bereich der Trachealbifurkation, ▬ die Lymphknoten entlang des linken N. recurrens und paratracheal, ▬ das abdominelle suprapankreatische Lymphabflusskompartment um den Truncus coeliacus. Dies entspricht einer D2-Lymhadenektomie entsprechend der japanischen Klassifikation (Fujita et al. 1994; ⊡ Abb. 35.4a,b). Eine weiter ausgedehnte Lymphadenektomie (sog. Drei-Feld-Lymphadenektomie) erhöht deutlich die Morbidität des Eingriffs, ohne dass ihre Effektivität im Hinblick auf eine Prognoseverbesserung gesichert ist (Siewert u. Stein 1999; Baba et al. 1994; Fujita et al. 1995). In Anbetracht der frühen Lymphknotenmetastasierung ist die klassische En-bloc-Ösophagektomie mit mediastinaler und abdomineller Lymphadenektomie auch bei frühen Plattenepithelkarzinomen indiziert (Hölscher et al. 1996). Nur bei dieser Operationsausdehnung kann Heilung erhofft werden. Aus unserer Sicht gibt es beim Plattenepithelkarzinom keinen Platz für limitierte Eingriffe in frühen Tumorstadien. Limitierte Eingriffe, wie sie in Japan propagiert werden, sind nur indiziert bei schweren Dysplasien oder bei reinen Mukosakarzinomen (Carcinoma in situ, pT1a). In der westlichen Hemisphäre kommen derartige Befunde beim Plattenepithelkarzinom praktisch nicht zur Beobachtung. Nicht zuletzt aus diesem Grund bestehen in der westlichen Hemisphäre auch keine Erfahrungen mit derart limitierten Eingriffen. Frühe Plattenepithelkarzinome in der westlichen Hemisphäre sind in der Regel bereits Submukosakarzinome (pT1b) mit einer hohen Rate an Lymphknotenmetastasen. Die Rekonstruktion nach transthorakaler En-bloc-Ösophagektomie erfolgt in der Regel durch Hochzug eines Magenschlauches mit zervikaler Ösophagogastrostomie (Siewert et al. 1995). Eine wichtige Entscheidung betrifft die Interponatslage. Hier kann zwischen dem ehemaligen Ösophagusbett im hinteren Mediastinum und dem substernalen Weg gewählt werden. Bei kleinen Tumoren (T1/2), d. h. sicherer R0-Resektion, ist die Rekonstruktion im hinteren Mediastinum (ehemaliges Ösophagusbett) empfehlenswert. Die Interponatslage im hinteren Mediastinum führt zu einer besseren Schluckfunktion. Bei Tumoren, welche die Ösophaguswand überschreiten (T3/4), und im Rahmen neoadjuvanter Therapieprotokolle, d. h. bei Tumoren mit Bezug zum Tracheobronchialsystem oder bei Tumoren, bei denen ggf. eine postoperative Nachbestrahlung notwendig werden könnte, führen wir die Rekonstruktion im vorderen Mediastinum, d. h. retrosternal aus. Ein weiterer Vorteil der retrosternalen Rekonstruktion ist, dass bei notwendig werdender operativer Revision der zervikalen Anastomose diese leichter zugänglich ist. Aus unserer Sicht gibt es folgende Sondersituationen, welche auch beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus die Durchführung einer intrathorakalen Anastomose rechtfertigen: 35 ▬ Voroperation oder Vorbestrahlung am Hals (z. B. Hypopharynxkarzinom oder Schilddrüsenkarzinom), ▬ Notwendigkeit der sicheren Vermeidung einer Rekurrensparese (Redner, Sänger etc.), ▬ auch grundsätzlich als schulische Alternative zur zervikalen Anastomose. Nachteil der intrathorakalen Anastomose ist, dass die Rekonstruktion nur im hinteren Mediastinum und damit im Tumorbett möglich ist. Daraus ergeben sich Kontraindikationen bei lokal fortgeschrittenen Tumoren. Kommt es zu einer Anastomoseninsuffizienz, ist die Gefährdung des Patienten hoch. Chirurgische Strategie nach neoadjuvanter Therapie beim Plattenepithelkarzinom Die eigene Erfahrung zeigt, dass sich operationstechnisch nach vorangegangener Bestrahlung, kombinierter Radio-/ChemoTherapie oder Chemotherapie keine besonderen Gesichtspunkte ergeben. Von Bedeutung ist allerdings, dass es auch intraoperativ nur sehr schwer möglich ist, zwischen Narbe und Residualtumor zu unterscheiden. Immer besteht eine gewisse Fibrosierung im Bereich des Strahlenfelds, d. h. des Mediastinums. Das Resektionsausmaß nach neoadjuvanter Therapie ist identisch mit dem bei nicht vorbehandelten Patienten, d. h. Kompromisse hinsichtlich der Radikalität erscheinen auch nach neoadjuvanter Behandlung nicht angezeigt. Bezüglich der postoperativen Verläufe ist deutlich zwischen Patienten zu unterscheiden, die eine kombinierte Bestrahlung oder Radio-/Chemo-Therapie erhalten und solchen, die eine alleinige Chemotherapie erhalten haben (Heidecke et al. 2002). Patienten mit Chemotherapie – unabhängig vom jeweils gewählten Therapieprotokoll – bereiten in unserer Erfahrung sowohl intraoperativ wie postoperativ keinerlei Probleme, die von den üblichen Verläufen bei nicht vorbehandelten Patienten abweichen würden. Die Gefährdung eines Patienten nach Chemotherapie ist identisch mit der eines Patienten ohne Vorbehandlung. Ganz anders stellt sich die Situation allerdings bei Patienten mit präoperativer Bestrahlung oder kombinierter Radio-/ChemoTherapie dar. Diese Patienten erfahren zwar postoperativ nicht prinzipiell andere Komplikationen; die Verläufe sind allerdings außerordentlich schlecht. In der eigenen Erfahrung – zunehmend gestützt mehr und mehr Literaturdaten – ist die Gefährdung dieser Patienten deutlich höher. Durch eigene Untersuchungen konnte inzwischen bewiesen werden, dass Patienten mit einer Radio-/Chemo-Therapie in der Tat eine erheblich stärkere Immunsuppression erfahren als Patienten nach Chemotherapie. Diese immunologischen Befunde erklären die schlechten Verläufe bei septischen Komplikationen (Heidecke et al. 2002). Die größte Gefährdung entsteht durch eine Anastomoseninsuffizienz mit konsekutiver Ausbildung einer lokoregionalen Infektion oder gar einer Mediastinitis, diese Patienten haben eine 416 35 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom extrem hohe Letalität. Aus diesem Grunde sind wir dazu übergegangen, bei vorbestrahlten Patienten eine sog. Sicherheitschirurgie auszuführen. Diese Strategie wird von uns auch z. B. bei vorbestrahlten Rektumkarzinomen verfolgt. Leider ist – anders als beim Rektumkarzinom – eine Ausschaltung einer zervikalen oder intrathorakalen Anastomose nicht möglich. Seit einigen Jahren verfolgen wir daher nach vorangegangener Bestrahlung oder Radio-/Chemo-Therapie folgendes Sicherheitskonzept (Stein 2002): ▬ Patienten werden frühstens 3 bis 4 Wochen nach abgeschlossener Radio-/Chemo-Therapie operiert. ▬ Die Operation erfolgt zweizeitig. Bei der ersten Operation erfolgt die rechts-thorakale Ösophagektomie mit mediastinaler Lymphadenektomie. Vor der Operation wird eine endoskopische PEG angelegt. ▬ Die Rekonstruktion wird frühestens nach einer Woche durchgeführt. Innerhalb dieser ersten Woche kann davon ausgegangen werden, dass das hintere Mediastinum ausreichend verklebt ist. Auch bei Auftreten einer Anastomoseninsuffizienz ist die Entwicklung einer Mediastinitis dann nicht mehr zu befürchten. Die Rekonstruktion erfolgt durch Laparotomie und Zervikotomie. Die abdominelle Lymphadenektomie wird zu diesem Zeitpunkt nachgeholt. Die Intestinalpassage wird durch Interposition eines schmalen Magenschlauchs ausgeführt. Der Magenschlauch wird retrosternal zum Hals empor geführt. ▬ Die zervikale Anastomose wird mit Standardtechnik angelegt. In all den Fällen, in denen die Anastomose nicht komplikationslos anzulegen ist, erfolgt die primäre Einlage einer T-Drainage zur Schaffung einer externen Speichelfistel. Dieses zweizeitige Vorgehen im Sinne einer Sicherheitschirurgie hat dazu geführt, dass die Letalität nach neoadjuvanter Radio-/ Chemo-Therapie deutlich zurückgegangen ist, von 13,6% auf unter 4% (⊡ Tabelle 35.13). Die Patienten akzeptieren dieses Protokoll ohne Probleme, da sie ohnehin durch die Vorbehandlung an eine längere Therapiephase gewöhnt sind. Chirurgische Strategie beim zervikalen Ösophaguskarzinom Definitionsgemäß handelt sich beim zervikalen Ösophaguskarzinom um ein Karzinom im Bereich des anatomischen zervikalen Ösophagus. Aus chirurgischer Sicht ist die Voraussetzung für diese Definition, dass der Tumor alleine vom Hals aus ggf. mit oberer Sternotomie, komplett resektabel sein muss. ⊡ Tabelle 35.13. Vergleich der Morbidität und Mortalität der Ösophagektomie nach neoadjuvanter kombinierter Radio-/ Chemo-Therapie: einzeitige Rekonstruktion der Speisepassage vs. zweizeitiges Vorgehen (Patientengut der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar der TU München, 1982–2000) Rekonstruktion Morbidität (%) Postoperative Mortalität (%) Einzeitig (n=66) 51,5 13,6 Zweizeitig (n=61) 31,1 3,3 ⊡ Abb. 35.8. Limitierte segmentale Resektion des zervikalen Ösophagus beim zervikalen Ösophaguskarzinom (in der Regel nach kombinierter neoadjuvanter Radio-/Chemo-Therapie), Rekonstruktion durch Interposition eines freien Dünndarmsegments mit mikrovaskulärem Gefäßanschluss Diese zervikalen Ösophaguskarzinome sind in unserer Erfahrung ein besonders gutes Beispiel für die Effektivität der multimodalen Therapie. Bei diesem Tumortyp ist bei multimodaler Therapie sogar die Möglichkeit einer limitierten Chirurgie gegeben, welche unter Vermeidung von resektiven Eingriffen am Kehlkopf zu einer guten Lebensqualität des Patienten führt (larynxerhaltende »zervikale Ösophagektomie«). Alle Patienten mit T2-, T3- oder T4-zervikalem Ösophaguskarzinom werden deshalb mittels kombinierter Radio-/ChemoTherapie vorbehandelt. Nach Abschluss der Vorbehandlung erfolgt eine segmentale Resektion des zervikalen Ösophagus über einen zervikalen Zugang, ggf. kombiniert mit partieller proximaler Sternotomie. Die Rekonstruktion der Speisepassage erfolgt durch freie Dünndarminterposition (⊡ Abb. 35.8). Die Schluckfunktion und Lebensqualität nach Jejunuminterposition sind ausgezeichnet. Ein dem interponierten Dünndarmsegment zugehöriger »Monitor« wird dabei nach außen vorgelagert und erlaubt so die permanente Kontrolle der Durchblutungssituation des Interponates. 35.4.5 Operationstechnik Vorbereitung für die chirurgische Therapie Zur Operationsvorbereitung gehört immer die endoskopische Diagnostik des Kolons einschließlich der Entfernung evtl. vor- 417 35.4 · Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre 35 handener Polypen, da das Kolon als Ersatzrekonstuktionsorgan zur Verfügung stehen muss. Darüber hinaus kann die Spülung des Kolons für die Endoskopie bereits als Operationsvorbereitung genutzt werden. Der Wert der selektiven Darmsterilisation ist umstritten, sie wird aber in der eigenen Klinik grundsätzlich durchgeführt. Ebenso erforderlich ist die komplette endoskopische Untersuchung des Magens und Duodenums, insbesondere zum Ausschluss peptischer Ulzera. Besteht eine tumorbedingte Stase im Ösophagus, muss der Ösophagus präoperativ ausgiebig gespült werden und ein nicht resorbierbares Antibiotikum und Antimykotikum installiert werden. Immer beginnt präoperativ die parenterale Flüssigkeitssubstitution und der Ausgleich aller pathologischer Elektrolytwerte. Ebenso zur Routine gehört die perioperative Antibiotika- und Thromboembolieprophylaxe. Abdomino-rechts-thorakale En-bloc-Ösophagektomie mit zervikaler Anastomose In Linkseitenlage erfolgt zunächst bei seitengetrennter Intubation eine posterolaterale Thorakotomie im 4. bis 6. Interkostalraum, je nach Höhe der Tumorlokalisation. Die rechtsseitige Pleura mediastinalis wird bei der En-blocÖsophagektomie mitreseziert. Zu diesem Zweck wird sie lateral oder medial der V. azygos und im Bereich des Herzbeutels bzw. des rechten Hauptbronchus inzidiert. Die En-bloc-Ösophagektomie umfasst neben der Speiseröhre die Resektion des Ductus thoracicus, des gesamten mediastinalen Fettgewebes mit Lymphabflussgebieten und, fakultativ, die V. azygos (⊡ Abb. 35.9). Das mediastinale Fettgewebe wird im unteren hinteren Mediastinum von der Aortenadventitia abgehoben. Die Präparation erfolgt außerhalb und hinter dem Ductus thoracicus, der oberhalb des Hiatus oesophageus geklemmt und sicher umstochen werden muss. Nachdem die Aortenadventitia von lateral erreicht ist, erfolgt die weitere Präparation von medial her. Zu diesem Zweck wird direkt auf dem Herzbeutel präpariert. Es empfiehlt sich, in dieser Schicht im untersten Drittel der Speiseröhre bis auf die Aorta vorzupräparieren und dann das gesamte mediastinale Gewebe vor der Aorta stumpf zu umfahren und anzuschlingen. Um die Präparation übersichtlich auf der Aortenadventitia durchführen zu können, sollte die Speiseröhre unmittelbar epidiaphragmal mit einem Klammernahtapparat durchtrennt werden. Die Speiseröhre kann dann mit dem mediastinalen Gewebe angehoben werden und die Präparation direkt auf der Aortenadventitia erfolgen. Auf diese Weise können die direkten Äste der Aorta in Höhe der Trachealbifurkation übersichtlich dargestellt und versorgt werden. In der Trachealbifurkation findet sich meist ein größeres Lymphknotenpaket, welches en bloc mit dem Ösophaguspräparat aus der Trachealbifurkation herauspräpariert wird. Die Präparation setzt sich dann auf dem linken Stammbronchus fort. Häufig hat der Tumor hier Kontakt zum linken Stammbronchus aufgenommen. Die Kurabilität der Resektion entscheidet sich dann in diesem Bereich. Die weitere Präparation erfolgt entlang der Trachealhinterwand nach zervikal. Auch von lateral muss die Speiseröhre in diesem ▼ ⊡ Abb. 35.9. Resektionsausmaß bei der transthorakalen En-blocÖsophagektomie Bereich scharf freipräpariert werden. Es erfolgt die Darstellung des linken N. recurrens an der abgewandten Seite der Trachea mit Entfernung von Lymphknoten entlang des Nerven. Im oberen Mediastinum kann die Resektion der Speiseröhre nicht mit gleicher Radikalität wie im unteren Mediastinum erfolgen, sodass hier das Mediastinum palpatorisch auf die Existenz weiterer Lymphknoten hin überprüft werden muss. Etwaige tastbare Lymphknoten werden zusätzlich entfernt. Die Durchtrennung des Ösophagus erfolgt etwa 1 bis 2 Querfinger unter der Pleurakuppe, um einen ausreichend langen zervikalen Ösophagusstumpf für die Anastomose zu belassen. Natürlich wird die Länge des Ösophagusrestes vom Tumorsitz bestimmt. Abschließend findet sich im hinteren Mediastinum eine an der vorderen und medialen Seite vollständig freipräparierte Aorta, die Pleura mediastinalis links, die rechte laterale Perikardwand und eine vollständige freipräparierte Trachea mitsamt Bifurkation (⊡ Abb. 35.9). Nach Einlage einer dicken Pleuradrainage in den Bereich der Pleurakuppel und Verschluss der Thorakotomie erfolgt die Umlagerung des Patienten in Rückenlage und Umintubation (Aufgabe der einseitigen Ventilation). Die Laparotomie sollte einen großzügigeren Zugang zum Oberbauch gewährleisten. Wir bevorzugen einen Oberbauchquerschnitt mit Verlängerung in der Medianen bis zum Xiphoid in Form eines umgekehrten T. Zur Vorbereitung des Magens für die Rekonstruktion der Speisepassage erfolgt die Skelettierung der großen Kurvatur außerhalb der gastroepiploischen Gefäße. 418 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom ⊡ Abb. 35.10a–b. Magenschlauchbildung Cave 35 Besondere Aufmerksamkeit ist dem Abgang der V. gastroepiploica dextra aus der V. mesenterica superior zu widmen, weil eine Läsion in diesem Bereich die Mageninterposition definitiv verhindert. Wichtig ist es auch, die anatomischen Varianten des Verlaufs der gastroepiploischen Gefäße genau zu kontrollieren, um eine möglichst optimale Durchblutung über diese Gefäße auch des Magenfundus für die Magenschlauchbildung zu erhalten. In Anbetracht der Sorgfalt, die die Skelettierung der großen Kurvatur erfordert, empfiehlt es sich, das gesamte große Netz vom Kolon abzulösen und mit dem Magen zusammen vor die Bauchhöhle zu verlagern. Auf diese Weise kann man, mit oder ohne Diaphanoskopie, eine sichere Präparation und damit Schonung der gastroepiploischen Gefäße erreichen. An der kleinen Kurvatur erhalten wir die A. gastrica dextra; die A. gastrica sinistra wird stammnahe ligiert. Dies erfolgt im Rahmen der zöliakalen Lymphadenektomie. Nach Präparation des Netzes vom Kolon und Hochschlagen des Magens ist die Bursa omentalis weit offen. Die Lymphadenektomie erfolgt suprapankreatisch und um den Truncus coeliacus herum. Sie beginnt medial des Abgangs der A. gastrica dextra mit Freipräparation der A. hepatica communis. Nach der stammnahen Ligatur der A. gastrica sinistra wird auch die A. lienalis bis in den Milzhilus hinein freipräpariert. Der Magen ist dann mobil, da der Ösophagus ja bereits von thorakal her abgesetzt ist. Er kann jetzt insgesamt aus dem Bauchraum hervorgezogen werden. Dies erleichtert die Magenschlauchbildung. Unsere Erfahrung spricht eindeutig für die Rekonstruktion mit einem schlanken Magenschlauch. Nur ein schlanker Magenschlauch hat eine sichere Durchblutung über die gastroepiploischen Gefäße. Darüber hinaus ist ein schlanker Magenschlauch von besonders guter Transportfunktion und erreicht praktisch immer eine ausreichende Länge, um die Anastomose sowohl hoch intrathorakal als auch am Hals ausführen zu können. Er entspricht zudem dem zur Verfügung stehendem retrosternalem Raum (keine Kompression). Im Bereich der kleinen Kurvatur des Magens beginnt die Lymphadenektomie in Höhe des »Krähenfußes« (in Zeiten der Vagotomie gut bekannter Eintrittspunkt des N. Latarjet und damit der Antrumgrenze). Von hier aus wird die Skelettierung der kleinen Kurvatur nach oral schrittweise ausgeführt. Der Magen wird dabei am obersten Punkt (meist deutlich links der Kardia im Bereich des Magenfundus) gefasst und in die Länge gezogen. Nach Präparation von etwa 5 cm oberhalb des Krähenfußes erfolgt dann die Bildung eines schlanken Magenschlauchs mit dem Stapler (⊡ Abb. 35.10a–b). Das so gewonnene Präparat enthält die orale kleine Kurvatur oberhalb des Krähenfußes inklusive Magenfundus und die zöliakalen Lymphknoten (entsprechend dem Kompartment 2 beim Magenkarzinom) in einem Stück (»en bloc«). Als Standardvorgehen wählen wir die zervikale Anastomose. Dafür wird der zervikale Ösophagusstumpf von links-zervikal her freigelegt (Cave: Läsion des linken N. recurrens!). Wir führen immer eine End-zu-End-Anastomose mit einreihiger allsichtiger Nahttechnik durch (⊡ Abb. 35.11a–b). Speichelfisteln entwickeln sich zwar häufig, sind aber, solange sie sich nach außen drainieren, ohne klinische Relevanz. Probleme entstehen nur bei mediastinaler Drainage der Insuffizienz, d. h. Insuffizienzen im Bereich der Hinterwand ohne äußere Drainage. In allen Zweifelsfällen sollte so rasch wie möglich ein T-Drain zur Drainage des Speichels nach außen in die zervikale Anastomose eingelegt werden. Der Magenschlauch wird entsprechend der gewünschten Lage retrosternal (immer bei zweizeitigem Vorgehen) oder im hinteren Mediastinum zum Hals hochgezogen. Für diesen Durchzugsvorgang wird er durch eine Plastiktüte geschützt. 419 35.5 · Adenokarzinom der Speiseröhre (»Barrett-Karzinom«) 35 ⊡ Abb. 35.11a–b. Zervikale Ösophagogastrostomie End-zu-End, einreihige Nahttechnik 35.5 Adenokarzinom der Speiseröhre (»Barrett-Karzinom«) 35.5.1 Pathogenese und Präkanzerosen Adenokarzinome im Bereich der Speiseröhre können sich aus persistierenden Zylinderepithelinseln (embryonal ist der Ösophagus zuerst mit Zylinderepithel, erst später mit Plattenepithel ausgekleidet), aber auch aus dem Epithel von Schleimdrüsen entwickeln. Mit Abstand am häufigsten jedoch entstehen sie auf dem Boden einer spezialisierten intestinalen Metaplasie im distalen Ösophagus. Diese Veränderung wird in der Literatur als Endobrachyösophagus oder Barrett-Ösophagus (nach dem britischen Chirurgen Norman Barrett) bezeichnet (Spechler u. Goyal 1996; Stein u. Siewert 1993). Bei Patienten mit bekanntem Barrett-Ösophagus besteht im Vergleich zur Normalbevölkerung ein ca. 100-mal höheres Risiko für die Entwicklung eines Adenokarzinoms des Ösophagus (Spechler u. Goyal 1996; Stein u. Siewert 1993). Eine intestinale Metaplasie lässt sich bei mehr als 80% der Patienten mit Adenokarzinom im Ösophagus nachweisen, der Tumor wird deshalb auch häufig als Barrett-Karzinom bezeichnet. Der Barrett-Ösophagus selbst ist Folge eines langjährigen Refluxes von Säure und Duodenalinhalt in den distalen Ösophagus. In eigenen Untersuchungen konnte bei 85% der Patienten mit Barrett-Ösophagus oder frühem Barrett-Karzinom ein vermehrter Reflux von Säure und Galle in den distalen Ösophagus nachgewiesen werden (Stein et al. 1998). Anhand epidemiologischer Untersuchungen besteht für Patienten mit rezidivierenden Refluxbeschwerden ein 7,7fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Adenokarzinoms im distalen Ösophagus. Bei lang dauernder schwerer Refluxkrankheit ist das Risiko für die Entwicklung eines Adenokarzinoms im distalen Ösophagus sogar 43,5fach erhöht (Lagergren et al. 1999b). Damit besteht ein direkter und vermutlich kausaler Zusammenhang zwischen der häufigsten gutartigen Erkrankung des oberen Gastrointestinaltrakts, der gastroösophagealen Refluxkrankheit, und dem Adenokarzinom im distalen Ösophagus (Stein et al. 2000a). Rauchen und Übergewicht, aber nicht Alkoholabusus, stellen weitere Risikofaktoren für ein Adenokarzinoms des Ösophagus dar (Lagergren et al. 1999a, Gammon et al. 1997). Im Gegensatz zum Magenkarzinom, scheint eine Helicobacter-pylori-Infektion einen gewissen Schutz vor der Entstehung eines Barrett-Karzinoms zu bieten (Chow et al. 1998). Der Mechanismus dieses protektiven Effekts ist bislang unklar. Gemeinsam mit der zunehmenden Häufigkeit des Adenokarzinoms im distalen Ösophagus gibt ihm der Zusammenhang mit der Refluxkrankheit eine besonders hohe klinische Relevanz. Der Übergang von der refluxinduzierten intestinalen Metaplasie des Ösophagus zum invasiven Karzinom gilt heute als besonders wichtiges Beispiel der Onkogenese, da aufgrund der leichten Zugänglichkeit des distalen Ösophagus endoskopische und bioptische Verlaufsuntersuchungen möglich werden. Derartige tumorbiologische Untersuchungen zeigen, dass die maligne Transformation beim Adenokarzinom des Ösophagus schrittweise über verschiedene Stufen von der intestinalen Metaplasie über eine geringgradige Dysplasie zur hochgradigen Dysplasie hin zum invasiven Karzinom verläuft (Werner et al. 1999; ⊡ Abb. 35.12). Im Verlauf dieser Metaplasie-Dysplasie-Karzinom-Sequenz konnte ▬ eine zunehmende genomische Instabilität mit Abnormalitäten im Zellzyklus, ▬ das Auftreten von aneuploiden Zellfraktionen, ▬ Mutationen in einer Reihe von Onkogenen und Tumorsuppressorgenen sowie ▬ eine verminderte Expression von Zelladhäsionsmolekülen aufgezeigt werden. Die klinische Bedeutung dieser Einzelbeobachtungen ist jedoch derzeit noch unklar. 420 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom ⊡ Abb. 35.12. Metaplasie-DysplasieKarzinom-Sequenz beim Adenokarzinom des Ösophagus als Folge einer chronischen Refluxkrankheit und vermutete Abfolge molekularer Veränderungen 35 Entscheidend beim Adenokarzinom des distalen Ösophagus (Barrett-Karzinom oder AEG Typ 1) ist die topographisch-anatomische Differenzierung vom eigentlichen Kardiakarzinom (AEG Typ 2) und dem die Kardia infiltrierenden subkardialen Magenkarzinom (AEG Typ 3; Siewert et al. 2000; Kap. 36). Am sichersten ist die Diagnose des Barrett-Karzinoms, wenn es gelingt, endoskopisch oder histologisch einen Endobrachyösophagus, d. h. eine spezialisierte intestinale Metaplasie neben dem eigentlichen Tumor aufzuzeigen. Ein weiterer indirekter Hinweis ist der intestinale Wachstumstyp. Subzelluläre Marker können ebenfalls weiterhelfen (z. B. p53-Mutationen sind beim BarrettKarzinom deutlich seltener als beim AEG Typ 2 und 3). Bei lokal fortgeschrittenen Tumoren muss die Diagnose anhand der Lokalisation der Tumormasse erfolgen. Eine Lokalisation von mehr als 50% der Tumormasse im tubulären Ösophagus gilt hier als Beweis für das Vorliegen eines AEG Typ 1 (Siewert u. Stein. 1999). Die Abgrenzung des Barrett-Karzinoms zu den AEG Typ 2 und 3 hat therapeutische Relevanz, weil die letztgenannten Tumortypen als Magenkarzinome verstanden und entsprechend behandelt werden ( s. Kap. 36). 35.5.2 Barrett-Frühkarzinom Beim frühen Adenokarzinom des distalen Ösophagus ist eine Bestimmung der endoskopischen Länge des Endobrachyösophagus erforderlich. Diese Längenbestimmung ist wichtig, da die komplette Entfernung des gesamten Endobrachyösophagus mit seinem potenziellen Entartungsrisiko unabdingbares Therapieziel sein muss (Stein et al. 2000c; Spechler u. Goyal 1996). Von akademischen Interesse sind zusätzliche Biopsien aus dem Endobrachyösophagus zum Nachweis multizentrischer Herde mit Dysplasie. 35.5.3 Therapieziele und Indikationsstellung Auch beim Adenokarzinom des Ösophagus wird die Therapieentscheidung orientiert an den Prognosefaktoren und an der Möglichkeit einer R0-Resektion getroffen (Siewert et al. 1994, 1997). Dabei ist die T-Kategorie entscheidend, an der N-Kategorie kann die Entscheidung nicht festgemacht werden. Keineswegs dürfen vergrößerte Lymphknoten, z. B. an der kleinen Kurvatur oder entlang der A. gastrica sinistra, als Fernmetastasierung gewertet werden; vielmehr stellen diese Lymphknoten die erste Metastasenstation des Barrett-Karzinoms dar. Eine komplette Tumorresektion ist beim Adenokarzinom des distalen Ösophagus bis zur T3-Kategorie mit einer hohen Wahrscheinlichkeit möglich. Erst bei einer T4-Kategorie kann mit großer Wahrscheinlichkeit mittels primärer Resektion keine R0-Situation mehr erreicht werden. Eine neoadjuvante Vorbehandlung ist damit v. a. bei Patienten mit T4-Kategorie sinnvoll. Eigene in Phase-II-Studien erhobene Daten deuten darauf hin, dass auch Patienten mit T3Tumoren von einer neoadjuvanten Therapie profitieren können ( s. Abschn. 35.9.2, Multimodale Therapie). Aufgrund dieser Daten stellen wir derzeit die Indikation zur primären Resektion nur bei T1/T2-Tumorkategorien. Patienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren T3/4 werden in multimodale Therapieprotokolle eingebracht (⊡ Abb. 35.13). Kontrovers diskutiert wird das Vorgehen beim Nachweis von hochgradigen Dysplasien im Endobrachyösophagus. Da bei bis zu 50% dieser Patienten im Resektat ein invasives Karzinom nachgewiesen werden kann, empfehlen wir, bei Bestätigung der hochgradigen Dysplasie durch zwei erfahrene Pathologen, auch bei fehlendem makroskopischen Tumorkorrelat die (limitierte) Resektion (Stein et al. 2000c). Eine endoskopische Mukosaresektion kommt vor allem für funktionell inoperable Patienten infrage (Ell et al. 2000). Die Splenektomie gehört beim Adenokarzinom des Ösophagus nicht zum Standardvorgehen. Die belassene Milz ist geeignet, postoperative septische Komplikationen zu verhindern. Die Analyse der Lymphabflusswege und der Lymphknotenmetastasie- 421 35.5 · Adenokarzinom der Speiseröhre (»Barrett-Karzinom«) 35 ⊡ Abb. 35.13. Algorithmus zum diagnostischen und therapeutischen Vorgehen beim Adenokarzinom des distalen Ösophagus rung hat darüber hinaus gezeigt, dass beim Barrett-Karzinom, im Gegensatz zum Adenokarzinom der Kardia oder subkardialen Magenkarzinom, nur selten Lymphknotenmetastasen im Bereich des Milzhilus zu finden sind (Aikou u. Shimazu 1989). 35.5.4 Chirurgische Strategie Empfehlungen für die wichtigsten klinischen Situationen sind in ⊡ Tabelle 35.14 zusammengefasst. Das Barrett-Karzinom weist nur selten eine Lymphangiosis carcinomatosa auf, sodass – wie beim intestinalen Typ des Magenkarzinoms – Resektionsabstände individuell gewählt werden können. Immer muss aber der gesamte Endobrachyösophagus, d. h. das gesamte Segment mit intestinaler Metaplasie, entfernt werden. Dafür ist die präoperative Festlegung der Länge des Endobrachyösophagus wichtig, weil diese Situation intraoperativ nicht diagnostizierbar ist. Der Sicherheitsabstand nach aboral ist ebenfalls wichtig. ⊡ Tabelle 35.14. Adenokarzinom des Ösophagus: Verfahrenswahl bei der chirurgischen Therapie Klinische Situation Empfohlenes Vorgehen Adenokarzinom im distalen Drittel der Speiseröhre mit oder ohne vorangehende neoadjuvante Therapie Abdomino-rechts-thorakale Resektion oder radikale transmediastinale Ösophagektomie und Fundektomie T1-Barrett-Karzinom oder hochgradige Dysplasie im Barrett-Ösophagus Möglichkeit der limitierten Resektion des distalen Ösophagus und proximalen Magens, Jejunuminterposition Adenokarzinom im mittleren oder oberen Speiseröhrendrittel Transthorakale, subtotale Ösophagektomie mit Mediastinektomie und Lymphadenektomie Grundsätzlich erfolgt die proximale Magenresektion mit Lymphadenektomie entlang der kleinen Kurvatur bis hin zum Krähenfuß. Dies führt immer zur Bildung eines schlanken Magenschlauchs, um ein adäquates Resektionsausmaß im Bereich des Magens sicherzustellen. Zu entscheiden ist, ob dieses Resektionsausmaß durch radikale transmediastinale Ösophagektomie und Fundektomie erreicht werden kann oder ob eine abdomino-rechts-thorakale Resektion erforderlich ist. Eine weitere Alternative ist die von der »Belsey-Schule« propagierte abdomino-links-thorakale Resektion: Sie hat aber den Nachteil der eingeschränkten Übersichtlichkeit nach oral (Ösophagusresektion hinter dem Aortenbogen) und nach aboral für die Lymphadenektomie in den Lymphknotenpositionen 12 und 13. Im eigenen Vorgehen bevorzugen wir beim Adenokarzinom des distalen Ösophagus daher die radikale transmediastinale Ösophagektomie und Fundektomie oder ein abdomino-rechts-thorakales Vorgehen. Die radikale transmediastinale Ösophago-Fundektomie beim Adenokarzinom des distalen Ösophagus bezieht ihre Berechtigung aus der Tatsache, dass Lymphknotenmetastasen oberhalb der Trachealbifurkation beim Barrett-Karzinom nur bei sehr fortgeschrittenen Tumorstadien oder einer bereits ausgedehnten Lymphknotenmestasierung abdominal und im unteren Mediastinum auftreten (Siewert et al. 1994). Ein prognostischer Gewinn kann bei derartigen Situationen durch eine ausgedehnte Lymphadenektomie vermutlich nicht mehr erzielt werden. Argumente für die Entscheidung zu Gunsten einer radikalen transmediastinalen Ösophago-Fundektomie bei Patienten mit Adenokarzinom des distalen Ösophagus können sein ▬ ältere Patienten (Risikoreduktion durch Unterlassung der Thorakotomie) und ▬ Patienten nach neoadjuvanter Therapie (in der Regel lokal fortgeschrittene Tumoren) mit unzureichender Response. 422 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom ⊡ Abb. 35.14a,b. Limitierte Resektion des distalen Ösophagus, ösophagogastralen Übergangs und proximalen Magens und Rekonstruktion durch Interposition eines isoperistaltischen, gestielten Jejunumsegments. a Schemazeichnung. b Postoperative Röntgenkontrastdarstellung 35 Indikationen für die rechts-thorakale Ösophagektomie und abdominelle Fundektomie beim Adenokarzinom des distalen Ösophagus Weit intrathorakal lokalisierter Primärtumor, Hinweise auf Lymphknotenmetastasierung in Höhe der Trachealbifurkation oder höher in der präoperativen CT oder PET, Voroperationen am Hals (Hypopharynxkarzinom, Strumaresektion etc.), belastbarer junger Patient mit guter Prognose, Patienten nach neoadjuvanter Therapie mit guter Response. Als Sondersituation können das T1-Barrett-Karzinom und die hochgradige Dysplasie im Barrett-Ösophagus gelten. Da bei diesen frühen Tumorstadien Lymphknotenmetastasen und auch ein Lymphknotenmikroinvolvement extrem selten sind, eröffnet sich hier die Chance einer limitierten Chirurgie (Stein et al. 2000c). Diese beinhaltet die lokoregionale Resektion des distalen Ösophagus (immer unter Entfernung des gesamten Endobrachyösophagus!) und des proximalen Magens. Eine adäquate Lymphadenektomie ist bei dieser Operation leicht möglich. Nach Absetzen des distalen Ösophagus und proximalen Magens besteht ein freier Zugang zum Truncus coeliacus. Die Rekonstruktion erfolgt am besten mit Interposition eines gestielten Dünndarmsegments (analog der von Merendino empfohlenen Operation bei der Refluxkrankheit; ⊡ Abb. 35.14a,b) oder durch Interposition eines Kolonsegments (Colon transversum bzw. linke Kolonflexur gestielt am aufsteigenden Ast der A. colica sinistra). Diese limitierte Chirurgie geht mit einer guten Schluckfunktion einher und gewährt dem Patienten eine ausgezeichnete postoperative Lebensqualität. In seltenen Fällen ist ein Adenokarzinom im mittleren oder oberen Drittel der Speiseröhre lokalisiert. Hier gilt dann die gleich Verfahrenswahl wie beim Plattenepithelkarzinom. 423 35.5 · Adenokarzinom der Speiseröhre (»Barrett-Karzinom«) 35.5.5 Operationstechnik Abdomino-rechts-thorakale Ösophagektomie und Fundektomie mit intrathorakaler Anastomose Der Eingriff beginnt mit der Laparotomie (Patient in Rückenlage) und mit der Vorbereitung des Magens für die spätere Interposition. Ebenfalls integrierter Bestandteil dieser Operation ist die abdominelle Lymphadenektomie supraprankreatisch und perizöliakal. Die Magenschlauchbildung muss von abdominal her bei nicht mobilisiertem intraabdominellen Magen erfolgen. Bei adipösen Patienten oder bei fehlender Übersicht kann der Magen präliminär in Höhe der Kardia mit einem Klammernahtgerät (GIA) durchtrennt werden. Dann lässt sich der Magen hervorluxieren, und die Magenschlauchbildung kann übersichtlich am mobilisierten Magen wie oben beschrieben erfolgen. Unter normalen Umständen wird der Magen, in etwa beginnend am Krähenfuß der kleinen Kurvatur hin zum höchsten Punkt des Fundus, mit dem GIA durchtrennt, so dass beide Seiten verschlossen sind und eine Kontamination des Operationsgebietes vermieden wird. Nach vollständiger Bildung des Magenschlauchs werden die beiden Magenhälften erneut durch zwei oder drei Situationsnähte wieder miteinander vereint, damit sie von thorakal her leicht gemeinsam in den Thorax gezogen werden können. Der Hiatus muss nicht ganz so weit wie bei der radikalen transmediastinalen Ösophagektomie eröffnet werden. Die Resektion einer Zwerchfellmanschette im Bereich des Tumors herum gilt jedoch als Standard. Es empfiehlt sich bereits in dieser Phase, die rechte Pleura mediastinalis zu eröffnen. Auf diese Weise kann man den abgesetzten proximalen Magen und den vorbereiteten Magenschlauch in die rechte Pleurahöhle schieben. Danach erfolgt der Verschluss des Abdomens. Nach der abdominellen Präparation wird der Patient auf die linke Seite umgelagert und von rechts thorakotomiert. Die En-bloc-Ösophagektomie erfolgt wie bereits beim Plattenepithelkarzinom beschrieben, d. h. einschließlich der Lymphadenektomie im Mediastinum. Der Eingriff wird mit einer intrathorakalen Anastomose beendet. Wichtig ist dabei, dass diese Anastomose immer hoch, d. h. deutlich oberhalb V. azygos angelegt wird. Auch bei diesem Vorgehen erfolgt die Rekonstruktion mit einem schlanken Magenschlauch. Ein komplett oder größtenteils in den Thorax verlagerter Ganzmagen führt zu schlechten funktionellen Ergebnissen. Als Folge der Denervierung des Magens resultiert bei in den Thorax verlagertem Ganzmagen meist eine Stase mit sekundärem gastroösophagealem Reflux und entsprechend schlechter Lebensqualität. 35 Radikale transmediastinale Ösophago-Fundektomie Der Eingriff erfolgt in Rückenlage des Patienten. Eine seitengetrennte Intubation ist nicht erforderlich. Wichtig ist ein großzügiger Zugang zum Oberbauch (umgekehrter T-Schnitt), eine weite Spaltung des Hiatus und der Einsatz spezieller mechanischer Retraktoren (⊡ Abb. 35.15a). Auf diese Weise hat der Operateur einen guten Zugang zum hinteren Mediastinum. Das folgende Resektionsausmaß ist notwendig: ▬ Resektion einer Zwerchfellmanschette im Bereich des Tumors, (⊡ Abb. 35.15b) ▬ Mediastinektomie entlang des Perikards mit Resektion der Pleura mediastinalis beidseits, ▬ Freilegung der Aortenvorderwand und Lymphadenektomie bis zur unteren Lungenvene (⊡ Abb. 35.15d). Alle den Ösophagus umgebenden Strukturen im unteren hinteren Mediastinum werden damit en bloc mit dem Ösophagus entfernt (⊡ Abb. 35.15c). Der zervikale Ösophagus wird über einen Zugang am Vorderrand des linken M. sternocleidomastoideus freigelegt, angeschlungen und mittels Stapler abgesetzt (Cave: N. recurrens links!). Die Mobilisierung der Speiseröhre zwischen Trachealbifurkation und oberer Thoraxapertur erfolgt durch stumpfe Dissektion von abdominal und zervikal (⊡ Abb. 35.15d). Fakulativ kann dieser Schritt durch eine mediastinoskopische Endodissektion ergänzt werden. Zu diesem Zweck wird von der zervikalen Inzision ein modifiziertes Mediastinoskop direkt entlang der Ösophaguswand in das Mediastinum eingeführt. Auf diese Weise kann eine komplette Dissektion der oralen Hälfte der Speiseröhre unter Sicht erfolgen. Als Vorteile für diese Endodissektion können angeführt werden: ▬ die Möglichkeit der Lymphknotenexstirpation bzw. Biopsie im oberen Mediastinum, ▬ die sichere Schonung des N. recurrens und ▬ eine deutliche Zeitersparnis. Zur Vorbereitung des Magens für die Interposition ist die Skelettierung der großen Kurvatur unter peinlicher Schonung der gastroepiploischen Gefäße notwendig. Diese Skelettierung lässt sich am besten ausführen, wenn man das gesamte Netz vom Querkolon löst und dieses gemeinsam mit dem Magen aus dem Abdomen hervorzieht ( s. oben). Die abdominelle Lymphadenektomie beginnt medial der A. gastrica dextra, entlang der A. hepatica communis, und wird bis hin zum Truncus coeliacus fortgesetzt. Hier erfolgt die abgangsnahe Ligatur und Durchtrennung der A. gastrica sinistra. Die Lymphadenektomie wird entlang der A. lienalis bis in den Milzhilus fortgeführt. Bei dieser Operationstechnik befinden sich am Ende der Operation alle Lymphknoten am Präparat und können durch den Pathologen qualitativ und quantitativ exakt analysiert werden. Der Ösophagus und der gesamte Magen sind nun frei. Der Ösophagus kann nach stumpfer Dissektion aus dem Mediastinum hervor gezogen werden. Nach Vorverlagerung von Ösophagus ▼ 424 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom 35 ⊡ Abb. 35.15a–d. a Darstellung des hinteren unteren Mediastinums von transabdominell und d stumpfe Dissektion des Ösophagus von abdominal und zervikal. b,c Resektionsausmaß in hinteren unteren Mediastinum und Magen kann nunmehr das endgültige Resektionsausmaß festgelegt werden. Am Magen beginnt die Präparation in Höhe des sog. Krähenfußes (Bezugspunkt bei der Vagotomie!) und setzt sich unter Skelettierung der kleinen Kurvatur nach oral hin fort. Durch dieses Resektionsausmaß kommt man automatisch zu einem schmalen Magenschlauch, da aus onkologischen Gründen (Lymphadenektomie und Sicherheitsabstand zum Primärtumor!) eine Fundektomie notwendig wird. Am Ende befinden sich alle Lymphknoten der kleinen Kurvatur und des perizöliakalen Raums am Resektat. Die Rekonstruktion erfolgt durch den gebildeten Magenschlauch im hinteren oder vorderen Mediastinum. Die Entscheidung über den Rekonstruktionsweg orientiert sich an der ▼ T-Kategorie. Nur bei sicherer R0-Resektion sollte die Rekonstruktion im Tumorbett, d. h. im hinteren Mediastinum, erfolgen, anderenfalls retrosternal. Die Operation endet mit der zervikalen Anastomose. 35.6 Postoperative Behandlung Die postoperative Behandlung sollte, wie der operative Eingriff, ebenfalls standardisiert erfolgen. Sie findet initial auf der Intensivpflegestation statt und beinhaltet als wichtigstes Kriterium die Frühextubation (Bartels et al. 1998a). Weitere wesentliche Maßnahmen zur Vermeidung pulmonaler Komplikationen sind 425 35.7 · Intra- und postoperative Komplikationen 35 ▬ die gute postoperative Analgesierung (z. B. mittels Periduralkatheter), ▬ die frühzeitige Mobilisierung, ▬ apparative Maßnahmen zur Atemvertiefung (»incentive spirometer«) ▬ die regelmäßige bronchoskopische Bronchialtoillette, ▬ die rasche Drainage eines nicht selten auftretenden postoperativen Pneumothorax oder Pleuraergusses, ▬ die Entlastung eines im Mediastinum geblähten Interponatorgans durch korrekte Positionierung der Magensonde, ▬ die Sicherstellung einer ausgeglichenen oder negativen Flüssigkeitsbilanz. Die orale Flüssigkeitszufuhr beginnt am 4. bis 6. Tag, wobei zu Beginn häufig Anschluckstörungen bestehen, sodass eine sorgfältige Überwachung zur Vermeidung einer Aspiration notwendig ist. 35.7 Intra- und postoperative Komplikationen Durch Standardisierung der Resektions- und Rekonstruktionstechniken, Fortschritte im postoperativen Management und sorgfältige Patientenselektion lässt sich eine Ösophagusresektion mit systematischer Lymphknotendissektion und Rekonstruktion der Speisepassage an erfahrenen Zentren mit einer Mortalität von weniger als 5% durchführen. Im eigenen Patientengut liegt die postoperative Mortalität durch konsequenten Einsatz des eingriffsspezifischen Risikoscores und entsprechende Patientenselektion seit 1994 unter 2% (⊡ Abb. 35.16). Das Alter des Patienten, der chirurgische Zugangsweg (transthorakal vs. transmediastinal) und das Tumorstadium haben dabei keinen Einfluss auf die Mortalität. Wenn die Versorgung des Ductus thoracicus sicher erfolgt, ist die Entwicklung eines Chylothorax sehr selten. In der postoperativen Phase manifestiert sich ein Chylothorax durch Ausfluss größerer Mengen von Lymphe über die Thoraxdrains. Diese Lymphe nimmt einen milchig-trüben Aspekt an, sobald die enterale Ernährung gestartet wird. Bei geringgradiger Lymphorrhö kann ein Chylothorax spontan ausheilen. Sehr häufig ist jedoch eine operative Revision mit dem Ziel des definitiven epiphrenischen Verschlusses des Ductus thoracicus erforderlich. Cave Eine besonders schwerwiegende Komplikation ist die Entwicklung einer tracheobronchialen Fistel. Nach eigener Erfahrung entstehen derartige Läsionen entweder auf dem Boden einer lokalen Ischämie oder als Folge intraoperativer Läsionen v. a. bei Tumoren mit Bezug zum Tracheobronchialsystem nach neoadjuvanter Radio-/Chemo-Therapie (Bartels et al. 1998c). Werden diese Läsionen noch intraoperativ bemerkt, können sie direkt versorgt werden (Naht, Fibrinkleber, Pleuralappendeckung). Im weiteren postoperativen Verlauf stellen sie eine schwerwiegende Komplikation dar, insbesondere dann, wenn noch eine mechanische Ventilation notwendig ist. Wünschenswert ist, dass der Patient so rasch wie möglich zur Spontanatmung zurückkehrt, um pathologische Druckverhältnisse im Tracheobronchialsystem zu vermeiden. Ist eine rasche Abdichtung ⊡ Abb. 35.16. Postoperative Mortalität nach Ösophagektomie im Verlauf der letzten 18 Jahre (Patientengut der Chirurgischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar, TU München 1982–2002) derartiger Läsionen mittels bronchoskopischer Fibrinklebung oder Stentimplantation nicht möglich, beträgt die Letalität dieser Komplikation etwa 50%. Die Todesursache ist eine septische Mediastinitis, die häufig zu Arrosionsblutungen führt. Rekurrensparesen spielen sich meist auf der linken Seite ab. Der linke N. recurrens ist sowohl bei der zervikalen Präparation als auch bei der Lymphadenektomie im Mediastinum gefährdet. Die radikale zervikale und obere mediastinale Lymphadenektomie ist selbst in japanischen Serien mit Rekurrenspareseraten von bis zu 60% behaftet. Im eigenen Vorgehen liegt die Rate an permanenten Rekurrensparesen bei Standardlymphadenektomie im Bereich des oberen Mediastinums unter 10%. Bezüglich der Sprachfunktion ist die einseitige Rekurrensparese meist kein größeres Problem, zudem ist sie meist reversibel. Für den frühpostoperativen Verlauf stellt sie dagegen eine Belastung dar, weil Aspirationen häufiger sind. Sowohl nach transthorakaler als auch nach transmediastinaler Ösophagektomie zählt die Anastomoseninsuffizienz zu den häufigsten postoperativen Komplikationen. Eine Anastomoseninsuffizienz ist bei zervikaler Anastomsierung deutlich häufiger als bei intrathorakalen Anastomosen. Die Folgen einer zervikalen Anastomoseninsuffienz sind jedoch eher gering; es entwickelt sich eine Speichelfistel, die von hoher Spontanheilungstendenz ist. Voraussetzung für einen solchen blanden Verlauf ist eine ausreichende Drainage der Anastomose. Sollte dies nicht der Fall sein, muss die zervikale Wunde so rasch wie möglich eröffnet und das gesamte Operationsgebiet freigelegt werden. Wichtig ist in jedem Fall die endoskopische Kontrolle der Durchblutungssituation des interponierten Organs. Die früher sehr gefürchtete Insuffizienz einer intrathorakalen Anastomose hat deutlich an Schrecken verloren. Bei Verdacht auf eine Insuffizienz sollte unmittelbar die endoskopische Untersuchung erfolgen, die vor allen Dingen Auskunft über die Vitalität des interponierten Magenschlauches geben soll. Große Insuffizienzen bei gestörter Durchblutung des Magenschlauches bedürfen der Rethorakotomie. Besteht eine kleine Insuffizienz und ist der Magenschlauch ansonsten gut durchblutet, kann diese in gleicher Sitzung temporär mit einem endoskopisch plazierten Stent überbrückt werden. Durch diese Therapiemöglichkeit sind die Konsequenzen der Insuffizienz nur noch gering und die früher hohe Mortalität ist auf nahezu Null gesunken. 426 Kapitel 35 · Ösophaguskarzinom Die zervikale Wunde hat eine gute Granulationstendenz und heilt unter Verschluss der Fistel innerhalb von 2 bis 3 Wochen spontan ab. Bei größeren Fisteln kann auch ein T-Drain in die Insuffizienz eingelegt werden. Häufigstes Ergebnis derartiger Insuffizienzen ist die Entwicklung einer Anastomosenstriktur im weiteren Verlauf. Diese Strikturen sind einer Bougierungsbehandlung gut zugänglich. Schlecht oder nicht nach außen drainierte zervikale Anastomoseninsuffizienzen können wie eine intrathorakale Anastomoseninsuffizienz aber auch zu einer Mediastinitis und zum Pleurempyem führen. Die schwerwiegendste Komplikation nach Speiseröhrenersatz stellt die Interponatsnekrose dar. Diese tritt trotz optimaler anatomischer Voraussetzungen bei bis zu 2% der Patienten ein. Bei gestörtem, insbesondere septischem postoperativen Verlauf muss immer an diese Komplikation gedacht werden. Der sicherste Weg, eine Interponatnekrose zu beweisen oder auszuschließen, ist die frühe postoperative endoskopische Untersuchung des Interponats. Gegebenenfalls muss diese Untersuchung kurzfristig wiederholt werden. Bestätigt sich die Diagnose einer Interponatsnekrose, muss das Interponat so rasch wie möglich entfernt werden. Eine erneute Speisewegsrekonstruktion bleibt einem sekundären Eingriff vorbehalten. Überraschenderweise sind pulmonale Komplikationen nach transthorakaler Ösophagektomie genauso häufig wie nach transmediastinaler Ösophagektomie. 35 Der Residualtumorstatus nach Resektion ist der dominierende prognostische Faktor für das Langzeitüberleben sowohl beim Plattenepithelkarzinom (⊡ Abb. 35.19a) als auch beim Adenokarzinom (⊡ Abb. 35.19b) des Ösophagus. Die Prognose des BarretttKarzinoms ist deutlich besser als die des Plattenepithelkarzinoms (⊡ Abb. 35.18). In der Subgruppe der Patienten mit R0-Resektion stellen in der multivariaten Analyse der Lymphknotenstatus (N-Kategorie) und die Tumorpenetrationstiefe (T-Kategorie) die wesentlichen prognostischen Faktoren bei beiden Tumorentitäten dar (⊡ Abb. 35.20, 35.21). Von Bedeutung ist, dass auch bei Patienten mit wenigen befallenen lokoregionalen Lymphknoten ein Langzeitüberleben möglich ist, vorausgesetzt es wurde eine genügend große Anzahl von Lymphknoten entfernt, d. h. die sog. Lymphknotenratio aus Anzahl befallener und entfernter Lymphknoten liegt unter 0,2 (Roder et al. 1994; Hölscher et al. 1995a). Der immunhistochemische Nachweis von Mikrometastasen in Lymphknoten, die in der Routineuntersuchung als tumorfrei bewertet wurden, ist dabei zumindest beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus aus prognostischer Sicht einer manifesten Lymphknotenmetastasierung gleichzusetzen (Itzbicki et al. 1997; Natusgoe et al. 1998). Die Prognose von Patienten mit einem pT1-Plattenepithelkarzinom des Ösophagus ist deutlich schlechter als die Sowohl die transthorakale als auch die transmediastinale Ösophagektomie verändern die Lungenfunktion des Patienten nachhaltig. Die postoperative Einschränkung des Gasaustausches wird im Wesentlichen durch mechanische Faktoren hervorgerufen. Bei der transthorakalen Ösophagusresektion wird die Lunge aus dem Operationsfeld abgedrängt. Bei endobronchialer linksseitiger Beatmung mit kollabierter rechter Lunge ist das Ausmaß der Kompressionsatelektasen rechts geringer, in der abhängigen linken Lunge lässt sich aber intraoperativ nur sehr schwer eine ausreichende Bronchialtoilette aufrecht erhalten; es kommt hier vermehrt zu Sekretretentionen. Bei der transmediastinalen Resektion unterbleibt zwar eine willkürliche Kompression der Lunge von außen, die retrokardiale Manipulation und die Eröffnung der Pleurahöhle führen aber dennoch zur Traumatisierung des Lungenparenchyms mit Ausbildung funktionell wirksamer Mikroatelektasen. Entscheidend ist die Verhinderung der pulmonalen Komplikationen durch oben angeführte Maßnahmen. Flüssigkeitsansammlungen im Bereich des Lymphadenektomiebettes im Abdomen, inbesondere peripankreatisch, sind nicht selten. Nur ausnahmsweise bedürfen sie einer CT-gezielten Punktion, noch seltener einer Drainage. 35.8 ⊡ Abb. 35.17. Deutliche Verbesserung der Langzeit-Überlebensrate nach Resektion eines Ösophaguskarzinoms im Verlauf der letzten 20 Jahre Ergebnisse der chirurgischen Therapie Die Gesamtprognose aller Patienten mit reseziertem Ösophaguskarzinom hat sich in den letzten Jahren durch Patientenselektion, systematische Lypmphadenektomie, standardisiertes prä- und postoperatives Vorgehen und den Einsatz multimodaler Therapieverfahren deutlich verbessert (⊡ Abb. 35.17) ⊡ Abb. 35.18. 10-Jahres-Überlebensrate nach Resektion eines Ösophaguskarzinoms: Gesamtpopulation Adenokarzinom versus Plattenepithelkarzinom