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Architektenforum „Andere Länder – andere Farben“
Vortrag von Herrn Martin Lesjak
Architekturbüro INNOCAD, Graz/Wien
Für Martin Lesjak vom Grazer Architekturbüro INNOCAD spielt Farbe eine wesentliche Rolle
im Entwurf. In dem Büro wird allen Projekten eine „Lieblingsfarbe“ zugeordnet, die das
Konzept unterstützt. Diese generiert sich entweder aus der Corporate Identity des Kunden,
aus dem lokalen, funktionalen und gestalterischen Kontext eines Projektes – oder manchmal
eben auch aus dem puren Willen zur Provokation.
Bisher sind die Architekten mit diesem Ansatz nicht schlecht gefahren. International bekannt
wurde das junge österreichische Büro, das Martin Lesjak und drei weitere Partner 1999 direkt
nach dem Studium gründeten, durch den selbstbewusst in die historische Bebauung
eingefügten, goldfarben schimmernden Neubau eines Büro- und Wohngebäudes in der Grazer
Altstadt. Der Name des 2005 fertiggestellten Projektes: Golden Nugget. Aber – und das ist
Martin Lesjak wichtig: „Es geht immer um Angemessenheit“.
Der User steht im Mittelpunkt
Angemessen zu arbeiten, bedeutet auch, die Nutzer mit ihren spezifischen Anforderungen in
den Vordergrund zu stellen. Soweit möglich, werden die Bauherren und zukünftigen Bewohner
in die Entscheidungsfindung einbezogen und damit die Akzeptanz und Identifikation erhöht.
Für
die
Inneneinrichtung
werden
beispielsweise
Farbkarten
mit
unterschiedlichen
Kombinationsmöglichkeiten erstellt, aus denen der Benutzer nach seinen persönlichen
Vorlieben auswählen kann. INNOCAD gibt also die Spielregeln vor, lässt aber trotzdem Raum
für eigene Entscheidungen. Martin Lesjak spricht von „systematisierter Individualität“.
Farbe als Bestandteil des Entwurfskonzeptes
Obwohl Farbe eine große Rolle im Entwurf spielt, achten die Architekten darauf, dass diese
Konzept, Funktion und Form nicht dominiert. Farbe soll unterstützen, aber nicht überdecken.
Innenräume werden oft ruhig und einheitlich gestaltet; die gewählten Töne kommen aus einer
Farbfamilie. Auch außen werden nicht zu viele unterschiedliche Farben gemischt – viele der
Gebäude haben einen monochromen Charakter, da alle Materialien vom Putz bis zum
Fensterrahmen, vom Sonnenschutz bis zum Geländer Ton in Ton gehalten sind.
Netzwerke entwickeln
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Vortrag von Herrn Martin Lesjak
Architekturbüro INNOCAD, Graz/Wien
Der Entwurf ist für Martin Lesjak und INNOCAD nur stimmig, wenn er auf allen Ebenen
funktioniert.
Deshalb
arbeitet
INNOCAD
mit
Grafikern,
Künstlern,
Handwerkern,
Wirtschaftsexperten zusammen, teilweise treten sie selbst als Projektentwickler auf, denn „wir
haben einen interdisziplinären Zugang zur Architektur und wollen Netzwerke wirklich leben“.
So betreuen Grafiker die Corporate Identity eines Projektes durchgängig und bedrucken schon
mal Sonnensegel mit gestalterisch passenden Elementen – oder aber INNOCAD entwickelt
mit Künstlern Farbkonzepte. Zusammen mit den entsprechenden Herstellern wird versucht, die
Wirkung von bestimmten Materialien zu optimieren, beispielsweise indem Fassadenplatten
perforiert oder einem klassischen Putz Glitzerpartikel beigemengt werden.
Der „INNOCAD Malkasten“
Im weiteren Verlauf des Vortrags wird das Thema Farbe an unterschiedlichen Projekten, die
verschiedenen Farben zugeordnet werden, vertieft dargestellt. Es wird sozusagen eine
Auswahl vom „INNOCAD-Malkasten“ präsentiert.
Die Projekte, die vorgestellt werden, sind im Sinne des Farbspektrums nach Farbgruppen –
von rot über blau, grün, gelb bis hin zu den Nichtfarben schwarz und weiß – sortiert. Eine
solche Einteilung funktioniert mit INNOCAD-Projekten sehr gut, denn in diesem Büro wird
jedes Projekt mit einer bestimmten Farbe – seiner „Lieblingsfarbe“ – verbunden.
Das vielseitige Rot
Rot ist vielfältig einsetzbar. Die Projekte reichen von Wohnhäusern über Bars bis zu einem
Brillengeschäft.
Casa D., ein Einfamilienhaus in Oberösterreich, steht im Hochwassergebiet. Neben dem
baubehördlich vorgeschriebenen Satteldach wird der Bau aufgrund der Hochwasser
gefährdeten Lage aufgeständert und wirkt so wie eine schwebende Skulptur in der Landschaft.
Das Faible des Bauherrn für die 1970er-Jahre drückt sich in Gestaltung, Farb- und
Materialwahl und den grafisch bedruckten Sonnensegeln bzw. Sonnenschutzvorhänge aus.
Dach, Wand und Decke und auch die Untersichten sollten in der gleichen Farbe gestaltet
werden, das braun-rote Eternit-Fassadenmaterial über das gesamte Gebäude gezogen
werden. Problematisch war in diesem Fall, die weiteren Materialien auf diese Farbe
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Vortrag von Herrn Martin Lesjak
Architekturbüro INNOCAD, Graz/Wien
abzustimmen, denn die Standardfarben der einzelnen Hersteller divergieren stark. Das
Innenraumkonzept wurde neutral gestaltet.
Beim Hotelprojekt „St. Daniel“ in Schladming, das kurz vor dem Baubeginn steht, geht es
dagegen um die natürliche Farbe eines Materials, die sich im Laufe der Zeit verändert. Die
geplante perforierte gold-rote Kupferfassade wird eloxieren und die im Atriumhof eingesetzte
Lerchenholzverschalung verwittern.
Die Straßenfassade des Studentenwohnheims G40 in der Grazer Altstadt steht unter
Denkmalschutz. Bei diesem Sanierungsprojekt wurde das Dachgeschoss ausgebaut und die
Wohnungen von Grund auf erneuert. Das Konzept bezieht sich aus Denkmalschutzgründen
auf den Innenraum und die Gebäuderückseite mit den neu angebauten Balkonen. Das Projekt
lebt von den Hauptfarben Orange und Braun. Hier ist es gelungen, die Bewohner frühzeitig in
die Planung einzubinden, indem Ihnen beispielsweise Farb- und Materialkarten zur Verfügung
gestellt wurden, anhand derer sie ihre Zimmer nach eigenen Wünschen ausstatten lassen
konnten.
CBO: Eine Bar in Graz mit dem Namen „Orange“ erhielt Inneneinrichtungen in
Farbabstufungen von Gelb bis Rot-Braun, die Farbe Orange wurde nicht überstrapaziert.
Unterstützt wird das Konzept durch die LED-Beleuchtung, die entsprechend der Tageszeit und
Nutzung von Gelb bis in kräftiges Orange wechselt. Aber nicht nur die Lichtfarbe, auch der
Raum verändert sich: Durch klapp- und höhenverstellbare, bewegliche Möbel wird das
Tagcafé zur Nacht- bzw. Tanzbar umgewandelt.
Bei dem Shopkonzept „Eyestyle“ werden dagegen die Produktbereiche über Farben definiert.
Der Verkaufsraum des Brillengeschäfts wurde in drei Farben unterteilt und die Brillen
entsprechend ihrer Themen- und Kostengruppe zugeordnet. Der Optiker-Bereich ist weiß
gestylt, der Qualitätsbrillen-Bereich rot und der Jugend- bzw. Low-Budget-Brillen-Bereich gelb
gestaltet. Dieser Farb-Code definiert die Bereiche im gesamten Gebäude und dient so auch
als Leitsystem.
Das gewerbliche Blau
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Vortrag von Herrn Martin Lesjak
Architekturbüro INNOCAD, Graz/Wien
Blau gilt als stimulierend, aktivierend und kommunikationsfördernd. Vor allem aber wird es
gerne bei Firmen als Logofarbe eingesetzt. Deshalb sind auch die beiden vorgestellten
Projekte aus der „blauen Phase“ Gewerbebauten.
Für den österreichischen Stahlverarbeiter Voestalpine wurde ein transparentes Bürogebäude
mit blau getöntem Fensterglas, das innen die Lichtfarbe verändert, entworfen. Die
Transparenz spiegelt auch die Philosophie des Unternehmens wider. Jedes Büro hat neben
den blau getönten Fenstern auch ein Fenster mit ungetöntem Glas. Das durch die
unterschiedlich getönten Gläser einfallende Sonnenlicht bewirkt sehr schöne Farbspiele. Der
Innenraum wurde bewusst dezent, in unterschiedlichen Grautönen gehalten.
Bei C.OINI, einem Büro- und Laborgebäude für den Kunststoffhersteller Borealis, wird das
Corporate Design direkt auf das Gebäude übertragen: leicht getöntes, blaues Glas als Haut
über der aufgelösten Bandfassade. Das Schauregal ist als Kommunikationsprodukt konzipiert
und die Produkte sind außen wie innen über die gesamte Länge sichtbar. Auch das
Innenraumkonzept präsentiert die verschiedenen Produkte der Firma. In den Besprechungsund Workshopräumen wurde jeder Raum in einem anderen Material gestaltet.
Das unterschätzte Grün
Diese Farbe kommt in der Architektur sehr selten vor – obwohl es als sehr angenehm
empfunden
wird.
Bisher
setzte
INNOCAD
die
Farbe
Grün
schwerpunktmäßig
im
Wohnungsbau ein.
Beim Projekt „Esmeralda“ handelt es sich um Stadtvillen in Graz. Grünlich getönte Scheiben
tragen einen zarten Schimmer in den Innenraum. Die Farbwahrnehmung beim Blick von innen
in die grüne Umgebung wird zusätzlich verstärkt. Die Außenfassade besteht aus einem
Klimaputz, in den Glimmerelemente beigemischt wurden.
„Reseda“ ist dagegen ein erster Versuch, ein von außen komplett monochromes Gebäude
über die Fassade bis zum Dach zu realisieren. Der Projektname bezieht sich auf die gleichlautende Farbe. Für dieses gedeckte Grün hat man sich aus städtebaulichen Gründen
entschieden, denn das Grundstück liegt an einem Hang mit dichter Vegetation im Grazer
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Architekturbüro INNOCAD, Graz/Wien
Norden. Außen wurde mit zwei unterschiedlichen Putzen gearbeitet: dem gröbsten und dem
feinsten. So wurde eine subtile Gliederung der Fassade geschaffen. Im Inneren ist die Farbe
Weiß vorherrschend, denn Vielfarbigkeit kommt durch den Nutzer selbst. Überschneidungen
sind im Bereich der loggienartigen Terrassen zu finden.
Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes ist die Schwimmschule in Graz mit Büroteil und 60
Wohnungen. Sie befindet sich gerade im Bau. Es ist ein komplexes Gebäude mit hoher Dichte
in einem schwierigen städtebaulichen Umfeld, weswegen auch in diesem Fall monochrom mit
einer Farbe gearbeitet wird – in diesem Fall mit Blassgrün. Die subtile Nuancierung dieser
Farbe kommt durch die Unterschiede der Materialien.
Das schwierige Gelb-Gold
Als das erste Gebäude von INNOCAD in Gold gebaut werden sollte, war es noch sehr
schwierig, diese Materialfarbe von den Herstellern zu erhalten. Es galt einfach nicht als
Standard. Heute ist das anders – und das Projekt war sicher ein Vorreiter, der den Weg für
andere geebnet hat. „Golden Nugget“ wurde als moderner Neubau in einem geschützten Teil
der Grazer Altstadt geplant; dabei trat INNOCAD auch als Projektentwickler auf. Die Baulücke
sollte nicht einfach geschlossen werden. Man wollte ein skulpturales Gebäude mit
Durchblicken und Durchlässigkeiten einfügen.
Die Fassade des Büro- und Wohngebäudes besteht aus goldfarbenen, quadratischen TECUGold-Schindeln, die zusammen mit großflächigen Fensterelementen eine bewohnte Skulptur
entstehen lassen. Das Farbkonzept zieht sich nach innen weiter: Goldfarbene Wände und
Sichtbeton wechseln sich ab, während Böden und Servicebereiche in den Büros bzw.
Wohnungen mit goldfarbenem Epoxydharz beschichtet sind. Das erhaltene Hofgebäude ist im
Innern dagegen monochrom in Perlweiß gehalten. Die Farbe Gold entwickelte sich aus dem
Corporate Design von INNOCAD, dessen Logo aus sieben goldenen Quadraten besteht, die
sich immer neu zusammenfügen lassen. Das Gebäude nimmt auch Bezug zur vorhandenen
Bebauung auf: Der Neubau passt in Proportion und Farbe zu seinen verspielten, creme- und
gelbfarbenen Nachbarn aus der Gründerzeit.
„Max“ ist ein Nachfolgeprojekt in Wien. Das Büro- und Wohngebäude, dessen Privatheit der
Nutzungen mit der Etagenhöhe steigt, wird gerade realisiert. In diesem Fall aber mit einer
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Vortrag von Herrn Martin Lesjak
Architekturbüro INNOCAD, Graz/Wien
neuen „Lieblingsfarbe“ – und zwar Perlbeige. Dafür wird an einem Putzsystem mit
verbessertem Perleffekt gearbeitet. Außerdem soll in Wien bei diesem Projekt erstmalig auch
die Dachfläche verputzt werden.
Das nichtfarbige Schwarz-Weiß
Bei Casa W. handelt es sich um ein auf das Wesentliche reduziertes, komplett monochromes,
perlweißes Privathaus mit einer perforierten Putzfassade. Das Haus ist an den großflächigen
Fenstern mit ebenfalls verputzten Klappelementen versehen, die im geschlossenen Zustand
den Gebäudekubus hervortreten lassen. Dieses Gebäude lebt innen wie außen vom Spiel des
Lichts. Nach den Prinzipien des Zen-Buddhismus wurde es auf das Wesentliche reduziert.
„Rose am Lend“ ist ein Barockgebäude, für das INNOCAD ein Sanierungskonzept entwickelt
hat. Das Haus soll fast schwarz werden; mit reliefartigen Rosenapplikationen und
Glitzerstruktur auf der Putzfläche. Die schmiedeeisernen Geländer an Fenstern und Balkonen
werden die Rosenformen der Fassade durch Verdichtung weiterführen.
Als letztes Projekt von INNOCAD wurde „Dark shadow“ vorgestellt, ein Messestand für eine
bekannte österreichische Lichtfirma, die Firma XAL, auf der „EuroShop 2008“ in Düsseldorf.
Decke, Boden und die netzartigen Raumwände – eine grafische Übersetzung von
Lichtstrahlen – sind komplett schwarz, sodass die präsentierten Leuchten voll zur Geltung
kamen.
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