Freie Universität Berlin Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft PS 15122 „Einführung in die Policy-Analyse“ Dozentin: Dr. Corinna Fischer Protokollanten: Johannes Dutschke, Daniel Pentzlin Ergebnisprotokoll der Sitzung vom 04.02.04 2 Diskussion Teil I 2.1 Klärung von Verständnisfragen Thema: Gender und Policy Referentin: Mareike Himme Die Abhängigkeit des Forschungsergebnisses von der verwandten Methode besteht darin, dass bezüglich gleicher Fragestellungen - je nach verwandter Methode – unterschiedliche Forschungsergebnisse zu erwarten sind. Die Referentin konzentrierte sich auf zwei Aspekte des Themas: 2.2 Diskussionsthemen 1 Referat Teil I 2.2.1 Wie kann eine genderbezogene Ebene konkret in die Forschung integriert werden? Es blieb unklar, wie die Genderebene in die allgemeine Forschungspraxis konkret integrierbar sein soll. Einigen Diskussionsteilnehmern blieb die Zielperspektive einer Integration nicht unklar: gender-neutrale Wissenschaft nicht möglich (nach eigenen Prämissen). theorieorientierte feministische Policy-Forschung 1.1 Grundannahmen konstruktivistischer Ansatz soziale Konstruktion der Geschlechterrollen (sex – gender) Wissenschaft ist nicht gender-neutral, implizit gendered Genderdimension verdient in Theorie und Praxis von Public Policy ernsthafte Berücksichtigung. 1.2 Forschungsfelder und Fragestellungen Kritik an einschlägiger Policy-Theorie Ansätze feministischer Policy-Forschung Einbringen feministischer Forderungen in den Policy-Prozess o Hierbei: Abhängigkeit (feministischer) Forschungsergebnisse von verwandten Methoden 2.2.2 Sollte eine genderbezogene Ebene generell integriert werden ? Position 1: Integrationsforderung in Bezug auf viele Themenbereiche wäre übertrieben. Position 2: Genderperspektive grundsätzlich sinnvoll, allerdings unterschiedliche Relevanz in verschiedenen Politikbereichen. 2.2.3 Gibt es Ansätze aus einer männlichen Perspektive ? Genderthematik wird zumeist von feministischer Seite dominiert, die Männerforschung (bezüglich Rollenerwartungen an Männer) steht noch am Anfang. 1 3 Referat Teil II praxisorientierte gendersensible Politikberatung 3.1 Gender-Aspekte in der Policy theoretische Ebene (Prämissen, Konzepte, Methoden) Ebene des Problems (Problemidentifikation, -definition, -interpretation) implizite Annahmen bezüglich Rollenverteilung Mann/ Frau (bspw. Ernährer/ Versorgerin) 3.2 Handlungsansätze gendersensibler Public Policy Top-down Bottom-up 3.2 Analysemodelle des Gender Mainsreaming Konzeptes 3.2.1 Definition Gender Mainstreaming (Europäischer Rat): „Gender Mainsteaming besteht in der (Re-) Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung von Entscheidungsprozessen mit dem Ziel, dass die an politischer Gestaltung beteiligten Akteure/ Akteurinnen den Blickwinkel der Gleichstellung zwischen Mann und Frau in allen Bereichen und auf allen Ebenen einnehmen.“ 3.2.2 Analysemodelle Gendersensibilität im politischen Entscheidungsprozesses: 3-R-Methode (nach Projekt ‘Jämkom’): Analyse von Repräsentation, Ressourcen, Realisierung Umsetzung konkreter gleichstellungspolitischer Vorhaben: 6-Schritte-Konzept (nach Krell/ Mückenberger/ Tondorf): 1 Zieldefinition, 2 Problem- und Betroffenanalyse, 3 Optionsentwicklung, 4 Analyse der Optionen bezüglich gleichstellungspolitischer Wirkung , 5 Umsetzung, 6 Evaluation 4 Diskussion Teil II 4.1 Klärung von Verständnisfragen Während der Begriff Sex sich auf das biologische (körperliche) Geschlecht bezieht, zielt der Begriff Gender auf sozial konstruierte Geschlechterrollen ab, die potenziell veränderbar sind. 4.2 Diskussionsthemen 4.2.1 Lassen sich biologisches und soziales Geschlecht klar voneinander abgrenzen? Es ist in der Forschung umstritten, inwieweit soziale Verhaltensweisen biologisch determiniert sind. Die Festlegung auf zwei mögliche biologische wie auch soziale Geschlechter wurde infrage gestellt. 4.2.2 Wird Gender Mainstreaming in der wissenschaftlichen Forschungspraxis praktiziert ? Über den generellen Umfang der Berücksichtigung in verschiedenen Forschungsfeldern konnten keine Aussagen gemacht werden. In einzelnen politikwissenschaftlichen Teildisziplinen (wie bspw. der Friedens- und Konfliktforschung) scheint Gender ein etablierter Bestandteil der Forschung zu sein. 4.2.3 Wird der status quo durch die Annahme von Geschlechterrollen durch Politik und Wissenschaft betoniert oder infrage gestellt? Position 1: Es besteht eine große Gefahr der Akzeptanz der Ungleichberechtigung, wenn geschlechtsspezifische Unterschiede in politischer und wissenschaftlicher Praxis stark berücksichtigt werden. 2 Position 2: Politik und Wissenschaft müssen sich mit Geschlechterrollen auseinandersetzen, da sie soziale Realität sind. Daraus resultierende unterschiedliche Wirkungen von Politik auf Männer und Frauen sollten berücksichtigt werden. Position 3: Gerade in Bezug auf eine Gleichstellungsperspektive müssen Geschlechterrollen und die entsprechenden Lebensumstände zunächst analysiert und berücksichtigt werden. 4.2.4 Diskussion zur Gestaltung der gemeinsamen gernderspezifischen Analyse einer Policy Verschiedene zur Analyse vorgeschlagene Politikbereiche wurden in ihrer Relevanz bezüglich des Genderaspektes sehr unterschiedlich eingeschätzt. Es wurde kritisiert, dass zu einer Einschätzung der Relevanz keine Datenbasis vorhanden sei, und somit die Gefahr eines Abrutschens in Geschlechterrollenklischees und Spekulationen bestünde. Zur Lösung des Datenproblems wurde vorgeschlagen, diejenigen Fragen zu erarbeiten, die Grundlage für eine genderspezifische Analyse einer bestimmten politischen Maßnahme sein könnten. Nach eingehender Diskussion wurde durch Abstimmung die Einrichtung einer Ortsumgehung als Beispiel für eine politische Maßnahme gewählt. Hierbei sollten die unterschiedlichen Auswirkungen der Maßnahme auf Männer und Frauen untersucht werden. 5 Arbeitsergebnisse gendersensible policy-Analyse: Ortsumgehung Folgende Fragestellungen sollten für eine gendersensible Auswertung untersucht werden, ob sich die politische Maßnahme auf Männer und Frauen unterschiedlich auswirkt: Wer hält sich wie oft im Ort auf ? Wer fährt ÖPNV, wer fährt Auto ? Wer übernimmt die Kinderbetreuung ? Wer kauft ein ? Wo liegen Wohngebiete und Einkaufszentren ? Wer gehört welcher (pendenden) Berufsgruppe an ? Fazit: Scheinbar ist ein sehr hohes Maß an Ressourcen (Daten und Zeit) notwendig, um den Genderaspekt in die Policy-Analyse einbeziehen zu können. 3