Joachim Stammler Seite 1 14.05.2016 Lachen als Medizin Obwohl die Wirkungen des Lachens auf die Gesundheit schon seit Jahrhunderten sprichwörtlich sind, hat sich die Wissenschaft mit dem Phänomen des Lachens erst sehr spät auseinandergesetzt. Seit ca. 40 Jahren beschäftigen sich Forscher ganz ernsthaft mit dem, was Menschen so einzigartig macht: Humor und Lachen. Anstoß für die Erforschung des Lachens waren die Erfahrungen des Wissenschaftsjournalisten Norman Cousins. An einer schmerzhaften Wirbelsäulenerkrankung leidend, unterzog er sich systematisch einer Lachkur. So ließ er sich über Monate Filme mit berühmten Komikern vorführen und witzige Bücher vorlesen. In seinem Buch "Der Arzt in uns selbst" beschreibt Cousins, wie nach zehn Minuten Lachen seine Schmerzen nachließen. Dieses Wunder untersuchte der Stanford-Professor William F. Fry und gründete 1964 ein Institut zur Humorforschung. Seit den 70er Jahren beschäftigt sich ein neues Forschungsgebiet mit dem Zusammenhang zwischen Heiterkeit und Gesundheit, die Gelotologie. Mittlerweile haben Lach-Mediziner zahlreiche wissenschaftliche Belege für die positiven Wirkungen des Lachens auf die Gesundheit gefunden. In vielen Studien befassten sich die Gelotologen mit dem Phänomen und den körperlichen sowie geistigen Folgen von Lachen und Humor. Durch Lachen wird die Freisetzung von Hormonen und Neurotransmittern (Botenstoffen) im Gehirn stimuliert. Zu den wichtigsten Neurotransmittern gehören die so genannten Glückshormone Serotonin, Acetylcholin, Dopamin, Noradrenalin und die Endorphine. Sie bewirken im Gehirn, dass sich ein umfassendes Wohlgefühl einstellt. Untersuchungen des kanadischen Humorforschers Rod Martin belegen zudem, dass Lachen das Immunsystems stärkt. Es werden zum Beispiel die Abwehrzellen (T-Lymphozyten und T-Helferzellen) aktiviert. Als gesichert gilt auch, dass humorvolle Menschen stressfreier durchs Leben gehen als diejenigen mit wenig Sinn für Heiterkeit. Denn Lachen ist eines der Sicherheitsventile des Körpers und ein Gegengewicht zu Anspannung. Wird diese durch Lachen abgelassen, sinken erhöhte Werte der Stresshormone auf das Normale zurück. Das Immunsystem kann wieder effektiv arbeiten. Regelmäßiges Lachen erweitert auch das Lungenvolumen. Es erhöht den Gasaustausch bei der Atmung und führt dadurch zu Sauerstoffanreicherungen im Blut. Der französische Arzt und Wissenschaftler Henri Rubinstein konnte in seiner Praxis, in der er Lachtherapien anbot, bei unterschiedlichen Krankheiten wie Herzkranzgefäßverengung, Muskelverspannung und Depression verblüffende Resultate erzielen. Aber Lachen hat auch psychologische Effekte. Lachen lockert Komplexe, ebnet psychologische Hemmschwellen. Schwierige Situationen können durch Humor und Witz bereinigt werden. Lachen ist das gesündeste Ventil um angestaute Aggressionen abzulassen. Es regt außerdem die Kreativität an: durch Lachen distanziert man sich leichter von schwierigen Situationen, sieht die Welt in einem objektiveren Licht. Festgefahrene Verhaltensmuster können durch Humor leichter abgelegt werden. Joachim Stammler Seite 2 14.05.2016 Lach mich an – mach mich an, oder wie Liebe und Lachen miteinander zusammenhängen Flirten ist eine spezielle Art und Weise, mit einem Menschen des anderen Geschlechts Kontakt aufzunehmen, eine erotisch gefärbte Tändelei noch weit vor einer ernsthaften Liebeserklärung. Das Reizvolle am Flirt besteht darin, dass über ihn nicht nur vorhandene Möglichkeiten ausgebaut, sondern auch die Entwicklung ganz neu angeregt werden. Im Flirt liegt also immer auch ein Versprechen und eine Verheißung. Lächeln und Lachen wird als wesentlicher Teil der Flirtstrategien erkannt und auch entsprechend eingesetzt. Flirten hat eine ganze Palette beflügelnder Auswirkungen auf unsere Psyche. Stimmung hebt sich, man ist freudig und optimistisch. Man schmunzelt, lächelt und lacht. Lernen wir einen Mann oder eine Frau kennen, bilden wir uns bereits in den ersten vier Minuten eine Meinung über ihn beziehungsweise sie. Die körperliche Attraktivität wird sogar innerhalb der ersten zehn Sekunden beurteilt. Jeder Mensch sendet dabei bewusste und unbewusste Signale, die ihn für einen potenziellen Partner attraktiv machen sollen. Dazu zählt auch ein fröhliches Gesicht und das Lachen, das für Frauen einen höheren Stellenwert hat als für Männer. Die Frauen haben über Jahrmillionen menschlicher Evolution gelernt, dass ein lachender Mann ein ganzes Bündel von Vorteilen gegenüber seinem “miesepetrigen“ Konkurrenten aufweist. Ein lachender Mensch ist im statistischen Durchschnitt gesünder als ein permanent nörgelnder Mensch. “Lachen macht gutes Blut“, sagen die Italiener und “der beste Arzt lebt in dir und lacht“ die Inder. Ein gesunder Mann ist auf die Dauer für den Erhalt der Nachkommen von zentraler Bedeutung. Der lachende Mann tritt mit einer Friedensgeste ins Leben der Frau. Das Lachen eines Mannes ist für die Frau ein Signal für ein konfliktfreieres Zusammenleben mit der Familie. Es ist eine zentrale Botschaft des Inhalts “Es wird mit diesem Mann weniger Streit geben.“ Laut Anton Tschechow erinnern sich Frauen an jene Männer am liebsten, mit denen sie lachen konnten. Weil Lachen – je nachdem, ob authentisch oder nicht – ein über Leben und Tod entscheidendes Friedenssignal sein kann, wurde im Lauf der Evolution unsere Wahrnehmung dafür geschärft. Frauen trainieren mehr als Männer diese soziale Fertigkeit beständig, indem sie möglichst viel schmunzeln und lachen und dabei – unbewusst – die Resonanz bei ihrem Gegenüber beobachten. Womöglich liegt hier einer der Gründe, warum es die Evolution so eingerichtet hat, dass Frauen deutlich häufiger lächeln und lachen als Männer. Wie oft in einer Beziehung gelacht wird, kann durchaus als Indikator gesehen werden, ob eine Beziehung harmoniert – oder eben nicht. Lachen ist ein effektives und probates Mittel, um Aggressionen und Ärger abzubauen, Lachen entspannt, es löst den Druck in uns. Das unbeschwerte Lachen wie auch das leise Lächeln hat einen kathartischen, befreienden Effekt. Angestaute Gefühle und Verspannungen werden abgebaut. Lachen verbindet. Es schafft ein Wir-Gefühl in der Partnerschaft. Gemeinsame Einstellungen, Motive und Haltungen werden betont. Dadurch entsteht Joachim Stammler Seite 3 14.05.2016 ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Jedes Wort kann manchmal zu viel oder falsch sein. Lachen erotisiert, denn durch rhythmische Zwerchfellbewegungen werden der tiefe Bauch- und Beckenraum und damit sie sexuelle Bereitschaft stimuliert. Kurzum: Lachen erzeugt Lust. Lachen im Büro lindert den Stress Ärger am Arbeitsplatz? Dann lachen Sie mal wieder! Das zumindest empfiehlt der deutsche Humorforscher Michael Titze. "Beim Lachen werden positive zwischenmenschliche Signale gesetzt, die Teamgeist, Kreativität und Motivation im Betrieb fördern", sagt der Experte. "Humor im Büro hilft Konflikte zu lösen und Stresshormone abzubauen." Dabei wirke sich schon ein Lächeln positiv auf die Hirnaktivität aus, ein ausgiebiges Lachen fördere sogar die Immunabwehr. Titze: "Lachen ist ein soziales Schmiermittel und weckt die Lebensgeister." Die wachsende Zahl von Menschen, die Humorseminare und Lachclubs besuchten, zeige, dass dies auch in Deutschland immer ernster genommen werde. Der Druck, besser sein zu müssen als der Durchschnitt, werde durch die angespannte Arbeitsmarktsituation ständig bestätigt. Titze: "So entsteht ein Konkurrenzdenken, das eine heitere Stimmung im zwischenmenschlichen Bereich immer weniger aufkommen lässt." Humor, Gesundheit, Erfolg Das Lachen und der Humor sind mit die ältesten Heilmittel der Welt. Bereits seit Jahrtausenden gehören sie als fester Bestandteil jeglicher Therapie aller Kultur- und Naturvölker. Der Glaube an die Heilkraft des Lachens herrschte in Europa bis ins späte 19. Jahrhundert vor. So schreibt ein Arzt im Mittelalter: “Der Patient sollte alle Sorge und Traurigkeit vermeiden. Bereite ihm Freude und Vergnügen mit all der Hilfe, die er schätzt.“ Henri de Mondeville, ein Chirurg des 13. Jahrhunderts, stellte fest, dass Lachen eine schnellere Rekonvaleszenz nach Operationen herbeiführte. Voltaire schrieb, dass die Medizin den Patienten in heiterer Stimmung halten solle, während die Natur ihn heilt. Im Zuge der Industrialisierung, der Entwicklung der Schulmedizin und dem Bedeutungszuwachs der Wissenschaft ging dieses Wissen und das Interesse daran weitgehend verloren. Erst in den 70iger Jahren des letzten Jahrhunderts besann man sich wieder auf die heilsame Wirkung des Lachens und mittlerweile gibt es dafür sogar einen eigenen Wissenschaftszweig, die Gelotologie (Wissenschaft des Lachens). Inzwischen ist es für viele Länder der Welt selbstverständlich, Humor als festen Bestandteil der Kommunikations- sowie der Therapienmethoden sowohl in den medizinischen als auch den unternehmerischen Alltag zu integrieren. In England zahlen seit Mai 1999 die Krankenkassen diese Heilform, Italiens Krankenkassen finanzieren Humortherapie seit Juni 2000 und im Jahre 2001 haben sich auch Frankreich, Belgien und die Niederlande angeschlossen. Joachim Stammler Seite 4 14.05.2016 Humor und Lachen sind in der Lage, über die körpereigene “Glückshormon-Produktion“, die Stresshormone (wie Cortisol, Adrenalin und Wachstumshormon) im Blut zu senken und die Bildung von immunstärkenden Zellen anzuregen, somit also das Immunsystem zu stärken. Lachen bewirkt eine Entspannung der Muskulatur und des vegetativen Nervensystems. Es ist somit eine wunderbare Ergänzung zum autogenen Training. Darüber hinaus wird durch Lachen das Schmerzempfinden herabgesetzt. Schmerz wird so als weniger belastend empfunden und kann, zumindest für eine Weile, in den Hintergrund treten. Groucho Marx, ein berühmter Komiker der Marx-Brothers, sagte dazu einmal; “Lachen ist wie ein Aspirin, es wirkt nur doppelt so schnell“. Lachen kräftigt den Herzmuskel und ist auch in der Lage, einen erhöhten Blutdruck zu senken. Im August 2001 ist eine große Studie der Universität Maryland (USA) veröffentlicht worden (300 untersuchte Menschen insgesamt, 150 nach Herzinfarkt, 150 Herzgesunde), aus der hervorgeht, dass Lachen und eine humorvolle Lebenseinstellung die Innenwände der Blutgefäße schützt und somit auch Herzinfarkte verhindern hilft. Ebenso normalisiert sich nach einem herzhaften Lachen der Atemrhythmus. Neueste Studien haben gezeigt, dass Lachen über eine Verbesserung der Durchblutung auch Knochen, Sehnen und Bänder stärkt. Humor fördert die Kreativität und entschärft Konflikte. Humor reduziert Angst und sorgt gleichzeitig für eine höhere Anzahl von guten Ideen. Wir alle wissen: kreative Lösungen können nur in einer angstfreien Atmosphäre gefunden werden. Durch Humor und Lachen wird Stress abgebaut, es entsteht eine größere innere Gelassenheit, kreative Lösungen entwickeln sich fast von allein. Der Erfolg ist hier praktisch schon vorprogrammiert. Was bewirkt der Humor sonst noch? Humor lässt auch Nichterreichbares und Scheitern annehmbarer erscheinen, Humor fördert den Mut und die Entschlossenheit, Humor erleichtert und fördert die Kommunikation, Humor fördert die Teamfähigkeit und die Gleichwertigkeit, Humor stärkt die Motivation und: Humor macht das Leben, auch in Unternehmen menschlicher. Eine heute immer noch weit verbreitete Meinung, gerade in deutschen Unternehmen und gerade auch in den Führungsebenen, ist die, dass Lachen und humorvolles Miteinander unseriös sei. Wer seine Arbeit mit Freude, Spaß, Humor und vielleicht sogar mit einem Lachen verrichtet, dem wird oftmals unterstellt, er würde seine Aufgaben nicht ernst genug nehmen, und häufig wird Lachen in deutschen Betrieben gerade deshalb sogar untersagt. Dabei weiß man heute - zahlreiche Studien haben dies inzwischen sogar wissenschaftlich belegt, dass Humor und Lachen die Fähigkeit fördert, eigene Ressourcen zu erkennen und zu leben und sie darüber hinaus auch im Anderen zu sehen. Die Folge ist ein konstruktives Miteinander, bei dem jeder den anderen achtet und respektiert. Teambildung und Teamförderung sind hiermit leichter selbstverständlich. Weiterhin fördert die humorvolle Grundhaltung die wunderbare Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können. Lachen fördert über die Mobilisierung von Fähigkeiten die Leistung und damit den Erfolg eines jeden Einzelnen und somit natürlich langfristig auch den Erfolg der Unternehmen insgesamt. Es ist erwiesen, dass heitere und fröhliche Menschen nicht Joachim Stammler Seite 5 14.05.2016 nur als sympathisch und kompetent wahrgenommen werden, sie fühlen sich auch in der Tat wohler. Sie sehen ihre Arbeit als Herausforderung an und erledigen ihre Aufgaben schneller als miesepetrige Menschen. Manager und Chefs, die Lachen und Humor zulassen, erleichtern die Kommunikation, fördern die Offenheit und schaffen eine gute Voraussetzung für Problemlösungen. Schließlich gibt es wohl kein Problem, keinen Konflikt, das/der nicht auch eine komische Seite hat. Zudem, öffnet man sich den ulkigen, absurden Aspekten des Problems, erlangt man eine größere Distanz zur Sache. Welchen Stellenwert hat der Humor in unserer Zeit? Oder: Was können wir von Kindern lernen? Im Vergleich zu früheren Epochen hat der Leistungs- und Konkurrenzdruck in unserer Gesellschaft stark zugenommen, wie der englische Psychologe Oliver James (1998) in einer breit angelegten Studie ermittelt hat. Kinder erfahren früh, dass nur die Besten und Erfolgreichsten ihren Platz im Arbeitsleben behaupten können. Wer da nicht mithalten kann, muss mit entmutigenden Konsequenzen rechnen. Am heiß umkämpften Arbeitsmarkt hat sich der Leistungsdruck in den letzten Jahren schon allein deswegen erhöht, weil viele Arbeitsplätze "wegrationalisiert" wurden. Zudem sind die Forderungen in der postindustriellen Dienstleistungs- und "High-techselfproviding"-Gesellschaft (Bergmann) immer größer geworden. Behaupten kann sich wiederum nur ein Arbeitnehmer, der über eine kreative Flexibilität verfügt, die ihrerseits mit individuellen Kompetenzen wie "kritische Eigeninitiative", "autonome Selbstverantwortung" und "wandlungsfähige Soziabilität" verknüpft ist. So hat der Soziologe Richard Sennet (2000,25) ermittelt, dass ein/e qualifizierte Arbeitnehmer/in in 40 Berufsjahren wenigstens elfmal die Stelle wechseln und die Basiskenntnisse wenigstens dreimal erneuern muss. Wer sich hier überfordert fühlt, kann seine Lebensfreude leicht verlieren und depressiv oder suchtanfällig werden. Der forcierte Versuch, im postmodernen Überbietungskampf mitzuhalten, lässt das Leben schon in der Schulzeit als eine einzige große Anstrengung erscheinen, die es verbissen (und mit einem latent schlechten Gewissen) zu absolvieren gilt. Dies lässt sich häufig bei Familientherapien feststellen: Viele Eltern stellen sich heutzutage in ihren pädagogischen Bemühungen viel stärker in Frage, als dies in den Zeiten unserer Urgrosseltern der Fall war. Damals gaben normgebende Instanzen (Kirche, Staat, Zünfte) allgemeine Richtlinien für ein angemessenes Verhalten des Kindes vor. Heute haben sich diese Instanzen - die in ihrer Aussage zudem voneinander abweichen - so vermehrt (man denke nur an die verschiedenen Ansätze in der Psychologie und Pädagogik!), dass eine eindeutige Orientierungshilfe ausbleiben muss. Wer da "alles richtig" machen will, wer sich nicht an seinen ganz individuellen, intuitiven Eingebungen, seinem spontanen Fingerspitzengefühl orientieren kann, der muss das Familienleben zweifellos als eine ungeheuer komplizierte Pflichterfüllung erleben. Humor ist nicht das Gleiche wie Witzigkeit Joachim Stammler Seite 6 14.05.2016 Humor ist nicht das Gleiche wie Witzigkeit. Um witzig zu sein bedarf es gerade der Kompetenzen des Erwachsenenlebens, wozu stets sehr gut entwickelte sprachliche Fähigkeiten gehören. Der Mensch vermag die Wirklichkeit in diesem Fall in abstrakte Begriffe umzuwandeln, mit denen er geistreich jongliert. Der witzige Mensch will sich vor allem "zu Gehör" bringen, denn das gesprochene Wort ist sein Medium. Dabei kann ihm die Scharfzüngigkeit als Waffe dienen - zum Zwecke der Selbstbehauptung oder auch nur, um andere "mundtot" zu machen bzw. sie intellektuell zu Fall zu bringen. Der Humor ist demgegenüber versöhnlich und intellektuell bescheiden. Er lässt sich als stille Art beschreiben, der Welt - wie der mittelalterliche Hofnarr dies tat - einen Spiegel vorzuhalten. In diesem Spiegel erscheinen die Dinge nicht so, wie sie sein sollten, sondern wie sie wirklich sind. Hans Christian Andersen hat in seinem Märchen "Des Kaisers neue Kleider" aber gezeigt, dass dies gar nicht so einfach ist. Als Erwachsene haben wir nämlich gelernt, die Wahrheit zu verdrehen, weil wir unsere sozialen Partner nicht enttäuschen oder provozieren wollen. Doch diese Unehrlichkeit hat ihren Preis: Wir ärgern uns gewöhnlich über uns selbst, wenn wir – infolge mangelnder Zivilcourage, Opportunismus oder auch nur Mitleid – so tun, als würden wir das nicht merken, was doch offensichtlich ist, und der andere merkt dies ebenfalls! In Andersens Märchen ist es ein naives Kind, das die Dinge so anspricht, wie sie wirklich sind. Als Sigmund Freud den Humor als “erspartes Mitleid“ definierte, hatte er diese intellektuelle Schlichtheit, die ebenso entwaffnend wie belustigend sein kann, ebenfalls vor Augen. Doch indem der Humor nicht (ent)wertet und (ver)urteilt wird, akzeptiert er vorbehaltlos die dabei entstehenden Widersprüche und Ungereimtheiten – ohne diesen aber ein besondere Bedeutung zu verleihen. Wer es tatsächlich schafft, den Chef, der im Gespräch grimmig dreinschaut, in diesem Sinne wahrzunehmen, braucht sich nicht irritiert oder gar provoziert zu fühlen. Er oder sie wird auch nicht gezwungen sein, gekränkt oder verärgert zu reagieren. (Das wäre eben nur dann der Fall, wenn man sich strikt an starren normativen Vorstellungen des Erwachsenenlebens, in diesem Fall dem Konstrukt “Höflichkeit“, orientiert!) Wer sich von solchen Vorstellungen freimachen kann, erweitert seinen Handlungsspielraum beträchtlich. Man kann jetzt frei und unbekümmert agieren, indem man etwa gezielt den Blickkontakt herstellt, dabei lächelt und naiv fragt, ob der Chef auf einen böse sei ... Lebenskunst und Humor im Management Ausgehend von der Kritik am Spaßfaktor in Unternehmen möchte ich den Begriff “Heiterkeit“ näher erläutern. Anschließend stelle ich zehn Aspekte dar, die die Wichtigkeit wie auch die veränderten Verhältnisse für den Humor benennen. Will man seriös mit dem Thema Humor umgehen, schadet ein kurzer Blick in die Philosophenecke nicht. Wilhelm Schmid, der durch seine Foucault-Studien und seine Arbeiten über die Lebenskunst eine unerwartet positive Resonanz gefunden hat, weist der Heiterkeit einen wichtigen Platz in der Lebenskunst zu. Schmid bezeichnet Heiterkeit als eine Form der Lebensführung. Er kommt dabei auf die "Ursprünge" der Heiterkeit in der griechischen Philosophie zurück und dort wird die Heiterkeit als "Leben im Gleichmaß" definiert. Demokrit meinte, dass Heiterkeit aus dem maßvollen Umgang mit Lüsten entstehe. Keineswegs kann also Humor mit Spaß gleich gesetzt werden. Auch eine ungestüme Fröhlichkeit sollte nicht mit Heiterkeit verwechselt Joachim Stammler Seite 7 14.05.2016 werden, denn sie resultiert aus einer Überbetonung und verhindert ein Gleichgewicht. Heiterkeit ist für ein souveränes Subjekt der Ausdruck eines erfüllten Lebens und das bedeutet in der Philosophie der Lebenskunst, der heitere Mensch erlebt sich getröstet. Souverän kann das Subjekt nur sein, wenn es die Abgründigkeiten und die Endlichkeit des Lebens reflektiert und akzeptiert sowie einen Weg des Umgangs damit gefunden hat. Die Tragik der eigenen Biografie wird nicht geleugnet, sondern durch die Heiterkeit in eine erträgliche Distanz gebracht. Die beiden Pole Freude und Trauer stehen gleichberechtigt nebeneinander. Ob freudig oder traurig, beide Gefühlsregungen sind Ausdruck von Lebendigkeit und daher positiv, oder wie es Don Herold formuliert: "Ein humorvoller Mensch ist jemand, der sich schlecht fühlt aber sich deswegen gut fühlt." Für den Humor oder die Heiterkeit in der Arbeitswelt bedeutet dies, Arbeit wird anerkannt als eine Tätigkeit, die durch die Distanz zu ihr erträglich wird. Es drängt sich nun die Frage auf, ob die Konsequenz aus diesen Erörterungen eine Hinwendung zum ernsten und humorlosen Arbeitsplatz sein muss. Die Antwort ist nicht ein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Ein Unternehmen kann nicht "Klamauk" und "Spaß" als Maxime der Unternehmensphilosophie erheben. Ebenso wenig können "Ernst" und "Disziplin" allein das Unternehmensleitbild bestimmen, anderseits ist ein Witz eine sehr ernste Sache, wie Winston Churchill wusste. Die Angelegenheit ist von einer ernstzunehmenden Seriosität. Befragt man indes die Betroffenen, also quasi uns alle, so zeichnet sich ab, dass der Humor für das Arbeitsleben als sehr wichtig eingeschätzt wird. Nach einer durchgeführten Befragung glauben insgesamt 69% der Befragten, dass der Humor bei der beruflichen Kariere hilfreich ist. Nur 4% verneinen den humorvollen Einfluss auf den beruflichen Erfolg. Ähnlich ist das Ergebnis bei der Frage: Glauben Sie, dass humorvolle Menschen erfolgreich sind? Hier antworten 53% der Befragten mit einem eindeutigen "Ja". 20% der Befragten negieren diesen möglichen Zusammenhang. Aus diesen Ergebnissen kann man nur folgern, dass Humor zwar nicht als absolut unverzichtbar angesehen wird, doch die Einschätzung als ein sehr wichtiger Faktor für den Erfolg kann wohl kaum bestritten werden. Noch prägnanter wird die Wichtigkeit des Humors, wenn nach den Eigenschaften einer Führungskraft gefragt wird. 6% der Befragten halten den Humor bei Führungskräften für unverzichtbar, 69% für wichtig und keiner der Befragten hält ihn für verzichtbar. Eine Führungskraft ohne eine Prise Humor dürfte es folglich bei den Mitarbeitern sehr schwer haben. Doch nicht nur von den Vorgesetzten wird Humor erwartet. Auf die Frage: Wie oft setzen Sie Witz und Humor in Konfliktsituationen ein? gaben lediglich 4% der Befragten an, Humor nie zu gebrauchen, 14% gebrauchen sehr häufig Witz und Humor, 49% häufig und 33 % selten. Dabei scheint es unerheblich zu sein, ob die Befragten den Humor als Faktor für den Erfolg ansehen. Humor und Witz finden demnach in den Unternehmen häufiger statt, als es das äußere Erscheinungsbild vermuten lässt. Joachim Stammler Seite 8 14.05.2016 Zehn Aspekte für den Humor im Business (1) Generationenwechsel Junge Führungskräfte und Mitarbeiter verstehen Spaß nicht als unseriös, es darf auch einmal etwas nicht so ernst sein. Die heutigen "Arbeitskräfte" sind mit Comedysendungen und viel Klamauk in den Medien aufgewachsen. Humor wird nicht als gegensätzlich zur Ernsthaftigkeit gesehen, sondern als ein Gegenpol zum anstrengenden Alltag und zur hochkomplexen Wirklichkeit. Humor ist Lifestyle. Der Humor der "Alten" ist vielen zu ernsthaft und anstrengend. Die Zweckfreiheit von Witz und Klamauk ist das Markenzeichen der Mediengesellschaft, und Spaß das Kennzeichen des modernen Lebensgefühls. Die Ausbreitung der Mediengesellschaft lässt nur erahnen, in welcher Weise der heutige Mensch daran gewöhnt ist, unterhalten zu werden. Zur wichtigsten Ressource ist nach dem Trendanalytiker und Philosoph Norbert Bolz die Aufmerksamkeit geworden, und auch Unterhaltung muss die Aufmerksamkeit der Rezipienten herausfordern und dies gelingt durch "Schocker" oder durch Humor. Aufgrund des Generationenwechsels scheint also durchaus eine Kultur und Atmosphäre etabliert zu sein, in der Unternehmen, in welcher Form auch immer, auf diese Humorisierung der Gesellschaft reagieren müssen. Selbst die Philosophen entdecken, wie z. B. Wilhelm Schmid die Heiterkeit im Zusammenhang mit der Lebenskunst neu. Vielleicht beginnend mit Walter Benjamin und hinführend zu Odo Marquardt haben sich Philosophen nicht nur in einem völlig abstrakten Rahmen mit dem Humor beschäftigt. Walter Benjamin definiert das Lachen als Vorstufe des Denkens und Odo Marquardt setzt Denken und Lachen sogar gleich. (2) Globalisierung Die Angleichung der Kulturen, das Wissen um die Eigenarten anderer Völker, die Notwendigkeit mit Menschen aus anderen Kulturen zu verhandeln, macht es nötig, eine "leichte" und "ungefährliche" Umgangsform zu finden. Humor (nicht unbedingt Witze) ist die Möglichkeit "Umgangsfehler" zu entschärfen. Das Lächeln wird als eine universale Verständigungsmöglichkeit erkannt und ermöglicht das rasche Herstellen einer Vertrauensbasis. Auf der anderen Seite ermöglicht das Wissen um die Humorvorlieben des Partners aus einem anderen Land den schnellen Rapport und das Verständnis für Eigenarten in der Kommunikation. Der Psychologe Richard Wiseman initiierte eine groß angelegte Witzstudie, bei der er den witzigsten Witz der Welt ermitteln wollte. Über 40.000 Witze wurden bewertet und es stellte sich z. B. heraus, welche unterschiedlichen Vorlieben für "lustig" die Nationen haben. Menschen aus Irland, Großbritannien, Australien oder Neuseeland mögen Wortspiele. Amerikaner und Kanadier dagegen bevorzugen Witze, bei denen es um die Überlegenheit einer Person oder einer Gruppe geht. Diese Forschungen zeigen auf, wie sehr Humor auch durch die Umgebung geprägt wird. Ein Unternehmen kann dies durch humorvolle Poster, Karikaturen an den Wänden usw. beeinflussen. (3) Frauen und Männer Joachim Stammler Seite 9 14.05.2016 Männer und Frauen sind anders, auch was ihre Humorvorlieben angeht. Wer den unterschiedlichen Humor der Geschlechter nicht beachtet, wird auf Widerstände stoßen. Da Frauen mehr und mehr, wenn auch langsam, Führungspositionen bekleiden, wird sich auch der Humor in den Unternehmen verändern. Frauen sind offener oder haben es mehr als Männer gelernt, wie mit Humor eine konstruktive und harmonische Atmosphäre hergestellt werden kann. Anderseits scheinen Männer tendenziell die möglichen negativen Wirkungen des Humors höher einzuschätzen. Insbesondere befürchten Männer mehr als Frauen, dass Humor missbraucht werden kann, um Fehler und Missstände zu verniedlichen oder unter den Teppich zu kehren. Bei den positiven Wirkungen schätzen Frauen wesentlich höher als Männer ein, dass Humor ein offenes und gleichberechtigtes Gesprächsklima fördert. (4) Flache Hierarchien Witze in Unternehmen werden meist von oben nach unten gemacht (s. z. B. Kotthoff). Vorgesetzte erzählen einen Witz und die Untergebenen lachen. Nur wer bereits gekündigt hat, muss nicht mehr mitlachen. Will man jedoch flache Hierarchien etablieren, so sind die veränderten "Witze" ein entscheidendes Indiz für tatsächlich vollzogene flache Hierarchien. Umgekehrt fördert und stärkt eine "gleichberechtigte" Witzkultur flache Hierarchien. Bei einer Befragung stellte sich heraus, dass bei den negativen Auswirkungen des Humors vor allem das mögliche Missverstehen und die daraus resultierende Verletzung (86%) des anderen als Gefahren gesehen werden. Dagegen schätzen nur 13% der Befragten, dass Humor zu einer laissez-faireHaltung führen könnte und lediglich 10%, dass Humor zu einem respektlosen Umgang miteinander führt. Humor wird in der Einschätzung also nicht mit einem chaotischen oder handlungsunfähigem Arbeitsteam gleichgesetzt. Vielmehr fördert Humor in der Einschätzung der Befragten den Teamgeist. So glauben z. B. 51% der Befragten, dass Humor den Teamgeist festigt und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt. 51% schätzen, dass Humor ein offenes und gleichberechtigtes Gesprächsklima schafft, 41%, dass Humor ein konstruktives Miteinander fördert. Humor muss als ein wichtiger Katalysator für eine gute und konstruktive Teamatmosphäre angesehen werden. Ein Unternehmen, das den Humor fördert, unterstützt damit die konstruktive Zusammenarbeit. Allerdings korreliert Humor nicht mit der Identifikation mit dem Unternehmen. Nur 8% der Befragten glauben, dass Humor die Corporate Identity fördert. Ein humorvolles Unternehmen bindet demnach nicht durch den Humor die Mitarbeiter an sich. Humor muss Ausdruck der Unternehmensphilosophie und in ein Gesamtkonzept eingebunden sein. Die Mitarbeiter wollen sich vor allem mit dem Team identifizieren können und die Führungskräfte sollten nicht irritiert sein, wenn für die Mitarbeiter das Unternehmen nicht an der ersten Stelle steht. Joachim Stammler Seite 10 14.05.2016 (5) Der Humor in Deutschland Der deutsche Humor hat sich nachweislich geändert und ist nicht mehr so belehrend, didaktisch oder schrecklich tiefgehend. Auch die Trendanalytiker stellen eine größere Lustigkeit fest, so diagnostiziert Norbert Bolz: "Deutschland wird laxer, lustiger, lockerer." Er dient weniger als Ventil oder Entschädigung für so viel Ernst und Anstrengung. Der Humor ist ein Katalysator für Spaß, Motivation und Erfolg. Bei der zunehmenden Arbeitsdichte kann mit Humor die Arbeit zum Spaß werden. Umgekehrt wird Arbeit ohne Spaß als Belastung erlebt und führt zu typischen Stresssymptomen. In der oben schon erwähnten Witzstudie von Richard Wiseman erwiesen sich die deutschen Teilnehmer als die witzigsten. Genauer müsste man sagen, die Deutschen fanden die meisten Witze witzig. Die Begründung scheint in dem unspezifischen Humor der Deutschen zu liegen. (6) Die Humorforschung Sie hat wichtige Erkenntnisse, vor allem über die positive Wirkung beim Stress, erbracht. Es ist unbestritten, dass Lachen die Immunabwehr stärkt. Ferner gibt es Erkenntnisse über die positiven Auswirkungen auf die Kreativität. Etwas schwieriger nachzuweisen sind die Beziehungen von Humor und Konfliktlösung, da man von sehr komplexen Zusammenhängen ausgehen muss. Der Einfluss vom Humor im Sinne einer optimistischen Weltsicht auf den Erfolg ist offensichtlich, auch wenn die genauen Zusammenhänge und Wechselbeziehungen nur schwer zu differenzieren sind. Wichtige Ergebnisse hat die Forschung vom Bodyfeedback erbracht. Mit Bodyfeedback meint man die Wirkzusammenhänge von Körperhaltung/Ausdruck und Gefühlen. Man fand heraus, dass ein lächelnder Gesichtsausdruck dem Gehirn eine positive, offene Stimmung meldet. Dies wiederum stimmt das Gehirn auf die Verarbeitung positiver Inhalte ein. (Psychologie heute 2/2003). Lächelnde Menschen erwiesen sich in Experimenten als innovativer und einfallsreicher. Ferner erleben lächelnde Personen ihre Arbeit als nicht so beschwerlich wie “stirnrunzelnde“ Kollegen. Bei einer durchgeführten Befragung gaben 33% an, dass Humor sehr wichtig und 52% wichtig beim Umgang mit Stress ist. Lediglich 15 % halten den Humor für weniger wichtig im Umgang mit Stress und niemand hält ihn für verzichtbar. (7) Changemanagement und Perspektivenwechsel Jede Epoche und jede Gesellschaft kennt Formen des Narrentums, die auf starre Strukturen hinweisen und Veränderungen provozieren. Gerade bei schwierigen Joachim Stammler Seite 11 14.05.2016 Entscheidungen ist der Perspektivenwechsel durch "Narretei" sinnvoll, um von sicher geglaubten Einstellungen und Bedingungen Abschied nehmen zu können. In einer wirtschaftlichen Situation, die eine ständige Neuorientierung und hohe Flexibilität erfordert, trägt der Humor zu einer positiven Haltung gegenüber stetigen Veränderungen bei. Die Zufriedenheit der meisten Arbeitnehmer ist jedoch nicht sonderlich hoch, was darauf schließen lässt, dass die meisten Unternehmen die Ressource Humor noch nicht aufgegriffen haben. Zahlreiche Untersuchungen müssten die Verantwortlichen eigentlich zum Handeln zwingen. Nach einer Studie der Gallup-Organisation entsteht durch die Unzufriedenheit von Arbeitnehmern und dem daraus folgenden Nicht-Engagement ein gesamtwirtschaftlicher Schaden, der von den Forschern auf 220 Milliarden Euro im Jahr berechnet wurde. Die Gründe für das fehlende Engagement wurden aufgrund von Befragungen durch die GallupForscher ermittelt, danach scheinen folgende Faktoren ausschlaggebend zu sein: - die Mitarbeiter wissen nicht, was von ihnen erwartet wird - die Vorgesetzten interessieren sich nicht für die Mitarbeiter als Menschen - die ausgefüllte Position liegt den Mitarbeitern nicht - die Meinungen und Ansichten der Mitarbeiter werden nur wenig beachtet - die Vorgesetzten sind autoritär. Die Folgen für ein Unternehmen sind nach den Gallup-Forschern folgende: - hohe Krankmeldungen - hohe Fluktuation der Mitarbeiter - geringe Identifikation mit dem Unternehmen - wenig Spaß an der Arbeit - schlechtes Verhalten den Kollegen gegenüber - geringe Produktivität Wenn also Humor zu etwas nütze sein soll, dann indem strukturell der Humor als Vorgehensweise eingesetzt wird. Es geht darum, Fakten zu schaffen. Der Humor hat dabei zwei Vorteile. Erstens können die eigenen Ansprüche, Ziele und Erwartungen auf ein recht niedriges Niveau gestellt werden. Dies hat den Vorteil, dass tatsächlich etwas Nachvollziehbares passiert. Wenn ich nur kleine und vor allem konkrete Ziele habe, dann empfinde ich subjektiv häufiger einen Erfolg, als wenn ich riesige Ziele habe. Habe ich Erfolg im Kleinen, dann verändert sich das subjektive Gefühl auf die Verhältnisse einwirken zu können. Zweitens hat der Humor den Vorteil, dass kleine Veränderungen wie eine Überraschung wirken, die Veränderung wird erst belächelt oder belacht, doch weil es nicht so ernst ist, ist es mit der Veränderung spaßig ernst geworden. Niemand fühlt sich angegriffen, beleidigt, übervorteilt usw. Manchmal bemerken die anderen gar nicht, dass sich etwas geändert hat. Zurück bleibt lediglich die Erinnerung an die humor-volle Überraschung. ( 8) Unternehmenskultur und Lebenskunst Joachim Stammler Seite 12 14.05.2016 "Es ist schlimm, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem es keinen Humor gibt. Aber noch schlimmer ist es, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem man Humor braucht." Dieses ein wenig veränderte Zitat von Bertolt Brecht könnte zum Irrtum verleiten, man beschäftige sich in den Unternehmen besser nicht mit dem Humor. Denn wer das tut, stehe schnell im Verdacht, dass man es nötig hätte. Umgekehrt lässt sich aus dem Brechtzitat folgern: Es ist schön in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem es Humor gibt. Und noch schöner ist es, wenn dieser Humor der Unternehmenskultur entspricht. So könnten Unternehmen, die sich dem Humor zuwenden, nach außen deutlich zeigen, wie positiv das Betriebsklima und wie hoffnungsvolloptimistisch die Zukunft des Unternehmens ist. Die Situation vieler Firmen ist von einer großen Unsicherheit geprägt (Fusionen, Übernahmen, Insolvenzen, Undurchsichtigkeiten etc.). Dieser "Ohnmacht" begegnen viele Menschen mit Zynismus, der jedoch weder dem eigenen Wohlbefinden dient noch konstruktiv im Sinne des Unternehmens ist. Ironie als skeptisch-optimistische Haltung ist hier die bessere Alternative. Vor allem in der Philosophie der Lebenskunst (z. B. Wilhelm Schmid) kommt der Ironie eine entscheidende Bedeutung zu und kann auch für die Unternehmenskultur nutzbar gemacht werden. Eine insgesamt humorvolle Unternehmenskultur stellt für die Beschäftigten wie auch für die Kunden einen emotionalen Mehrwert dar. Es wird eine vertrauensvolle Kundenbindung hergestellt und eine übermäßige Fluktuation der Mitarbeiter verhindert. Einen interessanten Zusammenhang stellten Wissenschaftler bei den Essgewohnheiten fest. Lange Zeit galt es als erwiesen, dass Süßes bevorzugt als "Frustessen" genutzt wird. Forscher an der Universität Würzburg fanden jedoch heraus, dass den Versuchspersonen Schokolade besser schmeckte, wenn sie fröhlich waren. Denn Freude verbessert die Reizverarbeitung. Für Unternehmen übertragen bedeutet dies, dass Mitarbeiter, die fröhlich sind, positive Begebenheiten wie auch Erfolge besser genießen können. (Psychologie heute, 2/2003) "Wir haben dem Patienten geholfen. Aber wir wissen nicht so recht, warum und wodurch." Dieser Satz stammt von Asmus Finzen, der sich mit der Frage auseinandersetzt, warum Patienten trotz der Ärzte, Psychiater und Psychotherapeuten gesund werden. Seiner Meinung nach werden die "Instrumente" und die Wirksamkeit der therapeutischen Methoden völlig überschätzt. Dagegen wird der therapeutische Rahmen unterschätzt. Und hier wird die Bedeutung des Humors besonders deutlich. Aus der Psychotherapieforschung ist mittlerweile bekannt, dass folgende Faktoren für den Erfolg einer Therapie eine wichtige Bedeutung haben (s. Finzen): - eine vertrauensvolle Beziehung mit einer helfenden Person - ein Rahmen, der Sicherheit und Geborgenheit vermittelt - ein plausibles Konzept, dass Symptome, Genese, und Therapie erklärt - ein Ritual, das beide als Partner einbezieht. Joachim Stammler Seite 13 14.05.2016 Nun ist die Arbeitswelt keine psychotherapeutische oder medizinische Angelegenheit. Der Vergleich mit der Medizin und Psychotherapie kann verdeutlichen, wie wichtig das Drumherum für Veränderungen ist. Schnell werden Konzepte entwickelt, die die Qualität verbessern, Teambildung unterstützen sollen etc. Dabei ist nur sehr wenig darüber bekannt, welche Methoden tatsächlich wirksam sind. Es gibt sogar Wissenschaftler, die behaupten, dass keine der bekannten Managementmethoden nachweislich erfolgreich ist. Man kann eben nicht den Anspruch erheben, Mechanismen der Veränderung genau zu kennen. Doch lassen sich recht schnell Situationen schaffen, in denen Faktoren der Veränderung wirksam werden können. So fördert Humor das Vertrauen, Humor schafft Geborgenheit und Sicherheit. Bei Stefan F. Gross heißt es gar "Unterhaltungen ohne Humor grenzen an Körperverletzung." Humor bietet ebenso ein plausibles Konzept, da Witze und Humor zunächst einmal vereinfachen und Humor ist ein Ritual, da z. B. das Erzählen von Witzen die Einhaltung bestimmter Regeln auf beiden Seiten nötig macht. Diese Einschätzung der Wirkungsweisen des Humors legt es nahe, soziale Kompetenz in einem sehr engen Wechselverhältnis mit dem Humor zu betrachten. Wer humorvoll ist, kann auch als sozial kompetent bezeichnet werden. Und ein Unternehmen, das den Humor fördert, stellt den Mitarbeitern die notwendigen Rahmenbedingungen zur Entfaltung der sozialen Kompetenz zur Verfügung. Vor allem werden durch eine humorvolle Atmosphäre die so genannten Demotivatoren verringert bzw. nicht beeinflussbare Faktoren als erträglicher wahrgenommen. Die Aufgabe der Unternehmen ist es zusammenfassend also, Bedingungen zu schaffen, die es dem einzelnen erleichtern, sein Humorpotenzial zu nutzen. (9) Emotionalisierung Die unsicheren äußeren Bedingungen, die Komplexität und Unübersichtlichkeit werfen die Menschen auf sich selbst zurück. Viele Vorgänge, Anweisungen und Vorschriften in einem Unternehmen werden emotional aufgeladen. Gefühlsmäßige Widerstände, Ängste, Scham und Wut können nicht sachlich durch Verständnis oder Analysen geklärt werden. Die Menschen suchen zuallererst ein emotionales Gleichgewicht. Der Humor ist eine sanfte Methode, um anderen Wahrheiten zu sagen, durch Selbstironie das Selbstbewusstsein zu stärken und auf diese Weise Emotionalität und Sachlichkeit miteinander zu vereinbaren. Der Humor bzw. Humorvorlieben lassen Voraussagen über das Verhalten eines Menschen zu. So scheinen z. B. Menschen, die komplexere Witze mögen, eine besondere Gabe zu haben, Schätzungen vorzunehmen. Wissenschaftler fragten Testpersonen nach der Anzahl der Wörter auf einer Taschenbuchseite. Man fand heraus, dass gute Schätzer komplexere Witze bevorzugen. (Gehirn & Geist 1/2003) Diese Tatsache steht in einem interessanten Zusammenhang zur Ausgangslage. Spaß in landläufigem Sinne stehe im Widerspruch zum Humor. Norbert Elias hat eine unvollendete Schrift über den Humor hinterlassen, in der er den Humor als Grundlage des Zivilisationsprozesses beschreibt. Michael Schröter definiert diesen Joachim Stammler Seite 14 14.05.2016 Essay gar als Wende der Eliasschen Zivilisationstheorie. Er schreibt, Elias "….wollte das Potential zur Errichtung von Selbstzwängen als Teil der natürlichen Mitgift der Menschen (und dazu gehört das Lachen, d. A.) und als eine Voraussetzung ihres Zusammenlebens in Gruppen erweisen." Disziplin und Humor sind keine Gegensätze, vielmehr ist Humor eine Voraussetzung für Disziplin. In einer schon erwähnten durchgeführten Befragung ergab sich, dass Teilnehmer, die den Humor als Erfolgsfaktor ansehen, bei der Frage welche Faktoren für den beruflichen Erfolg besonders hoch eingeschätzt werden, zwar Disziplin nicht in jedem Fall angekreuzt wurde, doch fand sich fast bei allen persönliche Reife als Erfolgsfaktor. Da Disziplin vielleicht eher negativ besetzt ist, weist die hohe Bewertung der persönlichen Reife in die gleiche Richtung, die Norbert Elias angenommen hat. (10) Schlussfolgerung Selbst wenn der ökonomische Gewinn des Humors im Unternehmen quantitativ nur sehr schwer oder kaum zu erfassen ist, hat es mit Humor mehr Spaß gemacht. Humor macht die Arbeit nicht leichter, aber lebendiger und freudvoller. Dass Humor und Lachen stressreduzierend sind, haben zahlreiche gelotologische Befunde nachweisen können. Ein Lachen lindert die Folgen einer Belastung. Darüber hinaus kann gefragt werden: Ist der Humor eine geeignete Strategie, um Stress erst gar nicht aufkommen zu lassen? Wer sich mit Humor beschäftigt, der schult seine Wahrnehmung. Die Aufmerksamkeit wird auf die amüsanten Seiten der Wirklichkeit gerichtet und durch assoziatives Denken behält man auch mehr humorvolle Bemerkungen und Witze, die man in einer geeigneten Situation erzählen kann. Belastende Situationen bleiben nach wie vor belastend, doch durch den zusätzlichen Aspekt der amüsanten Seite erhält man eine positive Zufuhr, mit der man diese Situation besser bewältigen kann. Man gewinnt Spaß daran, sich selbst zu beobachten. In einem Interview (Süddeutsche Zeitung vom 18.12.2002) erzählt der Musiker und Humormensch Helge Schneider "Geplante Sachen sind manchmal auch lustig. Aber wenn etwas nicht geplant ist, dann bedeutet das für mich noch mehr — weil es dann nämlich für mich selbst auch im Entstehen ein Erlebnis ist." Dieses Erlebnis zu genießen ist ein Selbstzweck, der von der zielgerichteten und zweckgebundenen Tätigkeit im Arbeitsleben entlastet. Man beginnt sich über die eigenen Kreationsprozesse zu freuen und dann ist, wie Helge Schneider in dem besagten Interview sagt, Lustigsein überhaupt nicht anstrengend, weil man ja lustig ist. Mit dieser Unbeschwertheit und Leichtigkeit kann man dann auch andere Aufgaben anfassen und wundert sich, wie leicht sie von der Hand gehen. Quintessenz Humor in Unternehmen bedeutet die Schaffung eines Arbeitsplatzes, der dem einzelnen Mitarbeiter genügend Freiraum gibt, sein Humorpotenzial zu entfalten, klar abgesteckte Grenzen vorgibt, damit der Mitarbeiter sich auf seine Arbeit konzentriert und auch dann noch "Spaß" fördert, wenn die Arbeit mal nicht so erquicklich ist. Interview mit dem Humorforscher Michael Titze Joachim Stammler Seite 15 14.05.2016 "Humor ist ein effektives Mittel gegen alle Zeitkrankheiten, die mit Angst zu tun haben", sagt Michael Titze, Diplompsychologe und Humorforscher in Tuttlingen. Dazu gehörten etwa Erwartungsängste, Schamgefühle und Selbstwertprobleme, die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hätten. "Menschen, die häufig lachen, kommen im sozialen Leben besser an", betont Titze. Sie wirkten auf ihre Mitmenschen spritzig, witzig und einfallsreich. Gezieltes Lachen lasse sich daneben auch bei Stress und daraus resultierenden Erkrankungen sehr gut einsetzen. Beim Heilen mit Humor gibt es nach Angaben des Experten therapeutischen Humor, soll die Grundeinstellung des werden", erläutert Titze. "Viele Menschen haben Angst lächerlich zu wirken." Dadurch verkrampften sie sich im und stießen zwangsläufig immer wieder auf Ablehnung. zwei Ansätze. "Mit dem Behandelten geändert davor, auf ihr Umfeld Umgang mit Anderen In den therapeutischen Sitzungen werde das Problem mit Witz angegangen: "Betroffene gehen auf die Bühne und versuchen ihre Schwächen übertrieben darzustellen, etwa eine Ansprache möglichst schlecht zu halten", sagt der Psychotherapeut. Durch diese humorvolle Vorstellung bringen sie ihre Zuschauer zum Lachen, aber diesmal nicht mehr ungewollt. "Die Therapieteilnehmer haben nun ihre Schwäche unter Kontrolle", erklärt Titze. Auch die "Clowndoktoren" arbeiten nach dem gleichen Prinzip, wenn sie versuchen, vor allem sehr jungen Krankenhauspatienten durch lustige Übertreibungen die Angst zu nehmen. "Der therapeutische Clown stellt sich auf die Stufe von Kindern und schafft damit ein lockeres und soziales Umfeld", sagt der Diplompsychologe. Mit überdimensionalen Spritzen - etwa gefüllt mit Cola - oder ihrem ungeschickten Hantieren mit den Instrumenten im Krankenzimmer, nehmen die Spaßvögel ihren kleinen Zuschauern die Furcht vor der fremden Klinikwelt. "Inzwischen arbeiten die oft ehrenamtlichen Clowns in Deutschland fast flächendeckend", betont Titze. Neben dem therapeutischen Humor erfreut sich derweil auch das "Yogalachen" wachsender Beliebtheit. "Besonders Menschen, die unter starkem Stress stehen, sind in den so genannten Lachclubs gut aufgehoben", sagt der Wissenschaftler. Dort werde in der Gruppe bei bestimmten Übungen gelacht und zwar 20 oder 30 Minuten am Stück. Nur bei lang anhaltendem Gelächter werde eine heilsame Wirkung erzielt. "Beim herzhaften Lachen verselbstständigt sich der Körper, Geist und Vernunft werden ausgeschaltet", betont Titze. Gleichzeitig würden viele Funktionen hochgefahren: "Die Atmung verstärkt sich, dadurch kommt mehr Sauerstoff in die Lunge", unterstreicht der Humorforscher. Auch werde die Durchblutung der Muskulatur sowie die Immunabwehr verbessert, Stresshormone abgebaut und die Verdauungsdrüsen angeregt. Zudem komme es zur Ausschüttung schmerzlindernder Hormone, den so genannten Endorphinen: "Den Lachenden wird dadurch ein Hochgefühl vermittelt." Joachim Stammler Seite 16 Literaturverzeichnis: Buch Heiner Uber, Andre` Steiner Das Lachprinzip. Wie man sich erfolgreich, glücklich und gesund lacht. Eichborn Verlag Michael Titze, Inge Patsch Die Humorstrategie. Auf verblüffende Art Konflikte lösen. Kösel Verlag Dr. Madan Kataria. Lachen ohne Grund Vionova Verlag 14.05.2016 Joachim Stammler Internet http://www.humorcare.com/index2.php http://www.hoho-haha.de/lachen.html Seite 17 14.05.2016