Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 17. März 2010 10.92 Beurkundungs- und Beglaubigungsgesetz (BeurG); Totalrevision Bericht und Entwurf zur 1. Beratung -2- Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 6 1. Ausgangslage 1.1 Regelungskompetenz der Kantone 1.2 Revisionsbestrebungen 1.3 Geltende Rechtsgrundlagen 1.4 Umfeldentwicklungen im Kanton Aargau 1.5 Umfeldentwicklungen auf Bundesebene 1.6 Tendenzen bei Revisionen in anderen Kantonen 8 8 8 8 9 9 9 2. Handlungsbedarf und Rechtsgrundlage 3. Ergebnisse der Vernehmlassung und daraus resultierende Umsetzungsvorschläge 3.1 Allgemeines 3.2 Auswertung der Fragebogen 3.3 Aufgrund der Vernehmlassung vorgenommene Anpassungen 3.3.1 Neuer Titel des Gesetzes und neue Definition der Begriffe 3.3.2 Verzicht auf Anerkennung ausserkantonaler Urkunden im Bereich der Grundstückgeschäfte 3.3.3 Schweizerisches Bürgerrecht 3.3.4 Unvereinbarkeit 3.3.5 Sicherheiten 3.3.6 Ausstandsregelung 3.3.7 Aufbewahrungsfrist 3.3.8 Klageverfahren über streitige Gebühren und Auslagen 3.3.9 Besitzstandswahrung urkundsberechtigter Gemeindeschreiber 3.3.10 Vernehmlassungsergebnis zum Gebührentarif 4. Überblick über die wesentlichen Neuerungen 4.1 Beurkundungstätigkeit 4.2 Aufsicht 4.3 Verzicht auf Schweizer Bürgerrecht für Notariatsprüfung 4.4 Wohnsitzpflicht der Urkundspersonen in der Schweiz 4.5 Anerkennung ausserkantonaler Fähigkeitsausweise 4.6 Zusammenschluss von Urkundspersonen in einer Kapitalgesellschaft 4.7 Ausbildung der Urkundspersonen (beziehungsweise der Notarinnen und Notare) 4.8 Sicherheiten 4.9 Disziplinarrecht 4.10 Neues Gebührensystem 10 10 10 11 11 11 12 12 12 12 13 13 13 13 14 14 14 14 15 15 15 15 16 16 16 16 -3- 5. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 5.1 Allgemeine Bestimmungen 5.2 Urkunds- und Beglaubigungspersonen 5.2.1 Zuständigkeit 5.2.2 Urkundspersonen 5.2.3 Beglaubigungspersonen 5.2.4 Register, Publikation und Einsicht 5.3 Berufstätigkeit 5.3.1 Allgemeines 5.3.2 Berufspflichten 5.3.3 Protokollbuch und Aufbewahrung 5.3.4 Verantwortlichkeit 5.4 Beurkundung und Beglaubigung 5.4.1 Allgemeines 5.4.2 Ordentliches Beurkundungsverfahren 5.4.3 Besondere Beurkundungsverfahren 5.4.4 Beglaubigungen 5.4.5 Ausserordentliche Beurkundungsverfahren 5.5 Vergütung 5.6 Behörden und Verfahren 5.6.1 Notariatskommission 5.6.2 Notariatsprüfungskommission 5.6.3 Gemeinsame Bestimmungen 5.7 Schluss- und Übergangsbestimmungen 5.8 Fremdänderungen 5.9 Fremdaufhebungen 5.10 Publikation und Inkraftsetzung der Fremdänderungen 5.11 Dekrete 17 17 23 23 25 38 39 41 41 43 53 54 56 60 66 67 70 72 76 80 80 86 86 88 91 91 91 91 6. Auswirkungen 6.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Kanton 6.2 Auswirkungen auf die Kundinnen und Kunden 6.3 Auswirkungen auf die Wirtschaft 6.4 Auswirkungen auf die Gemeinden 6.5 Auswirkungen auf die Urkundspersonen 92 92 93 93 93 94 7. Weiteres Vorgehen 94 Antrag: 89 -4- Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen den Entwurf für eine Totalrevision des Beurkundungsrechts des Kantons Aargau zur 1. Beratung. Zusammenfassung Während seines bald hundertjährigen Bestehens hat sich das aargauische Beurkundungsrecht zu einem stets unübersichtlicheren Flechtwerk von Bestimmungen entwickelt. Trotz der Fülle an Vorschriften (zwei Gesetze, ein Dekret, vier Verordnungen, ein Regierungsbeschluss und über 54 Weisungen und Kreisschreiben) bestehen im geltenden Recht immer noch etliche Unklarheiten, welche für die Praxis eine Herausforderung darstellen. Die Verwaltung wird heute fast täglich mit Anfragen von Urkundspersonen zur Auslegung des geltenden Beurkundungsrechts konfrontiert. Das Beurkundungsrecht muss deshalb fassbarer und klarer werden. Dies ermöglicht eine schlankere Verwaltung und eine Unterstützung der Urkundspersonen bei ihrer täglichen Arbeit. Eine logische Systematik bringt Ordnung ins heutige Wirrwarr von Bestimmungen: Sämtliche wichtigen Fragen werden im vorliegenden Gesetzesentwurf beantwortet. Der Tarif wird in einem Dekret geregelt und die Ausführungsbestimmungen erfolgen auf Verordnungsstufe. Ziel ist eine Reduktion der Anzahl Erlasse sowie die Schaffung von Klarheit. Insgesamt resultiert ein auch im Vergleich mit ausserkantonalen Neukodifikationen übersichtliches und anwenderfreundliches Gesetz. Der vorliegende Gesetzesentwurf beinhaltet wesentliche Neuerungen: Neuer Ausbildungsstandard der Notarinnen und Notare Für die Zulassung zur Notariatsprüfung wird neu ein juristischer universitärer Hochschulabschluss (Master oder Lizentiat) oder ein Fachhochschulabschluss (Master) vorausgesetzt (§ 10 Abs. 1 lit. b Beurkundungs- und Beglaubigungsgesetz [BeurG]). Bisher war eine rein praktische Ausbildung möglich. Im revidierten Recht ist zudem vorgesehen, ausserkantonale Fähigkeitsausweise als Notarin oder Notar für die Beurkundungstätigkeit im Kanton Aargau zuzulassen, sofern die Ausbildung dem aargauischen Standard entspricht, die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller die deutsche Sprache beherrscht und der andere Kanton Gegenrecht hält (§ 8 Abs. 2 BeurG). Kein Schweizer Bürgerrecht für die Notariatsprüfung Das Schweizer Bürgerrecht bleibt zwar Voraussetzung für die Beurkundungstätigkeit, wird aber für die Absolvierung der Notariatsprüfung nicht mehr verlangt (§§ 6 und 10 BeurG). -5- Sicherheiten Die heutige Kaution für Urkundspersonen sowie urkundsberechtigte Gemeindeschreiber (Fr. 5’000.– beziehungsweise Fr. 3’000.–) stellt einen ungenügenden Schutz der Kundinnen und Kunden dar. Die Kaution wird daher abgelöst durch eine Berufshaftpflichtversicherung mit genügender Deckung oder eine andere gleichwertige Sicherheit (§ 12 BeurG). Neues Gebührensystem Im Zentrum steht neu die Bemessung der Gebühr nach Stundenaufwand. Die Promillegebühr, welche eine Bemessung der Gebühr nach dem Vertragswert ermöglicht, wird bei Verträgen auf Eigentumsübertragung von Grundstücken, zur Begründung von selbstständigen und dauernden Baurechten sowie auf Errichtung und Erhöhung von Grundpfandrechten beibehalten, wobei für Geschäfte mit hohem Vertragswert ein Maximaltarif festgesetzt wird (§§ 69 und 70 BeurG). Mit der vermehrten Anwendung des Aufwandtarifs und der Obergrenze beim Promilletarif werden unverhältnismässige Notariatsgebühren ausgeschlossen. Verstärkung der Aufsicht Die Aufsicht wird verstärkt und neu konzipiert (§ 71 ff. BeurG). Die dadurch entstehenden Mehrkosten werden im Wesentlichen durch neue kostendeckende Gebühren kompensiert. -6- Abkürzungsverzeichnis AGVE ANG AS aStGB BBl BeurG BGE BGFA BR BSG BV DVI E. EG ZGB EMRK FusG G+N HG IDAG IPRG KV LGVE NO OR RSF RSN RSV SAR SchlT ZGB SG SR SRL StGB VGE VRPG WIPO 10 Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide Aargauische Notariatsgesellschaft Amtliche Sammlung des Bundesrechts alt Schweizerisches Strafgesetzbuch Bundesblatt Beurkundungs- und Beglaubigungsgesetz (Gesetzesentwurf der vorliegenden Totalrevision) Bundesgerichtsentscheid Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte vom 23. Juni 2000 (SR 935.61) Bündner Rechtsbuch Bernische Systematische Gesetzessammlung Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 101) Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau Erwägung Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz vom 27. März 1911 (SAR 210.100) Europäische Menschenrechtskonvention Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz) vom 3. Oktober 2003 (SR 221.301) Sektion Grundbuch und Notariat (DVI) Haftungsgesetz des Kantons Aargau vom 24. März 2009 (SAR 150.200) Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen vom 24. Oktober 2006 (SAR 150.700) Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987 (SR 291) Verfassung des Kantons Aargau vom 25. Juni 1980 (SAR 110.000) Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide Notariatsordnung vom 28. Dezember 1911 (SAR 295.110) Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (SR 220) Recueil systématique de la législation fribourgeoise Recueil systématique de la législation neuchâteloise Recueil systématique de la législation vaudoise Systematische Sammlung des Aargauischen Rechts Schlusstitel des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 (SR 210) Systematische Gesetzessammlung des Kantons Basel-Stadt Systematische Sammlung des Bundesrechts Systematische Rechtssammlung des Kantons Luzern Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0) Verwaltungsgericht des Kantons Bern Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (Verwaltungsrechtspflegegesetz) vom 4. Dezember 2007 (SAR 271.200) Massnahme 10 der Wachstumsinitiative des Regierungsrats vom Juni 2005 -7- ZBGR ZertEs ZGB ZPO ZR Schweizerische Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur vom 19. Dezember 2003 (SR 943.03) Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210) Schweizerische Zivilprozessordnung (Zivilprozessordnung) vom 19. Dezember 2008 (tritt am 1. Januar 2011 in Kraft; vgl. BBl. 2006, S. 7386 ff.) Blätter für Zürcherische Rechtsprechung -8- 1. Ausgangslage 1.1 Regelungskompetenz der Kantone Gemäss Art. 55 Abs. 1 Schlusstitel des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (SchlT ZGB) bestimmen die Kantone, in welcher Weise auf ihrem Gebiet die öffentliche Beurkundung (inkl. Beglaubigung) erfolgt. Die Regelfreiheit der Kantone ist insoweit eingeschränkt, als das Bundesrecht gewisse Minimalanforderungen stellt. Frei sind die Kantone in der Auswahl der Organisationsform. Es gibt freie Berufsnotariate (wie im Kanton Aargau), Amtsnotariate (wie im Kanton Zürich) und verschiedenste Mischformen. Unabhängig von der Organisationsform handelt es sich bei der Beurkundungstätigkeit stets um eine hoheitliche Tätigkeit. Daneben können Urkundspersonen auch im privatrechtlichen Bereich tätig sein (zum Beispiel als Willensvollstreckerinnen und Willensvollstrecker). Auf die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und privatrechtlicher Tätigkeit wird bei einzelnen Bestimmungen näher eingegangen (vgl. vor allem Bemerkungen zu § 42 Abs. 1 des Beurkundungs- und Beglaubigungsgesetzes [BeurG]). 1.2 Revisionsbestrebungen Auf eine vom Regierungsrat im Jahr 2006 angeregte Teilrevision der geltenden Notariatsordnung (Botschaft vom 22. März 2006, 06.48) trat der Grosse Rat nicht ein: Es bestand mehrheitlich der Wunsch nach einer Gesamtvorlage zum Beurkundungsrecht. Am 7. November 2006 überreichte die Aargauische Notariatsgesellschaft dem Vorsteher des Departements Volkswirtschaft und Inneres (DVI) in Eigeninitiative einen Entwurf für ein neues Notariatsgesetz. Das DVI holte in der Folge bei externen Gutachtern einen Expertenbericht ein, um die sich stellenden Grundsatzfragen einer Totalrevision zu klären, und erarbeitete ein Normkonzept, welches der Regierungsrat am 26. März 2008 guthiess. Basierend auf den Leitsätzen des Normkonzepts wurde der vorliegende Gesetzesentwurf ausgearbeitet. 1.3 Geltende Rechtsgrundlagen Das kantonale Beurkundungsrecht ist heute in folgenden Erlassen geregelt: §§ 3–17, 70 und 142 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB; SAR 210.100) Notariatsordnung (NO) Verordnung über die Beaufsichtigung der Urkundspersonen vom 31. August 1915 (SAR 295.113) Verordnung über die Prüfungen für Notare und urkundsberechtigte Gemeindeschreiber vom 14. Juni 1982 (SAR 295.133) Verordnung über die Delegation von Kompetenzen des Regierungsrates vom 8. November 1982 (SAR 153.111) Verordnung über Prüfungsentschädigungen vom 20. Dezember 2000 (SAR 165.173) Regierungsbeschluss über die Veranstaltung von Stipulatorenkursen vom 1. August 1919 (SAR 295.131) Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Revision des zwanzigsten Titels des Obligationenrechts: Die Bürgschaft vom 8. März 1944 (SAR 210.230) -9- Weisungen und Kreisschreiben 1.4 Umfeldentwicklungen im Kanton Aargau Anlässlich eines Rechtsetzungsprojekts wird zurzeit geprüft, ob sich in einer allgemeinen Verordnung die Grundsätze für die Gebührenerhebung des Kantons verankern lassen. Eine Koordination mit diesem sich noch im Anfangsstadium befindlichen Projekt ist zum heutigen Zeitpunkt nicht möglich. Das Haftungsgesetz (HG), welches das bisherige Verantwortlichkeitsgesetz ablöst, ist am 1. März 2010 in Kraft getreten. 1.5 Umfeldentwicklungen auf Bundesebene Als öffentliche Urkunde gilt nach Bundesrecht ein von der Urkundsperson eigenhändig unterzeichnetes Dokument in Papierform. Gemäss der Revision des Immobiliarsachenrechts mit seinem neuen Art. 55bis SchlT ZGB dürfen die Kantone ihre Urkundspersonen ermächtigen, elektronische Ausfertigungen der von ihnen in Papierform errichteten Originalurkunden oder beglaubigte elektronische Kopien von Dokumenten in Papierform zu erstellen und Unterschriften auf Papierdokumenten elektronisch zu beglaubigen. Von dieser Möglichkeit macht der Kanton Aargau Gebrauch und erlässt die nötigen Ausführungsbestimmungen (§§ 59 Abs. 3, 60 Abs. 2 und 61 Abs. 3 BeurG). Das neue Immobiliarsachenrecht wurde am 11. Dezember 2009 vom Parlament beschlossen, sein Inkrafttreten wird per 1. Januar 2012 erwartet. Die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), welche die kantonalen Zivilprozessordnungen ersetzt, tritt voraussichtlich am 1. Januar 2011 in Kraft. Die Referendumsfrist ist am 16. April 2009 ungenutzt abgelaufen. Folgerichtig wird im vorliegenden Gesetzesentwurf bereits auf die neue ZPO verwiesen (vgl. die Bemerkungen zu den §§ 57, 74 und 76 BeurG). 1.6 Tendenzen bei Revisionen in anderen Kantonen Das Beurkundungsrecht wurde in den letzten Jahren in verschiedenen Kantonen revidiert, so unter anderem in den Kantonen Bern, Waadt, Graubünden, Basel-Stadt und Glarus. In keinem der Kantone wurde das freiberufliche Notariat durch ein Amtsnotariat ersetzt. Gesetzliche Grundlagen, Zuständigkeiten und Verfahrensvorschriften wurden vereinfacht. Da die Anforderungen an die Ausbildung der Urkundspersonen in den letzten Jahren gestiegen sind, wurde tendenziell ein Lizentiat, ein Master- oder ein gleichwertiges, bestandenes Abschluss-Examen an einer schweizerischen juristischen Fakultät vorausgesetzt. Schliesslich fand eine Liberalisierung der Wohnsitzbestimmungen statt: Die Kantone Bern und Basel-Stadt erachteten einen Wohnsitz der Urkundsperson auch ausserhalb des eigenen Kantonsgebiets, aber noch in der Schweiz, als ausreichend. Sämtliche Kantone mit freiberuflichem Notariat, welche ihr Beurkundungsrecht in letzter Zeit revidierten, kennen – nebst anderen Bemessungsmethoden – die Gebührenbemessung nach dem Vertragswert (Kantone Waadt und Basel-Stadt: Promilletarif des Vertragswerts; Kanton Bern: Rahmentarif mit Abstufungen nach dem Vertragswert). - 10 - 2. Handlungsbedarf und Rechtsgrundlage Während seines bald hundertjährigen Bestehens hat sich das aargauische Beurkundungsrecht zu einem stets unübersichtlicheren Flechtwerk von Bestimmungen entwickelt. Trotz der Fülle an Vorschriften (zwei Gesetze, ein Dekret, vier Verordnungen und über 54 Weisungen und Kreisschreiben) bestehen im geltenden Recht immer noch etliche Unklarheiten, welche für die Praxis eine Herausforderung darstellen. Das Beurkundungsrecht muss deshalb fassbarer und klarer werden. Eine logische Systematik bringt Ordnung ins heutige Wirrwarr von Bestimmungen: Sämtliche wichtigen Fragen werden im vorliegenden Gesetzesentwurf beantwortet. Der Tarif wird in einem Dekret geregelt und die Ausführungsbestimmungen erfolgen auf Verordnungsstufe. Die Reduktion der geltenden acht Erlasse auf neu deren drei sowie die Schaffung von Klarheit bedingen aber auch ein gewisses Mass an Ausführlichkeit in den neuen Erlassen. Hierin ist der Grund für den Umfang des vorliegenden Gesetzesentwurfs zu suchen (88 Paragraphen). Insgesamt wird das neue Beurkundungsrecht jedoch nicht aufgebläht. Ein Vergleich mit anderen Kantonen zeigt, dass neuere Regelungen des Beurkundungsrechts tendenziell ausführlicher ausfallen als ältere. In den Kantonen Bern, Basel-Stadt, Graubünden, Neuenburg, Waadt und Wallis, welche ihr Beurkundungsrecht in den letzten Jahren revidiert haben (1996 bis 2006), umfassen die neuen Gesetze bis zu 125 Artikel. Das neue Beurkundungsrecht des Kantons Aargau gewährleistet zum einen Klarheit für Rechtssuchende, welche die relevanten Bestimmungen schneller auffinden, und mehr Effizienz für die Urkundspersonen. Zum anderen werden bestehende Unsicherheiten beseitigt. Eine solch grundlegende Änderung des bestehenden Beurkundungsrechts lässt sich nur mittels Totalrevision verwirklichen. 3. Ergebnisse der Vernehmlassung und daraus resultierende Umsetzungsvorschläge 3.1 Allgemeines Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wurden die politischen Parteien, die betroffenen Verbände und Organisationen sowie die Justizbehörden zur Vernehmlassung eingeladen. Die Vernehmlassung dauerte vom 4. September 2009 bis 4. Dezember 2009. Es sind 18 Stellungnahmen und 21 Fragebogen eingegangen (Schweizerische Volkspartei des Kantons Aargau [SVP], Sozialdemokratische Partei des Kantons Aargau [SP], Christdemokratische Volkspartei Aargau [CVP], Freisinnig-Demokratische Partei des Kantons Aargau [FDP], Grüne Aargau [Grüne], Bürgerlich-Demokratische Partei des Kantons Aargau [BDP], Eidgenössisch-Demokratische Union [EDU], Evangelische Volkspartei Aargau [EVP], Grünliberale Partei Aargau [glp], Junge Christdemokratische Volkspartei Aargau [JCVP], Aargauische Notariatsgesellschaft [ANG], Aargauischer Anwaltsverband [AAV], Aargauische Grundbuchverwalter [Grundbuchverwalter], Notariatsprüfungskommission, Aargauischer Gewerbeverband [AGV], die Aargauische Industrie- und Handelskammer [AIHK], Hauseigentümerverband Aargau [HEV], Urkundsberechtigte Gemeindeschreiber im Kanton Aargau [Gemeindeschreiber], Verband Aargauer Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber [AGG], Finanzfachleute Aargauer Gemeinden, Aargauische Gebäudeversicherung [AGV], Gemeinde Oberwil-Lieli AG und Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Aargau). - 11 - Zudem haben mehrere Privatpersonen eine Stellungnahme eingereicht. Ausdrücklich auf eine Eingabe verzichtet hat der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrer-Verband (alv). 3.2 Auswertung der Fragebogen Thema zustimmend eher zustimmend Verzicht auf Schweizer Bürgerrecht SP, Grüne, EVP, glp, AIHK AAV, Grundbuchverwalter eher ablehnend ablehnend CVP, SVP, BDP, FDP, EDU, JCVP, ANG, HEV, AGV Hochschul- oder SVP, EVP, SP, Fachhochschulabschluss EDU, FDP, BDP, Grüne, glp, ANG, HEV, AGV, AIHK CVP, JCVP, AAV Grundbuchverwalter Anerkennung ausserkantonaler Fähigkeitsausweise EVP, BDP, Grüne, EDU, AGV SVP, FDP, SP, CVP JCVP, glp, ANG, AAV, HEV, AIHK, Grundbuchverwalter Anerkennung ausserkantonaler Urkunden EVP, BDP, Grüne, AGV, AIHK SVP, JCVP, glp Zusammenschluss von Urkundspersonen EVP, SP, EDU, CVP, FDP, Grüne, SVP BDP, glp, AAV, AGV ANG, HEV, Grundbuchverwalter Haftung der Urkundspersonen CVP, EVP, SP, SVP, BDP, FDP, EDU, JCVP, Grüne, ANG, AAV, HEV glp, Grundbuchverwalter, AGV, AIHK Gebührentarif SVP, EVP, ANG, AAV, HEV 3.3 SP CVP, SP, EDU, FDP, BDP, AIHK CVP, EDU, FDP, ANG, HEV, AAV, Grundbuchverwalter JCVP JCVP, Grüne, glp, AGV Aufgrund der Vernehmlassung vorgenommene Anpassungen Die unterschiedlichen Meinungen und Rückmeldungen in den Vernehmlassungen veranlassen den Regierungsrat zu folgenden Anpassungen in Bezug auf den Inhalt des Anhörungsberichts: 3.3.1 Neuer Titel des Gesetzes und neue Definition der Begriffe Für eine bessere Verständlichkeit werden die Begriffe der „Urkundsperson“ und der „Beglaubigungsperson“ klarer voneinander abgegrenzt. Als Urkundsperson – und nicht mehr als Notarin oder Notar – wird diejenige Person bezeichnet, welche über die kantonale Beurkundungsbefugnis verfügt und somit auf dem Gebiet des Kantons Aargau Beurkundungen und Beglaubigungen vornehmen darf. Die Beglaubigungspersonen sind einzig für Beglaubigungen zuständig (§ 1 BeurG). Diese klare Trennung der Begriffe schlägt sich auch im Titel des Gesetzes nieder, welches neu als Beurkundungs- und Beglaubigungsgesetz (BeurG) bezeichnet wird. - 12 - 3.3.2 Verzicht auf Anerkennung ausserkantonaler Urkunden im Bereich der Grundstückgeschäfte Auf die Anerkennung ausserkantonaler Urkunden im Bereich der Grundstückgeschäfte wird verzichtet (§ 5 BeurG). Derzeit sieht kein anderer Kanton eine entsprechende Regelung vor – eine Änderung dieses Umstands ist nicht absehbar. Aufgrund des vom Kanton Aargau verlangten Gegenrechts wäre die Anerkennung ohnehin toter Buchstabe geblieben. Eine Anerkennung ohne Gegenrecht wird aber deshalb abgelehnt, weil dies zu einer einseitigen Benachteiligung der aargauischen Urkundspersonen führen würde. Ferner würde die Arbeit der Grundbuchverwalterinnen und -verwalter, welche im Rahmen ihrer Kognitionsbefugnis die jeweiligen Gültigkeitsvorschriften der ausserkantonalen Beurkundungsrechte prüfen müssten, erschwert. 3.3.3 Schweizerisches Bürgerrecht In der Anhörungsvorlage wurde vorgeschlagen, sowohl bei der Zulassung zur Notariatsprüfung wie auch bei der Erteilung der Beurkundungsbefugnis zukünftig auf das Schweizer Bürgerrecht zu verzichten. Aufgrund der breiten Ablehnung in der Anhörung wird bei der Erteilung der Beurkundungsbefugnis (mit Blick auf die hoheitliche Tätigkeit der Urkundspersonen) das Schweizer Bürgerrecht entsprechend dem geltenden Recht nach wie vor vorausgesetzt (§ 6 BeurG). Für die Absolvierung der Notariatsprüfung soll es dagegen nicht mehr verlangt werden (§ 10 BeurG). 3.3.4 Unvereinbarkeit Der in der Vernehmlassungsvorlage noch vorgesehene absolute Unvereinbarkeitsgrund der gewerbsmässigen Vermittlung im Grundstückverkehr wird gelockert und der aargauischen Notariatslandschaft angepasst. Ein gänzliches Verbot der Vermittlung von Grundstücken ist nicht angezeigt. Urkundspersonen geniessen aber ein besonderes Vertrauen ihrer Kundinnen und Kunden. Ihnen werden offen und bereitwillig umfassende Informationen über zu tätigende Grundstückgeschäfte offenbart. Damit die Unabhängigkeit der Urkundsperson gewahrt bleibt, muss verhindert werden, dass die Urkundsperson solche Informationen zu ihrem eigenen Vorteil nutzen kann. Dies wird vermieden, indem der gewerbsmässige Handel im Grundstückverkehr sowie die Vermittlung von Grundstücken gegen Provision verboten werden. Sofern die Urkundsperson auf eine erfolgsabhängige Honorierung verzichtet, darf sie also weiterhin Grundstückgeschäfte zum Beispiel in Ausübung eines Willensvollstreckermandats vermitteln (vgl. § 7 BeurG). Da sich anlässlich der Vernehmlassung kritische Stimmen zur Zulässigkeit des Zusammenschlusses von Urkundspersonen in einer Kapitalgesellschaft äusserten, wird § 7 Abs. 3 BeurG ergänzt, indem ausdrücklich die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Urkundsperson erwähnt wird. In der Verordnung wird konkretisiert, wie die Gewährleistung der Unabhängigkeit und in diesem Zusammenhang die Beherrschung der Kapitalgesellschaft zu erfolgen hat. 3.3.5 Sicherheiten Aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse wird in der noch zu erlassenden Verordnung zum BeurG eine Mindestdeckung für die Berufshaftpflichtversicherung von zwei oder drei Millionen Franken vorgesehen. Dadurch können die meisten Schadenfälle abgedeckt - 13 - werden. Zum Vergleich sei angemerkt, dass die Berufshaftpflichtversicherung der Anwältinnen und Anwälte eine Mindestdeckung von einer Million Franken aufweisen muss (Art. 12 lit. f des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [BGFA]). Ferner sollen die Urkundspersonen sich auch für grobe Fahrlässigkeit versichern lassen, soweit die Versicherungsgesellschaften entsprechende Policen zu vertretbaren Bedingungen anbieten. Alternativ zu einer Berufshaftpflichtversicherung können andere gleichwertige Sicherheiten erbracht werden, entsprechend der Regelung für Anwältinnen und Anwälte. Eine Kaution, welche anlässlich der Vernehmlassung von verschiedener Seite verlangt wurde, lehnt der Regierungsrat ab (vgl. §§ 6 Abs. 2 lit. i und 12 BeurG). 3.3.6 Ausstandsregelung Der Katalog der Ausstandsgründe (§ 25 BeurG) wird gekürzt. Es erfolgt eine Anlehnung an Art. 503 Abs. 1 ZGB, welcher sich auf die öffentliche Beurkundung von Verfügungen von Todes wegen bezieht. Gleichzeitig soll aber auch den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen Rechnung getragen werden. 3.3.7 Aufbewahrungsfrist Die Aufbewahrungsfrist für Urkunden (beziehungsweise deren Kopien oder Abschriften) sowie für wichtige Beilagen, welche nicht dauernd bei einer Behörde oder einer Amtsstelle bleiben, wird von 30 auf 50 Jahre verlängert. Der Kundenschutz wird hierdurch noch mehr ins Zentrum gerückt (§ 37 BeurG). 3.3.8 Klageverfahren über streitige Gebühren und Auslagen Es hat sich gezeigt, dass die Zuweisung von Gebührenstreitigkeiten ins Verwaltungsverfahren zu unnötigen Verkomplizierungen führen würde. Im Falle von Einwendungen oder Einreden aufgrund zivilrechtlicher Gegenforderungen von Kundinnen oder Kunden müsste das verwaltungsrechtliche Verfahren entweder sistiert werden oder es müsste der Partei Frist zur Anhebung eines Zivilprozesses gesetzt werden. Dies würde jedoch die Verfahrensdauer verlängern. Zudem müsste die Urkundsperson unter Umständen zwei Verfahren gegen dieselbe Kundin oder denselben Kunden einleiten, nämlich dann, wenn sowohl Gebühren aus ihrer hoheitlichen Tätigkeit als auch Honorare aus ihrer Mandatstätigkeit streitig sind. Dies ist wenig praktikabel und wird deshalb abgelehnt. Neu entscheidet daher das Zivilgericht über streitige Gebühren und Auslagen der Urkundsperson (§ 74 BeurG). 3.3.9 Besitzstandswahrung urkundsberechtigter Gemeindeschreiber Im Sinne einer Präzisierung und zur Besitzstandswahrung der urkundsberechtigten Gemeindeschreiber wird in der Übergangsregelung (§ 82 Abs. 2 BeurG) festgehalten, dass bei Beurkundungen und Beglaubigungen für die eigene Gemeinde das bisherige Recht angewendet wird und diesbezüglich kein neuer Ausstandsgrund geschaffen wird. Im Übrigen gelten jedoch sämtliche Ausstandsvorschriften gemäss § 25 BeurG auch für die urkundsberechtigten Gemeindeschreiber. - 14 - 3.3.10 Vernehmlassungsergebnis zum Gebührentarif Im Gesamtüberblick resultierte bei einer grossen Mehrheit der Vernehmlassungsadressaten eine grundsätzliche Zustimmung zum vorgeschlagenen Gebührentarif mit der Beibehaltung und gleichzeitigen Neugewichtung der Bemessungsarten (Näheres dazu in den Ziffern 4.10 sowie 5.5). Die vereinzelt geltend gemachten Änderungsvorschläge zum Gebührensystem gingen naturgemäss weit auseinander. Einerseits wurde die völlige Abschaffung des Aufwandtarifs unter ausschliesslicher Anwendung der Promillegebühr, andererseits der einzelfallweise oder vollständige Verzicht auf die Promillegebühr gefordert. Auch in Bezug auf die Gebührenhöhe zeigte sich ein sehr uneinheitliches Bild. Während Einzelne die Erhöhung der bestehenden Promille- sowie Stundenansätze postulierten, sprachen sich andere für eine insgesamt massvolle Ausgestaltung des Tarifs aus. Aufgrund der Rückmeldungen werden die Grundsätze des Tarifs im Gesetz beibehalten, dessen Ausgestaltung jedoch in einem Dekret (§ 70 Abs. 4 BeurG) und nicht – wie in der Anhörungsvorlage vorgeschlagen – in einer Verordnung vorgenommen. Dies ermöglicht eine breitere politische Diskussion und somit eine bessere Legitimierung des Tarifs. 4. Überblick über die wesentlichen Neuerungen 4.1 Beurkundungstätigkeit Die Beurkundungsbefugnis wird künftig nur noch Inhaberinnen oder Inhabern des Fähigkeitsausweises als Notarin oder Notar erteilt werden. Entfallen wird die Möglichkeit der Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber, sich für die Beurkundung von gewissen Grundstückgeschäften patentieren zu lassen. Heute sind ohnehin nur noch sechs urkundsberechtigte Gemeindeschreiber im Amt. Nachwuchs ist nicht zu erwarten: Seit zwei Jahrzehnten erfolgten aufgrund mangelnder Nachfrage und fehlenden Interesses keine Anmeldungen mehr zur entsprechenden Prüfung. Für die betroffenen urkundsberechtigten Gemeindeschreiber ist eine Übergangsregelung zur Wahrung ihres Besitzstands vorgesehen: Sie behalten die Beurkundungsbefugnis während ihrer Anstellung als Gemeindeschreiber bei (vgl. §§ 3 Abs. 1 und 82 Abs. 2 BeurG). 4.2 Aufsicht Die heutige (mehrstufige) Ausgestaltung der Aufsicht über die Urkundspersonen ist nicht zweckmässig und somit revisionsbedürftig. In Zukunft wird die Notariatskommission die alleinige Aufsichtsbehörde sein. Sie ist für diese Aufgabe besonders geeignet, da sie sich aus Mitgliedern mit primär zivil- und notariatsrechtlichem Fachwissen zusammensetzt (vgl. § 71 ff. BeurG). Über die heutige Praxis hinaus wird die Aufsichtsbehörde in Zukunft von sich aus regelmässige ordentliche Inspektionen der Notariatsbüros durchführen. Nur so kann der Staat seine Aufsichtstätigkeit im Bereich des freiberuflichen Notariats effektiv wahrnehmen. Für die Urkundspersonen von Bedeutung ist der Umstand, dass sie die Kosten der - 15 - regelmässigen Inspektionen, welche alle sechs bis sieben Jahre stattfinden dürften, selbst zu tragen haben. Die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung im Dekret über die Verfahrenskosten vom 24. November 1987 (Verfahrenskostendekret, VKD; SAR 221.150) ist geplant. 4.3 Verzicht auf Schweizer Bürgerrecht für Notariatsprüfung Das Schweizer Bürgerrecht ist heute Voraussetzung für die Notariatsprüfung sowie die Ausübung des Notariatsberufs. Im zukünftigen Recht entfällt dieses Erfordernis für die Notariatsprüfung. Es ist kein triftiger Grund ersichtlich, weshalb ausländische Staatsangehörige nicht den Fähigkeitsausweis als Notarin oder Notar erhalten sollten. Möchten sie jedoch als Urkundspersonen tätig sein, müssen sie sich einbürgern lassen; diesbezüglich bleibt es beim bisherigen Recht (vgl. §§ 6 und 10 BeurG). 4.4 Wohnsitzpflicht der Urkundspersonen in der Schweiz Die geltende Verankerung der Wohnsitzpflicht im Kanton Aargau entbehrt einer genügenden gesetzlichen Grundlage. Die entsprechende Bestimmung wird daher bereits heute nicht mehr angewandt. Das Erfordernis von Büroräumlichkeiten im Kanton Aargau sowie die Gewährleistung der Verfügbarkeit der Urkundspersonen reichen vollkommen aus (vgl. §§ 6 Abs. 2 lit. f und 18 Abs. 1 BeurG). Eine kantonale Wohnsitzpflicht ist nicht erforderlich. Es wird im neuen Recht hingegen eine Wohnsitzpflicht in der Schweiz statuiert. Es ist sachgerecht, dass Urkundspersonen unter dem Gesichtspunkt der (disziplinarrechtlichen) Aufsicht und der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit (Haftung) ihre „rechtliche Adresse“ und den Ort der Zwangsvollstreckung in der Schweiz haben. 4.5 Anerkennung ausserkantonaler Fähigkeitsausweise Heute werden nur Notarinnen und Notare als Urkundspersonen zugelassen, welche den Fähigkeitsausweis im Kanton Aargau erworben haben. Neu werden auch ausserkantonale Fähigkeitsausweise für die Beurkundungstätigkeit im Kanton Aargau zugelassen, sofern die ausserkantonale Ausbildung dem aargauischen Standard (Gleichwertigkeit) entspricht, die antragstellende Person die deutsche Sprache beherrscht und der andere Kanton Gegenrecht hält (§ 8 Abs. 2 BeurG). Die Notariatskommission wird sich gewissenhaft mit der Frage der Gleichwertigkeit auseinandersetzen und nötigenfalls eine ergänzende Prüfung verlangen. Mit der Zeit wird sich eine gewisse Praxis einstellen, welche Fähigkeitsausweise als gleichwertig anerkannt werden und welche nicht. 4.6 Zusammenschluss von Urkundspersonen in einer Kapitalgesellschaft Wie Anwältinnen und Anwälte werden sich auch Urkundspersonen künftig in einer Kapitalgesellschaft (zum Beispiel AG oder GmbH) zusammenschliessen können. Allerdings wird vorausgesetzt, dass die Kapitalgesellschaft durch aargauische Urkundspersonen oder im Anwaltsregister des Kantons Aargau eingetragene Anwältinnen oder Anwälte beherrscht sein muss. In Ergänzung zur Vernehmlassungsvorlage wird die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Urkundsperson im Gesetz verankert (vgl. § 7 Abs. 3 BeurG). - 16 - 4.7 Ausbildung der Urkundspersonen (beziehungsweise der Notarinnen und Notare) Nach geltendem Recht ist für die Zulassung zur Notariatsprüfung weder eine Matura noch ein juristischer Hochschulabschluss erforderlich. Mit der Tendenz zu immer komplexeren Beurkundungsgeschäften mit auch internationalem Bezug steigen die Anforderungen an die juristischen Kenntnisse der Urkundspersonen. Wesentliches Ziel für den Kanton Aargau ist die Qualitätssicherung des Beurkundungswesens. Unter diesem Gesichtspunkt besteht ein öffentliches Interesse daran, nur Kandidierende mit ausreichender Vorbildung zur Notariatsprüfung zuzulassen. Für die Ausübung der Beurkundungstätigkeit ist ein breites juristisches Grundwissen notwendig. Es rechtfertigt sich daher trotz Bestreben nach möglichst freiem Marktzutritt und tiefen Zulassungsvoraussetzungen, zukünftig einen juristischen universitären Hochschulabschluss (Master oder Lizentiat) oder einen Fachhochschulabschluss (Master) vorauszusetzen (vgl. § 10 Abs. 1 lit. b BeurG). 4.8 Sicherheiten Als zwingendes Haftungssubstrat dient den Kundinnen und Kunden heute lediglich eine Kaution von Fr. 5’000.– pro Urkundsperson (beziehungsweise von Fr. 3’000.– pro urkundsberechtigter Gemeindeschreiberin respektive pro urkundsberechtigtem Gemeindeschreiber). Ein solches Haftungssubstrat ist offensichtlich ungenügend. Im neuen Recht wird daher ein ausreichender Kundenschutz statuiert: Die Urkundspersonen erfüllen schliesslich eine vom Staat übertragene hoheitliche Tätigkeit (vgl. Ziffer 1.1). Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung wird zwingend vorgeschrieben. Auf eine Kaution wird künftig verzichtet. Dies ist auch im Sinne des neuen Haftungsgesetzes (seit 1. März 2010 in Kraft). Die Berufshaftpflichtversicherung hat eine Mindestdeckung von zwei oder drei Millionen Franken aufzuweisen (Regelung auf Verordnungsstufe), wodurch die meisten Schadenfälle abgedeckt werden können. Zudem ist vorgesehen, auf Verordnungsstufe die Mitversicherung grober Fahrlässigkeit vorzuschreiben, solange seitens der Versicherungsgesellschaften entsprechende Angebote auf dem Markt vorhanden sind. Alternativ zu einer Berufshaftpflichtversicherung können andere gleichwertige Sicherheiten erbracht werden, entsprechend der Regelung in Art. 12 BGFA für Anwältinnen und Anwälte (vgl. §§ 6 Abs. 2 lit. i und 12 BeurG). 4.9 Disziplinarrecht Gemäss geltendem Recht können die folgenden Disziplinarmassnahmen verhängt werden: Verweis, Ordnungsbusse bis Fr. 200.–, Einstellung im Beruf bis drei Monate und Entzug des Patents. Mit Ausnahme der letztgenannten Massnahme erweisen sich alle Disziplinarstrafen in rechtsvergleichender Hinsicht als relativ mild. Die Bussenhöhe von Fr. 200.– ist für heutige Verhältnisse zu niedrig und wird neu auf maximal Fr. 20’000.– angepasst. Ebenso wird die Einstellung im Beruf auf die Dauer von maximal zwei Jahren ausgedehnt (§ 39 Abs. 1 BeurG). 4.10 Neues Gebührensystem Das geltende Gebührensystem kennt drei verschiedene Bemessungsarten: Die Bemessung nach dem Vertragswert (Promillegebühr), nach festen Ansätzen und nach Zeitaufwand. Alle drei Bemessungsarten werden beibehalten, aber neu gewichtet. So wird die Anwendung der - 17 - Promillegebühr eingeschränkt auf Verträge zur Eigentumsübertragung von Grundstücken, zur Begründung von selbstständigen und dauernden Baurechten sowie auf Errichtung und Erhöhung von Grundpfandrechten. Dies erfolgt im Sinne des Kundenschutzes. Die heutigen Promillegebühren werden neu gekappt. Bei Beglaubigungen drängt sich eine gewisse Pauschalierung der Gebühren auf, weshalb dort feste Ansätze beibehalten werden. Alle übrigen Geschäfte werden nach Zeitaufwand abgerechnet, neuerdings also beispielsweise auch beurkundungspflichtige gesellschaftsrechtliche Rechtsgeschäfte oder Urkunden zur Errichtung von Stockwerkeigentum. Die Ausgestaltung des Gebührentarifs erfolgt auf Dekretsstufe. 5. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 5.1 Allgemeine Bestimmungen §1 § 1 [Begriffe] In diesem Gesetz bedeuten a) Notarin und Notar: Inhaberin und Inhaber des Fähigkeitsausweises als Notarin oder Notar, b) Urkundsperson: Inhaberin und Inhaber der Beurkundungs- und Beglaubigungsbefugnis, c) Beglaubigungsperson: Inhaberin und Inhaber der Beglaubigungsbefugnis, d) Partei: Person, die eine öffentliche Beurkundung oder Beglaubigung vornehmen lässt, e) Urkundspartei: die an der öffentlichen Beurkundung oder Beglaubigung teilnehmende Partei oder deren Stellvertretung, f) Nebenpersonen: Zeuginnen und Zeugen, Übersetzerin und Übersetzer sowie sachverständige Personen. Bemerkungen zu § 1 BeurG (neu) Lit. a Als Notarin oder Notar gilt, wer über einen Fähigkeitsausweis als Notarin oder Notar verfügt. Beim Fähigkeitsausweis kann es sich um einen kantonalen oder ausserkantonalen handeln (vgl. § 8 BeurG). Der Titel des Notars oder der Notarin ist geschützt (vgl. die Strafbestimmungen in § 43 BeurG). Lit. b Der Begriff der Urkundsperson ist enger gefasst und bezieht sich ausschliesslich auf Inhaberinnen und Inhaber der vom Kanton Aargau verliehenen Beurkundungs- und Beglaubigungsbefugnis (zum Titelschutz vgl. die Strafbestimmungen in § 43 BeurG). Aufgrund der Übergangsbestimmung von § 82 Abs. 2 BeurG zählen auch die urkundsberechtigten Gemeindeschreiber nach bisherigem Recht zu den Urkundspersonen. Die Beschränkung auf gewisse Grundstückgeschäfte sowie auf das Gebiet der Gemeinde wird beibehalten (vgl. Bemerkungen zu §§ 3 und 82 BeurG). - 18 - - 19 - Lit. c Als Beglaubigungsperson wird bezeichnet, wer (ausschliesslich) über die kantonale Beglaubigungsbefugnis verfügt. Welchen Personen die Beglaubigungsbefugnis verliehen wird, ist in § 14 BeurG geregelt (zum Titelschutz vgl. die Strafbestimmungen in § 43 BeurG). Obwohl sie auch über die Beglaubigungsbefugnis verfügen, werden Urkundspersonen nicht als Beglaubigungspersonen bezeichnet. Lit. d Partei ist diejenige Person, welche die Beurkundung oder Beglaubigung für sich vornehmen lassen will. Nicht Partei sind Personen, welche Zustimmungserklärungen abgeben, ohne dass diese Erklärungen beurkundet werden. Keine Parteien sind sodann Teilnehmende an einer Veranstaltung ohne Verfahrensverantwortung (Versammlungsteilnehmende, Anwesende bei Losziehungen usw.). Lit. e Die Partei muss nicht in allen Fällen persönlich an der öffentlichen Beurkundung teilnehmen. In vielen Fällen kann sie sich vertreten lassen. Als Urkundspartei wird diejenige Person bezeichnet, welche an der öffentlichen Beurkundung teilnimmt, sei es die Partei selbst oder ihre Stellvertretung. Bei der Beglaubigung gibt es keine Stellvertretung, die Urkundspartei lässt die Beglaubigung für sich selbst vornehmen. Partei und Urkundspartei sind somit stets identisch. Lit. f Gewisse Geschäfte können nur mit der Hilfe von Zeuginnen und Zeugen, Übersetzerinnen und Übersetzern oder Sachverständigen beurkundet werden. Zu den Sachverständigen zählen beispielsweise Personen, welche die Verständigung mit Stummen und Gehörlosen in deren Zeichensprache ermöglichen (vgl. § 66 BeurG). §2 § 2 [Sachlicher und örtlicher Geltungsbereich] 1In diesem Gesetz wird die öffentliche Beurkundung und Beglaubigung auf dem Gebiet des Kantons geregelt. 2Öffentlich beurkundet werden a) Geschäfte, für welche die Rechtsordnung die öffentliche Beurkundung vorschreibt, b) die Abnahme des Eids und der Erklärung an Eids statt gemäss Art. 11 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987, c) weitere Vorgänge und Zustände nach Massgabe dieses Gesetzes, d) Geschäfte, für welche die Parteien ohne gesetzliche Vorschrift die Form der öffentlichen Beurkundung verlangen. 3Öffentlich beglaubigt werden Unterschriften, Abschriften, Auszüge und andere Wiedergaben eines Schriftstücks oder einer Übersetzung. - 20 - 4Das Gesetz findet keine Anwendung auf a) andere öffentliche Urkunden, die von Behörden, Beamtinnen und Beamten oder öffentlich-rechtlichen Angestellten nach speziellen gesetzlichen Vorschriften ausgestellt werden und b) die Beglaubigung der Unterschrift aargauischer Behörden, Beamtinnen und Beamten, öffentlich-rechtlicher Angestellter und Urkundspersonen durch das zuständige Departement. Bemerkungen zu § 2 BeurG (neu) Abs. 1 Die Beurkundungs- und Beglaubigungstätigkeit zählt zur freiwilligen (nichtstreitigen) Gerichtsbarkeit: Der Staat wirkt – durch die Urkunds- und Beglaubigungspersonen – bei der Begründung, Änderung oder Aufhebung privater Rechte oder Rechtsverhältnisse oder bei der Feststellung von Tatsachen mit, ohne dass ein Streitfall vorliegt. Als Organ der freiwilligen Gerichtsbarkeit üben die Urkunds- und Beglaubigungspersonen eine hoheitliche Tätigkeit aus (vgl. BGE 128 I 280 E. 3 S. 281). Das Verhältnis zwischen Partei und Urkunds- oder Beglaubigungsperson ist damit grundsätzlich öffentlich-rechtlich (vgl. BGE 127 III 248 E. 1b S. 251; 126 III 370 E. 7a S. 372). Die privatrechtlichen Normen – etwa die auftragsrechtlichen Regeln von Art. 394 ff. des Obligationenrechts (OR) – sind nicht anwendbar, soweit die Urkunds- oder Beglaubigungsperson (ausschliesslich) hoheitlich handelt. Als hoheitliche Aufgaben sind die Beurkundung und die Beglaubigung vom Staat zu regeln. Zuständig zur Legiferierung sind die Kantone, was in Art. 55 Abs. 1 SchlT ZGB wiederholt wird und unter dem Vorbehalt gewisser minimaler bundesrechtlicher Anforderungen an die Organisation steht. Wer zur Vornahme der öffentlichen Beurkundung oder Beglaubigung befugt ist, wird demnach durch das kantonale Recht festgelegt. Der sachliche und örtliche Geltungsbereich des neuen BeurG unterscheidet sich nicht von der bisherigen Regelung. Die Bestimmung stellt klar, dass es sich bei der Beurkundung oder Beglaubigung um eine hoheitliche Tätigkeit handelt. Das Gesetz gilt aufgrund des Territorialitätsprinzips nur im Kanton Aargau. Abs. 2 Lit. a Öffentliche Beurkundungen sind Beurkundungen von Erklärungen, insbesondere von Rechtsgeschäften (zum Beispiel öffentlichen letztwilligen Verfügungen oder Eigentumsübertragungen von Grundeigentum). Öffentlich beurkundet werden aber auch andere Akte, beispielsweise die Ziehung von Lotterien, andere Auslosungen und Wettbewerbe. Von Bedeutung sind die neuen Bestimmungen zur Vollstreckbarkeit von öffentlichen Urkunden in den Art. 347–352 ZPO (Inkraftsetzung per 1. Januar 2011 geplant). Damit werden auf Bundesebene vollstreckungsrechtliche Wirkungen der öffentlichen Urkunde normiert. - 21 - - 22 - Lit. b Die Abnahme des Eids und der Erklärung an Eids statt ist bloss im Rahmen von Art. 11 Abs. 3 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) zulässig, wenn dies aufgrund ausländischen Rechts erforderlich ist (vgl. Bemerkungen zu § 57 BeurG). Lit. c Die Beurkundung weiterer Vorgänge und Zustände ist in § 58 BeurG geregelt. Dazu gehört beispielsweise die öffentliche Beurkundung einer Zeitungsauflage. Lit. d Die Parteien können ein Geschäft auch beurkunden lassen, wenn dies für dessen Gültigkeit nicht erforderlich ist (vgl. Art. 16 OR). Auch in solchen Fällen sind die Bestimmungen des BeurG vollumfänglich einzuhalten. Abs. 3 Zu den öffentlichen Beurkundungen im weiteren Sinn zählen auch die Beglaubigungen (insbesondere die Beglaubigung einer Unterschrift, einer Abschrift, eines Auszugs, einer anderen Wiedergabe eines Schriftstücks und einer Übersetzung). Die öffentliche Beurkundung und die öffentliche Beglaubigung werden begrifflich in den Bestimmungen des BeurG klar auseinandergehalten. Abs. 4 Lit. a In dieser Bestimmung werden die öffentliche Beurkundung und Beglaubigung im Sinne des BeurG abgegrenzt von anderen öffentlichen Urkunden. Ein Auszug aus dem Grundbuch beispielsweise wird von der Grundbuchverwalterin oder dem Grundbuchverwalter unterzeichnet. Hierbei handelt es sich nicht um eine Urkunde im Sinne des BeurG (siehe Art. 105 Abs. 6 der Verordnung betreffend das Grundbuch [GBV] vom 22. Februar 1910; SR 211.432.1). Lit. b Kantonale Beglaubigungen (auch Überbeglaubigungen genannt) werden in der Verordnung über die kantonalen Beglaubigungen vom 28. Oktober 1998 (SAR 661.133) geregelt. Das Pass- und Patentamt beglaubigt beispielsweise Unterschriften von Urkundspersonen, Zivilstandsbeamtinnen und Zivilstandsbeamten sowie von öffentlich-rechtlichen Angestellten (zum Beispiel Kantonschemikerinnen und Kantonschemikern, Handelsregisterführerinnen und Handelsregisterführern usw.). - 23 - 5.2 Urkunds- und Beglaubigungspersonen 5.2.1 Zuständigkeit §3 § 3 [Sachliche Zuständigkeit] 1Die Urkundsperson ist für die öffentliche Beurkundung und Beglaubigung zuständig. 2Unterschriften, Abschriften und Auszüge, andere Wiedergaben eines Schriftstücks und Übersetzungen werden auch von der Beglaubigungsperson beglaubigt. Bemerkungen zu § 3 BeurG (bisher §§ 3, 14 und 70 EG ZGB, §§ 19 und 22 NO, teilweise neu) Heute sind im Kanton Aargau für Beurkundungen die patentierten (freiberuflichen) Notarinnen und Notare (Anwältinnen oder Anwälte und Nicht-Anwältinnen oder NichtAnwälte) sowie – für gewisse Grundstückgeschäfte – die urkundsberechtigten Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber (vgl. § 3 EG ZGB und § 22 Abs. 1 NO) zuständig. Beglaubigungen können zudem von Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreibern und Gemeindeammännern getätigt werden (vgl. § 14 EG ZGB). Die Urkundsperson (bisherige Bezeichnung: patentierte Notarin oder patentierter Notar) ist weiterhin für sämtliche Arten von Beurkundungen und Beglaubigungen zuständig. Urkundsberechtigte Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber sind im neuen Recht nicht mehr als Urkundspersonen vorgesehen. Aufgrund der Besitzstandswahrung in § 82 Abs. 2 BeurG können die sechs betroffenen Gemeindeschreiber jedoch bis zum Ende ihrer Anstellung weiterhin amten. Die Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber sowie – bei Bedarf – weitere Mitarbeitende der Gemeinden (Beglaubigungspersonen, vgl. § 14 BeurG) verfügen wie bisher über die Beglaubigungsbefugnis und können Beglaubigungen aller Art vornehmen. §4 § 4 [Örtliche Zuständigkeit] 1Im Kanton darf nur beurkunden oder beglaubigen, wer über die kantonale Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis verfügt. 2Die Urkundsperson kann Beurkundungen oder Beglaubigungen im gesamten Kantonsgebiet vornehmen. 3Die Beglaubigungsperson darf nur in derjenigen Gemeinde Beglaubigungen vornehmen, bei der sie angestellt oder von der sie gewählt ist. Bemerkungen zu § 4 BeurG (bisher §§ 20 und 23 NO, teilweise neu) Abs. 1 Die Beurkundungs- und die Beglaubigungstätigkeit als kantonale hoheitliche Tätigkeiten machen an der Kantonsgrenze halt (Territorialitätsprinzip). Die staatliche Ernennung durch einen bestimmten Kanton verleiht der Urkunds- oder Beglaubigungsperson nur Befugnisse in - 24 - den Grenzen des Kantonsgebiets. Dies ist auch im Kanton Aargau ausdrücklich so entschieden worden (Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide [AGVE] 1972, Nr. 6, S. 525 f. = Schweizerische Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht [ZBGR] 56/1975, S. 16 f.). Abs. 2 und 3 Urkundspersonen sind bereits nach bisheriger Regelung des Kantons Aargau (§ 20 NO) für das ganze Kantonsgebiet zuständig. Dies soll weiterhin so bleiben. Beglaubigungspersonen dürfen nur in ihrer eigenen Gemeinde tätig sein. §5 § 5 [Anerkennung fremder öffentlicher Urkunden] Öffentliche Urkunden, die eine zuständige schweizerische Urkundsperson ausserhalb des Kantons gültig errichtet hat, werden anerkannt. Ausgenommen sind Rechtsgeschäfte über im Kanton gelegene Grundstücke. Bemerkungen zu § 5 BeurG (neu) Öffentliche Urkunden, die eine schweizerische Urkundsperson (in der Schweiz) ausserhalb des aargauischen Kantonsgebiets nach den Beurkundungsregeln des betreffenden Kantons beziehungsweise nach Bundesrecht (insbesondere Erbrecht) erstellt hat, müssen von den Behörden und Amtsstellen des Kantons Aargau grundsätzlich anerkannt werden. Die interkantonale Freizügigkeit gilt grundsätzlich für sämtliche Urkunden. Für Grundstückgeschäfte ist die Anerkennung ausserkantonaler Urkunden jedoch nach wie vor unüblich und umstritten. Die Freizügigkeit von öffentlichen Urkunden über Grundstückgeschäfte wurde vom Bundesgesetzgeber im Bereich der Vermögensübertragung gemäss § 70 des Fusionsgesetzes (FusG) angeordnet. Danach genügt eine einzige öffentliche Urkunde, auch wenn die zu übertragenden Grundstücke in verschiedenen Kantonen liegen. Zuständig ist die Urkundsperson am Sitz des übertragenden Rechtsträgers. Die meisten – wenn nicht alle – Kantone schreiben vor, dass ausserhalb des Geltungsbereichs des Fusionsgesetzes für im eigenen Kanton gelegene Liegenschaften die öffentliche Beurkundung nur durch eine Urkundsperson vorgenommen werden darf, welcher in diesem Kanton die Beurkundungsbefugnis erteilt wurde. Diese „Lex-rei-sitae“-Regel ist gemäss Bundesgericht zulässig (BGE 46 II 391 ff.; 47 II 383 ff.; Urteil [des Bundesgerichts] vom 16. November 1937, E. 2, (publ. in:) ZBGR 21/1940, S. 16 ff.; BGE 106 II 36 S. 40; 110 II 156 S. 160 und 113 II 501 ff.). Sie soll weiterhin auch im Aargau gelten und im BeurG neu ausdrücklich verankert werden. § 70 FusG geht als bundesrechtliche Vorschrift § 5 BeurG vor. Unter den Begriff Rechtsgeschäft fallen sowohl zweiseitige (zum Beispiel ein Kaufvertrag über ein Grundstück) als auch einseitige Rechtsgeschäfte (zum Beispiel die Begründung von Stockwerkeigentum im Sinne von Art. 712d Abs. 2 Ziff. 2 ZGB). - 25 - Die Anerkennung ausländischer öffentlicher Urkunden beurteilt sich nach Bundesrecht (vgl. Art. 25–31 IPRG). Grundstückgeschäfte im Kanton Aargau können nicht durch Urkundspersonen im Ausland beurkundet werden. 5.2.2 Urkundspersonen §6 § 6 [Beurkundungsbefugnis] 1Die Beurkundungsbefugnis wird auf Gesuch hin von der Notariatskommission erteilt und ist gültig mit Eintragung im Register. 2Voraussetzungen für die Erteilung der Beurkundungsbefugnis sind a) der Wohnsitz in der Schweiz, b) das schweizerische Bürgerrecht, c) die Handlungsfähigkeit, d) das Fehlen von Unvereinbarkeiten nach § 7, e) der Ausweis über die berufliche Befähigung nach § 8, f) geeignete Büroräumlichkeiten im Kanton Aargau, g) keine Strafregistereinträge wegen Straftaten, die mit dem Notariatsberuf nicht vereinbar sind, h) keine Verlustscheine, i) der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung oder das Erbringen anderer gleichwertiger Sicherheiten, k) die Inpflichtnahme durch die Präsidentin oder den Präsidenten der Notariatskommission. Bemerkungen zu § 6 BeurG (bisher §§ 15, 16, 18 und 21 NO, teilweise neu) Abs. 1 Nach heutigem Recht ist die Patentierung von Urkundspersonen in den §§ 15–18 NO geregelt. Notariatsprüfung und Patentierung werden quasi als Einheit verstanden. Wer zur Prüfung zugelassen wird und diese besteht, wird auf Antrag der Notariatskommission vom Departement Volkswirtschaft und Inneres patentiert (§ 15 Abs. 1 NO und § 1 der Verordnung über die Delegation von Kompetenzen des Regierungsrats). Notariatsprüfung und Beurkundungsbefugnis dienen unterschiedlichen Zwecken. Der Ausweis über die bestandene Prüfung attestiert der Absolventin oder dem Absolventen genügende Berufskenntnisse (Fähigkeitsausweis). Für die Ausübung des Berufs ist jedoch die Erteilung der Beurkundungsbefugnis erforderlich (staatliche Übertragung hoheitlicher Funktionen der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Die Erteilung der Beurkundungsbefugnis setzt nicht bloss eine bestandene Notariatsprüfung voraus, sondern ist an weitere Voraussetzungen geknüpft, zum Beispiel an gewisse persönliche Eigenschaften. Fehlen sie, kann die Beurkundungsbefugnis nicht erteilt werden. Fallen sie nachträglich dahin, muss sie entzogen werden. Neu wird deshalb zwischen dem Fähigkeitsausweis und der Beurkundungsbefugnis unterschieden. Die Unterschiede zwischen Notariatsprüfung und Beurkundungsbefugnis werden im neuen Recht deutlich herausgestrichen (vgl. §§ 6 und 10 BeurG). Erteilt wird die Beurkundungsbefugnis künftig von der Notariatskommission. Die Beurkundungsbefugnis entsteht mit dem Eintrag im Register nach § 16 BeurG (konstitutiv). - 26 - - 27 - Abs. 2 Wer die Erteilung der Beurkundungsbefugnis beantragt, muss verschiedene Voraussetzungen erfüllen. Bei Erfüllung der Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Erteilung der Beurkundungsbefugnis und auf Eintrag im Register; der Notariatskommission kommt insoweit kein Ermessen zu. Die Voraussetzungen müssen während der gesamten Dauer der Berufstätigkeit gegeben bleiben. Erfüllt die Urkundsperson eine Voraussetzung für die Beurkundungsbefugnis nicht mehr, so endet diese und wird im Register gelöscht (§ 13 BeurG). Lit. a Gemäss § 21 NO können Urkundspersonen ihre Befugnisse nur ausüben, wenn sie ihren Wohnsitz im Kanton Aargau haben. § 21 NO wird indessen heute nicht mehr angewandt. Im Jahr 2001 stellte der Regierungsrat auf Anfrage der Notariatskommission fest, dass die Wohnsitzpflicht für aargauische Urkundspersonen gegen höherstufiges Recht (das heisst insbesondere gegen Art. 24 der Bundesverfassung [BV]) verstosse und § 21 NO nicht mehr anzuwenden sei (AGVE 2001, S. 563 ff.; vgl. aber auch BGE 128 I 280 ff.). Sachgerecht ist jedoch, dass Urkundspersonen Wohnsitz in der Schweiz haben müssen (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 lit. e des bernischen Notariatsgesetzes). Es wäre unbefriedigend, wenn eine Urkundsperson für vermögens-, straf- und disziplinarrechtliche Ansprüche im Ausland belangt werden müsste. Lit. b An der bisherigen Voraussetzung der schweizerischen Staatsangehörigkeit (§ 44 Ziff. 2 NO) wird festgehalten, da es sich bei der Beurkundungstätigkeit um eine hoheitliche Tätigkeit handelt. Allerdings wird das Erfordernis der schweizerischen Staatsangehörigkeit für die Notariatsprüfung abgeschafft (vgl. § 10 BeurG). Lit. c Wie bis anhin (§ 44 Ziff. 3 NO; vgl. auch § 4 Ziff. 1 NO) ist für die Ausübung der Beurkundungstätigkeit die Handlungsfähigkeit vorausgesetzt. Lit. d Vgl. die Ausführungen zu § 7 BeurG. Lit. e Vgl. die Ausführungen zu §§ 8 und 9 BeurG. Lit. f Die Urkundspersonen dürfen die vom Kanton Aargau verliehene Beurkundungsbefugnis (als hoheitliche Befugnis) nur auf dem Gebiet des Kantons Aargau ausüben (Territorialitätsprinzip). Hiefür brauchen sie geeignete Büroräumlichkeiten (vgl. Botschaft 06.48 des Regierungsrats des Kantons Aargau vom 22. März 2006 über die Teilrevision der Notariatsordnung, S. 10, und Art. 9 Abs. 1 lit. g des bernischen Notariatsgesetzes). Die - 28 - Urkundspflicht und die in § 18 Abs. 1 BeurG geforderte Erreichbarkeit und Verfügbarkeit der Urkundspersonen lassen hier keine Ausnahmen zu. Im geltenden Recht existiert keine Vorschrift, wonach die Urkundsperson ein Büro führen muss. Faktisch wird dies jedoch seit jeher als selbstverständlich erachtet. Nun wird die bisher geübte Praxis im Gesetz festgehalten. Es handelt sich also um keine Verschärfung des geltenden Rechts: Ohne eigene Büroräumlichkeiten kann die Beurkundungstätigkeit im Einklang mit den Berufspflichten gar nicht ausgeübt werden. Eine blosse Geschäftsadresse genügt nicht. Die Organisation der Postzustellung und des Telefonsdiensts muss die Vertraulichkeit sicherstellen. Büroräumlichkeiten dienen der Gewährleistung des Berufsgeheimnisses der Urkundspersonen sowie dem Persönlichkeitsschutz der Kundinnen und Kunden. Sinn und Zweck der Beurkundung ist unter anderem, die Kundinnen und Kunden über das zu tätigende Geschäft umfassend aufzuklären; der Beurkundungsakt soll durch die Förmlichkeit vor unüberlegten Entschlüssen bewahren. Dies kann nur durch einen geschützten Rahmen sichergestellt werden, welcher durch Büroräumlichkeiten geboten wird. Die Vorschriften über das Notariatsbüro sind verletzt, wenn die Büroadresse der Privatadresse der Urkundsperson entspricht und die Beurkundungstätigkeit in den Privaträumen ausgeübt wird. Ein Notariatsbüro (mit separatem Eingang) an der Wohnadresse der Urkundsperson, beispielsweise in einer Einliegerwohnung, ist jedoch zulässig. Lit. g Es dürfen keine Strafregistereinträge vorhanden sein wegen Straftaten, die mit dem Notariatsberuf nicht zu vereinbaren sind. Nicht zu vereinbaren sind beispielsweise Verurteilungen wegen Urkundenfälschung, Betrug oder weiteren Vermögensdelikten, aber auch aufgrund anderer Delikte, welche die Seriosität der Urkundsperson infrage stellen, wie Nötigung, Widerhandlungen gegen die sexuelle Integrität etc. Lit. h Das heutige Recht enthält keine Vorschriften über die finanziellen Verhältnisse einer Urkundsperson. Insbesondere rechtfertigt nach dem Wortlaut von § 44 NO selbst ein Konkurs der Urkundsperson keinen Patententzug. Urkundspersonen werden oft mit der Aufbewahrung fremder Gelder oder mit der Abwicklung von Geschäften betraut. Aus diesem Grund müssen sie in geordneten finanziellen Verhältnissen leben. Sobald Verlustscheine vorliegen, ist diese Voraussetzung nicht mehr gegeben (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 lit. d des bernischen Notariatsgesetzes; Art. 7 Abs. 2 der neuenburgischen Loi sur le notariat vom 26. August 1996, RSN 166.10). Lit. i Vgl. die Ausführungen zu § 12 BeurG. - 29 - Lit. j Bereits heute ist für die Aufnahme der Berufstätigkeit die Inpflichtnahme vorausgesetzt. Dies wird beibehalten. Die Inpflichtnahme hat vor der Erteilung der Beurkundungsbefugnis zu erfolgen. Nicht oder nicht mehr vorausgesetzt werden: Besitz der bürgerlichen Ehren und Rechte Nach bisherigem Recht ist Voraussetzung für die Notariatstätigkeit auch der Besitz der bürgerlichen Ehren und Rechte (§ 44 Ziff. 3 NO; vgl. auch § 4 Ziff. 1 NO). Der Verlust der bürgerlichen Ehren und Rechte beziehungsweise die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit war gemäss Art. 52 des alten Schweizerischen Strafgesetzbuches (aStGB) eine Nebenstrafe, die indessen bereits im Jahr 1971 aufgehoben wurde (AS 1971 777; BBl 1965 I 561). Auf diese Voraussetzung ist somit zu verzichten. Körperliche Voraussetzungen Die persönliche Wahrnehmung ist Teil oder Voraussetzung der öffentlichen Beurkundung. Die Urkundsperson darf nicht blind oder gehörlos sein, weil sie das Unterzeichnen der Parteien und ihre mündlichen Erklärungen selbst wahrnehmen muss. Dass die Urkundsperson sehen und hören muss, ist bereits von Bundesrechts wegen vorgeschrieben. Sie muss zudem eigenhändig unterzeichnen können (vgl. Art. 500 Abs. 3 ZGB). Eine Verankerung von körperlichen Voraussetzungen im kantonalen Gesetz ist deshalb nicht notwendig. §7 § 7 [Unvereinbarkeit] 1Unvereinbar mit der Ausübung der Beurkundungstätigkeit sind a) die Tätigkeit als Urkundsperson in einem anderen Kanton, b) die Tätigkeit in der Grundbuch- oder Handelsregisterführung, c) der gewerbsmässige Handel im Grundstückverkehr und die Vermittlung von Grundstücken gegen Provision, d) jede Tätigkeit, die mit einer unabhängigen und einwandfreien Beurkundungstätigkeit oder mit dem Ansehen des Notariats nicht vereinbar ist. Die Urkundsperson darf eine solche Tätigkeit auch nicht durch Dritte ausüben lassen. 2Die Urkundsperson darf gleichzeitig den Anwaltsberuf ausüben, wenn sie im Anwaltsregister des Kantons eingetragen ist. 3Sofern ihre Unabhängigkeit gemäss § 22 gewährleistet ist, kann die Urkundsperson die Beurkundungstätigkeit im Anstellungsverhältnis ausüben bei einer a) aargauischen Urkundsperson oder einer entsprechenden Personengesellschaft, b) Kapitalgesellschaft, die von aargauischen Urkundspersonen oder im Anwaltsregister des Kantons Aargau eingetragenen Anwältinnen oder Anwälten beherrscht ist. Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten in einer Verordnung. - 30 - Bemerkungen zu § 7 BeurG (bisher § 142 EG ZGB und § 27 NO, teilweise neu) Gemäss § 27 NO sind heute mit der Ausübung der Urkundsberechtigung unvereinbar: das Wirtschaftsgewerbe und der Handel mit geistigen Getränken (auch deren Ausübung durch Ehegatten, eingetragene Partner oder andere in Hausgemeinschaft lebende Personen), dauernde Anstellung im Staatsdienst oder bei einem Geldinstitut, gewerbsmässiger Betrieb des Wechsel- und Diskontgeschäfts, Börsenspekulation. Im Unvereinbarkeitsgesetz vom 29. November 1983, SAR 150.300, finden sich keine auf Urkundspersonen anwendbaren Bestimmungen. Die Unvereinbarkeitsgründe werden wie folgt an die heutigen Verhältnisse angepasst: Abs. 1 Lit. a Urkundspersonen dürfen nur in einem Kanton tätig sein. Eine aargauische Urkundsperson darf die Beurkundungstätigkeit nicht auch in einem anderen Kanton ausüben. Eine ähnliche Einschränkung ist für den Kanton Zug vom Bundesgericht als zulässig und sachlich begründet erachtet worden, unter anderem auch im Hinblick auf die (einheitliche) Aufsicht (BGE 131 II 639 E. 7 S. 646–647). Gegen eine Notariatstätigkeit in mehreren Kantonen sprechen auch die Urkundspflicht und die damit verbundene erforderliche Verfügbarkeit. Aufgrund dieser Bestimmung sind auch ausserkantonale Urkundspersonen, welche im Kanton Aargau kein Büro führen, von der öffentlichen Beurkundung im Kanton Aargau ausgeschlossen. Unzulässig sind auch Zweigbüros in anderen Kantonen, in denen eine aargauische Urkundsperson notarielle Dienstleistungen anbietet. Unproblematisch ist hingegen, wenn die Urkundsperson in einem ausserkantonalen Zweigbüro ausschliesslich anwaltlich tätig ist (vorbehältlich der Einschränkung gemäss § 7 Abs. 2 BeurG). Lit. b Gemäss heutiger Regelung dürfen Beamtinnen und Beamte sowie Angestellte des Grundbuchamtes Beurkundungen über Grundstückgeschäfte nicht selbst vornehmen (§ 142 Abs. 2 EG ZGB). Grundbuch- und Handelsregisterführerinnen und -führer haben notarielle Urkunden zu prüfen und über ihre Eintragung zu entscheiden. Aus diesem Grund sind Personen, die in der Grundbuch- und Handelsregisterführung tätig sind, vom Notariatsberuf ausgeschlossen. Lit. c Ausgeschlossen sind der gewerbsmässige Handel im Grundstückverkehr sowie die Vermittlung von Grundstücken gegen Provision. Diese Tätigkeiten sind mit der Funktion der Urkundsperson nicht vereinbar, da ihr aufgrund des Beurkundungszwangs im Bereich der - 31 - Grundstückgeschäfte von den Kundinnen und Kunden Geheimnisse und Informationen anvertraut werden, welche sie im eigenen Interesse ausnutzen könnte. Die Unabhängigkeit und Neutralität der Urkundsperson wäre in Frage gestellt. Der Ausschluss in § 7 Abs. 1 lit. c BeurG ist im Licht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung unproblematisch (BGE 133 I 259 E. 3.3 S. 262; BGE 2P.82/2006 vom 21. August 2007, E. 3.3). Der Kanton Bern regelt diese Unvereinbarkeitsgründe in den Standesregeln für Urkundspersonen (Art. 5 Abs. 1 der Standesregeln des Verbands bernischer Notare). Lit. d Eine – zwangsläufig lückenhafte – Aufzählung von verpönten Berufstätigkeiten im Gesetz ist entbehrlich. Zentral ist vielmehr, dass die Urkundsperson Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten muss. Es sind ihr (allenfalls auch den Angehörigen) gewisse Tätigkeiten per se verwehrt. Als unvereinbar mit der Beurkundungstätigkeit wird beispielsweise erachtet, wenn eine Urkundsperson nebst der Beurkundungstätigkeit einer Tätigkeit bei einer Bank, einer Versicherung oder einem Treuhandbüro nachgeht. Der Grund dafür liegt in der Gefahr, dass die genannten Institute der Urkundsperson Geschäfte zur Beurkundung vermitteln, was ihre Unabhängigkeit in Frage stellt. Auch können sich bei derartigen Paralleltätigkeiten gehäuft Interessenkollisionen zwischen der Unabhängigkeit und Neutralität der Urkundsperson und der Treuepflicht als Arbeitnehmerin beziehungsweise Arbeitnehmer oder Beauftragte beziehungsweise Beauftragter ergeben. Abs. 2 Zahlreiche Urkundspersonen sind gleichzeitig als Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte tätig. Legt man Wert auf eine umfassende, kompetente Beratung und Betreuung der Rechtssuchenden, so besteht kein Grund, die Notariatstätigkeit von der Rechtsanwaltstätigkeit zu trennen. Die im Kanton Aargau und in anderen Kantonen (zum Beispiel Bern und Luzern) bestehende Möglichkeit der gleichzeitigen Ausübung des Rechtsanwalts- und Notariatsberufs wird beibehalten. Die Ausstandsvorschriften in Verbindung mit einer wirksamen Aufsicht bieten den Rechtssuchenden genügend Schutz vor möglichen Interessenkonflikten. Vorausgesetzt wird die Eintragung im Anwaltsregister des Kantons Aargau. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ausgeschlossen, dass sich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in mehreren Kantonen in das Anwaltsregister eintragen lassen. Das eidgenössische Anwaltsgesetz sieht einen einzigen Eintrag in einem kantonalen Anwaltsregister vor, der beim Vorhandensein von mehreren Kanzleien zwingend in jenem Kanton vorzunehmen ist, in welchem die betroffene Rechtsanwältin oder der betroffene Rechtsanwalt hauptsächlich tätig ist (Art. 6 BGFA; BGE 131 II 639 E. 3.4.3 S. 644). Im Zusammenhang mit der analogen Bestimmung im Beurkundungsgesetz des Kantons Zug hielt das Bundesgericht fest, es lasse sich sachlich begründen, die Ermächtigung zur öffentlichen Beurkundung jenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten vorzubehalten, die überwiegend im Kanton selbst tätig und deshalb im Anwaltsregister eingetragen sind (BGE 131 II 639 E. 7.3 S. 647). - 32 - Abs. 3 Die Ausübung des Notariatsberufs ist auch im Angestelltenverhältnis möglich, so bei einer Urkundsperson sowie bei einer einfachen Gesellschaft oder einer Kollektivgesellschaft bestehend aus Urkundspersonen. Neu soll auch eine Beurkundungstätigkeit im Rahmen einer AG oder GmbH möglich sein. Anwaltskanzleien können sich nach neuer Praxis verschiedener Kantone als Kapitalgesellschaften konstituieren (Blätter für zürcherische Rechtsprechung [ZR] 105/2006, Nr. 71, S. 294 ff., Beschluss der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte vom 5. Oktober 2006; Ernst Staehelin, Die AnwaltsGesellschaft: Einzelheiten, in: Anwaltsrevue 2/2007, S. 67; Anwaltskommission des Kantons Aargau, Stellungnahme vom 28. März 2008, www.bgfa.ch). Besonders wichtig ist, dass trotz Angestelltenverhältnis die Unabhängigkeit der Urkundsperson gemäss § 22 BeurG gewahrt ist. In der Verordnung wird konkretisiert, was unter „Beherrschung“ zu verstehen ist und wie die Gewährleistung der Unabhängigkeit sichergestellt wird. Im Weiteren sind auf dem Verordnungsweg insbesondere auch die Anforderungen an den Sitz und den Zweck der Gesellschaft, die Beachtung der Berufsregeln durch die übrigen Gesellschafter, der Umfang des Weisungsrechts und die Einhaltung des Berufsgeheimnisses zu regeln. Die Urkundsperson kann die eigene Gebührenforderung an die Arbeitgeberin abtreten (§ 69 Abs. 2 BeurG). Die Notariatstätigkeit erfolgt in diesem Sinn nicht zwingend auf eigene Rechnung. Unabhängig von einer solchen Abtretung bleibt das Rechtsverhältnis stets zwischen der Urkundsperson und der Kundin oder dem Kunden bestehen. Dies gilt auch für die Haftung. Die Urkundsperson haftet für ihre Beurkundungstätigkeit stets persönlich und mit ihrem ganzen Vermögen. Vertragliche Haftungsbeschränkungen sind ausgeschlossen (§ 42 BeurG). §8 § 8 [Berufliche Befähigung] 1Den Ausweis über die berufliche Befähigung erbringt, wer über einen aargauischen Fähigkeitsausweis als Notarin oder Notar verfügt. 2Der ausserkantonale Fähigkeitsausweis als Notarin oder Notar wird von der Notariatskommission anerkannt, wenn a) ihm gleichwertige Voraussetzungen für die Erteilung zugrunde liegen, b) die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller die deutsche Sprache beherrscht, c) der andere Kanton Gegenrecht hält. Bemerkungen zu § 8 BeurG (neu) Abs. 1 Eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Notariatsberufs sind umfassende Rechtskenntnisse in den Bereichen, die für öffentliche Beurkundungen relevant sind. Kandidatinnen und Kandidaten, welche die aargauische Notariatsprüfung erfolgreich bestanden haben, erfüllen diese Voraussetzung. Dies gilt auch für Personen, welche die Notariatsprüfung nach bisherigem Recht bestanden und das Notariatspatent erworben haben, ohne dass sie den Beruf bereits ausüben (vgl. § 82 Abs. 1 BeurG). Hat eine - 33 - Kandidatin oder ein Kandidat die Notariatsprüfung schon vor so langer Zeit abgelegt, dass zweifelhaft ist, ob sie oder er noch über genügende und aktuelle Kenntnisse verfügt, kann die Notariatskommission eine Weiterbildung und allenfalls auch eine ergänzende Prüfung anordnen und die Erteilung der Beurkundungsbefugnis von der Erfüllung dieser Auflagen abhängig machen (vgl. §§ 33 und 41 BeurG). Abs. 2 Viele Kantone – darunter auch der Kanton Aargau – lassen heute nur Notarinnen und Notare zur Berufsausübung zu, welche die Prüfung im (eigenen) Kanton abgelegt haben. Die Kantone sind nach bundesgerichtlicher Praxis in dieser Frage weitgehend frei, eine Regelung zu treffen. Der Regierungsrat des Kantons Aargau erklärte bereits im Jahr 2006, die interkantonale Freizügigkeit von Urkundspersonen gewähren und ausserkantonale Notariatspatente anerkennen zu wollen (Botschaft 06.48 des Regierungsrats des Kantons Aargau vom 22. März 2006 über die Teilrevision der Notariatsordnung, Seite 4). Die (inhaltlichen) Probleme, denen eine Urkundsperson gewachsen sein muss, werden weitgehend durch Bundesrecht vorgegeben. Die kantonalen Eigenheiten beziehen sich insbesondere auf Verfahrensfragen sowie auf das Abgaberecht. Es ist daher vertretbar, ausserkantonale Fähigkeitsausweise als Notarin oder Notar anzuerkennen, sofern der ausserkantonale Ausbildungsstandard dem aargauischen entspricht. Wird ein ausserkantonaler Fähigkeitsausweis in Bezug auf verfahrens- und organisationsrechtliche Fragen (Beurkundungsverfahren im engeren Sinne, Aufsicht, Gebührenwesen), Beurkundungstechnik oder kantonales Abgaberecht (Grundstückgewinnsteuern, Handänderungssteuern, kantonale gesetzliche Pfandrechte) nicht als gleichwertig erachtet, kann die Kandidatin oder der Kandidat verpflichtet werden, eine ergänzende Prüfung abzulegen (vgl. § 10 Abs. 5 BeurG). Eine aargauische Urkundsperson muss die deutsche Sprache beherrschen. Wer die Maturitätsprüfung, den Hochschulabschluss oder die Notariatsprüfung in deutscher Sprache bestanden hat, hat diesen Nachweis erbracht. Bei fremdsprachigen Fähigkeitsausweisen (französisch, italienisch, rätoromanisch) ist die Gleichwertigkeit in Bezug auf die Sprachkenntnisse nicht gegeben. Kenntnisse der deutschen Sprache müssen diesfalls nachgewiesen werden. Für die Anerkennung ausserkantonaler Fähigkeitsausweise wird zudem verlangt, dass der andere Kanton Gegenrecht hält. Anerkannt werden ausserkantonal abgelegte Notariatsprüfungen, nicht etwa die in einem anderen Kanton gewährte Beurkundungsbefugnis. Wer als Urkundsperson in einem anderen Kanton tätig ist, kann im Kanton Aargau nicht als Urkundsperson zugelassen werden (vgl. § 7 Abs. 1 lit. a BeurG). - 34 - §9 § 9 [Fähigkeitsausweis als Notarin oder Notar] Wer die Notariatsprüfung besteht, erhält von der Notariatsprüfungskommission den Fähigkeitsausweis als Notarin oder Notar. Bemerkungen zu § 9 BeurG (bisher § 4 NO, teilweise neu) Für die Erlangung des Fähigkeitsausweises als Notarin oder Notar ist das erfolgreiche Bestehen der Notariatsprüfung Voraussetzung. Der Fähigkeitsausweis vermittelt der Notarin oder dem Notar den Ausweis über die berufliche Befähigung, welcher für die Erlangung der Beurkundungsbefugnis notwendig ist (vgl. §§ 6 Abs. 2 lit. e und 8 BeurG). § 10 § 10 [Notariatsprüfung] 1Die Notariatsprüfungskommission lässt Kandidatinnen und Kandidaten zur Notariatsprüfung zu, die a) handlungsfähig sind, b) über ein juristisches Masterdiplom oder ein juristisches Lizentiat einer schweizerischen Universität oder ein Masterdiplom einer schweizerischen Fachhochschule mit Fachrichtung Notariat verfügen, c) daran anschliessend das Notariatspraktikum absolviert haben. 2Sie führt die Notariatsprüfung durch. Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. 3Die Prüfung erstreckt sich auf die für die Beurkundungstätigkeit relevanten Gebiete des eidgenössischen und des kantonalen Rechts. 4Wer einen Prüfungsteil dreimal nicht bestanden hat, wird zu keiner weiteren Prüfung mehr zugelassen. 5Die Notariatskommission kann für Inhaberinnen oder Inhaber eines ausserkantonalen Fähigkeitsausweises als Notarin oder Notar Erleichterungen vorsehen. § 8 Abs. 2 bleibt vorbehalten. 6Der Regierungsrat regelt den Prüfungsstoff und die Durchführung der Prüfungen durch Verordnung. Bemerkungen zu § 10 BeurG (bisher §§ 4–12 NO, teilweise neu) Abs. 1 Derzeit ist für die Zulassung zur Notariatsprüfung weder eine Matura noch ein juristischer Hochschulabschluss erforderlich (vgl. § 4 Ziff. 2 NO). Dies ist nicht mehr zeitgemäss. Der Kanton als Garant des Polizeiguts „Treu und Glauben im Geschäftsverkehr“ muss die Qualität des Notariats sicherstellen. Unter diesem Gesichtspunkt besteht ein (öffentliches) Interesse daran, dass nur Kandidierende mit ausreichender Vorbildung zur Notariatsprüfung zugelassen werden. Eine Urkundsperson hat heute häufiger komplexe Lösungen zu erarbeiten, bei denen ein Rückgriff auf die bewährte Praxis, auf Formulare und Mustersammlungen nicht ausreichend ist. Diese Anforderungen sind nur mit einem vertieften Verständnis des Rechts zu bewältigen. Für die notarielle Tätigkeit wird deshalb neu ein juristischer universitärer Hochschulabschluss (Master oder Äquivalent) vorausgesetzt. - 35 - Ausreichend ist auch ein Masterdiplom einer schweizerischen Fachhochschule mit Fachrichtung Notariat, wobei ein solcher Studiengang zurzeit nicht angeboten wird. Wie bis anhin wird für die Zulassung zur Notariatsprüfung ein spezifisches Notariatspraktikum vorausgesetzt (§ 11 BeurG). Das Anwaltspatent soll für die Zulassung zur Notariatsprüfung jedoch weiterhin nicht vorausgesetzt werden. Es wird im Kanton Aargau demnach weiterhin möglich sein, als Urkundsperson tätig zu sein, ohne gleichzeitig die Berufsausübungsvoraussetzungen als Anwältin oder Anwalt zu erfüllen. Der Wohnsitz ist bereits heute kein Kriterium für die Zulassung zur Prüfung (vgl. § 21 NO). Dies soll auch künftig so gehandhabt werden. Das Schweizer Bürgerrecht hingegen wird unter dem geltenden Recht für die Zulassung zur Notariatsprüfung verlangt (vgl. Botschaft 06.48 des Regierungsrats des Kantons Aargau vom 22. März 2006 über die Teilrevision der Notariatsordnung, S. 5). Im neuen Recht entfällt diese Voraussetzung. Es besteht kein sachlicher Grund, ausländischen Staatsangehörigen die Zulassung zur Notariatsprüfung zu verwehren. Erst die Ausübung des Notariatsberufs als hoheitlicher Tätigkeit wird Schweizer Bürgerinnen und Bürgern vorbehalten (vgl. § 6 BeurG). Gemäss geltendem § 10 NO kann eine Bewerberin oder ein Bewerber ausnahmsweise zu einer Prüfung zugelassen werden, wenn sie oder er sich aus besonderen Gründen die vorgeschriebene Vorbildung nicht verschaffen konnte, aber durch Begabung und infolge einer auf andere Weise erworbenen Ausbildung zu dem Berufe hinreichend befähigt erscheint. Auf eine solche Ausnahmebestimmung wird im Interesse des Kundenschutzes künftig verzichtet. Dies hat zur Folge, dass Bewerberinnen und Bewerber mit einem ausländischen juristischen Abschluss nicht zur Notariatsprüfung zugelassen werden können. Das Notariatspraktikum ist nach Erlangung des Diploms einer schweizerischen Universität oder Fachhochschule zu absolvieren. Damit soll verhindert werden, dass eine frühere Tätigkeit bei einer Urkundsperson oder einem Grundbuchamt, welcher oft nicht der spezifische Ausbildungscharakter eines Praktikums zukommt, ein eigentliches Praktikum ersetzt. Aus wichtigen Gründen können diesbezüglich Erleichterungen gewährt werden, namentlich wenn die Forderung einer zusätzlichen praktischen Tätigkeit aufgrund der grossen Erfahrung eines Kandidaten oder einer Kandidatin als stossend erschiene (§ 11 Abs. 3 BeurG). Abs. 2–4 Im Interesse der Qualitätssicherung sind hohe Anforderungen an die Notariatsprüfungskandidatinnen und Notariatsprüfungskandidaten zu stellen. Eine Marktabschottung durch allzu strenge Prüfungen ist indessen zu vermeiden. Inhaberinnen und Inhaber des Anwaltspatents müssen heute nur die schriftliche Prüfung in den praktischen Arbeiten für öffentliche Beurkundung ablegen (§ 6 NO und § 12 der Verordnung über die Prüfungen für Notare und urkundsberechtigte Gemeindeschreiber). Künftig sollen auch Kandidierende mit Anwaltspatent die gesamte Prüfung ablegen müssen. So ist sichergestellt, dass sie die für die Beurkundungstätigkeit relevanten Rechtsgebiete wie Sachen- und Gesellschaftsrecht im Detail kennen. - 36 - Eine Abweisung infolge dreimaligen Nichtbestehens ist definitiv, eine erneute Zulassung zur Prüfung ist ausgeschlossen. Abs. 5 Eine Beschränkung des Prüfungsstoffs kommt in Frage für Kandidierende, die bereits über ein ausserkantonales (aber nicht gleichwertiges) Notariatspatent verfügen. Darüber entscheidet die Notariatskommission (vgl. § 8 Abs. 2 BeurG). Abs. 6 Der Prüfungsstoff und die Durchführung der Prüfung sind heute in der Verordnung über die Prüfungen für Notare und urkundsberechtigte Gemeindeschreiber umschrieben. Der Regierungsrat wird ermächtigt, diese Regelmaterie auch künftig mittels Verordnung festzulegen. Eine Anpassung der Gebührenhöhe für die Notariatsprüfung erfolgt per Änderung von § 1 Abs. 1 lit. c des Dekrets über die durch den Staat zu beziehenden Gebühren vom 23. November 1977, SAR 661.110 (siehe Ziffer 5.11). Heute werden für die Notariatsprüfung maximal Fr. 1’350.– (3 Teilprüfungen à Fr. 450.– gemäss §§ 11 und 27 der Verordnung über die Prüfungen für Notare und urkundsberechtigte Gemeindeschreiber) verlangt, was bei Weitem nicht kostendeckend ist (vgl. Tabelle in Ziffer 5.1). Mindestens eine Verdoppelung der Prüfungsgebühren ist angebracht. Zwar entsprechen die Prüfungsgebühren auch dann nicht dem Kostendeckungsprinzip. Es ist jedoch zu vermeiden, dass der Zugang zur Notariatsprüfung durch zu hohe Prüfungsgebühren übermässig erschwert wird. Die vorgesehene Prüfungsgebühr bewegt sich auf dem Niveau der Gebühr für die Anwaltsprüfung im Kanton Aargau (Fr. 1'000.– bis Fr. 3'500.– gemäss § 19 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [EG BGFA] vom 2. November 2004 [SAR 290.100]). § 11 § 11 [Praktikum] 1Das Notariatspraktikum dauert 12 Monate. 2Es ist im Kanton Aargau zu absolvieren, teilweise bei einer Urkundsperson, teilweise bei einem Grundbuchamt. 3Die Notariatskommission kann aus wichtigen Gründen Erleichterungen gewähren. 4Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten durch Verordnung. Bemerkungen zu § 11 BeurG (bisher §§ 4 Ziff. 3 und 6 NO, teilweise neu) Wie bisher wird auch künftig ein einjähriges Notariatspraktikum vorausgesetzt. Dies gilt auch für Kandidierende mit Anwaltspatent, welche bereits ein Anwaltspraktikum absolviert haben. Das Praktikum ist bei einer aargauischen Urkundsperson sowie bei einem Grundbuchamt im Kanton Aargau zu absolvieren. Aus wichtigen Gründen kann die Notariatskommission Erleichterungen gewähren (siehe Bemerkungen zu § 10 Abs. 1 lit. c BeurG). Nebst der Verkürzung der Praktikumszeit, wenn eine Kandidatin oder ein Kandidat bereits umfassende Erfahrungen aus einer früheren - 37 - Tätigkeit sammeln konnte, sind auch Fälle denkbar, in denen einer Kandidatin oder einem Kandidaten ein Praktikum beim Handelsregisteramt oder bei einer anderen kantonalen Dienststelle, welche einen direkt mit der notariellen Tätigkeit zusammenhängenden Aufgabenbereich hat, angerechnet wird. Durch die Offenheit der gesetzlichen Regelung sollen Härtefälle vermieden werden. Einzelheiten sind in der Verordnung zu regeln, soweit nicht auf das Ermessen der Notariatskommission zu verweisen ist. § 12 § 12 [Sicherheiten] 1Die Urkundsperson schliesst zur Deckung allfälliger Ansprüche aus vermögensrechtlicher Verantwortlichkeit eine Berufshaftpflichtversicherung ab oder erbringt andere gleichwertige Sicherheiten. 2Der Regierungsrat legt die Anforderungen an die Berufshaftpflichtversicherung und die gleichwertigen Sicherheiten in einer Verordnung fest. Bemerkungen zu § 12 BeurG (bisher §§ 16 und 17 NO, neu) Heute sind aargauische Urkundspersonen nicht verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschliessen. Voraussetzung ist lediglich die Hinterlegung einer Kaution von Fr. 5’000.– (urkundsberechtigte Gemeindeschreiber: Fr. 3’000.–). Eine Kaution von Fr. 5’000.– bietet den Kundinnen und Kunden praktisch keine Sicherheit, bei einem von einer Urkundsperson zu verantwortenden Schadenfall entschädigt zu werden. Typische Schadenfälle (ungültiges Testament, fehlende Pfandhaftung, anfechtbare oder nichtige Verträge etc.) übersteigen diesen Betrag meist um ein Vielfaches. Im Sinne des Kundenschutzes müsste eine Kaution in mindestens sechsstelliger Höhe vorgeschrieben werden. Kautionen in einer solchen Höhe fallen jedoch ausser Betracht, da so vielen Notarinnen und Notaren aus finanziellen Gründen der Zugang zur Beurkundungstätigkeit übermässig erschwert oder gar verunmöglicht würde. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll für Urkundspersonen der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung obligatorisch werden. Dies ist auch im Einklang mit dem neuen § 1 Abs. 2 HG (vgl. Bemerkungen zu § 42 Abs. 1 BeurG). Zahlreiche andere kantonale Gesetze sehen ebenfalls eine Berufshaftpflichtversicherung vor (Art. 9 Abs. 1 lit. f des bernischen Notariatsgesetzes; Art. 11 Abs. 1 des freiburgischen Gesetzes über das Notariat vom 20. September 1967, RSF 261.1; § 7 des luzernischen Gesetzes über die öffentlichen Beurkundungen [Beurkundungsgesetz] vom 18. September 1973, SRL 255). Eine Berufshaftpflichtversicherung ist zudem gemäss Art. 12 lit. f BGFA für Anwältinnen und Anwälte obligatorisch. Die Versicherungsdeckung dient dem Schutz der Kundinnen und Kunden, sie soll aber auch verhindern, dass die Urkundspersonen − welche im öffentlichen Interesse eine anspruchsvolle und schadensgeneigte Tätigkeit ausüben − wegen Versehen in existenzielle Not geraten. Angesichts der möglichen Schadenshöhe muss die minimale Versicherungssumme in substanzieller Höhe festgelegt werden. Da die Urkundspersonen eine hoheitliche Tätigkeit ausüben, erscheint es auch gerechtfertigt, die Mindestdeckung höher anzusetzen als bei Anwältinnen oder Anwälten, die private Dienstleistungen erbringen. Die Anforderungen an den Versicherungsschutz sind durch Verordnung festzulegen. Der Regierungsrat geht davon aus, dass eine Mindestdeckung von zwei bis drei Millionen Franken zu verlangen ist. Ausserdem soll auch die Abdeckung der groben Fahrlässigkeit verlangt werden, soweit die Versicherungsgesellschaften entsprechende Policen zu - 38 - vertretbaren Bedingungen anbieten, was heute der Fall ist. Alternativ zu einer Berufshaftpflichtversicherung können andere gleichwertige Sicherheiten (zum Beispiel Bankgarantien) erbracht werden, entsprechend der Regelung in Art. 12 BGFA für Anwältinnen und Anwälte. § 13 § 13 [Ende der Beurkundungsbefugnis] 1Die Beurkundungsbefugnis endet a) durch Verzichtserklärung der Urkundsperson, b) wenn die Urkundsperson eine der Voraussetzungen für die Beurkundungsbefugnis nicht mehr erfüllt, c) mit dem dauernden oder befristeten Entzug. 2Die Beendigung wird mit der Löschung der Beurkundungsbefugnis im Register wirksam. Bemerkungen zu § 13 BeurG (bisher § 44 NO, neu) Abs. 1 Lit. a und b Aufgrund einer Verzichtserklärung oder bei Wegfall einer Voraussetzung für die Beurkundungsbefugnis endet diese. Wenn die Notariatskommission Kenntnis erhält, dass eine Urkundsperson nicht mehr alle Voraussetzungen für die Beurkundungsbefugnis erfüllt, gewährt sie ihr zuerst das rechtliche Gehör und gibt ihr gegebenenfalls Gelegenheit zur Bereinigung der Verhältnisse. Das Verfahren wird mit einem Feststellungsentscheid abgeschlossen (§ 78 Abs. 1 BeurG). Die Kantone Basel-Stadt und Neuenburg haben eine Altersgrenze für Urkundspersonen eingeführt, was vom Bundesgericht geschützt worden ist (vgl. BGE 133 I 259 E. 4 S. 264 ff.). Der Regierungsrat erachtet das Bedürfnis für die Einführung einer Altersgrenze für nicht ausgewiesen, weshalb darauf verzichtet wird. Sollte eine Urkundsperson aufgrund ihres Alters nicht mehr in der Lage sein, ihre Berufspflichten korrekt zu erfüllen, stehen der Notariatskommission die geeigneten Mittel zur Verfügung (vgl. §§ 39, 41, 76 und 78 BeurG). Lit. c Dazu vgl. §§ 39, 41, 76 und 78 BeurG. Abs. 2 Da der Registereintrag konstitutiv ist, wird die Beendigung mit der Löschung der Beurkundungsbefugnis im Register wirksam. Bundesrecht kann durch diese Bestimmung allerdings nicht derogiert werden. 5.2.3 Beglaubigungspersonen § 14 § 14 [Begriff und Voraussetzungen] Beglaubigungspersonen sind - 39 - a) die Gemeindeschreiberin oder der Gemeindeschreiber, b) durch Beschluss des Gemeinderats: der Gemeindeammann oder ein anderes Mitglied des Gemeinderats, c) weitere durch Beschluss des Gemeinderats bezeichnete Angestellte der Gemeindeverwaltung, die über genügende Rechtskenntnisse verfügen. Bemerkungen zu § 14 BeurG (bisher § 14 EG ZGB und §§ 7 und 24 NO, teilweise neu) Beglaubigungen sind Alltagsgeschäfte. Wichtig ist, dass jedermann an seinem Wohnort Beglaubigungen vornehmen lassen kann. Aus diesem Grund sind für Beglaubigungen nicht nur die Urkundspersonen, sondern auch die Beglaubigungspersonen zuständig. Von Gesetzes wegen ist die Gemeindeschreiberin oder der Gemeindeschreiber Beglaubigungsperson. Je nach Bedarf der Gemeinde kann der Gemeinderat dem Gemeindeammann, einem anderen Mitglied des Gemeinderats oder einer beziehungsweise einem Angestellten der Gemeindeverwaltung die Beglaubigungsbefugnis zuerkennen. Für Beglaubigungspersonen ist keine Fähigkeitsprüfung vorgesehen. Es ist davon auszugehen, dass Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber das notwendige Wissen mitbringen, um Beglaubigungen korrekt vornehmen zu können. Der Gemeinderat stellt sicher, dass die Beglaubigungspersonen über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen. Die einzelne Beglaubigungsperson soll nicht nur selten zum Einsatz kommen; der Kreis ist also nicht zu weit zu ziehen. § 15 § 15 [Ende der Beglaubigungsbefugnis] 1Die Beglaubigungsbefugnis der Beglaubigungsperson endet a) mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses oder des Amts, b) durch Beschluss des Gemeinderats, c) bei Verlust der Handlungsfähigkeit, d) mit dem dauernden oder befristeten Entzug. 2Das Ende der Beglaubigungsbefugnis wird mit ihrer Löschung im Register wirksam. Bemerkungen zu § 15 BeurG (neu) Beglaubigungspersonen können ihr Amt nur ausüben, solange sie bei der Gemeinde tätig sind. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und aus den weiteren in § 15 BeurG aufgeführten Gründen endet die Beglaubigungsbefugnis (vgl. auch § 13 BeurG). Wirksam wird die Beendigung allerdings erst mit der Löschung der Beglaubigungsbefugnis im Register (konstitutive Wirkung). 5.2.4 Register, Publikation und Einsicht § 16 § 16 [Register] 1Die Notariatskommission führt ein Register der Urkunds- und Beglaubigungspersonen sowie der Notarinnen und Notare. - 40 - 2Das Register enthält a) Personendaten zur Identifikation der eingetragenen Person, b) das Datum der Erteilung des Fähigkeitsausweises als Notarin oder Notar sowie der Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis, c) Namen und Adresse des Notariatsbüros und des Zweigbüros, bei Beglaubigungspersonen den Namen der Gemeinde, d) disziplinarische und andere gemäss diesem Gesetz verfügte Massnahmen, e) Datum und den Grund des Endes der Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis, f) weitere Angaben, die der Regierungsrat durch Verordnung festlegt. 3Verweise und Bussen werden nach fünf Jahren, der dauernde oder befristete Entzug der Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis zehn Jahre nach Ende des Vollzugs der Massnahme im Register gelöscht. Bemerkungen zu § 16 BeurG (neu) Um ihre Aufsichtsfunktion wahrnehmen zu können, führt die Notariatskommission ein Register, aus dem die Personalien, das Geschäftsdomizil, das Ernennungsdatum und die verfügten Massnahmen ersichtlich sind. Notarinnen und Notare ohne Beurkundungsbefugnis sind ins Register aufzunehmen, da auch ihr Titel geschützt wird (vgl. § 43 Abs. 2 BeurG). Eine Überprüfung dieser Berechtigung ist nur mittels Kontrolle anhand des Registereintrags möglich. Der Registereintrag ist konstitutiv. Ob jemand als Urkundsperson tätig sein darf, entscheidet sich aufgrund des Eintrags der Beurkundungsbefugnis beziehungsweise Beglaubigungsbefugnis im Register (vgl. §§ 6 und 13–15 BeurG). Für die Führung des Registers ist eine Grundlage im BeurG erforderlich, analog zur Bestimmung in Art. 5 BGFA betreffend Rechtsanwältinnen und -anwälte. Wo die Notariatskommission aufgrund ihrer Zuständigkeit von einem eintragungsfähigen Zustand Kenntnis erhält, nimmt sie den Eintrag oder die Änderung im Register von Amtes wegen vor. Für die Eintragung der Beurkundungsbefugnis muss die Urkundsperson also kein zusätzliches Gesuch stellen. Disziplinarische oder andere Massnahmen trägt die Notariatskommission ein, sobald diese rechtskräftig verfügt sind. Für den Eintrag über die Erteilung oder das Ende der Beglaubigungsbefugnis im Sinne von § 15 lit. a oder b BeurG ist die Notariatskommission auf die Information der Gemeinde angewiesen (§ 35 Abs. 3 BeurG). Für die Führung des Registers werden keine separaten Gebühren erhoben; der Aufwand für die Registerführung ist mit den Gebühren abgegolten, die im Zusammenhang mit der Beurkundungsbefugnis in Rechnung gestellt werden (Regelung im Verfahrenskostendekret). In der Verordnung legt der Regierungsrat fest, welche zusätzlichen Angaben ins Register gehören, so zum Beispiel Angaben über die Berufshaftpflichtversicherung oder Stempel und Siegel. Sollte die Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis nach einem Entzug wieder erteilt werden, so gilt die zehnjährige Frist gemäss Abs. 3 ab dem Zeitpunkt der Wiedererteilung. Hierbei handelt es sich um eine Spezialregelung. Im Übrigen gilt das Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen vom 24. Oktober 2006 (IDAG; SAR 150.700). - 41 - § 17 § 17 [Publikation und Einsicht] 1Die Notariatskommission publiziert die Erteilung sowie das Ende der Beurkundungsbefugnis im kantonalen Publikationsorgan. 2Die Namen der Urkunds- und Beglaubigungspersonen sowie die Adressen ihrer Geschäftsdomizile sind öffentlich einsehbar. Bemerkungen zu § 17 BeurG (bisher § 45 NO, teilweise neu) Die Erteilung sowie das Ende der Beurkundungsbefugnis (wozu sämtliche in § 13 BeurG aufgezählten Tatbestände zählen) sind öffentlich bekannt zu machen. Diese Informationen werden daher im kantonalen Publikationsorgan publiziert (für Anwältinnen und Anwälte vgl. Art. 6 Abs. 3 BGFA). Namen und Geschäftsdomizil der Urkundspersonen sowie der Beglaubigungspersonen, eventuell auch weitere Angaben, sollen im Internet abrufbar sein (Einsehbarkeit durch Kundinnen und Kunden). Als Geschäftsdomizil der Beglaubigungsperson gilt die Gemeinde, bei welcher sie angestellt oder von welcher sie gewählt ist. Gemäss § 45 Abs. 1 NO können befristete Berufsverbote sowie das Erlöschen der Beurkundungsbefugnis bereits heute im Amtsblatt publiziert werden. Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau erachtete eine Publikation der befristeten Berufseinstellung in einem konkreten Fall jedoch als „Anprangerung“, welche wegen ihrer Auswirkungen auf das berufliche Ansehen als unverhältnismässige Verletzung der persönlichen Freiheit erschien (AGVE 2002, 374 ff., 384, E. II/7.c). In Zukunft muss jedoch die Publikation einer Berufseinstellung möglich sein, da der Registereintrag konstitutiv ist. Ausserdem ist eine solche Disziplinarstrafe gerade dann wirkungsvoll, wenn sie den Kundinnen und Kunden bekannt gegeben wird. Es wird daher die gesetzliche Grundlage für eine solche Publikation geschaffen. Beglaubigungspersonen werden im Register erfasst, die Mutationen werden jedoch nicht im kantonalen Publikationsorgan publiziert. 5.3 Berufstätigkeit 5.3.1 Allgemeines § 18 § 18 [Büro] 1Die Urkundsperson gewährleistet die Erreichbarkeit und Verfügbarkeit zu den üblichen Bürozeiten. 2Sie kann das Büro gemeinsam mit anderen Urkundspersonen oder mit Anwältinnen und Anwälten führen. 3Die Beglaubigungsperson benützt in der Regel geeignete Räumlichkeiten der Gemeinde. - 42 - Bemerkungen zu § 18 BeurG (neu) Die Erreichbarkeit und Verfügbarkeit muss zu den ordentlichen Bürozeiten gewährleistet sein. Während Abwesenheiten ist eine Vertretungsregelung innerhalb einer Bürogemeinschaft, aber auch zwischen verschiedenen Einzelbüros möglich. Die Erreichbarkeit und Verfügbarkeit eines Notariatsbüros ist ein wesentlicher Bestandteil für die Gewährleistung der öffentlichen Beurkundung als hoheitliche Aufgabe, auf deren Vornahme die Kundinnen und Kunden einen Anspruch haben. Abs. 3 schreibt die Benutzung der Räumlichkeiten der Gemeinde als Regel vor. In Ausnahmefällen können Beglaubigungen durch Urkunds- oder Beglaubigungspersonen auch ausserhalb dieser Räumlichkeiten (aber noch im Gemeindegebiet) vorgenommen werden, beispielsweise in einem Spital, wenn die Urkundspartei dort Patientin ist. § 19 § 19 [Zweigbüro] 1Die Urkundsperson kann neben dem Hauptbüro Zweigbüros im Kanton Aargau führen. 2Zweigbüros müssen die gleichen Anforderungen erfüllen wie das Hauptbüro. Bemerkungen zu § 19 BeurG (neu) Zweigbüros, in denen eine aargauische Urkundsperson notarielle Arbeiten verrichtet, müssen sich wie das Hauptbüro im Kanton Aargau befinden. Anwaltliche Dienstleistungen können aber auch in einem Zweigbüro ausserhalb des Kantons angeboten werden. § 20 § 20 [Stempel, Siegel, elektronische Signatur] 1Die Urkundsperson führt einen Stempel. 2Sie kann zusätzlich ein Siegel und eine qualifizierte elektronische Signatur führen. 3Endet die Beurkundungsbefugnis, zieht die Notariatskommission Stempel und Siegel ein und lässt die qualifizierte elektronische Signatur für ungültig erklären. 4Die Beglaubigungsperson benutzt den Amtsstempel der Gemeinde. Bemerkungen zu § 20 BeurG (bisher §§ 25 und 45 NO, teilweise neu) Stempel, allenfalls auch Siegel und qualifizierte elektronische Signatur, sind für die öffentliche Beurkundung zentral, da ohne sie keine öffentlichen Urkunden errichtet werden können. Diese Hilfsmittel können nur über die Notariatskommission bezogen werden (Ausnahme: Amtsstempel der Gemeinde). Wer über keine Beurkundungsbefugnis mehr verfügt, muss Stempel und Siegel der Notariatskommission abgeben; es ist sicherzustellen, dass die elektronische Signatur nicht mehr verwendet werden kann. Die Urkundsperson ist – vorderhand – nicht verpflichtet, eine qualifizierte elektronische Signatur zu führen. Wer über die entsprechenden technischen Voraussetzungen nicht verfügt, kann Begehren um die Vornahme elektronischer Beglaubigungen ablehnen. Die entsprechende Ausnahme von der Urkundspflicht wird der Regierungsrat in der Verordnung - 43 - statuieren (vgl. § 24 Abs. 3 Satz 2 BeurG). Sobald die technischen Möglichkeiten für das EGovernment im Kanton Aargau ausgereift sind, ist über eine Pflicht zur Führung einer qualifizierten elektronischen Signatur zu befinden. Bis dahin soll diese jedoch fakultativ bleiben. 5.3.2 Berufspflichten Die Berufspflichten werden im BeurG im Einzelnen aufgelistet, da die Bestimmungen des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG) nicht genügend spezifisch sind. Einige Berufsregeln gelten nur für Urkundspersonen (zum Beispiel §§ 21 und 22 BeurG), die meisten Pflichten betreffen jedoch auch Beglaubigungspersonen. § 21 § 21 [Ansehen] Die Urkundsperson wahrt das Ansehen des Berufsstands. Bemerkungen zu § 21 BeurG (neu) Das Ziel dieser Bestimmung ist die Gewährleistung eines korrekten Umgangs mit den Parteien und den Kolleginnen und Kollegen. Wann das Ansehen des Berufsstands im Einzelfall nicht mehr gewahrt ist, bleibt der Praxis der Notariatskommission überlassen (vgl. auch Art. 4 Abs. 1 des bernischen Notariatsgesetzes). § 22 § 22 [Unabhängigkeit] 1Die Urkundsperson übt den Beruf unabhängig aus. Sie handelt im eigenen Namen und in eigener Verantwortung. 2Sie setzt sich keinem Einfluss von Dritten aus, der mit ihrer Unabhängigkeit nicht vereinbar ist. Bemerkungen zu § 22 BeurG (neu) Freie („freiberufliche“) Urkundspersonen üben ihr Amt im eigenen Namen und im eigenen Risiko aus. Auch wenn die vom Staat übertragene Beurkundungsaufgabe eine hoheitliche Funktion (statt vieler BGE 124 I 297 E. 4a S. 299 f.) darstellt, besteht das Rechtsverhältnis nicht zwischen Staat und Kundin beziehungsweise Kunde, sondern zwischen Urkundsperson und Kundin beziehungsweise Kunde. Wie Anwältinnen und Anwälte (vgl. Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA) müssen auch Urkundspersonen in der Lage sein, ihren Beruf unabhängig auszuüben. Sie können sich bei Personen anstellen lassen, die ihrerseits als Urkundspersonen im kantonalen Register eingetragen sind. Die Anstellung bei einer Kapitalgesellschaft ist nur im Rahmen von § 7 Abs. 3 lit. b BeurG möglich. Nur so sind die Unparteilichkeit und das Berufsgeheimnis gewahrt. Ein unzulässiger Einfluss von Dritten wird beispielsweise ausgeübt, wenn eine Urkundsperson ihre Mandate überwiegend von einer einzigen Bank erhält oder – in einem Anstellungs- oder Mandatsverhältnis – eine Teilzeitbeschäftigung bei einem Arbeitgeber oder - 44 - Auftraggeber ausübt, welcher ihr Beurkundungsgeschäfte zuhält oder vermittelt, so zum Beispiel bei einem Liegenschaftenhändler oder Treuhänder. Die Notariatstätigkeit muss nicht zwingend auf eigene Rechnung ausgeübt werden (vgl. § 69 Abs. 2 BeurG). § 23 § 23 [Urkundspflicht] 1Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson ist verpflichtet, Beurkundungen oder Beglaubigungen vorzunehmen, mit denen sie betraut wird. 2Sie behandelt die Ersuchen um Beurkundung oder Beglaubigung beförderlich. Bemerkungen zu § 23 BeurG (neu) Urkunds- und Beglaubigungspersonen üben eine staatliche Funktion aus, die den Kundinnen und Kunden zur Verfügung stehen muss. Wer um eine Beurkundung oder Beglaubigung ersucht, soll nicht bei mehreren Urkunds- oder Beglaubigungspersonen vorstellig werden müssen, bis jemand eine (vielleicht schwierige oder wenig lukrative) Beurkundung oder eine Beglaubigung vornimmt. Beurkundungen oder Beglaubigungen können nur im Rahmen von § 24 BeurG abgelehnt werden. Der Ausstand ist in den §§ 25–27 BeurG geregelt. Beurkundungen und Beglaubigungen sind oft dringend. Die Urkunds- und Beglaubigungspersonen müssen sich so organisieren, dass sie ihre Arbeit innert angemessener Zeit erledigen können. § 24 § 24 [Ablehnung der Beurkundung oder Beglaubigung] 1Die Urkundsperson muss die Beurkundung ablehnen, wenn sie unzuständig ist, wenn der Inhalt der Beurkundung rechtlich unmöglich, rechts- oder sittenwidrig wäre, wenn bei der Beurkundung eine Person mitwirken soll, welche die erforderlichen Eigenschaften nicht aufweist, wenn eine Urkundspartei die erforderliche Mitwirkung verweigert oder wenn ein Ausstandsgrund vorliegt. 2Lassen sich in zeitlich dringenden Fällen Zweifel über die erforderlichen Fähigkeiten von Parteien, Urkundsparteien oder Nebenpersonen nicht ausräumen, nimmt die Urkundsperson die Beurkundung ausnahmsweise vor, hält ihre Bedenken jedoch in der Urkunde fest. 3Die Urkundsperson darf eine Beurkundung ablehnen, wenn sie durch wesentliche Gründe verhindert ist, wenn sie sich aus einem sachlich vertretbaren Grund als befangen erachtet oder wenn der verlangte Kostenvorschuss nicht geleistet wird. Der Regierungsrat kann weitere Ausnahmen von der Urkundspflicht in einer Verordnung festlegen. 4Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson macht die Urkundspartei unverzüglich darauf aufmerksam, wenn sie die Beurkundung oder Beglaubigung ablehnt. 5Die Absätze 1–4 gelten sinngemäss auch für die Beglaubigung. Bemerkungen zu § 24 BeurG (bisher § 29 Abs. 2 NO, teilweise neu) Abs. 1 - 45 - Die Urkundsperson darf sich nicht aus falsch verstandener Dienstleistungsbereitschaft bereit erklären, Beurkundungen vorzunehmen, welche unzulässig sind. Sie muss ihre Zuständigkeit, die Art des Geschäfts sowie die Identität und die Fähigkeiten der mitwirkenden Personen sorgfältig prüfen (vgl. auch § 45 BeurG). Bestehen hinsichtlich der Urteilsfähigkeit einer mitwirkenden Person begründete Zweifel, so sind unter Vorbehalt dringlicher Fälle (Abs. 2) die zweckdienlichen Abklärungen vorzunehmen. Eine Beurkundung darf in diesen Fällen nur erfolgen, wenn die Urkundsperson die Urteilsfähigkeit als gegeben erachtet. Abs. 2 Zweifelt die Urkundsperson an den Fähigkeiten einer mitwirkenden Person, namentlich an deren Urteilsfähigkeit, ohne in diesem Punkt innert nützlicher Frist Klarheit erlangen zu können, hat sie die Beurkundung dann vorzunehmen, wenn aufgrund der konkreten Umstände von einer zeitlichen Dringlichkeit auszugehen ist. Die Urkundsperson ist in solchen Fällen jedoch verpflichtet, ihre Zweifel in der Urkunde zum Ausdruck zu bringen. Zeitlich dringende Fälle können beispielsweise bei Verfügungen von Todes wegen vorliegen, wenn die Urteilsfähigkeit der Partei fraglich ist, wegen des prekären Gesundheitszustands weitergehende Abklärungen jedoch nicht mehr möglich sind. In dieser Situation kommt dem Interesse der Partei am Zustandekommen einer öffentlichen Urkunde ein höheres Gewicht zu als der Klärung der Handlungsfähigkeit, zumal über die Gültigkeit der Urkunde auch zu einem späteren Zeitpunkt befunden werden kann. Es erscheint weniger sachgerecht, der Urkundsperson in dieser Situation zu verbieten, die Beurkundung vorzunehmen (so aber beispielsweise § 20 Abs. 3 lit. d des luzernischen Beurkundungsgesetzes). Die Rechtsunsicherheit und das Risiko, dass über die Gültigkeit der Urkunde ein Rechtsstreit geführt wird, sind in dieser Situation hinzunehmen. Die Beurteilung der Urteilsfähigkeit bleibt in jedem Fall der Richterin oder dem Richter vorbehalten, sollte die Gültigkeit einer öffentlichen Urkunde angefochten werden. Abs. 3 Die Urkundsperson soll Beurkundungen ablehnen können, wenn sie sich befangen fühlt, ohne dass ein Ausstandsgrund der §§ 25–27 BeurG gegeben ist. Trotz der in § 23 BeurG statuierten Urkundspflicht können Beurkundungen oder Beglaubigungen auch aus terminlichen Gründen abgelehnt werden. Der Regierungsrat kann weitere Ablehnungsgründe in der Verordnung umschreiben. Als zusätzliche Ablehnungsgründe kommen insbesondere fehlende technische Voraussetzungen betreffend die Vornahme elektronischer Beglaubigungen in Frage (vgl. §§ 59 Abs. 3, 60 Abs. 2 und 61 Abs. 3 BeurG). Urkundspersonen, welche über keine qualifizierte elektronische Signatur verfügen (vgl. § 20 Abs. 2 BeurG), können Begehren um elektronische Beglaubigungen ablehnen. Abs. 4 Bei Ablehnung der Beurkundung darf die Urkundspartei nicht hingehalten werden. Die Urkundsperson teilt ihr umgehend mit, dass und weswegen sie die Beurkundung ablehnt. Abs. 5 Die Absätze 1–4 gelten sinngemäss auch für Beglaubigungen. - 46 - - 47 - § 25 § 25 [Ausstand im Allgemeinen] 1Die Urkundsperson muss die Beurkundung ablehnen, wenn an der Beurkundung beteiligt oder unmittelbar interessiert sind: a) sie selbst als Urkundspartei oder Nebenperson, b) eine Person, als deren Vertreterin sie handelt, c) ihre Ehegattin oder ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner oder eine mit ihr in gemeinsamem Haushalt lebende Person, ihre Verwandten in gerader Linie, ihre Geschwister, Stiefeltern und Pflegeeltern sowie deren Ehegattinnen und Ehegatten oder eingetragene Partnerinnen und Partner, d) eine Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft, welcher eine in diesem Absatz genannte Person als unbeschränkt haftende Gesellschafterin oder als Kommanditärin angehört, e) eine juristische Person, bei der eine in diesem Absatz genannte Person einem zur Vertretung befugten Organ oder der Revisionsstelle angehört oder für welche sie zeichnungsberechtigt ist, f) die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber der Urkundsperson. 2Die Ausstandsgründe gelten auch nach Auflösung der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft. 3Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson muss die Beglaubigung ablehnen, wenn sie selbst oder eine Person, als deren Vertreterin sie handelt, an der Beglaubigung beteiligt oder unmittelbar interessiert ist. 4Vorbehalten bleiben die Ausstandsgründe gemäss § 26. Bemerkungen zu § 25 BeurG (bisher §§ 11 und 17 EG ZGB, § 31 NO, teilweise neu) Das Thema Ausstand ist heute unübersichtlich geregelt, unter anderem auch in verschiedenen Kreisschreiben (vom 12. Juni 1942, 14. Januar 1965, 6. Mai 1974, 5. Dezember 1975). Zu vermeiden ist nicht nur die tatsächliche Befangenheit der Urkundsperson, sondern jeder Anschein einer möglichen Befangenheit. § 16 VRPG genügt inhaltlich nicht, weshalb hier eine eigenständige Regelung vorgesehen wird. Abs. 1 Als beteiligt oder unmittelbar interessiert gelten Personen, welche durch die Urkunde begünstigt oder belastet werden. Die Urkundsperson darf amten, wenn sie in der Urkunde mit weiteren haupt- oder nebenberuflichen Geschäften betraut wird. Es ist somit zulässig, dass in einer letztwilligen Verfügung die beurkundende Urkundsperson als Willensvollstreckerin ernannt wird (Stephan Wolf, Willensvollstreckung und Notariat – insbesondere Ausstandsfragen, in: Schweizer Schriften zur Vermögensberatung und zum Vermögensrecht, Hans Rainer Künzle [Hg.], Willensvollstreckung – aktuelle Rechtsprobleme [2], Band 8, Zürich 2006, S. 95). Tritt eine Urkundsperson als Willensvollstreckerin in Verkäuferstellung auf, darf sie das Geschäft jedoch nicht selbst beurkunden. - 48 - Der Gesetzestext lehnt sich inhaltlich an Art. 503 Abs. 1 ZGB an, wird jedoch an die heutigen Verhältnisse angepasst. Die gemäss geltendem Recht diskutierte Frage, ob die formelle Mitgliedschaft in einem Bankrat die Beurkundung von Pfandverträgen zugunsten der gleichen Bank zulässt, wird im neuen Recht mit der Einführung von § 25 Abs. 1 lit. e BeurG klar verneint. Zudem wird die Formulierung „zur Vertretung befugtes Organ“ verwendet, um diejenigen Organe auszuschliessen, welche nicht zur Vertretung befugt sind (wie zum Beispiel die Generalversammlung einer AG). Gemäss der bisherigen Praxis dürfen urkundsberechtigte Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber zur Besitzstandswahrung (siehe § 82 Abs. 2 BeurG, Übergangsregelung) ausnahmsweise weiterhin Rechtsgeschäfte beurkunden, an welchen die eigene Gemeinde beteiligt ist. Im Übrigen gelten die Ausstandsvorschriften jedoch auch für sie. Abs. 2 Selbst nach Auflösung einer Ehe oder einer eingetragenen Partnerschaft zwischen der Urkundsperson und einer an der Beurkundung beteiligten Person besteht die Ausstandspflicht weiter. Abs. 3 und 4 Für Beglaubigungen beziehungsweise Versammlungsbeschlüsse, gesellschaftsrechtliche Feststellungen und Ziehungen gelten die weniger strengen Bestimmungen der §§ 25 Abs. 3 und 26 BeurG. § 26 § 26 [Ausstand bei besonderen Verhältnissen] 1Die Urkundsperson muss die Beurkundung von Versammlungsbeschlüssen und gesellschaftsrechtlichen Feststellungen ablehnen, wenn a) sie selbst oder eine Person, welche sie bei der Beurkundung zu vertreten hat, an der Beurkundung als Urkundspartei oder Nebenperson beteiligt oder unmittelbar interessiert ist, b) die Gesellschaft Arbeitgeberin der Urkundsperson ist, c) eine in § 25 genannte Person dem leitenden Organ oder der Revisionsstelle der Gesellschaft angehört. 2Die Urkundsperson muss die Beurkundung von Ziehungen ablehnen, wenn a) sie selbst Veranstalterin oder Veranstalter ist, b) eine Person Veranstalterin ist, welche die Urkundsperson bei der Beurkundung zu vertreten hat, c) die Veranstalterin Arbeitgeberin der Urkundsperson ist, d) die Urkundsperson dem leitenden Organ oder der Revisionsstelle der Veranstalterin oder des Veranstalters angehört. - 49 - Bemerkungen zu § 26 BeurG (neu) Die Urkundsperson weiss nicht unbedingt, ob sie nähere Beziehungen zu Versammlungsteilnehmenden hat. So kann unklar sein, ob beispielsweise eine Schwester der Urkundsperson Aktionärin der Gesellschaft ist, deren Versammlung zu protokollieren ist, oder ob die Mutter der Urkundsperson an einer Ziehung teilnimmt. Die Ausstandsgründe bei Versammlungsbeschlüssen, gesellschaftsrechtlichen Feststellungen und Ziehungen sind daher so umschrieben, dass die Ausstandsfrage im Voraus und eindeutig geklärt werden kann. § 27 § 27 [Ausstand von Nebenpersonen] 1Die Ausstandsvorschriften gelten sinngemäss auch für Nebenpersonen. 2Die Aufgaben als Zeugin oder Zeuge, Übersetzerin oder Übersetzer und sachverständige Person können gleichzeitig ausgeübt werden. Bemerkungen zu § 27 BeurG (bisher § 10 EG ZGB, teilweise neu) Die gleiche Ausstandspflicht wie für die Urkundspersonen gilt für die Nebenpersonen; diese dürfen keine engen Beziehungen zu den Parteien aufweisen. Bei Verfügungen von Todes wegen sind abschliessend die Bestimmungen von Art. 503 ZGB über die Zeuginnen und Zeugen massgebend. § 28 § 28 [Sorgfaltspflicht und Wahrheitspflicht] 1Die Urkundsperson hat die Beurkundung sorgfältig vorzubereiten und auszuführen. 2Die Urkundsperson ermittelt den wahren Willen der Parteien, erteilt ihnen die für die Willensbildung nötigen Aufschlüsse, besteht auf die Beseitigung von Unklarheiten und Widersprüchen und sorgt dafür, dass der Wille der Parteien in der Urkunde klar und vollständig zum Ausdruck kommt. 3Die Urkundsperson darf nur beurkunden, was sie mit eigenen Sinnen wahrgenommen hat. Sie darf nichts beurkunden, das nach ihrem Wissen nicht der Wahrheit entspricht. 4Diese Pflichten gelten auch dann, wenn der Urkundsperson eine vorbereitete Urkunde vorgelegt wird. Bemerkungen zu § 28 BeurG (bisher §§ 5 und 15 EG ZGB, §§ 29 Abs. 1 und 30 NO, teilweise neu) Bereits nach Bundesrecht ist die Urkundsperson für die Richtigkeit der von ihr bezeugten Tatsachen und für die Beobachtung der gesetzlichen Formen verantwortlich (vgl. Art. 317 StGB und Jürg Schmid, Grundlagen zur notariellen Belehrungs- und Beratungspflicht, in: Jürg Schmid, Die Belehrungs- und Beratungspflicht des Notars, Zürich 2005, Ziff. 3.1.1). Das neue Recht enthält nun eine ausdrückliche Bestimmung über die Sorgfaltspflicht und die Wahrheitspflicht der Urkundsperson. In Abs. 2 wird klargestellt, dass die Urkundsperson das zu beurkundende Geschäft und die Angaben der Urkundsparteien kritisch hinterfragen muss. Sie muss namentlich auch auf der - 50 - Beseitigung von Widersprüchen und Unklarheiten bestehen, selbst wenn diese von den übrigen Beteiligten nicht beachtet oder im Hinblick auf die umgehende Unterzeichnung einer Urkunde bewusst in Kauf genommen werden. Die Urkundsperson muss die öffentliche Urkunde nicht zwingend selbst redigieren. Lässt sie sich eine vorbereitete Urkunde unterbreiten, ist sie aber trotzdem für die Einhaltung der Sorgfalts- und Wahrheitspflicht persönlich verantwortlich. § 29 § 29 [Interessenwahrung] Die Urkundsperson wahrt die Interessen der Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen gleichmässig und unparteiisch. Bemerkungen zu § 29 BeurG (neu) Die Pflicht zur Interessenwahrung hat verschiedene Aspekte (vgl. Christian Brückner, Schweizerisches Beurkundungsrecht, Zürich 1993, Nr. 877 ff.), wovon die wichtigsten erwähnt werden: Schutzbedürftige Parteien sollen vor Übereilung und unbedachten Geschäften geschützt werden. Die Urkundsperson hat ihre Aufgabe unparteiisch zu erfüllen. Die Pflicht zur Interessenwahrung bezieht sich auf die rechtlichen Aspekte eines Geschäfts, nicht auf die wirtschaftlichen. § 30 § 30 [Belehrung] Die Urkundsperson belehrt die Urkundsparteien über Form und Inhalt der Urkunde sowie ihre rechtlichen Wirkungen. Bemerkungen zu § 30 BeurG (neu) Auch die Belehrungs- und Beratungspflicht gilt bereits von Bundesrechts wegen (Jürg Schmid, Ziff. 3.2.1). Sie spielt bei der Ermittlung des wahren Willens der Parteien vor und während des Beurkundungsverfahrens eine wichtige Rolle. Die Urkundsperson kann die Urkundspartei mündlich oder schriftlich beraten und belehren. Die Bestimmung spricht bewusst von „Urkundsparteien“ und macht damit deutlich, dass die Belehrung der Vertreterin oder des Vertreters einer Partei ausreicht. Ziel der Belehrung und Beratung muss sein, dass die Urkundsparteien das zu beurkundende Geschäft und dessen Rechtsfolgen verstehen. Auf die besonderen Gefahren bestimmter Klauseln und rechtlicher Konstruktionen sind die Urkundsparteien hinzuweisen. Über die steuerrechtlichen Auswirkungen eines Geschäfts müssen die Urkundsparteien mindestens in den Grundzügen informiert werden, so dass sie bei Bedarf vertiefte Abklärungen bei Fachpersonen veranlassen können. - 51 - § 31 § 31 [Berufsgeheimnis] 1Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson unterliegt dem Berufsgeheimnis. 2Sie darf keine Tatsachen offenbaren, die ihr infolge ihres Berufs anvertraut worden sind oder die sie bei der Berufsausübung wahrgenommen hat, es sei denn, die Berechtigten haben eingewilligt oder die Notariatskommission habe sie auf Gesuch hin vom Berufsgeheimnis entbunden. 3Der Geheimhaltungspflicht unterliegen auch Neben- und Hilfspersonen hinsichtlich der Tatsachen, die sie im Zusammenhang mit einer Beurkundung wahrgenommen haben. Die Urkundsperson informiert diese Personen über die Geheimhaltungspflicht. 4Vorbehalten bleiben die kantonalen Bestimmungen über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde. Bemerkungen zu § 31 BeurG (bisher § 26 NO) Das Berufsgeheimnis zählt zu den Grundlagen des Notariats. Für Urkundspersonen ist es auch strafrechtlich geschützt (Art. 321 StGB). Unbefugten Dritten darf keine Einsicht in Schriftstücke gewährt werden, welche geheime Tatsachen enthalten. Aber auch weitere Tatsachen, welche die Urkunds- oder Beglaubigungsperson aufgrund ihrer Stellung erfährt, darf sie nicht an Dritte weitergeben. Urkundspersonen, welche amtliche oder gerichtliche Verfahren einleiten, um ihre Ansprüche gegenüber den Parteien durchzusetzen, müssen sich nicht vom Berufsgeheimnis entbinden lassen. Gemäss konstanter Praxis der Notariatskommission werden in solchen Fällen keine formellen Entbindungen ausgesprochen. Wenn eine Partei die Gebühr nicht bezahlt, nimmt sie in Kauf, dass Forderungen auf amtlichem oder gerichtlichem Weg durchgesetzt werden und dass dabei bestimmte Geheimnisse offenbart werden müssen. § 32 § 32 [Aufbewahrung von fremdem Vermögen] 1Die Urkundsperson bewahrt die ihr anvertrauten Vermögenswerte einer Partei getrennt vom eigenen Vermögen auf, verwaltet sie sorgfältig und ist jederzeit in der Lage, sie herauszugeben. 2Die Urkundsperson führt über die anvertrauten Vermögenswerte vollständig und genau Buch. Bemerkungen zu § 32 BeurG (neu) Diese Bestimmung betrifft den Umgang mit fremdem Vermögen anlässlich der notariellen Nebentätigkeit, welche einen Zusammenhang mit einem Beurkundungsgeschäft aufweist. Als Beispiel kann die Kaufpreisabwicklung für die Parteien bei einer Eigentumsübertragung eines Grundstücks genannt werden. In solchen Fällen sind auch die Bestimmungen über die Verantwortlichkeit (§§ 39–42 BeurG) anwendbar. Vorbehalten bleiben selbstverständlich auch die bundesrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäscherei. - 52 - § 33 § 33 [Weiterbildung] 1Die Urkundsperson bildet sich kontinuierlich weiter. 2Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten durch Verordnung. Bemerkungen zu § 33 BeurG (neu) Im bisherigen Recht fehlt eine Bestimmung über die Weiterbildung der Urkundspersonen. Um ihre Aufgaben richtig erfüllen zu können, müssen Urkundspersonen ihre Berufskenntnisse auf dem aktuellen Stand halten und sich weiterbilden. Bis heute ist Weiterbildung freiwillig. Zahlreiche Notarenverbände organisieren regelmässig Weiterbildungsveranstaltungen für ihre Mitglieder. Die Freiwilligkeit der Weiterbildung ist jedoch angesichts der wachsenden Anforderungen an den Notariatsberuf und namentlich mit Blick auf die sich ständig ändernde Rechtslage (Gesetzgebung, Rechtsprechung) nicht mehr zeitgemäss. Das Gesetz statuiert daher eine Weiterbildungspflicht (so auch Art. 46 der waadtländischen Loi sur le notariat vom 29. Juni 2004, RSV 178.11). Aufgabe der Notariatskommission ist es, die Weiterbildungspflicht generell oder einzelfallbezogen zu konkretisieren und deren Einhaltung zu überprüfen. Dies kann auch durch eine Prüfung geschehen (vgl. § 41 BeurG). In der Verordnung sollen die Anforderungen an die Weiterbildung sowie deren Dokumentation durch die Urkundsperson geregelt werden. § 34 § 34 [Werbung] Die Urkundsperson macht nur Werbung, die sachlich und weder irreführend noch aufdringlich ist. Bemerkungen zu § 34 BeurG (neu) Entgegen dem früheren Verständnis dürfen heute auch Notariatsbüros für ihre Tätigkeit werben. Die Werbung soll jedoch zurückhaltend sein. Die Formulierung von § 34 BeurG lehnt sich an Art. 12 lit. d BGFA und Art. 40 lit. d des neuen Bundesgesetzes über die universitären Medizinalberufe vom 23. Juni 2006 (SR 811.11) an. Bei der Werbung müssen sämtliche Berufspflichten beachtet werden (vgl. BGer 24. Juli 2006, 2A.98/2006, E. 4 betreffend Art. 12 lit. d BGFA). § 35 § 35 [Mitteilungspflichten] 1Die Urkundsperson meldet der Notariatskommission ohne Verzug jede Änderung der Verhältnisse, welche für die Beurkundungsbefugnis massgeblich sind. 2Sie meldet insbesondere Änderungen des Wohnsitzes, der Gesellschaftsform, der Büroadresse sowie die Eröffnung und Schliessung von Zweigbüros. 3Die Gemeinde orientiert die Notariatskommission über die Beglaubigungsbefugnis ihrer Beglaubigungspersonen. - 53 - Bemerkungen zu § 35 BeurG (neu) Die Notariatskommission ist über alles zu informieren, was auf die Beurkundungsbefugnis und den Registereintrag Auswirkungen haben kann. Wenn sich eine Urkundsperson einer juristischen Person anschliesst oder eine solche gründet, wenn sie von einer Gesellschaft in eine andere wechselt oder wenn die juristische Person ihre Statuten ändert, muss die Notariatskommission die Beurkundungsbefugnis überprüfen. Beglaubigungspersonen werden von der Notariatskommission nicht in Pflicht genommen. Es obliegt den Gemeinden, die Notariatskommission zu informieren, welche Personen als Beglaubigungspersonen amten dürfen. Ebenso sind der Notariatskommission alle Änderungen mitzuteilen, welche Auswirkungen auf das Register haben. 5.3.3 Protokollbuch und Aufbewahrung § 36 § 36 [Protokollbuch] 1Die Urkundsperson führt ein Protokollbuch, worin die öffentlichen Urkunden verzeichnet sind. 2Elektronisch geführte Protokollbücher sind angemessen zu sichern und periodisch auszudrucken. 3Der Regierungsrat regelt Einzelheiten und Ausnahmen von der Protokollführung durch Verordnung. Bemerkungen zu § 36 BeurG (bisher § 41 NO, neu) Die öffentlichen Urkunden werden im Protokollbuch vermerkt. Neu soll nur noch ein einziges Protokollbuch geführt werden. Entsprechend der bisherigen Praxis der meisten Urkundspersonen im Kanton Aargau müssen Beglaubigungen nicht protokolliert werden. Abschriften der Protesturkunden müssen hingegen aufgrund Bundesrecht aufbewahrt werden (Art. 1040 OR), was auch eine Aufzeichnung im Protokollbuch als sinnvoll erscheinen lässt. Die Urkundsperson sorgt dafür, dass Daten nicht nachträglich verändert oder versehentlich gelöscht werden und dass sie nicht bei systembedingten Problemen verloren gehen. Das Informatik-System muss zudem angemessen gegen Angriffe geschützt sein (Firewall). § 37 § 37 [Aufbewahrung] 1Protokollbücher 2Folgende sind dauernd aufzubewahren. Akten sind während mindestens 50 Jahren aufzubewahren a) ein Exemplar, eine Kopie oder eine Abschrift der öffentlichen Urkunden, die nicht dauernd bei einer Behörde oder einer Amtsstelle bleiben, b) Vollmachten, Zustimmungserklärungen von Ehegatten oder eingetragenen Partnerinnen und Partnern sowie weitere Aktenstücke, auf die in einer öffentlichen Urkunde Bezug genommen wird und die nicht bei einer Behörde oder einer Amtsstelle aufbewahrt werden. - 54 - 3Die übrigen Akten sind während zehn Jahren aufzubewahren. 4Der Regierungsrat regelt Einzelheiten und Ausnahmen von der Aufbewahrungspflicht durch Verordnung. Bemerkungen zu § 37 BeurG (bisher § 42 NO, teilweise neu) Alle Akten müssen mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden. Längere Aufbewahrungen sind jedoch nur in wenigen Fällen geboten, so zum Beispiel bei Eheverträgen und denjenigen Verfügungen von Todes wegen, die nicht hinterlegt werden. In der Verordnung wird festgelegt, wie die Protokollbücher und Akten aufzubewahren sind. Eine einheitliche Aufbewahrungsform dient dem besseren Auffinden nach Übergabe an das Staatsarchiv. Als Ausnahme müssen Kopien von Beglaubigungen nicht erstellt und aufbewahrt werden. § 38 § 38 [Ablieferung oder Übergabe der Akten] 1Endet die Beurkundungsbefugnis dauernd, hat die Urkundsperson die Akten der Notariatskommission abzuliefern. 2Die Akten können auch einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger zur Aufbewahrung übergeben werden. Die Notariatskommission ist zu informieren. Bemerkungen zu § 38 BeurG (neu) Der Notariatskommission sind ausschliesslich die Akten zu übergeben, für welche gemäss § 37 BeurG noch eine Aufbewahrungspflicht besteht. Diese sind ausgesondert zu übergeben. Die Notariatskommission übernimmt keine Akten, die bereits hätten vernichtet werden können. Es ist deshalb Sache der Urkundsperson, die Aktenführung derart auszugestalten, dass jederzeit und ohne weiteren Aufwand eine Aktenübergabe erfolgen kann, so namentlich auch im Falle des Ablebens der Urkundsperson. Anstelle der Ablieferung an die Notariatskommission können die Akten auch an eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger übergeben werden. Die Notariatskommission ist hierüber zu informieren. 5.3.4 Verantwortlichkeit § 39 § 39 [Disziplinarmassnahmen] 1Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der Berufspflichten, der Vorschriften dieses Gesetzes, von Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz oder von Weisungen und Anordnungen der Notariatskommission kann die Notariatskommission folgende Disziplinarmassnahmen anordnen: a) Verweis, b) Busse bis Fr. 20'000.–, c) befristeten Entzug der Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis für die Dauer von einem Monat bis zu zwei Jahren, d) dauernden Entzug der Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis. 2Die Busse kann mit anderen Disziplinarmassnahmen verbunden werden. - 55 - 3In leichten Fällen kann eine Disziplinarmassnahme unterbleiben, wenn anzunehmen ist, dass die Urkunds- oder Beglaubigungsperson sich künftig korrekt verhalten wird. 4Nach dem dauernden Entzug der Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis kann diese frühestens nach Ablauf von drei Jahren wieder erteilt werden. Bemerkungen zu § 39 BeurG (bisher §§ 43 und 44 NO, neu) Abs. 1 Die disziplinarische Aufsicht bezweckt, die korrekte Berufsausübung der Urkunds- und Beglaubigungspersonen sicherzustellen und das Vertrauen der Kundinnen und Kunden diesen gegenüber zu wahren; es geht nicht um den Schutz von persönlichen Interessen Einzelner (vgl. BGE 133 II 468 E. 2 S. 472). Disziplinarmassnahmen sind keine Strafen im Rechtssinn, sondern administrative Sanktionen. Sanktioniert werden Verstösse gegen technische Beurkundungsvorschriften wie auch gegen allgemeine Berufspflichten (Einhaltung auch der bundesrechtlichen Beurkundungsvorschriften, Wahrheit und Klarheit des Vertrags, Rechtsbelehrung, Erledigungspflicht, korrekter Umgang mit den Parteien und Kollegen, etc.; vgl. AGVE 2002, 374 ff., E. II/3, 5 und 6). Die einzelnen Disziplinarmassnahmen müssen aufgrund des Legalitätsprinzips mit Rechtssätzen in Gesetzesform geregelt werden. Disziplinarrechtlich relevant sind aber nicht nur Verstösse der Urkunds- oder Beglaubigungsperson gegen das Gesetz, sondern auch die Verletzung von Ausführungsbestimmungen, Weisungen und Anordnungen der Notariatskommission oder die Verletzung des Gebührentarifs (bisher § 46d NO). Disziplinarmassnahmen dürfen nur bei Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) der Urkunds- und Beglaubigungsperson ausgesprochen werden. Verletzt eine Urkunds- oder Beglaubigungsperson die Berufspflichten, ohne dass ein Verschulden nachgewiesen werden kann, kommt § 41 BeurG zum Tragen. Gemäss den §§ 43–44 NO können heute folgende Disziplinarstrafen verhängt werden: Verweis, Ordnungsbusse bis Fr. 200.–, Einstellung im Beruf bis drei Monate, Entzug des Patents. Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hielt die Notariatsordnung gerade auch im Bereich der Sanktionen bereits im Jahr 2002 für dringend revisionsbedürftig (AGVE 2002, 374 ff., 383, E. II/6.e). Mit Ausnahme des Patententzugs erweisen sich alle Disziplinarstrafen in rechtsvergleichender Hinsicht als überaus mild. So wurde die maximale Bussenhöhe seit dem Jahr 1911 nie an die Teuerung angepasst. Zum Vergleich: Die Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte kann gemäss Art. 17 BGFA Bussen bis zu Fr. 20’000.– aussprechen. Auch gemäss Art. 47 des bernischen Notariatsgesetzes können wegen disziplinarischer Vergehen Bussen bis Fr. 20’000.– und Berufseinstellungen von bis zu zwei Jahren verfügt werden. Um Pflichtverletzungen angemessen sanktionieren zu können, ermöglicht das BeurG schärfere Sanktionen. Zur Publikation von Disziplinarmassnahmen vgl. § 17 BeurG. Eine Bestimmung zum Disziplinarentscheid findet sich in § 78 BeurG. Im Übrigen wird auf das VRPG verwiesen. Strafprozessuale Vorschriften sind nicht anwendbar. - 56 - Abs. 2 Bussen können mit dem Verweis, der Einstellung in der Berufstätigkeit sowie dem Entzug der Beurkundungsbefugnis oder der Beglaubigungsbefugnis verbunden werden. Abs. 3 Bereits heute gilt in Disziplinarangelegenheiten das Opportunitätsprinzip (AGVE 2002, 374 ff., 375, E. II/1.b), wonach der Aufsichtsbehörde ein Ermessen zukommt in der Frage, ob Pflichtwidrigkeiten sanktioniert werden müssen. Dies ist sachgerecht und wird beibehalten. Abs. 4 Selbst der Entzug der Beurkundungsbefugnis bedeutet nicht das unwiderrufliche Ende der Tätigkeit als Urkundsperson. Frühestens nach Ablauf von drei Jahren kann die oder der Betroffene um Wiedererteilung der Beurkundungsbefugnis ersuchen. Die Notariatskommission prüft bei solchen Gesuchen, ob die Voraussetzungen für eine Beurkundungsbefugnis (wieder) vorliegen (vgl. § 6 BeurG). Die Wiederholung des Praktikums kann in diesem Fall nicht verlangt werden, eine erneute Prüfung nur dann, wenn die Beurkundungsbefugnis wegen fehlender beruflicher Kenntnisse entzogen wurde. § 40 § 40 [Verjährung] 1Die disziplinarische Verfolgung der Urkunds- oder Beglaubigungsperson verjährt ein Jahr, nachdem die Notariatskommission vom beanstandeten Vorfall Kenntnis erhalten hat. 2Die Frist wird durch jede Untersuchungs- oder Prozesshandlung über den beanstandeten Vorfall unterbrochen. 3Die disziplinarische Verfolgung verjährt in jedem Fall zehn Jahre nach dem beanstandeten Vorfall. 4Stellt die Verletzung der Berufspflicht eine strafbare Handlung dar, gilt die vom Strafrecht vorgesehene längere Verjährungsfrist. Bemerkungen zu § 40 BeurG (neu) Entgegen der früheren Auffassung, wonach Disziplinarfehler nicht verjährten (BGE 73 I 289 E. 4 S. 291 mit Hinweisen; AGVE 2002, 374 ff., 376, E. II/1.c betreffend die Notariatsordnung des Kantons Aargau), enthalten neuere Erlasse regelmässig Bestimmungen über die Verjährung von Disziplinarfehlern (Art. 22 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten vom 14. März 1958, SR 170.32; Art. 19 BGFA; Art. 48 des bernischen Notariatsgesetzes; Art. 47 des neuen Notariatsgesetzes des Kantons Graubünden vom 18. Oktober 2004, BR 210.300). Die Vorlage statuiert eine kurze relative Verjährungsfrist, welche die Notariatskommission zu einem zügigen Vorgehen zwingt. Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, sobald die Notariatskommission in ihrer amtlichen Funktion oder das Sekretariat der Notariatskommission vom beanstandeten Vorfall Kenntnis erhält. Verfahrensleitende Anordnungen der Notariatskommission oder einer Rechtsmittelinstanz wie auch der Erlass - 57 - eines Disziplinarentscheids unterbrechen die Verjährung, nicht aber interne Vorgänge, selbst wenn sie den Parteien mitgeteilt werden. Die absolute Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre ab dem Vorfall. Diese Frist wird durch Prozesshandlungen nicht verlängert. Kann das Verfahren innert dieser Frist nicht abgeschlossen werden, entgeht die Urkunds- oder Beglaubigungsperson einer disziplinarischen Bestrafung, ausser im Fall von Abs. 4. § 41 § 41 [Weitere Massnahmen] 1Erweist sich die Urkunds- oder Beglaubigungsperson zur Ausübung ihrer Tätigkeit als unfähig, ohne dass ihr ein Verschulden angelastet werden kann, kann die Notariatskommission folgende Massnahmen anordnen: a) Auflagen, b) Verpflichtung zur Weiterbildung, c) Prüfung, d) dauernden oder befristeten Entzug der Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis. 2Mehrere Massnahmen können miteinander verbunden werden. 3Nach dem dauernden Entzug der Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis kann diese nach Wegfall des Grunds wieder erteilt werden. Bemerkungen zu § 41 BeurG (bisher § 43 NO, teilweise neu) Abs. 1 Krankheit oder Alter können es den Urkunds- oder Beglaubigungspersonen unmöglich machen, ihre Pflichten korrekt zu erfüllen. Unfähigkeit kann ihre Ursache auch in der fehlenden Praxis oder in der fehlenden Weiterbildung haben. Im Interesse der Qualität des Notariats muss die Notariatskommission auch in solchen Fällen – die disziplinarrechtlich nicht relevant sein müssen und deshalb nicht als disziplinarische Massnahmen bezeichnet werden – die erforderlichen Massnahmen treffen. Eine schwere Erkrankung kann die Urkunds- oder Beglaubigungsperson arbeitsunfähig machen und unter den gegebenen Umständen einen befristeten Entzug der Beurkundungsbeziehungsweise Beglaubigungsbefugnis zur Folge haben. Da in einem solchen Fall die Dauer des befristeten Entzugs nicht abschätzbar ist, wird im Gesetz – im Gegensatz zu § 39 Abs. 1 lit. c BeurG – keine zeitliche Limite des befristeten Entzugs vorgesehen. Abs. 2 und 3 Mehrere Massnahmen können miteinander verbunden werden. Da den Massnahmen nach § 41 BeurG der disziplinarische Charakter fehlt, wird in Abs. 3 auf eine Frist für die Wiedererteilung der Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis verzichtet (im Gegensatz zu § 39 Abs. 4 BeurG). - 58 - § 42 § 42 [Haftung der Urkundsperson] 1Die Urkundsperson haftet für Schaden, den sie in Ausübung der beruflichen Tätigkeit widerrechtlich sowie vorsätzlich oder fahrlässig verursacht. 2Die Bestimmungen von Art. 97 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) finden als ergänzendes kantonales Recht Anwendung. 3Schadenersatzansprüche aus der beruflichen Tätigkeit der Urkundsperson werden durch die Zivilgerichte beurteilt. Bemerkungen zu § 42 BeurG (neu) Abs. 1 Die Haftung der freierwerbenden Urkundsperson für die amtliche Tätigkeit richtet sich nicht nach Auftragsrecht, sondern nach kantonalem öffentlichem Recht. Sofern im kantonalen Recht keine Regelung getroffen wird, kommen die Art. 41 ff. OR zum Tragen, da die Urkundsperson nach Rechtsprechung und Lehre als öffentliche Beamtin oder Angestellte im Sinne von Art. 61 OR gilt (BGE 126 III 370 E. 7a S. 372–373; 127 III 248 E. 1b S. 251). Unabhängig davon besteht das Rechtsverhältnis nicht zwischen dem Staat und der Kundin oder dem Kunden, sondern zwischen der Urkundsperson und der Kundin oder dem Kunden. Anders ist die Regelung der Haftung bei den Beglaubigungspersonen; als Angestellte der Gemeinde haften sie nicht persönlich. Das Gemeinwesen hat für allfällige Schäden einzustehen. Aktuell besteht im Beurkundungsrecht keine spezifische Haftungsnorm für Urkundspersonen. Gemäss dem neuen Haftungsgesetz (HG), welches am 1. März 2010 in Kraft getreten ist, fallen Urkundspersonen als „Private, die vom Gemeinwesen übertragene öffentliche Aufgaben erfüllen“, unter § 1 Abs. 2 HG. Diese Bestimmung verlangt bei Aufgabenübertragung auf Private den Nachweis einer risikogerechten Haftpflichtversicherung, falls die Gefahr einer erheblichen Schädigung von Dritten besteht und das Gemeinwesen nicht kraft Sonderregelung haftet. Da die Beurkundungstätigkeit eine schadensgeneigte Tätigkeit darstellt und eine Staatshaftung ausser Betracht fällt, da diese dem Konzept des neuen Haftungsgesetzes widerspricht und den Prinzipien des freien Berufsnotariats fremd ist, wird in § 12 BeurG der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung vorgeschrieben. Gemäss § 42 BeurG gilt die Haftungsordnung für Schaden, den die Urkundsperson in Ausübung der beruflichen Tätigkeit verursacht. Die berufliche Tätigkeit umfasst die amtliche Tätigkeit, aber auch die nebenamtliche Tätigkeit (wie Redaktion von Statuten und Reglementen, Organisation des Zahlungsverkehrs etc.) im Zusammenhang mit einem Beurkundungsgeschäft. Wird die Urkundsperson aus Willensvollstreckung haftbar gemacht, sind die Bestimmungen des BeurG hingegen nicht anwendbar. Für nicht amtliche Tätigkeiten haftet die Urkundsperson aus Auftragsrecht. Der Kanton kann aufgrund von Art. 61 Abs. 2 OR die bundesprivatrechtlichen Regeln nicht abändern (BGE 126 III 370 E. 7b S. 373; Walliser Kantonsgericht, 28. Februar 1994, in ZBGR 77/1996, S. 103 ff., 105). Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen amtlichen und nicht amtlichen Tätigkeiten sind nicht auszuschliessen. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es daher zulässig, - 59 - die Verantwortlichkeit der Urkundsperson einem einheitlichen Regime zu unterstellen, soweit dadurch die Stellung der Urkundsperson gegenüber dem Bundesrecht nicht erleichtert wird. Die Haftung bestimmt sich dann einheitlich nach kantonalem Recht (BGE 126 III 370 E. 7c S. 373–374). Sämtliche übrigen Kantone mit freiberuflichem Notariat (BE, BS, FR, GE, JU, NE, UR, TI, VD, VS) sehen die Verschuldenshaftung vor, so neu auch der Kanton Aargau. Eine Kausalhaftung wäre systemfremd. Die Urkundspersonen sind für ihre Tätigkeit stets persönlich verantwortlich, auch wenn sie die Geschäftstätigkeit im Rahmen einer Kapitalgesellschaft ausüben (Brückner, Nr. 576; Mooser, Le droit notarial, Nr. 77). Abs. 2 Der Verweis auf die Art. 97 ff. OR umfasst insbesondere das vermutete Verschulden (Art. 97 Abs. 1 OR), die Hilfspersonenhaftung gemäss Art. 101 OR, die zehnjährige ordentliche Verjährungsfrist gemäss Art. 127 OR sowie die Bestimmungen über das Mass der Haftung (Art. 99 Abs. 3 OR in Verbindung mit den Art. 42–44 OR). Eine vertragliche Einschränkung der Haftung ist hingegen ausgeschlossen. Gemäss § 42 Abs. 1 BeurG haftet die Urkundsperson stets auch für leichte Fahrlässigkeit. Abs. 3 Gemäss § 100 Abs. 3 der revidierten Kantonsverfassung (KV; in Kraft ab 1. März 2010) entscheidet das Verwaltungsgericht Streitigkeiten über die Haftung von Kanton und Gemeinden sowie von Organisationen und Personen, die übertragene öffentliche Aufgaben erfüllen. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen. In Bezug auf Haftungsansprüche gegen Urkundspersonen sollen weiterhin die Zivilgerichte zuständig sein. Nur so kann vermieden werden, dass geschädigte Personen die Urkundsperson sowohl vor Verwaltungsgericht wie auch vor Zivilgericht einklagen müssen, wenn sich Abgrenzungsfragen zwischen amtlicher und nichtamtlicher Tätigkeit stellen. Da die Haftungsbestimmung von § 42 BeurG kantonales Recht ist, ist gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide die Beschwerde ans Bundesgericht in Zivilsachen nicht gegeben. Solche Entscheide können bloss mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde angefochten werden. In diesem Punkt bleiben die Abgrenzungsfragen zwischen amtlicher und freiberuflicher Tätigkeit bestehen. § 43 § 43 [Strafbestimmungen] 1Wer sich als Urkunds- oder Beglaubigungsperson bezeichnet, ohne über die kantonale Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis zu verfügen, wird mit Busse bis Fr. 20'000.– bestraft. 2Wer sich als Notarin oder Notar bezeichnet, ohne über einen kantonalen oder ausserkantonalen Fähigkeitsausweis als Notarin oder Notar zu verfügen, wird mit Busse bis Fr. 20'000.– bestraft. - 60 - Bemerkungen zu § 43 BeurG (neu) Gemäss Art. 335 StGB bleibt den Kantonen die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. Der Kanton Aargau hat den (bundesrechtlich nicht unter Strafe gestellten) Straftatbestand der Titelanmassung bisher nicht geregelt. In Bezug auf die Titel „Notarin“, „Notar“, „Beglaubigungsperson“ oder „Urkundsperson“ füllt § 43 BeurG diese Lücke. Die Vornahme einer Beurkundungs- oder Beglaubigungstätigkeit ohne entsprechende Befugnis erfüllt bereits den Straftatbestand der Amtsanmassung gemäss Art. 287 Strafgesetzbuch (StGB). Bei der Tätigkeit der Urkunds- und Beglaubigungspersonen handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit, welche als Amt im Sinne von Art. 287 StGB gilt (vgl. Heimgartner Stefan, in: Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Art. 287 N 3; Donatsch Andreas/Wohlers Wolfgang, Delikte gegen die Allgemeinheit, 3. Aufl., Zürich 2004, S. 320 f.; BGE 128 I 280; Urteil [des Bundesgerichts] 6B_560/2008 vom 5. Dezember 2008, E. 3.1.2). 5.4 Beurkundung und Beglaubigung 5.4.1 Allgemeines § 44 § 44 [Sprache] 1Die Urkundsperson muss die öffentliche Urkunde in einer Sprache abfassen, mit der sie, die Urkundsparteien und alle mitwirkenden Personen vertraut sind. Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson muss die Beglaubigung in einer Sprache abfassen, mit der sie vertraut ist. 2Urkunden, die für eine Behörde oder eine Amtsstelle im Kanton bestimmt sind, sind in deutscher Sprache zu verfassen oder zusammen mit einer beglaubigten Übersetzung einzureichen. Bemerkungen zu § 44 BeurG (bisher § 38 NO, teilweise neu) Die meisten Urkunden werden in deutscher Sprache abgefasst. Es ist jedoch ohne weiteres möglich, Urkunden in einer Fremdsprache abzufassen. Wenn die Urkundsparteien über keine gemeinsame Sprache verfügen, muss der Urkundentext übersetzt werden. Das Vorgehen bei mehrsprachigen Urkunden wird in den §§ 63 und 64 BeurG geregelt. Relativ häufig sind Beglaubigungen in einer Fremdsprache. Bei ihnen gilt, dass nur die Beurkundungs- oder Beglaubigungsperson mit der Sprache der Beglaubigungsformel vertraut sein muss. Die Amtssprache der Gerichte ist Deutsch (§ 16 des Gerichtsorganisationsgesetzes vom 11. Dezember 1984, SAR 155.100). Auch gemäss § 10 der kantonalen Zivilstandsverordnung vom 23. Februar 2005, SAR 210.183, ist die Amtssprache Deutsch. - 61 - Dieser Grundsatz soll künftig auch in § 71 lit. a der revidierten Kantonsverfassung verankert werden (vgl. Fremdänderungen im Zusammenhang mit dem Erlass des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Beilage 3 zur Botschaft 09.258). Gemäss der bisherigen Regelung von § 38 NO sind die für das Grundbuchamt bestimmten Verträge immer in deutscher Sprache zu verfassen. Ämter und Behörden im Kanton Aargau sollen sich nicht um die Übersetzung fremdsprachiger Urkunden kümmern müssen. Urkunden, die für ein Amt oder für eine Behörde im Kanton Aargau bestimmt sind, sind in deutscher Sprache zu verfassen oder zusammen mit einer beglaubigten Übersetzung einzureichen. Diese Bestimmung richtet sich auch an ausserkantonale Urkundspersonen in Anwendung von § 5 BeurG. In diesen Fällen ist es nicht zwingend erforderlich, eine mehrsprachige Urkunde zu erstellen. Die fremdsprachige Urkunde kann auf Deutsch übersetzt und die Übersetzung im Verfahren gemäss § 62 BeurG beglaubigt werden. § 45 § 45 [Abklärung der Identität und der Fähigkeiten] 1Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson prüft die Identität der Parteien, Urkundsparteien sowie der Nebenpersonen, wenn ihr diese nicht persönlich bekannt sind. 2Sie prüft, ob die Parteien, Urkundsparteien sowie die Nebenpersonen die zur Mitwirkung erforderlichen Eigenschaften aufweisen. Bemerkungen zu § 45 BeurG (bisher § 7 EG ZGB, teilweise neu) Laut der bisherigen Regelung von § 7 EG ZGB musste eine Vollmacht mit beglaubigter Unterschrift vorliegen, wenn sich eine Partei durch einen Bevollmächtigten vertreten liess. Dieser Bestimmung ist in der Praxis oft keine Nachachtung mehr verschafft worden. Es erscheint denn auch sinnvoll, die Urkundsperson zur Prüfung der erforderlichen Eigenschaften zu verpflichten, ihr aber einen Ermessensspielraum zuzubilligen, wie sie die Prüfung vornehmen will. Auch die Identität der Stellvertretenden und Nebenpersonen muss geprüft werden. Es gehört zu den Berufspflichten der Urkundsperson, sich über das Bestehen der Handlungsfähigkeit der Mitwirkenden zu vergewissern. Diese Pflicht bezieht sich auf die Abklärung der Handlungsfähigkeit im Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts, aber auch im Zeitpunkt eines allfälligen Verfügungsgeschäfts (zum Beispiel Anmeldung des Verpflichtungsgeschäfts beim Grundbuchamt). Die Verantwortung für das Bestehen der Handlungsfähigkeit der an der Urkunde Beteiligten trägt die Urkundsperson alleine. Die Handlungsfähigkeit muss von der Urkundsperson jedoch nicht explizit bescheinigt werden. Das Einholen eines Handlungsfähigkeitszeugnisses ist dort erforderlich, wo Zweifel an der Handlungsfähigkeit der Urkundspartei bestehen, und befreit die Urkundsperson nicht von weiteren Abklärungen. Bei Beglaubigungen gilt die Abklärungspflicht sinngemäss. Aufgrund der Tatsache, dass die Urkundspartei bei einer Beglaubigung meist nur für kurze Zeit bei der Beurkundungs- oder Beglaubigungsperson erscheint, kann die Handlungsfähigkeit nicht in demselben Ausmass überprüft werden. - 62 - Organe der Handelsgesellschaften und Genossenschaften, welche aus dem Handelsregister ersichtlich sind, müssen (auch bei Grundstückgeschäften) keinen Ausweis über die interne Willensbildung vorlegen. Von Prokuristinnen und Prokuristen ist für Beurkundungen über die Veräusserung und Belastung von Grundstücken in allen Fällen (auch bei Immobiliengesellschaften) der Nachweis der besondern Ermächtigung gemäss Art. 459 Abs. 2 OR zu verlangen. Vertreterinnen und Vertreter von Vereinen, Stiftungen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften haben sich durch Vorlegung der Beschlüsse der zuständigen Organe über ihre Vertretungsbefugnis auszuweisen. Fehlen die Voraussetzungen zur Beurkundung, darf die Urkundsperson die Beurkundung nicht vornehmen (§ 24 Abs. 1 BeurG). Bestehen Zweifel über die erforderlichen Fähigkeiten, die in dringenden Fällen nicht behoben werden können, so ist die Urkundsperson zur Vornahme der Beurkundung verpflichtet, hat jedoch die Zweifel in der Urkunde festzuhalten (§ 24 Abs. 2 BeurG). § 46 § 46 [Einheit des Beurkundungsakts] 1Die Beurkundung ist ohne wesentliche Unterbrechung durchzuführen. 2Sind Erklärungen mehrerer Urkundsparteien zu beurkunden, müssen alle Urkundsparteien gleichzeitig anwesend sein. Bemerkungen zu § 46 BeurG (neu) Die Einheit des Beurkundungsakts wird ausdrücklich vorgeschrieben und bewirkt eine Praxisänderung im Kanton Aargau. Die Beurkundung muss mit allen Beteiligten und in einem Zug durchgeführt werden (Brückner, N 2047 ff.). Sogenannte Sukzessivbeurkundungen (die Urkundsparteien geben ihre Willenserklärung je separat ab) sind nicht zulässig, da sie mit Ungewissheiten behaftet sind. Die Klärung von Fragen der Urkundsparteien, die Bereinigung von Unklarheiten und die erforderliche Rechtsbelehrung sind bei einem solchen Vorgehen nicht sachgerecht möglich oder zumindest erschwert. Zudem ist in der Lehre umstritten, ob die Sukzessivbeurkundung überhaupt zulässig ist oder ob nicht das ungeschriebene Bundesrecht die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien verlangt. Das Bundesgericht hat diese Frage bisher nicht entschieden. Die Parteien können sich, sofern eine persönliche Teilnahme nicht erforderlich ist, auch weiterhin vertreten lassen. § 47 § 47 [Formale Bestandteile] 1Die öffentliche Urkunde enthält als formale Bestandteile a) den Ort und das Datum der Errichtung, b) die Bescheinigung der Urkunds- oder Beglaubigungsperson, c) den Stempel, d) die Unterschrift der Urkunds- oder Beglaubigungsperson sowie bei der Beurkundung von Willenserklärungen die Unterschrift der Urkundspartei. - 63 - 2Die Urkundsperson hat jedes Blatt der öffentlichen Urkunde zu stempeln. Die unterzeichnenden Urkundsparteien haben jedes Blatt zu visieren. 3Wird eine Urkunde gesiegelt, muss der Stempel der Urkundsperson nur auf der letzten Seite der Urkunde angebracht werden. Bemerkungen zu § 47 BeurG (bisher § 34 und 37 NO, teilweise neu) Abs. 1 Beim Datum der Errichtung genügt in der Regel der Kalendertag. Die Uhrzeit ist nur in den Verfahren gemäss den §§ 53, 56 und 58 BeurG anzugeben. Es steht der Urkunds- oder Beglaubigungsperson jedoch frei, die Uhrzeit auch in weiteren Fällen auf der Urkunde festzuhalten, wenn sie dies als relevant erachtet. Bei der Beurkundung von Willenserklärungen muss die Unterschrift der Urkundspartei(en) Bestandteil der Urkunde sein, sofern nicht die besonderen Vorschriften der §§ 65 ff. BeurG zur Anwendung kommen. Abs. 2 und 3 Die Urkundsparteien müssen die öffentliche Urkunde auf jedem Blatt (das heisst bei zweiseitigen Dokumenten also nur auf einer Seite) mit ihren Initialen oder ihrem Kürzel versehen beziehungsweise visieren. Dies ist notwendig, um Streitigkeiten darüber zu vermeiden, welche Version einer Urkunde den Urkundsparteien zuletzt vorgelegt und von ihnen gelesen und als ihr Wille anerkannt wurde. Da die Urkundsparteien die Urkunde vor der Urkundsperson lesen müssen, ist die Visierung jedes Blattes mit keinem zusätzlichen Aufwand verbunden. Die Urkundsperson muss jedes Blatt einzeln stempeln, es sei denn, sie verwende ein Siegel. In diesem Fall reicht der Stempel am Schluss der Urkunde. § 48 § 48 [Kopien] 1Von der öffentlichen Urkunde stellt die Urkundsperson beglaubigte Kopien in der erforderlichen Anzahl her. 2Die Urkundsperson kann von einer selbst errichteten öffentlichen Urkunde elektronisch beglaubigte Kopien herstellen. Bemerkungen zu § 48 BeurG (neu) Die Urkundsperson fertigt die öffentliche Urkunde als Original aus und stellt anschliessend die notwendige Anzahl beglaubigter Kopien her. Das Original wird je nach Art der Urkunde beim zuständigen Amt beziehungsweise einer Hinterlegungsstelle hinterlegt, den Parteien gegen Empfangsschein herausgegeben oder verbleibt bei der Urkundsperson. Die Urkundsperson darf selbst beurkundete öffentliche Urkunden beglaubigen, es liegt insofern kein Ausstandsgrund vor. In Anwendung von Art. 55bis Abs. 1 SchlT ZGB wird die Urkundsperson zudem ermächtigt, von einer selbst errichteten öffentlichen Urkunde elektronisch beglaubigte Kopien herzustellen (vgl. § 61 Abs. 3 BeurG). Dies geschieht entweder durch Einscannen des Papierdokuments oder durch direkte Umwandlung des elektronisch erstellten Texts der öffentlichen Urkunde. Die Urkundsperson muss die Kopie digital signieren (Botschaft zur - 64 - Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 27. Juni 2007, BBl 2007 5341 f.; Art. 55bis Abs. 1 SchlT ZGB wurde vom Parlament beschlossen und tritt voraussichtlich am 1. Januar 2012 in Kraft). Eine elektronische öffentliche Originalurkunde sieht das neue Bundesrecht nicht vor (vgl. Ziffer 1.5). § 49 § 49 [Änderungen und Korrekturen] 1Inhaltliche Änderungen der Urkunde sind nur während der Beurkundung und nur mit unterschriftlicher Zustimmung aller Urkundsparteien und mit Bescheinigung der Urkundsperson zulässig. 2Auf der Urkunde darf nicht radiert werden. 3Der Regierungsrat regelt das Verfahren und das Vorgehen bei Korrekturen formeller Art durch Verordnung. Bemerkungen zu § 49 BeurG (bisher § 36 NO, teilweise neu) Abs. 1 Das Beurkundungsverfahren stellt für alle Beteiligten sicher, dass der massgebende Text nicht nachträglich verändert werden kann. Änderungen und Korrekturen sind daher nur in einem sehr engen Rahmen zugelassen. Nachträgliche inhaltliche Änderungen erfordern eine Nachtragsbeurkundung. Abs. 2 Die Rasur ist eine spezielle Form der Korrektur oder Änderung auf der Urkunde. Hierzu wird die oberste Schicht des Papiers abgeschabt und neu darübergeschrieben. Die Rasur ist nicht auf den ersten Blick erkennbar und wird daher generell verboten. Abs. 3 In der Verordnung wird geregelt, wo und wie auf der Urkunde Korrekturen formeller Art (zum Beispiel offenkundige Verschriebe, Tippfehler etc.) anzubringen sind. Die Verordnung wird somit das Kreisschreiben der Notariatskommission vom 16. Dezember 1996 ersetzen. § 50 § 50 [Weitere Vorkehren] 1Soweit es die Parteien nicht anders bestimmen, holt die Urkundsperson die im Zusammenhang mit der Beurkundung notwendigen Bewilligungen, Zustimmungserklärungen sowie Einwilligungen ein und sorgt allenfalls für eine Hinterlegung der Urkunde. 2Die Urkundsperson meldet Geschäfte über Grundstücke ohne Verzug beim zuständigen Grundbuchamt zur Eintragung ins Grundbuch an, wenn es die Parteien nicht anders bestimmen. Bemerkungen zu § 50 BeurG (bisher § 142 EG ZGB, §§ 33 und 39 NO, teilweise neu) Die Urkundsperson weiss, welche Vorkehren im Zusammenhang mit einer Beurkundung zu erledigen sind, damit das Rechtsgeschäft entsprechend dem Willen der Parteien vollzogen wird. Mit der vorliegenden Bestimmung wird sie dazu ermächtigt, die im Zusammenhang mit - 65 - der Beurkundung notwendigen Bewilligungen, Zustimmungserklärungen und Einwilligungen einzuholen und die Urkunde – insbesondere letztwillige Verfügungen und Erbverträge – zu hinterlegen. Die Urkundsperson muss sich für solche Handlungen somit nicht mittels separater Vollmacht legitimieren. Bereits nach bisherigem Recht waren die Urkundspersonen verpflichtet, die Verträge, die sie für das Grundbuch beurkundeten, dem Grundbuchamt zur Eintragung anzumelden. Gemäss Art. 963 Abs. 3 ZGB kann das kantonale Recht für die Fälle, wo der Ausweis für die Eintragung in öffentlicher Beurkundung auszufertigen ist, die Urkundspersonen als zur Vornahme der Anmeldung ermächtigt erklären. Durch die Bestimmung von § 50 Abs. 2 BeurG wird die Urkundsperson zur Anmeldung der Grundstückgeschäfte verpflichtet und ermächtigt. Die Parteien können die Anmeldung des Geschäfts jedoch verbieten oder aufschieben. Nebst der kantonalen Ermächtigung ist für die mit der Abgabe der Grundbuchanmeldung stattfindende Verfügung zusätzlich eine schriftliche Erklärung der verfügungsberechtigten Person notwendig (vgl. ZBGR 84/2003, S. 15). § 51 § 51 [Nichtigkeit] 1Urkunden sind nichtig, die von a) einer Person ohne gültige Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis beurkundet worden sind, b) einer sachlich oder örtlich unzuständigen Person beurkundet worden sind, c) einer Person beurkundet oder beglaubigt worden sind, die in den Ausstand hätte treten müssen, d) der Urkunds- oder Beglaubigungsperson nicht unterzeichnet sind. 2Bei unzulässigen Änderungen oder Korrekturen sowie bei Rasuren entscheidet das Gericht, ob die öffentliche Urkunde ganz oder teilweise nichtig ist. Bemerkungen zu § 51 BeurG (bisher § 13 EG ZGB, teilweise neu) Abs. 1 Öffentliche Urkunden sind entweder entstanden oder aber nicht entstanden (nichtig). Die Vorlage verzichtet auf eine „beurkundungsrechtliche Anfechtbarkeit“, da diese Rechtsunsicherheiten zur Folge hätte. Nicht geregelt werden die Folgen materiellrechtlich unvollständiger oder unrichtig beurkundeter Geschäfte. Diese sind nach Bundesrecht zu beurteilen (zum Ganzen: Brückner, Nr. 1477 ff.). Die Verletzung anderer als in § 51 BeurG aufgezählter Bestimmungen führt nicht zur Nichtigkeit der Urkunde, sondern hat lediglich disziplinarische Folgen (§ 39 BeurG). Lit. a und b Zuständigkeitsnormen betreffen die Frage, ob eine Urkunds- oder Beglaubigungsperson hoheitlich handeln darf; ihre Einhaltung ist grundsätzlich Gültigkeitsvoraussetzung für die öffentliche Urkunde (vgl. § 32 Abs. 1 lit. a des luzernischen Beurkundungsgesetzes; Art. 24 lit. a des Berner Notariatsgesetzes). Die gültige Beurkundungs- oder Beglaubigungsbefugnis knüpft an den Registereintrag an. - 66 - Lit. c Einer Urkunde, die von einer Urkunds- oder Beglaubigungsperson beurkundet worden ist, welche die Ausstandsvorschriften verletzt hat und befangen war, geht der öffentliche Glaube ab. Konsequenterweise muss eine solche Urkunde als nichtig qualifiziert werden (vgl. Brückner, Nr. 1510; Michel Mooser, Le droit notarial en Suisse, Bern 2005, Nr. 167). Lit. d Die Unterzeichnung der Urkunde durch die Urkunds- oder Beglaubigungsperson ist zwingend. Bei den Verfahren gemäss §§ 59 Abs. 3, 60 Abs. 2 und 61 Abs. 3 BeurG tritt an die Stelle der eigenhändigen Unterschrift die qualifizierte elektronische Signatur. Abs. 2 Hier gilt es insbesondere, die Bestimmungen von Art. 520 und 521 ZGB zu beachten. Zur Definition der Rasur vgl. Bemerkungen zu § 49 BeurG. 5.4.2 Ordentliches Beurkundungsverfahren § 52 § 52 [Verfahren] 1Die Urkundsperson legt den Urkundsparteien die Urkunde zum Lesen vor oder liest sie ihnen vor. 2Die Urkundsparteien erklären der Urkundsperson, dass sie die Urkunde in Gegenwart der Urkundsperson gelesen haben oder dass sie ihnen von der Urkundsperson vorgelesen worden ist, und dass der Inhalt der Urkunde dem Willen der Parteien entspricht. 3Die Urkundsparteien unterzeichnen die Urkunde in Gegenwart der Urkundsperson. 4Die Urkundsperson bescheinigt unterschriftlich, dass die Urkundsparteien die Urkunde in ihrer Gegenwart gelesen haben oder dass sie ihnen die Urkunde vorgelesen hat, dass die Urkundsparteien erklärt haben, die Urkunde enthalte ihren mitgeteilten Willen, und dass die Urkundsparteien die Urkunde in Gegenwart der Urkundsperson unterzeichnet haben. Bemerkungen zu § 52 BeurG (bisher §§ 6 und 12 EG ZGB, teilweise neu) Neu ist es auch im ordentlichen Beurkundungsverfahren zulässig, dass die Urkundsperson die Urkunde vorliest. Mit der neuen Bestimmung ist zudem geklärt, was die Urkundsperson in die Bescheinigung aufzunehmen hat. In der Bescheinigung (Beurkundungsverbal) am Schluss der Urkunde bestätigt die Urkundsperson, in welcher Form die Urkundsparteien vom Inhalt der Urkunde Kenntnis genommen haben, dass die Urkunde dem Parteiwillen entspricht und dass die Urkundsparteien die Urkunde in Gegenwart der Urkundsperson unterzeichnet haben. Die Pflicht zur Bescheinigung, dass die Urkundsparteien die Urkunde gelesen haben, dürfte eine Änderung der aargauischen Praxis darstellen: Wo bisher die Urkundsparteien bei mehreren Fassungen einer Urkunde auf die Lektüre der letzten Fassung verzichtet haben, weil nur noch kleine Änderungen angebracht wurden, ist dies nach neuem Recht nicht mehr zulässig. Die Urkundsperson muss sich – sofern sie die Urkunde nicht vorliest – vergewissern, dass - 67 - die Urkundsparteien den Text der unterzeichneten Urkunde gelesen haben. Ob die Urkundsparteien den Inhalt tatsächlich zur Kenntnis genommen haben, kann sie zwar nicht bestätigen. Die blosse Erklärung einer Urkundspartei, sie habe den Entwurf der Urkunde vorgängig gelesen, ist jedoch unzureichend. Ebenso ist eine Beurkundung zu verweigern, wenn für die Urkundsperson ersichtlich ist, dass eine Urkundspartei die Urkunde trotz entsprechender Bestätigung nicht gelesen hat. Bei der Anwendung der besonderen und der ausserordentlichen Beurkundungsverfahren ist die Bescheinigung anzupassen. Ausserdem gelten die Vorschriften über das Beurkundungsverfahren sinngemäss auch für Beurkundungen mit nur einer Urkundspartei. Bundesrechtliche Vorschriften über das Beurkundungsverfahren bleiben vorbehalten. 5.4.3 Besondere Beurkundungsverfahren § 53 § 53 [Versammlungsbeschlüsse] 1Die öffentliche Urkunde über eine Versammlung enthält a) den Ort, das Datum, die Zeit des Beginns und der Beendigung der Versammlung, b) Angaben über die Konstituierung der Versammlung (Bestellung der oder des Vorsitzenden, der Protokollführerin oder des Protokollführers und der Stimmenzählerin oder des Stimmenzählers), c) die Feststellungen der oder des Vorsitzenden über die Einberufung, Anzahl der Teilnehmenden und der durch sie vertretenen Rechte, Verhandlungs- und Beschlussfähigkeit der Versammlung sowie die allfälligen Einwendungen gegen diese Feststellungen, d) die gefassten Beschlüsse unter Angabe der Art des Abstimmungsverfahrens und der Abstimmungsresultate, e) auf Verlangen: Feststellung der Identität der an der Versammlung teilnehmenden Personen sowie Anträge und zu Protokoll gegebene Äusserungen, f) die Unterschrift der Urkundsperson, g) die Unterschrift der oder des Vorsitzenden, der Protokollführerin oder des Protokollführers, sofern das materielle Recht ihre Mitunterzeichnung verlangt, h) die Bescheinigung der Urkundsperson, dass sie an der Versammlung von Anfang bis Ende teilgenommen hat. 2Die Urkundsperson darf das Protokoll führen und die Stimmen zählen. 3Sie darf die Urkunde nachträglich verfassen und unterzeichnen beziehungsweise unterzeichnen lassen. Bemerkungen zu § 53 BeurG (neu) Versammlungsbeschlüsse können in der Regel nicht im Verfahren gemäss § 52 BeurG beurkundet werden, sei es wegen der Anzahl der Teilnehmenden, sei es wegen des nicht im Vornherein bekannten Ablaufs der Versammlung. Die Protokollierung von Versammlungsbeschlüssen erfolgt daher in der in § 53 BeurG dargestellten Weise. - 68 - Bei Versammlungsbeschlüssen gelten die speziellen Ausstandsvorschriften von § 26 Abs. 1 BeurG. Das nachträgliche Verfassen und Unterzeichnen einer Urkunde gemäss Abs. 3 ist üblicherweise nicht zulässig. Die Beurkundung hat in einem Zug zu erfolgen (Einheit des Beurkundungsakts, vgl. § 46 BeurG). Allerdings ist es bei gewissen Geschäften (vgl. auch §§ 56 Abs. 2 und 58 Abs. 2 BeurG) sinnvoll, diese Vorschrift zu lockern, da es der Urkundsperson nicht zumutbar ist, an externe Lokalitäten Computer und Drucker mitnehmen zu müssen. § 54 § 54 [Gesellschaftsrechtliche Feststellungen] Die öffentliche Urkunde über gesellschaftsrechtliche Feststellungen besteht in der Bescheinigung der Urkundsperson, dass die vom Bundesrecht verlangten Anforderungen nach ihren Feststellungen oder nach den unterbreiteten Unterlagen erfüllt sind. Bemerkungen zu § 54 BeurG (neu) Die Bestimmung erfasst die im Gesellschaftsrecht zahlreichen Geschäfte, in denen Feststellungen getroffen werden (zum Beispiel über die Voraussetzungen einer Kapitalherabsetzung, Art. 734 OR). Bei gesellschaftsrechtlichen Feststellungen sind die speziellen Ausstandsvorschriften von § 26 Abs. 1 BeurG zu beachten. § 55 § 55 [Form der Rechtsgeschäfte von Todes wegen] 1Die Urkundsperson kann Rechtsgeschäfte unter Lebenden auch gemäss den bundesrechtlichen Vorschriften über die öffentliche Beurkundung von Rechtsgeschäften von Todes wegen beurkunden. 2Für die Folgen einer mangelhaften Beurkundung gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes. Bemerkungen zu § 55 BeurG (neu) Die Urkundsperson kann sich veranlasst sehen, Geschäfte in der Form der Rechtsgeschäfte von Todes wegen zu beurkunden. Beispielsweise kann die Schenkung von Grundeigentum in der Erbvertragsform beurkundet werden. In Absatz 2 wird klargestellt, dass bei einer formell mangelhaften Beurkundung nicht etwa die Bestimmungen der Art. 519 ff. ZGB (Ungültigkeitsklage) zur Anwendung kommen, sondern die strengeren Bestimmungen von § 51 BeurG (Nichtigkeit). Es sei hier nochmals erwähnt, dass dies nur gilt, wenn es sich beim Geschäft nicht um ein Rechtsgeschäft von Todes wegen handelt, sondern deren Beurkundungsform freiwillig für ein anderes Geschäft gewählt worden ist. § 56 § 56 [Ziehungen, Auslosungen und Wettbewerbe] - 69 - 1Die öffentliche Urkunde über die Ziehung von Lotterien, andere Auslosungen und Wettbewerbe enthält a) die Personalien der Veranstalterin oder des Veranstalters, b) die Personalien der mitwirkenden Personen, c) den Ort, das Datum, die Zeit des Beginns und der Beendigung der Veranstaltung, d) eine genaue Beschreibung der Vorgänge, die sich vor der Urkundsperson ereignet haben, und die von ihr gemachten Feststellungen, e) die Bescheinigung der Urkundsperson, dass sie an der Veranstaltung von Anfang bis Ende teilgenommen hat, f) die Unterschrift der Urkundsperson. 2Die Urkundsperson darf die Urkunde nachträglich verfassen und unterzeichnen. Bemerkungen zu § 56 BeurG (neu) Auch bei Ziehungen, Auslosungen und Wettbewerben ist das Verfahren gemäss § 52 BeurG nicht anwendbar. § 56 BeurG legt die Gestaltung der Urkunde fest. Zu Abs. 2 vgl. Bemerkungen zu § 53 BeurG. Die Bestimmung von § 22 der Verordnung über Lotterien und gewerbsmässige Wetten (Lotterieverordnung) vom 27. September 1976 (SAR 959.111) über die Aufgaben der Urkundsperson bei öffentlichen Ziehungen wird nicht aufgehoben. Bei Ziehungen gelten die speziellen Ausstandsvorschriften von § 26 Abs. 2 BeurG. § 57 § 57 [Eidsabnahme, Erklärung an Eids statt] 1Die Abnahme des Eids und der Erklärung an Eids statt ist gemäss Art. 11 IPRG zulässig. 2In Gegenwart der Urkundsperson unterschreibt die Urkundspartei die Urkunde und schwört oder erklärt an Eids statt, dass der Inhalt der Urkunde der Wahrheit entspricht. 3Die Urkundsperson bescheinigt, dass die Urkundspartei vor ihr geschworen oder an Eids statt erklärt hat, der Inhalt der Urkunde entspreche der Wahrheit. Bemerkungen zu § 57 BeurG (neu) Grundlage für die Abnahme des Eids und der Erklärung an Eids statt ist Art. 11 Abs. 3 IPRG. Gemäss dieser Bestimmung können die schweizerischen Behörden – somit auch Urkundspersonen – Urkunden nach einer Form des ausländischen Rechts ausstellen oder einem Gesuchsteller oder einer Gesuchstellerin die eidesstattliche Erklärung abnehmen, wenn eine Form nach schweizerischem Recht im Ausland nicht anerkannt wird und deshalb ein schützenswerter Rechtsanspruch dort nicht durchgesetzt werden kann. Die Abnahme des Eids und der Erklärung an Eids statt sind zu unterscheiden von der schriftlichen Auskunft im Sinne von Art. 190 ZPO, für welche keine öffentliche Beurkundung vorgesehen ist (vgl. Botschaft zur ZPO, BBl 2009 21 ff.). Die Inkraftsetzung der ZPO ist per 1. Januar 2011 geplant. - 70 - § 58 § 58 [Weitere Vorgänge und Zustände] 1Die öffentliche Urkunde über einen Vorgang oder einen Zustand enthält a) die Personalien der Partei, b) den Ort, das Datum, die Zeit des Beginns und der Beendigung des Vorgangs oder die Zeit der Feststellung des Zustands, c) die genaue Beschreibung des Vorgangs oder des Zustands, d) bei Vorgängen: Bescheinigung der Urkundsperson, dass sie den Vorgang von Anfang bis Ende wahrgenommen hat, e) die Unterschrift der Urkundsperson. 2Die Urkundsperson darf die Urkunde nachträglich verfassen und unterzeichnen. Bemerkungen zu § 58 BeurG (neu) Gemäss diesem Verfahren kann beispielsweise ein Inventar aufgenommen oder die Auflage einer Zeitung beglaubigt werden. Zu Abs. 2 vgl. Bemerkungen zu § 53 BeurG. 5.4.4 Beglaubigungen § 59 § 59 [Unterschrift] 1Die Beglaubigung einer Unterschrift besteht in der Bescheinigung der Urkunds- oder Beglaubigungsperson, dass die Unterschrift vor ihr geschrieben oder von der unterzeichnenden Person als eigene Unterschrift anerkannt worden ist. 2Handzeichen 3Die werden in gleicher Weise beglaubigt. Urkunds- oder Beglaubigungsperson kann Unterschriften elektronisch beglaubigen. Bemerkungen zu § 59 BeurG (bisher §§ 15 und 16 EG ZGB, teilweise neu) Am klassischen Verfahren der Unterschriftsbeglaubigung ändert sich nichts. Zusätzlich wird auch die Beglaubigung von Handzeichen ausdrücklich geregelt. Möglich soll in Zukunft zudem die sogenannte Abwesenheitsbeglaubigung (Regelung auf Verordnungsstufe) sein. Bei der Abwesenheitsbeglaubigung kann die Anerkennung der eigenen Unterschrift durch die Partei beispielsweise per Telefon erfolgen statt durch persönliches Erscheinen vor der Urkunds- oder Beglaubigungsperson. Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson stellt die Beglaubigung aus, sofern ihr die Partei persönlich bekannt ist und sie sich vorgängig mit dieser verständigt hat. Gemäss Abs. 3 kann die Urkunds- oder Beglaubigungsperson neu auch Unterschriften, die auf einem Papierdokument gezeichnet sind, elektronisch beglaubigen. Dies erfordert das Einscannen des Dokuments. Elektronische Beglaubigungen sind Urkunden ohne eigenhändige Unterzeichnung der Urkunds- oder Beglaubigungsperson. Sie sind nur zulässig aufgrund der neuen Bestimmung von Art. 55bis Abs. 2 SchlT ZGB (Art. 55bis Abs. 2 SchlT ZGB wurde vom Parlament beschlossen und tritt voraussichtlich am 1. Januar 2012 in Kraft). Die Urkundsperson benötigt dafür eine elektronische Signatur, welche von der Notariatskommission nach den - 71 - Bestimmungen des Bundesgesetzes über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur (ZertEs) vom 19. Dezember 2003 (SR 943.03) vergeben wird (vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 27. Juni 2007, BBl 2007 5341 f., und die Bemerkungen zu § 20 BeurG). § 60 § 60 [Elektronische Signaturen] 1Die Beglaubigung einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz über die Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur (Bundesgesetz über die elektronische Signatur, ZertES) vom 19. Dezember 2003 besteht in der Bescheinigung der Urkunds- oder Beglaubigungsperson, dass die Signatur von der berechtigten Person verwendet worden ist. 2Die Bescheinigung kann elektronisch erstellt werden. Bemerkungen zu § 60 BeurG (neu) Abs. 1 Die Beglaubigung der eigenhändigen Unterschrift wird in § 59 BeurG geregelt. Der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt ist die qualifizierte elektronische Signatur, die auf einem qualifizierten Zertifikat einer anerkannten Anbieterin von Zertifizierungsdiensten im Sinne des ZertEs beruht (Art. 14 Abs. 2bis OR). Auch die Verwendung von solchen qualifizierten elektronischen Signaturen kann beglaubigt werden. Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson bescheinigt, dass das Zertifikat von der berechtigten Person (das kann auch eine hierzu ermächtigte Hilfsperson der Inhaberin oder des Inhabers des qualifizierten Zertifikats sein) verwendet worden ist und nicht etwa von einer Person, die unberechtigt Zugang zum Signaturschlüssel erlangt hat. Die Bestimmung entspricht der Regelung in Art. 65 der waadtländischen Loi sur le notariat. Abs. 2 Die Beglaubigung kann in Papierform erfolgen. In Anwendung von Art. 55bis Abs. 2 SchlT ZGB kann die Urkunds- oder Beglaubigungsperson die Echtheit von digitalen Signaturen aber auch in elektronischer Form beglaubigen (vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 27. Juni 2007, BBl 2007 5341 f., und die Bemerkungen zu § 20 BeurG). Art. 55bis Abs. 2 SchlT ZGB wurde vom Parlament beschlossen und tritt voraussichtlich am 1. Januar 2012 in Kraft. § 61 § 61 [Kopien, Auszüge und Abschriften] 1Die Beglaubigung einer Kopie besteht in der Bescheinigung der Urkunds- oder Beglaubigungsperson, dass die Kopie ein vorgelegtes Dokument vollständig und richtig wiedergibt. 2Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson beglaubigt in gleicher Weise Abschriften oder einen Auszug aus einem vorgelegten Dokument, der für den angegebenen Verwendungszweck wesentliche Teile des Dokuments wörtlich und vollständig wiedergibt und zu keiner Irreführung Anlass gibt. - 72 - 3Sie beglaubigt elektronisch die Übereinstimmung der von ihr erstellten elektronischen Kopie mit dem Originaldokument auf Papier. Bemerkungen zu § 61 BeurG (bisher §§ 15 und 16 EG ZGB, teilweise neu) Wie bis anhin können Kopien, Auszüge und Abschriften beglaubigt werden. Neu können – gestützt auf Art. 55bis Abs. 1 SchlT ZGB – elektronische Kopien von Originaldokumenten auf Papier (elektronisch) beglaubigt werden. Dabei wird entweder das Papierdokument eingescannt oder ein elektronischer Text durch die Urkunds- oder Beglaubigungsperson direkt umgewandelt. Die Urkundsperson muss die Beglaubigung digital signieren (Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 27. Juni 2007, BBl 2007 5341 f.). In Bezug auf die elektronische Signatur der Urkunds- oder Beglaubigungsperson vgl. die Bemerkungen zu § 20 BeurG. Art. 55bis Abs. 2 SchlT ZGB wurde vom Parlament beschlossen und tritt voraussichtlich am 1. Januar 2012 in Kraft. § 62 § 62 [Übersetzung] 1Die Beglaubigung einer Übersetzung besteht in der Bescheinigung der Urkunds- oder Beglaubigungsperson, dass die Übersetzung richtig ist. 2In der Urkunde sind der ursprüngliche Text und dessen Übersetzung enthalten. 3Wenn die Urkunds- oder Beglaubigungsperson mit der fremden Sprache nicht genügend vertraut ist oder wenn die Urkundspartei dies wünscht, zieht die Urkunds- oder Beglaubigungsperson eine Übersetzerin oder einen Übersetzer bei. 4Die Übersetzerin oder der Übersetzer erklärt unterschriftlich, den ursprünglichen Text nach bestem Wissen und Gewissen übersetzt zu haben. Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson bescheinigt die Erklärung und die ihr glaubhaft gemachte fachliche Qualifikation der Übersetzerin oder des Übersetzers. Bemerkungen zu § 62 BeurG (neu) Die hier geregelte Beglaubigung einer Übersetzung ist zu unterscheiden von der Herstellung einer mehrsprachigen Urkunde (vgl. dazu §§ 63 und 64 BeurG). Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson kann den Ausgangstext selbst übersetzen, wenn sie über die notwendigen Kenntnisse verfügt. Oft ist jedoch bei komplexen Texten der Beizug einer Übersetzerin oder eines Übersetzers angezeigt. Diese Hilfsperson unterschreibt die Urkunde mit und bestätigt dadurch die Übersetzung nach bestem Wissen und Gewissen. Die Urkunds- oder Beglaubigungsperson bescheinigt diese Erklärung und äussert sich über die fachliche Qualifikation der Übersetzerin oder des Übersetzers (zum Beispiel „verfügt über das ...-Diplom als Übersetzer ..." oder „ist englischer Muttersprache und beherrscht die deutsche Sprache"). 5.4.5 Ausserordentliche Beurkundungsverfahren § 63 § 63 [Mehrsprachige Urkunden, a. Im Allgemeinen] 1Sind nicht alle Mitwirkenden mit der gleichen Sprache vertraut oder verlangt es eine Urkundspartei aus triftigem Grund, ist die Beurkundung mehrsprachig vorzunehmen. - 73 - 2Der Regierungsrat regelt Ausnahmen durch Verordnung. 3Die Urkundsperson bescheinigt die Richtigkeit der Übersetzung. - 74 - Bemerkungen zu § 63 BeurG (bisher § 9 EG ZGB, neu) Das bisherige Recht lässt eine simultane mündliche Übersetzung des Urkundeninhalts zu, wenn eine Partei die Sprache der Urkunde nicht versteht. Aufgrund der Bedeutung der öffentlichen Beurkundung erscheint dies nicht mehr als sachgerecht. Neu muss die Übersetzung in die Urkunde integriert werden. Möglich sind sowohl eine zweispaltige Darstellung der Urkunde wie auch das Anfügen der Übersetzung im Anschluss an den Ausgangstext. In § 63 BeurG ist der Fall geregelt, dass die Urkundsperson selbst den Text übersetzt. Ist dies nicht möglich, kommt § 64 BeurG zur Anwendung. Ausnahmen von der Pflicht, Urkunden mehrsprachig zu erstellen, werden in der Verordnung geregelt. Sie betreffen insbesondere den Grundstückbeschrieb, der oft kaum übersetzbar ist. Aus der Bescheinigung der Urkundsperson muss hervorgehen, ob die Urkunde selbst gelesen oder (ein- oder zweisprachig) vorgelesen worden ist. § 64 § 64 [b. Beizug einer Übersetzerin oder eines Übersetzers] 1Ist die Urkundsperson mit einer verwendeten Sprache nicht genügend vertraut oder verlangt es eine Urkundspartei, wird für die Abfassung der Urkunde und für den Beurkundungsakt eine Übersetzerin oder ein Übersetzer beigezogen. 2Die Übersetzerin oder der Übersetzer muss bei der Beurkundung anwesend sein. Sie oder er erklärt unterschriftlich auf der Urkunde, deren Inhalt nach bestem Wissen und Gewissen übersetzt zu haben. 3Die Urkundsperson bescheinigt die ihr glaubhaft gemachte fachliche Qualifikation der Übersetzerin oder des Übersetzers. Sie bescheinigt ferner, dass die Übersetzerin oder der Übersetzer bei der Beurkundung anwesend gewesen ist und dass diese oder dieser erklärt hat, den Inhalt der Urkunde nach bestem Wissen und Gewissen übersetzt zu haben. Bemerkungen zu § 64 BeurG (neu) § 64 BeurG ergänzt die Bestimmung von § 63 BeurG für den Fall, dass eine Übersetzerin oder ein Übersetzer beigezogen wird. Auch in diesem Fall ist die Beurkundung oder Beglaubigung mehrsprachig vorzunehmen. Die anwesende Übersetzerin oder der Übersetzer kann die Übersetzung vorlesen, dies ist jedoch nicht zwingend (vgl. § 52 Abs. 1 BeurG). Die fachliche Qualifikation der Übersetzerin oder des Übersetzers muss nicht zwangsläufig in einem Dokument bestehen. Auch ein Hinweis auf die Muttersprache oder der Hinweis, dass die Übersetzerin oder der Übersetzer bei einem öffentlichen Gemeinwesen zugelassen ist, können genügend sein (vgl. die Bemerkungen zu § 62 BeurG). - 75 - § 65 § 65 [Leseunfähige Urkundspartei] 1Kann eine Urkundspartei nicht sehen oder lesen, liest die Urkundsperson die Urkunde in Gegenwart zweier Zeuginnen oder Zeugen vor. 2Die Zeuginnen oder Zeugen bestätigen mit ihrer Unterschrift, dass die Urkundsperson die Urkunde vorgelesen hat und dass die leseunfähige Urkundspartei mit dem Inhalt einverstanden ist. Bemerkungen zu § 65 BeurG (bisher § 8 EG ZGB) Die Bestimmung entspricht dem bisherigen Recht. Diese kantonalrechtliche Beurkundungsform hat mit dem Verfahren von Art. 501 und 502 ZGB nichts zu tun. Die Zeuginnen oder Zeugen müssen während des gesamten Beurkundungsverfahrens anwesend sein. § 66 § 66 [Stumme oder gehörlose Urkundspartei] 1Ist eine Urkundspartei stumm, gehörlos oder sonst in ihrer sinnlichen Wahrnehmung oder in ihrer Ausdrucksfähigkeit behindert, darf die öffentliche Beurkundung nur vorgenommen werden, wenn sich die Urkundsperson überzeugt hat, dass die Urkundspartei den Inhalt der Urkunde zu erfassen vermag. In der öffentlichen Urkunde ist festzuhalten, wie der Inhalt der Urkunde der Urkundspartei zur Kenntnis gebracht wurde. 2Nötigenfalls ist eine sachverständige Person beizuziehen. Diese muss bei der Beurkundung anwesend sein. Sie bestätigt unterschriftlich auf der Urkunde, deren Inhalt nach bestem Wissen und Gewissen der Urkundspartei zur Kenntnis gebracht zu haben. 3Die Urkundsperson bescheinigt die glaubhaft gemachte fachliche Qualifikation der sachverständigen Person. Sie bescheinigt ferner, dass diese bei der Beurkundung anwesend gewesen ist und erklärt habe, den Inhalt der Urkunde der Urkundspartei nach bestem Wissen und Gewissen zur Kenntnis gebracht zu haben. Bemerkungen zu § 66 BeurG (neu) Diese Bestimmung lässt der Urkundsperson Spielraum für sachgerechte Lösungen. Stumme oder gehörlose Personen, die lesen und schreiben können, erfassen den Inhalt der Urkunde möglicherweise ohne den Beizug von Sachverständigen. Im Zweifelsfall wird die Urkundsperson eine sichere Variante wählen, damit der Wille der stummen oder gehörlosen Partei korrekt zum Ausdruck kommt. § 67 § 67 [Schreibunfähige] Wird die Unterschrift gemäss Art. 15 OR durch ein beglaubigtes Handzeichen oder eine öffentliche Beurkundung ersetzt, ist in der öffentlichen Urkunde der Grund dafür anzugeben. Bemerkungen zu § 67 BeurG (bisher § 8 EG ZGB, teilweise neu) Kann eine Urkundspartei nicht schreiben, weil sie beispielsweise die Hand gebrochen hat, genügt es, wenn die Unterschrift durch ein Handzeichen oder durch die öffentliche Beurkundung ersetzt wird. - 76 - § 68 § 68 [Verweisung] Bei allen ausserordentlichen Beurkundungsverfahren ist § 52 sinngemäss anwendbar. Bemerkungen zu § 68 BeurG (neu) Die ausserordentlichen Beurkundungsverfahren ergänzen das ordentliche Verfahren, sie ersetzen es nicht. Die Bescheinigung gemäss § 52 Abs. 4 BeurG ist daher sinngemäss anzupassen. 5.5 Vergütung Vorbemerkungen zur Umgestaltung des Gebührensystems Beim geltenden Gebührensystem handelt es sich um ein Modell mit drei verschiedenen Bemessungsarten. Diese sollen auch im neuen Gebührensystem beibehalten, jedoch neu gewichtet und ausgestaltet werden. Vertragswert (Promillesatz) Bei dieser Bemessungsart wird die Gebühr in Verhältnis zum Sachwert eines Geschäfts gesetzt. Die Berechnung der Gebühr erfolgt mit Hilfe eines Promillesatzes (zum Beispiel 4 Promille von Fr. 600’000.– Sachwert ergibt eine Gebühr von Fr. 2’400.–). Gerade bei Geschäften, welche von unerfahrenen Kundinnen und Kunden abgeschlossen werden, ist eine Promillegebühr sinnvoll. Sie gewährleistet Transparenz und Klarheit bezüglich ihrer Höhe. Der Kundenschutz drängt sich vor allem bei Verträgen zur Eigentumsübertragung von Grundstücken, zur Begründung von selbstständigen und dauernden Baurechten und auf Errichtung sowie Erhöhung von Grundpfandrechten auf. Deshalb wird dort die Promillegebühr beibehalten. Damit die Gebühr nicht in unverhältnismässige Höhen steigen kann, wird der Promilletarif neu gekappt, was bedeutet, dass eine Maximalgebühr eingeführt wird. Die konkrete Ausgestaltung des Promilletarifs erfolgt auf Dekretsstufe. Geplant ist die Beibehaltung der bisherigen Abstufung (vgl. §§ 47 und 47b NO) sowie die Einführung einer Maximalgebühr von Fr. 20’000.– bei Verträgen zur Eigentumsübertragung von Grundstücken und zur Begründung von selbstständigen und dauernden Baurechten sowie von Fr. 7’500.– bei Verträgen auf Errichtung sowie Erhöhung von Grundpfandrechten. Durch die Begrenzung der Promillegebühr wird überdies dem Bericht des Preisüberwachers vom Juli 2007, in welchem die Notariatstarife sämtlicher Kantone verglichen wurden, Rechnung getragen. Aus dem Bericht gingen die freiberuflichen Notariate gegenüber den Amtsnotariaten bei der Gebühr für Immobiliengeschäfte (Kaufverträge und Pfandverträge) als die teureren hervor. Dem Bericht war aber auch zu entnehmen, dass der Kanton Aargau bei einem Kantonsvergleich aller Tarifpositionen eines Notariats (freiberufliches Notariat, Amtsnotariat, gemischtes System) im Mittelfeld rangierte (11. Rang von 26, wobei Rang 1 dem Kanton mit den teuersten Gebühren und Rang 26 dem Kanton mit den günstigsten Gebühren verliehen wurde). Aus einem Kantonsvergleich aller Tarifpositionen der freiberuflichen Notariate resultierte, dass der Kanton Aargau zu den günstigeren gehörte (9. Rang von 11). - 77 - Feste Ansätze Für eine bestimmte Leistung wird immer dieselbe Gebühr erhoben (zum Beispiel pro beglaubigte Unterschrift Fr. 30.–). Diese Regelung macht bei Geschäften Sinn, deren Aufwand sich immer in etwa derselben Bandbreite bewegt, was vor allem bei Beglaubigungen als Massegeschäft der Fall ist. Aus Gründen der Verwaltungsökonomie wird darauf verzichtet, die Gebühr in jedem Einzelfall genau zu berechnen. Stattdessen erfolgt eine gewisse Pauschalierung der Gebühr, welche dem Äquivalenzprinzip (Balance zwischen Preis und Leistung) entspricht. Bei den Beglaubigungen werden die festen Ansätze beibehalten, aber in der Höhe angepasst, was per Dekret erfolgt. Zeitaufwand (Stundenansatz) Hier sind massgebliche Faktoren für die Berechnung der Gebühr die aufgewendete Zeit und der massgebliche Stundenansatz (zum Beispiel fünf Stunden Aufwand à Fr. 200.– Stundenansatz ergeben eine Gebühr von Fr. 1’000.–). Diese Bemessungsart ist die eigentliche Umsetzung des Äquivalenzprinzips und soll daher bei sämtlichen übrigen Geschäftsarten angewandt werden. Zwar ist die Bemessung nach Zeitaufwand dem geltenden Recht nicht unbekannt, doch stehen heute die Promillegebühren im Vordergrund. Dies wird im revidierten Recht geändert, indem die Promillegebühr stärker in den Hintergrund gerückt wird. Die Festlegung der Höhe des Stundenansatzes erfolgt auf Dekretsstufe. Im geltenden Recht beträgt der Stundenansatz Fr. 170.– bis 225.–. Für die Überprüfung des geltenden und zur Bestimmung des neuen Stundenansatzes erteilte das DVI der BDO Visura, Aarau, im Jahr 2008 den Auftrag zur betriebswirtschaftlichen Erhebung der Kosten- und Umsatzstrukturen der Notariatsbüros im Kanton Aargau. Der Rücklauf der auswertbaren Fragebogen durch die Urkundspersonen war gering (27 %), so dass die Erhebung für die Festlegung des neuen Stundenansatzes nur beschränkt verwertbar war. Angesichts der Anforderungen an die Ausbildung für die Notariatstätigkeit rechtfertigt sich eine Erhöhung des Stundenansatzes. Zudem verlangt der Wechsel von der Promillegebühr hin zur Aufwandgebühr bei gewissen Geschäften (zum Beispiel bei gesellschaftsrechtlichen Geschäften) eine genügend grosse Spannweite zwischen minimalem und maximalem Stundenansatz. Aus diesen Gründen ist geplant, im Dekret einen Stundenansatz von Fr. 180.– bis 300.– vorzusehen. Die Bemessung nach Zeitaufwand soll den Wettbewerb unter den Urkundspersonen fördern und somit zur Konkurrenzfähigkeit beitragen und fachlich kompetente und effizient arbeitende Urkundspersonen mit mehr Kundschaft belohnen. Zwangstarif Bei den Notariatsgebühren handelt es sich um Verwaltungsgebühren. Dies gilt auch im freiberuflichen Notariat. Es gilt somit das verfassungsrechtliche Legalitätsprinzip, gemäss welchem die Gebühren in rechtssatzmässiger Form festgelegt werden müssen. Die Abgabepflichten müssen voraussehbar und rechtsgleich sein. Es ist nicht zulässig, den Urkundspersonen freie Hand bei der Festsetzung der Gebühren zu geben (vgl. BGE 132 II 47 S. 55). Damit übereinstimmend hielt das Obergericht des Kantons Aargau in seinem Urteil vom 9. Mai 2005 (OR 2005.00029) fest, der geltende Notariatstarif sei ein für die Urkundsperson und deren Klientinnen und Klienten bindender Zwangstarif. Unzulässig sei das Angebot ermässigter Gebühren zum Zweck des Klientenfangs. § 69 BeurG führt diesen Zwangstarif fort. - 78 - Der Zwangstarif hat nicht bei jeder Bemessungsmethode dieselbe Konsequenz. Die Gebühr lässt sich beim Promillesatz anhand eines Geschäftswerts (zum Beispiel Fr. 500'000.–) oder beim festen Ansatz anhand einer vorgegebenen Leistung (zum Beispiel Beglaubigung einer einseitigen Kopie) immer eindeutig bestimmen. Den Urkundspersonen kommt absolut kein Spielraum bei der Festsetzung der Gebühr zu. Anders verhält es sich jedoch bei der Bemessungsmethode nach Zeitaufwand. Diese verleiht den Urkundspersonen zumindest einen bescheidenen Spielraum innerhalb des Äquivalenzprinzips (Verhältnis zwischen Preis und Leistung). Konkret bedeutet dies, dass die für ein Geschäft aufgewendete Zeit von Urkundsperson zu Urkundsperson variieren kann. Der absolute Faktor bei der Bemessung nach Zeitaufwand ist der vorgegebene Rahmen des Stundenansatzes. § 69 § 69 [Grundsätze] 1Für die amtliche Tätigkeit erhebt die Urkundsperson eine Gebühr und fordert Ersatz der entstandenen Auslagen. Vom Gebührentarif darf nicht abgewichen werden. Ausnahmen regelt der Grosse Rat durch Dekret. 2Tritt die Urkundsperson diesen Anspruch an die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber zum Inkasso ab, bleiben die Einreden und Einwendungen der Partei vollumfänglich erhalten. 3Mehrere Parteien haften solidarisch für die Gebühren. 4Die Urkundsperson kann einen angemessenen Kostenvorschuss verlangen. 5Die Gemeinde erhebt die Gebühren für die Verrichtungen der Beglaubigungspersonen. Bemerkungen zu § 69 BeurG (bisher §§ 46 und 46c NO, teilweise neu) Die Vergütung für die amtlichen Tätigkeiten wird in Gesetz und Dekret festgelegt. Sie kann nicht frei vereinbart werden. In Abs. 1 wird zum Ausdruck gebracht, dass eine Gebührenpflicht (Zwangstarif) besteht, von welcher nur in Ausnahmefällen (zum Beispiel Gebührenerlass oder Gebührenreduktion für gemeinnützige Institutionen) abgewichen werden darf. Die Ausnahmen erfolgen auf Dekretsstufe. Die Gebühr ist das Entgelt für die hoheitliche notarielle Tätigkeit. Administrative Hilfstätigkeiten sind mit der Gebühr ebenfalls abgedeckt. Die Kundin beziehungsweise der Kunde schuldet die Gebühr nicht dem Staat, sondern der Urkundsperson, denn diese handelt in eigenem Namen und auf eigene Rechnung (vorbehältlich der Abtretung der Gebührenforderung an die Arbeitgeberin, vgl. Bemerkungen zu § 7 Abs. 3 BeurG). Grundsätzlich ist die Urkundsperson Gläubigerin der Gebührenforderung. Bei Urkundspersonen, welche ihren Beruf im Anstellungsverhältnis ausüben, führt dies jedoch zu Problemen. Angestellte können daher die ihnen zustehenden Gebührenforderungen abtreten. Es handelt sich dabei um eine Zession im Sinne von Art. 164 ff. OR. In Abs. 2 wird klargestellt, dass die Einreden nicht eingeschränkt werden (entgegen Art. 169 Abs. 1 OR). So kann die Partei in jedem Fall Schadenersatzansprüche gegen eine angestellte Urkundsperson mit der Gebührenforderung seiner Arbeitgeberin verrechnen. Die Gebührenrechnung ist kein Entscheid. Die Urkundsperson ist nicht berechtigt, die Gebühr durch Verfügung festzusetzen. Die Rechnung muss daher auch nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen werden. - 79 - § 70 § 70 [Gegenstand und Höhe der Gebühr; Auslagen] 1Die Gebühr für die Beurkundung von Verträgen zur Übertragung von Grundstücken, zur Begründung von selbständigen und dauernden Baurechten sowie auf Errichtung und Erhöhung von Grundpfandrechten bemisst sich nach Promillesätzen des Vertragswerts, wird aber nach oben und unten begrenzt. 2Die Gebühr für Beglaubigungen bemisst sich nach festen Ansätzen. 3Die Gebühr für alle übrigen Verrichtungen bemisst sich nach dem Zeitaufwand der Urkundsperson. 4Die Höhe der Promillesätze, der Ober- und Untergrenzen, der festen Ansätze, des Stundenansatzes sowie den Auslagenersatz regelt der Grosse Rat durch Dekret. Bemerkungen zu § 70 BeurG (bisher §§ 46a, 46b und 46e NO, teilweise neu) Notariatsgebühren sind Verwaltungsgebühren und werden durch kantonales öffentliches Recht festgelegt. Dies gilt auch in Kantonen mit freiem Berufsnotariat (vgl. Ziffer 1.1). Auf eine Regelung der Notariatstarife zu verzichten, ist rechtlich nicht möglich. Das Bundesrecht schreibt vor, dass die wesentlichen Elemente einer Abgabe festzusetzen sind (Art. 127 Abs. 1 Bundesverfassung): Zu regeln ist der Kreis der Abgabepflichtigen, der Gegenstand der Abgabe und die Höhe der Abgabe in den Grundzügen. Das Beurkundungs- und Beglaubigungsgesetz enthält somit notwendigerweise die Grundsätze und eine Verweisung auf die Detailregelung in einem Dekret. Die Verjährung von Notariatsgebühren ist in Art. 128 Ziff. 3 OR geregelt und beträgt fünf Jahre. Abs. 1–3 Bis anhin war die Höhe der Gebühr massgebend vom Vertragswert bestimmt (Promillesätze). Die Vorlage führt zu einer Reduktion der Anwendbarkeit dieses Bemessungskriteriums. Im Vordergrund steht in Zukunft die Bemessung nach Aufwand. Einzig bei Verträgen zur Eigentumsübertragung von Grundstücken (für den Umfang der Grundstückkäufe ist Art. 216 Abs. 1 und 2 OR massgebend), zur Begründung von selbstständigen und dauernden Baurechten und auf Errichtung sowie Erhöhung von Grundpfandrechten wird die Bemessung der Gebühr nach dem Vertragswert (Promillegebühr) beibehalten. Wie bereits einleitend unter Ziffer 4.10 ausgeführt, soll der heutige Promilletarif mit seinen bestehenden Abstufungen beibehalten, jedoch gekappt werden. Bei Verträgen zur Eigentumsübertragung von Grundstücken und zur Begründung von selbstständigen und dauernden Baurechten soll die Maximalgebühr Fr. 20’000.– und bei Verträgen auf Errichtung sowie Erhöhung von Grundpfandrechten Fr. 7’500.– betragen. Für Beglaubigungen werden nach wie vor feste Ansätze vorgeschrieben. Abs. 4 Die konkrete Ausgestaltung des Gebührentarifs erfolgt per Dekret durch den Grossen Rat. Die heutigen Promillesätze sollen übernommen sowie Maximalbeträge von Fr. 20'000.– beziehungsweise Fr. 7'500.– neu festgelegt werden. Die bereits heute bestehenden Minimalgebühren (Untergrenzen) sind beizubehalten. Die festen Ansätze, der Stundenansatz - 80 - sowie der Auslagenersatz werden betragsmässig ebenfalls im Dekret geregelt. Der Stundenansatz soll Fr. 180.– bis Fr. 300.– betragen. 5.6 Behörden und Verfahren Sowohl die Notariatskommission als auch die Notariatsprüfungskommission stellen Verwaltungsbehörden (Kommissionen) im Sinne von § 34 des Gesetzes über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung vom 26. März 1985 (Organisationsgesetz; SAR 153.100) dar. Wo im BeurG keine Sonderregelung über die Kommissionen aufgestellt wird, gilt das VRPG. Zu erwähnen bleibt auch, dass die Kommissionen dem IDAG unterstehen. Was die von den Kommissionen zu erhebenden Gebühren anbelangt, so ist eine Anpassung des Dekrets über die durch den Staat zu beziehenden Gebühren vom 23. November 1997 (SAR 661.110) und des Dekrets über die Verfahrenskosten vom 24. November 1987 (SAR 221.150) angezeigt. Vorgesehen sind zudem ergänzende Regelungen auf Verordnungsstufe. 5.6.1 Notariatskommission § 71 § 71 [Zusammensetzung, Wahl und Beschlussfähigkeit] 1Die Notariatskommission besteht aus fünf fachlich geeigneten Mitgliedern, darunter mindestens zwei Urkundspersonen. 2Der Regierungsrat wählt die Mitglieder und eine gleiche Zahl von Ersatzmitgliedern sowie das Präsidium und dessen Stellvertretung auf eine Amtsdauer von vier Jahren. 3Für die Wahl der Mitglieder aus dem Kreis der Urkundspersonen holt der Regierungsrat die Vorschläge der aargauischen Notariatsgesellschaft ein. 4In der Regel, vor allem bei wichtigen Entscheiden wie Disziplinarmassnahmen, entscheidet die Notariatskommission in voller Besetzung. In dringenden Fällen ist die Notariatskommission beschlussfähig, wenn neben dem Präsidium oder dessen Stellvertretung mindestens zwei Mitglieder anwesend sind. Bemerkungen zu § 71 BeurG (bisher § 2 NO, teilweise neu) Die Notariatskommission als Aufsichtsbehörde über die Urkundspersonen (vgl. § 72 BeurG) soll sich aus fünf Mitgliedern zusammensetzen, welche das notwendige zivil- und notariatsrechtliche Fachwissen mitbringen und alle sich stellenden Fragen beurteilen können. Fachlich geeignete Mitglieder sind zweifellos die Urkundspersonen selber, aber auch Grundbuchverwalterinnen oder Grundbuchverwalter oder Handelsregisterführerinnen oder Handelsregisterführer. Die Notariatskommission kann durch ein juristisches Sekretariat beziehungsweise durch eine Person aus der Verwaltung unterstützt werden, an die sich gewisse Aufgaben delegieren lassen (beispielsweise die Inspektion von Urkundspersonen oder die Instruktion von Entscheiden). Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der Notariatskommission um eine Verwaltungsbehörde im Sinne von § 34 des Organisationsgesetzes. Gemäss dessen Abs. 2 dürfen Mitglieder derselben Kommission in der Regel während zwölf Jahren und bis zum vollendeten siebzigsten Altersjahr angehören. - 81 - Das Präsidium der Notariatskommission soll wie bisher durch den Vorsteher oder die Vorsteherin des Departements Volkswirtschaft und Inneres ausgeübt oder neu einer anderen fachlich geeigneten Person zugeteilt werden. Darüber entscheidet der Regierungsrat. Die Entschädigung der Mitglieder der Notariatskommission richtet sich nach dem Dekret über Spesen, Sitzungsgelder und übrige Entschädigungen vom 14. März 2000 (SAR 165.170) sowie der dazugehörigen Verordnung vom 31. Januar 2001 (SAR 165.171). Im Beurkundungs- und Beglaubigungsgesetz sind diesbezüglich keine zusätzlichen Bestimmungen notwendig. § 72 § 72 [Aufsicht] Die Notariatskommission beaufsichtigt das Beurkundungs- und Beglaubigungswesen. Bemerkungen zu § 72 BeurG (bisher §§ 9, 12, 14, 17, 45 und 48 NO, teilweise neu) Die aargauischen Urkunds- und Beglaubigungspersonen stehen in Bezug auf ihre Tätigkeit als Urkundspersonen bereits heute unter der Aufsicht der Notariatskommission. Aufsichtsinstanzen sind ausserdem der Regierungsrat, das Departement Volkswirtschaft und Inneres sowie die Grundbuchverwalterinnen und Grundbuchverwalter (vgl. §§ 1–3 sowie §§ 43–45 NO; Verordnung über die Beaufsichtigung der Urkundspersonen). Die heutige (mehrschichtige) Ausgestaltung der Aufsicht über die Urkunds- und Beglaubigungspersonen ist nicht zweckmässig. So kann etwa der Regierungsrat die Aufsicht gar nicht selbst wahrnehmen. Abgrenzungsfragen sind nicht immer einfach lösbar. Die Aufsicht wird daher neu einzig der Notariatskommission zugewiesen. Die Beglaubigungspersonen unterstehen im Bereich ihrer Beglaubigungstätigkeit weiterhin der Aufsicht der Notariatskommission. Die Aufsicht der Notariatskommission erstreckt sich nicht auf ausserkantonale Urkundspersonen, auch wenn deren Urkunden (ausgenommen über Grundstückgeschäfte) im Kanton Aargau anerkannt werden (vgl. § 5 BeurG). Die Aufsicht über ausserkantonale Urkundspersonen wird durch die jeweils zuständige kantonale Behörde wahrgenommen. Die Notariatskommission ist nicht nur für die Aufsicht und das Disziplinarwesen zuständig; ihr werden auch weitere Aufgaben zugewiesen, für die heute der Regierungsrat oder eine andere Behörde zuständig ist. Die Notariatskommission erteilt die Beurkundungsbefugnis (§ 6 Abs. 1 BeurG), anerkennt bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen den ausserkantonalen Fähigkeitsausweis als Notarin oder Notar (§ 8 Abs. 2 BeurG), sieht für Letztgenannte allenfalls Erleichterungen bei der Notariatsprüfung vor (§ 10 Abs. 5 BeurG) oder kann Erleichterungen für das Notariatspraktikum gewähren (§ 11 Abs. 3 BeurG). Die Notariatskommission führt das Register (§ 16 Abs. 1 BeurG), entbindet die Urkunds- oder Beglaubigungspersonen vom Berufsgeheimnis (§ 31 Abs. 2 BeurG) und kann disziplinarische, vorsorgliche oder andere Massnahmen verfügen (§§ 39, 76 und 41 BeurG) sowie Inspektionen durchführen (§ 75 BeurG). Die Notariatskommission setzt zudem im Moderationsverfahren die Höhe der Gebühren und Auslagen fest (§ 73 BeurG). Sie wählt die Mitglieder der Notariatsprüfungskommission (§ 79 Abs. 2 BeurG). - 82 - Als Aufsichtsbehörde ist die Notariatskommission kompetent, Weisungen zu erlassen. Damit soll − in allgemeiner Weise oder in Einzelfällen − die gleichmässige Anwendung des Beurkundungsrechts sichergestellt werden. Künftig sollten wenige Weisungen ausreichen, da in Gesetz und Verordnung viele Fragen bereits geklärt werden. Für die Verfahren vor der Notariatskommission sind die Bestimmungen des VRPG heranzuziehen, da es sich bei der Notariatskommission um eine Verwaltungsbehörde handelt (vgl. Bemerkungen nach Ziffer 5.6). § 73 § 73 [Moderationsverfahren] 1Auf Antrag der Partei oder der Urkundsperson setzt die Notariatskommission die Höhe der Gebühr und der Auslagen fest. 2Hat die Partei die Rechnung vorbehaltlos bezahlt, kann sie kein Moderationsverfahren mehr einleiten. Bemerkungen zu § 73 BeurG (bisher § 48 und 48a NO, teilweise neu) Bereits heute überprüft die Notariatskommission die Tarifkonformität auf Antrag der Urkundsperson oder der Klientschaft. Der Entscheid der Notariatskommission kann an den Regierungsrat weitergezogen werden (§§ 48 und 48a NO). Das Moderationsverfahren wird beibehalten; einzig die Frist zur Anhebung des Moderationsverfahrens sowie die Weiterzugsmöglichkeit an den Regierungsrat fallen weg. Das Moderationsverfahren bietet die Möglichkeit, eine Gebühr in Bezug auf ihre Höhe kostenlos überprüfen zu lassen. Um unnötige Verfahren zu vermeiden, muss die Partei vor der Anrufung der Notariatskommission die detaillierte Rechnung verlangen. Ist streitig, ob eine Gebühr überhaupt geschuldet ist, so ist das Verfahren gemäss § 74 zu wählen, welches kostenpflichtig ist. Das Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes. Die Kosten werden gemäss Dekret über die Verfahrenskosten festgesetzt. Der Entscheid kann mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden (§ 80 Abs. 2 BeurG). Der Entscheid über die Tarifkonformität ist kein definitiver Rechtsöffnungstitel. § 74 § 74 [Klageverfahren über streitige Gebühren und Auslagen] Über eine bestrittene Schuldpflicht bezüglich Gebühren und Auslagen entscheidet das Zivilgericht. Die Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Zivilprozessordnung, ZPO) vom 19. Dezember 2008 finden sinngemäss Anwendung. Bemerkungen zu § 74 BeurG (neu) In der NO findet sich heute keine Bestimmung über die Durchsetzung der Gebührenforderung der Urkundsperson. Praxisgemäss sind dafür die Zivilgerichte zuständig (vgl. <http://www.ag.ch/grundbuchundnotariat/de/pub/notariat/notariatskommission/index.php>, ebenso Art. 56 des bernischen Notariatsgesetzes). - 83 - Obwohl das Rechtsverhältnis zwischen Urkundsperson und Urkundspartei öffentlichrechtlicher Natur ist, wird der Zivilprozess beibehalten. Im Falle von Einwendungen oder Einreden aufgrund zivilrechtlicher Gegenforderungen der Kundinnen oder Kunden müsste das verwaltungsrechtliche Verfahren entweder sistiert werden oder es müsste der Partei Frist zur Anhebung eines Zivilprozesses gesetzt werden. Dies würde jedoch die Verfahrensdauer verlängern. Zudem müsste die Urkundsperson unter Umständen zwei Verfahren gegen dieselbe Kundin oder denselben Kunden einleiten, nämlich dann, wenn sowohl Gebühren aus der hoheitlichen Tätigkeit der Urkundsperson als auch Honorare aus ihrer Mandatstätigkeit streitig sind. Dies ist wenig praktikabel und wird abgelehnt. Die bisherige Regelung, wonach das Zivilgericht über streitige Gebühren und Auslagen der Urkundsperson entscheidet, wird deshalb beibehalten, auch im Sinne der Möglichkeit einer Klagenhäufung mit zivilrechtlichen Ansprüchen im Sinne von Art. 15 Abs. 2 ZPO (tritt auf 1. Januar 2011 in Kraft). Hinsichtlich des Gerichtsstands sowie der Verfahrensbestimmungen wird auf die ZPO verwiesen. An ein erstes Verfahren über die Tarifkonformität einer Gebühr (§ 73 BeurG) kann sich ein zweites Verfahren über die Durchsetzung der Forderung anschliessen. Der Entscheid der Notariatskommission über die Tarifkonformität ist in diesem Falle für das Zivilgericht bindend (vgl. AGVE 1971 S. 304 f. m.w.H und BGE 83 I 81 S. 83 f.) Die Urkundsperson kann ihre Gebührenforderung durchsetzen, ohne sich dafür vom Berufsgeheimnis entbinden lassen zu müssen (heutige Praxis der Notariatskommission des Kantons Aargau; Urteil des Obergerichts vom 11. Juli 2002, Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide (LGVE) 2002 I, Nr. 30; Mooser, Le droit notarial, Nr. 415; vgl. Bemerkungen zu § 31 BeurG). § 75 § 75 [Inspektionen] 1Die Notariatskommission kann in den Büroräumlichkeiten der Urkundsperson auf Anzeige hin oder von Amtes wegen jederzeit, auch ohne Voranmeldung, überprüfen: a) die Geschäftsführung der Urkundsperson, b) die Rechnungsstellung, c) die Führung des Protokollbuchs, d) die Art und Weise der Aufbewahrung von fremdem Vermögen. 2Die Notariatskommission kann die Inspektion an ein Mitglied der Kommission, an das zuständige Departement oder an Dritte übertragen. Bemerkungen zu § 75 BeurG (neu) Das DVI und die Notariatskommission sind nach geltendem Recht berechtigt, aus bestimmten Gründen, sei es auf Beschwerden oder eigene Wahrnehmungen hin, über die Geschäftsführung der Urkundspersonen ausserordentliche Inspektionen vorzunehmen oder durch ein oder mehrere Mitglieder der Notariatskommission vornehmen zu lassen (§ 43 NO; § 8 Verordnung über die Beaufsichtigung der Urkundspersonen). - 84 - Die Notariatskommission lässt die Geschäftsführung (mithin auch die materielle Richtigkeit von öffentlichen Urkunden) in den Räumen der Urkundsperson neu regelmässig kontrollieren, wobei auch die Rechnungsstellung überprüft wird. Geplant ist die Inspektion jeder einzelnen Urkundsperson alle sechs bis sieben Jahre. In den anderen Kantonen werden die Urkundspersonen sehr unterschiedlich inspiziert. Im Kanton Bern findet in der Regel jährlich eine Revision statt, wobei diese Aufgabe an den Berufsverband übertragen worden ist (Art. 42 des bernischen Notariatsgesetzes; vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 14. November 2006, VGE 21818, 146 ff., E. 4.1), im Kanton Freiburg ist eine Revision mindestens alle zwei Jahre vorgeschrieben (Art. 37 des freiburgischen Gesetzes über das Notariat). Die Häufigkeit der Inspektionen variiert zwischen einmal jährlich bis zu alle sechs Jahre; in einigen Kantonen finden praktisch keine Inspektionen statt. Die Notariatskommission darf Notariatsbüros neuerdings jederzeit inspizieren, allenfalls auch ohne vorgängige Anmeldung. Inspektionen auf Anzeige hin sind weiterhin möglich. Anzeigesteller kann jedermann sein, nicht bloss die Urkundsparteien. So wird die Aufsicht wirkungsvoller ausgestaltet. Ein ausgebautes Inspektionswesen, wie es der Kanton Bern aufgrund der weitergehenden Kompetenzen der Urkundspersonen kennt, drängt sich für den Kanton Aargau nicht auf. Die Kosten für die Durchführung der Inspektionen werden neu den Urkundspersonen überbunden (Anpassung des Verfahrenskostendekrets, vgl. Ziffer 4.2). § 76 § 76 [Vorsorgliche Massnahmen] 1Kann die Urkundsperson den Aufgaben nicht mehr nachkommen, namentlich aus gesundheitlichen Gründen, oder ist es aus anderen wichtigen Gründen erforderlich, trifft die Notariatskommission die notwendigen vorsorglichen Massnahmen. 2Die Notariatskommission kann insbesondere a) die Vertretung regeln, b) hängige Geschäfte zur weiteren Bearbeitung an eine Urkundsperson übertragen, c) die Beurkundungsbefugnis für die Dauer des Verfahrens einstellen. Bemerkungen zu § 76 BeurG (neu) Falls der Schutz der Kundinnen und Kunden dies erfordert, muss die Notariatskommission schnell handeln können. Gestützt auf § 76 BeurG kann sie die notwendigen Massnahmen anordnen. In dringlichen Fällen kann die Präsidentin oder der Präsident der Notariatskommission alleine entscheiden (§ 20 Abs. 2 VRPG). Das rechtliche Gehör ist im Rahmen von § 21 VRPG zu gewähren. Für vorsorgliche Massnahmen im Zusammenhang mit Streitigkeiten über Ansprüche (vgl. § 74 BeurG) sind ausschliesslich die Bestimmungen der ZPO massgebend. - 85 - Auch hier gilt, dass die Einstellung der Beurkundungsbefugnis publiziert und die Beurkundungsbefugnis im Register für die Dauer der Einstellung gelöscht werden muss. § 77 § 77 [Anzeigepflicht] Kantonale Gerichts- und Verwaltungsbehörden melden der Notariatskommission Vorfälle, aufgrund derer die Berufspflichten verletzt sein könnten. Bemerkungen zu § 77 BeurG (neu) Die Notariatskommission kann häufig erst auf Anzeige hin tätig werden, da sie selbst von einem Vorfall keine Kenntnis erlangt. Die Anzeigepflicht in § 77 BeurG dient der Qualitätserhaltung des Beurkundungswesens, da nebst Privaten, welche das Verhalten einer Urkundsperson beanstanden können, die Gerichts- und Verwaltungsbehörden am ehesten Kenntnis erhalten von einem Vorfall, der zu einer Anzeige Anlass gibt. Die Gerichts- und Verwaltungsbehörden werden daher verpflichtet, der Notariatskommission Meldung zu machen. § 78 § 78 [Entscheid] 1Die Notariatskommission erlässt in den Fällen der §§ 13 lit. a und b und 15 lit. c einen Feststellungsentscheid, in den Fällen der §§ 13 lit. c, 15 lit. d, 39, 41 und 76 einen Disziplinar- oder Massnahmeentscheid. 2Entscheide betreffend die Beurkundungs- und Beglaubigungsbefugnis sind für gutgläubige Parteien und Dritte erst mit dem Tag, welcher der Veröffentlichung folgt, wirksam. Bemerkungen zu § 78 BeurG (neu) Grundlage für eine Änderung des Registereintrags ist ein Entscheid gemäss § 78 Abs. 1 BeurG. Im Falle der Verzichtserklärung oder bei fehlenden Voraussetzungen der Beurkundungsbefugnis ergeht ein Feststellungsentscheid. Der Entzug der Beurkundungsbefugnis und die Anordnung weiterer Massnahmen erfolgt mit einem Disziplinarentscheid oder, wenn die Urkundsperson ohne Verschulden die Aufgaben nicht mehr korrekt erfüllen kann, durch einen Massnahmeentscheid. Nicht nur Massnahmeentscheide, sondern auch Feststellungsentscheide können angefochten werden. Bis zur Rechtskraft der Entscheide bleibt die Beurkundungsbefugnis formell bestehen. Die Notariatskommission kann die Beurkundungsbefugnis nötigenfalls mittels vorsorglicher Massnahme für die Dauer des Verfahrens einstellen (§ 76 Abs. 2 lit. c BeurG). Um unnötigen administrativen Aufwand zu vermeiden, trifft die Notariatskommission nur in wenigen, aussergewöhnlichen Fällen Entscheide betreffend die Beglaubigungsbefugnis. Ansonsten obliegt die Kontrolle den Gemeinden (vgl. § 15 BeurG). Die Gemeinden sind gemäss § 35 Abs. 3 BeurG verpflichtet, Änderungen der Notariatskommission mitzuteilen, damit diese das Register auf dem aktuellen Stand halten kann. - 86 - 5.6.2 Notariatsprüfungskommission § 79 § 79 [Zusammensetzung, Wahl und Beschlussfähigkeit] 1Die Notariatsprüfungskommission setzt sich aus fünf Mitgliedern und zwei Ersatzmitgliedern zusammen, welche fachlich geeignet sind und nicht der Notariatskommission angehören. Mindestens ein Mitglied muss eine Urkundsperson sein; ein weiteres Mitglied vertritt das zuständige Departement. 2Die Mitglieder und Ersatzmitglieder werden von der Notariatskommission auf eine Amtsdauer von vier Jahren gewählt. Die Notariatskommission bestimmt das Präsidium und dessen Stellvertretung. 3Die Notariatsprüfungskommission ist beschlussfähig, wenn fünf Mitglieder oder Ersatzmitglieder anwesend sind. Bemerkungen zu § 79 BeurG (bisher §§ 9 und 12 NO, teilweise neu) Die Prüfungskommission wird bereits heute von der Notariatskommission gewählt (§ 12 Abs. 2 NO). In der Prüfungskommission sollten insbesondere Personen aus der Praxis vertreten sein. Da die Notariatskommission Rechtsmittelinstanz für Entscheide der Notariatsprüfungskommission ist, darf der Notariatsprüfungskommission kein Mitglied der Notariatskommission angehören. Dass es sich auch bei der Notariatsprüfungskommission um eine Verwaltungsbehörde handelt, wurde bereits erwähnt (vgl. Bemerkungen zu Ziffer 5.6). Die Entschädigung der Mitglieder der Prüfungskommission, welche heute praxisgemäss Fr. 110.– pro aufgewendete Stunde beträgt (§ 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung über Prüfungsentschädigungen), soll derjenigen der Mitglieder der Anwaltskommission angeglichen werden, welche Fr. 150.– beträgt. Eine Gleichstellung der Mitglieder der Notariatsprüfungskommission mit denjenigen der Anwaltskommission ist angebracht, da sie im Prüfungsbereich dieselben Aufgaben erfüllen. Auf Stufe Verordnung wird daher eine § 17 der Anwaltsverordnung entsprechende Regelung festgeschrieben. Heute entscheidet die Notariatskommission über die Zulassung zur Prüfung. Die Notariatskommission bestellt einen Ausschuss (Prüfungskommission; §§ 9, 12–14 NO). Neu werden alle Fragen, welche die Prüfung betreffen, von der Notariatsprüfungskommission beurteilt. Das Gremium ist dazu aufgrund seiner Zusammensetzung am besten in der Lage. Die Notariatsprüfungskommission entscheidet über die Zulassung zur Notariatsprüfung (§ 10 Abs. 1 BeurG), führt die Notariatsprüfung durch (§ 10 Abs. 2 BeurG) und erteilt den Fähigkeitsausweis als Notarin oder Notar (§ 9 BeurG). 5.6.3 Gemeinsame Bestimmungen Das Verfahren richtet sich nach dem VRPG, da es sich sowohl bei der Notariatskommission als auch der Notariatsprüfungskommission um Verwaltungsbehörden handelt (vgl. Bemerkungen zu Ziffer 5.6). - 87 - In einigen Punkten enthält das BeurG indessen abweichende Spezialbestimmungen beziehungsweise Verweise auf die ZPO, so beispielsweise: Für den Rechtsmittelweg gelten die Bestimmungen in § 80 BeurG. Für Verfahren betreffend die Durchsetzung von Haftungsansprüchen (vgl. § 42 Abs. 3 BeurG) sind im Wesentlichen die Vorschriften der ZPO anwendbar. Für das Klageverfahren über streitige Gebühren und Auslagen sind die Vorschriften der ZPO anwendbar (vgl. § 74 BeurG). § 80 § 80 [Rechtsmittel] 1Entscheide der Notariatsprüfungskommission können mit Beschwerde bei der Notariatskommission angefochten werden. 2Entscheide der Notariatskommission können beim Verwaltungsgericht angefochten werden. Das Verwaltungsgericht überprüft auch das Ermessen, ausgenommen bei Beschwerden gegen Prüfungsentscheide. Bemerkungen zu § 80 BeurG (neu) Abs. 1 Entscheide der Notariatsprüfungskommission sind zuerst an die Notariatskommission, dann ans Verwaltungsgericht weiterziehbar. Für das Beschwerdeverfahren vor der Notariatskommission gilt § 48 VRPG. Abs. 2 Abweichend von § 50 VRPG ist für die Behandlung von Beschwerden gegen Entscheide der Notariatskommission nicht der Regierungsrat, sondern das Verwaltungsgericht zuständig. Es handelt sich dabei um eine Sonderbestimmung im Sinne von § 54 Abs. 3 VRPG. Einerseits will sich der Regierungsrat auf die strategische Staatsführung konzentrieren. Anderseits bringt eine zusätzliche Instanz keine Vorteile, sondern führt zu Verzögerungen und höheren Kosten. Die Notariatskommission ist von ihrer Zusammensetzung her besser geeignet, sachund fachgerechte Entscheidungen zu treffen, als dies der Regierungsrat wäre. Aufgrund der Rechtsweggarantie von Art. 29a BV sind sämtliche Entscheide der Notariatskommission beim Verwaltungsgericht anfechtbar. In gewissen Disziplinarsachen ist die Beschwerdemöglichkeit an ein Gericht auch aufgrund von Art. 6 Ziff. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geboten (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 11. Dezember 2002, AGVE 2002, 374, E. I/2 S. 374 ff.). § 81 § 81 [Amtsgeheimnis] Die Mitglieder der Notariatskommission und der Notariatsprüfungskommission unterstehen dem Amtsgeheimnis. - 88 - Bemerkungen zu § 81 BeurG (neu) Im Kanton Aargau existiert keine generelle Norm, welche Amtspersonen zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Mitglieder der Notariatskommission, aber auch die Mitglieder der Notariatsprüfungskommission kommen häufig in Kontakt mit sensiblen Informationen. Für die Mitglieder der Kommissionen wird daher eine eigene Bestimmung geschaffen. Das Amtsgeheimnis ist strafrechtlich geschützt (Art. 320 StGB). 5.7 Schluss- und Übergangsbestimmungen § 82 § 82 [Notariatspatent, Berufsausübungsbewilligung nach bisherigem Recht] 1Das Notariatspatent nach bisherigem Recht ist dem Fähigkeitsausweis als Notarin oder Notar gleichgestellt. 2Die urkundsberechtigten Gemeindeschreiber bleiben bis zum Ende ihrer Anstellung als Gemeindeschreiber im bisherigen Umfang zur Beurkundung befugt. Dies gilt auch in Bezug auf Beurkundungen für die eigene Gemeinde. Im Übrigen unterstehen sie den Bestimmungen dieses Gesetzes. 3Urkundspersonen sowie die urkundsberechtigten Gemeindeschreiber, welche im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes über eine Berufsausübungsbewilligung nach bisherigem Recht verfügen, behalten diese bis sechs Monate nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes. Bemerkungen zu § 82 BeurG (neu) Abs. 1 Inhaber des bisherigen Notariatspatents sollen nicht schlechter gestellt werden als die neuen Inhaber des Fähigkeitsausweises als Notarin oder Notar. Abs. 2 Der Besitzstand bisheriger urkundsberechtigter Gemeindeschreiber im Sinne von § 22 NO wird gewahrt. Dies gilt auch in Bezug auf Beurkundungen für die eigene Gemeinde. Im Übrigen finden die Ausstandsvorschriften des neuen Rechts Anwendung. Die Berechtigung zur Vornahme von Beglaubigungen durch Angestellte oder Gewählte der Gemeinde richtet sich ausschliesslich nach neuem Recht (vgl. § 14 BeurG). Für die Gemeindeammänner gibt es keinen Besitzstandsschutz nach altem Recht. Allerdings kann die Gemeinde vorsehen, dass diese weiterhin zur Vornahme von Beglaubigungen befugt sind. Abs. 3 Wer nach bisherigem Recht als Urkundsperson tätig ist, hat Anspruch auf die Erteilung der Beurkundungsbefugnis. Die Voraussetzungen gemäss § 6 BeurG müssen jedoch erfüllt sein. Insbesondere muss die Urkundsperson eine Berufshaftpflichtversicherung im Sinne von § 12 BeurG abschliessen oder eine andere gleichwertige Sicherheit erbringen. Damit den Betroffenen Zeit für die entsprechenden Vorkehrungen bleibt, wird eine Übergangsfrist in § 83 Abs. 1 und 2 BeurG vorgesehen. - 89 - § 83 § 83 [Wirkung des Registers] 1Die Notariatskommission richtet das Register gemäss § 16 ein. Es wird sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes wirksam. 2Urkundspersonen sowie urkundsberechtigte Gemeindeschreiber, welche im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes über eine Berufsausübungsbewilligung nach bisherigem Recht verfügen, haben der Notariatskommission zur Eintragung ins Register innert vier Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eine schriftliche Bestätigung, wonach sie die Voraussetzungen gemäss § 6 erfüllen, sowie einen Nachweis über eine abgeschlossene Berufshaftpflichtversicherung oder eine andere gleichwertige Sicherheit einzureichen. Bemerkungen zu § 83 BeurG (neu) Die Notariatskommission wird bei Inkrafttreten des neuen Rechts das leere Register bereits gestaltet haben und die Eintragungen kontinuierlich vornehmen. Aufgeschaltet wird das Register allerdings erst sechs Monate nach Inkrafttreten des neuen Rechts. Es entfaltet somit erst dann seine konstitutive Wirkung. Dies bedeutet, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Beurkundungsbefugnis unabhängig vom Registereintrag erteilt werden kann und ab diesem Zeitpunkt nur noch über die Beurkundungsbefugnis verfügt, wer im Register eingetragen ist. Die Fristen in Abs. 1 und 2 sind so aufeinander abgestimmt, dass die Notariatskommission eine sorgfältige Prüfung der schriftlichen Bestätigungen und der Nachweise der Berufshaftpflichtversicherung oder der anderweitigen Sicherheit der Urkundspersonen sowie der urkundsberechtigten Gemeindeschreiber vornehmen kann. Der Notariatskommission wird eine Übergangsfrist von zwei Monaten eingeräumt, da möglich ist, dass sämtliche Gesuche der eintragungswilligen Personen erst gegen Ende der viermonatigen Frist in Abs. 2 eintreffen. § 84 § 84 [Kautionen] 1Das Departement Finanzen und Ressourcen erlässt einen Rechnungsruf, wonach Ansprüche auf Kaution gemäss § 16 der Notariatsordnung vom 28. Dezember 1911 innert sechs Monaten bei ihm einzugeben sind. 2Kautionen von Urkundspersonen, gegen die keine Ansprüche angemeldet wurden, gibt das Departement frühestens neun Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes frei. 3Kautionen von Urkundspersonen, gegen die innert Frist Ansprüche angemeldet wurden, werden nach der Klärung dieser Ansprüche verwendet oder freigegeben. Bemerkungen zu § 84 BeurG (neu) Kautionen, die nicht in Anspruch genommen werden, werden zurückbezahlt. Schadenfälle, welche sich vor Inkrafttreten des Gesetzes ereignen, sind nach bisherigem Recht abzuwickeln; die Kaution kann für solche (rechtzeitig angezeigten Fälle) auch nach Inkrafttreten des neuen Rechts beansprucht werden. - 90 - § 85 § 85 [Notariatskandidatinnen und Notariatskandidaten] Notariatskandidatinnen und Notariatskandidaten, welche mehr als zwei Jahre vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Ausbildung gemäss § 4 der Notariatsordnung begonnen haben, werden zur Notariatsprüfung zugelassen, wenn sie sich innert einer Frist von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Prüfung angemeldet haben. Bemerkungen zu § 85 BeurG (neu) Die altrechtlichen Ausbildungsgänge, die keinen Hochschulabschluss voraussetzen, werden mit dem neuen Recht abgeschafft. Aufgrund § 85 BeurG ergibt sich, wie lange Kandidatinnen und Kandidaten, welche eine Ausbildung gemäss § 4 NO absolvieren, zur Prüfung zugelassen werden. Es ist demnach nicht möglich, unmittelbar vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes noch eine solche Ausbildung zu beginnen. Es gilt dieselbe Übergangsfrist für Kandidatinnen und Kandidaten sowohl der zwei- als auch der vierjährigen Ausbildung. § 86 § 86 [Geltung des neuen Rechts] 1Die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bei der Notariatskommission hängigen Verfahren werden nach bisherigem Recht zu Ende geführt. Für Entscheide, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eröffnet werden, bestimmen sich die Weiterziehbarkeit und das Verfahren in der Rechtsmittelinstanz nach neuem Recht. 2Hat die Urkunds- oder Beglaubigungsperson einen Disziplinarfehler vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für sie das mildere ist. § 87 § 87 [Neubestellung der Kommissionen] Die Notariatskommission und die Notariatsprüfungskommission werden für den Rest der laufenden Amtsdauer neu bestellt. § 88 § 88 [Publikation und Inkrafttreten] 1Dieses Gesetz ist nach unbenütztem Ablauf der Referendumsfrist beziehungsweise nach Annahme durch das Volk und nach der Genehmigung durch den Bundesrat in der Gesetzessammlung zu publizieren. 2Der Regierungsrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Bemerkungen zu § 88 BeurG (neu) Die kantonalen Bestimmungen über die öffentliche Beurkundung bedürfen gemäss Art. 52 Abs. 3 SchlT ZGB der Genehmigung des Bundesrats. Aus Art. 55 SchlT ZGB kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden (Bundesamt für Justiz, 3. November 1981, in ZBGR 64/1983, S. 342 ff., 343–344). - 91 - 5.8 Fremdänderungen Ziffer 1 Das Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB) vom 27. März 1911 wird wie folgt geändert: Titel II., §§ 3–13, Titel III., §§ 14–17, 70, 142, 160 Aufgehoben. Ziffer 2 Das Einführungsgesetz zum Schweizerischen Obligationenrecht (EG OR) vom 27. Dezember 1911 wird wie folgt geändert: § 21 Zur Aufnahme eines Wechselprotestes (1035) sind die Urkundspersonen zuständig. Ziffer 3 Das Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Revision des zwanzigsten Titels des Obligationenrechts: Die Bürgschaft vom 8. März 1944 wird wie folgt geändert: §1 Aufgehoben. Bemerkungen zu Ziffer 2 Die Bestimmung, wonach zur öffentlichen Beurkundung einer Bürgschaft Urkundspersonen und urkundsberechtigte Gemeindeschreiber zuständig sind, wird durch § 3 BeurG abgelöst. 5.9 Fremdaufhebungen Es gibt keine Fremdaufhebungen. 5.10 Publikation und Inkraftsetzung der Fremdänderungen Die Änderungen unter Ziff. II. sind nach Genehmigung durch den Bund und nach unbenütztem Ablauf der Referendumsfrist beziehungsweise nach Annahme durch das Volk in der Gesetzessammlung zu publizieren. Der Regierungsrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens. 5.11 Dekrete Im Rahmen der zweiten Lesung des BeurG wird dem Grossen Rat ein neues Gebührendekret (Notariatstarif) sowie die Anpassung des Dekrets über die durch den Staat zu beziehenden Gebühren vom 23. November 1977 (SAR 661.110) zur Erhöhung der Prüfungsgebühren unterbreitet. Die Notariatsordnung (Dekret) wird mit diesen Dekretsänderungen aufgehoben. - 92 - 6. Auswirkungen 6.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Kanton Gesamtkosten der Jahre 2007 und 2008 im Durchschnitt in Franken (gerundet) Position G+N Notariatskommission Notariatsprüfungskommission Sachaufwand Total Aufwand 60'000.00 600.00 10'000.00 700.00 71'300.00 Ertrag Netto-Aufwand 0.00 0.00 3'000.00 0.00 3’000.00 60'000.00 600.00 7'000.00 700.00 68'300.00 Da anzunehmen ist, dass die Notariatskommission von ihrer Befugnis, die Inspektion an das DVI delegieren zu dürfen (§ 75 Abs. 2 BeurG), regelmässig Gebrauch machen wird, schlagen sich die entsprechenden Kosten vor allem bei der Position G+N (Sektion Grundbuch und Notariat) nieder. Durch die neu anfallenden Aufgaben im Zusammenhang mit Inspektionen ist mit einer Aufwandsteigerung von Fr. 38'000.– zu rechnen, bei kostendeckenden Gebühren von ebenfalls Fr. 38'000.–. Eine Stellenerhöhung ist auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Beurkundungsrechts trotzdem nicht vorgesehen. Der Mehraufwand durch den erhöhten Inspektionsaufwand wird teilweise dadurch kompensiert, dass nach der Implementierung des neuen Rechts weniger Anfragen von Notarinnen und Notaren an die Sektion G+N gelangen werden und sich damit der Aufwand für die Rechtsauskünfte deutlich verringern wird. Ausserdem ist langfristig abteilungsintern mit einer Effizienzsteigerung durch die informatisierte Grundbuchführung (GRUNAG) zu rechnen. Ein Mehraufwand entsteht bei der Notariatskommission durch die Notwendigkeit der häufigeren Tagung, verursacht durch die Inspektionen. Eine Kostensteigerung ergibt sich ferner bei der Notariatsprüfungskommission infolge der Erhöhung der Entschädigung ihrer Mitglieder (vgl. Bemerkungen zu § 79 BeurG). Mehreinnahmen gibt es bei den Notariatsprüfungen, da die Gebühren mindestens um das Doppelte erhöht werden (vgl. Bemerkungen zu § 10 Abs. 6 BeurG). Da der Rechtsmittelweg gegen Prüfungsentscheide neu ist, kann nicht abgeschätzt werden, ob und in welchem Umfang eine Mehrbelastung des Verwaltungsgerichts resultiert. Eine Mehrbelastung kann somit nicht ausgeschlossen, aber auch nicht beziffert werden. - 93 - Geschätzte Kosten nach der Totalrevision in Franken Position Aufwand G+N Ertrag 98'000.00 38'000.00 60'000.00 3'000.00 2'000.00 1'000.00 15'000.00 6'000.00 9'000.00 0.00 1'500.00 Notariatskommission Notariatsprüfungskommission Sachaufwand 1'500.00 Total Netto-Aufwand 117'500.00 46'000.00 71'500.00 Mehraufwand (Netto) Veränderung in Fr. 1'000.– 2011 2012 2013 + = Belastung +3-5 +3-5 +3-5 - = Entlastung (insgesamt) Erläuterungen: Es resultiert eine Belastung des Kantons in der Höhe von jährlich schätzungsweise bis Fr. 5’000.– netto. Der geschätzte jährliche Mehraufwand wird im nächsten Aufgaben- und Finanzplan (AFP) des Aufgabenbereichs 'Registerführung und Rechtsaufsicht' (AB 235) aufgenommen. 6.2 Auswirkungen auf die Kundinnen und Kunden Die Kundinnen und Kunden profitieren von einem leistungsfähigen, effizienten und qualitativ hochstehenden Beurkundungswesen. Die Kundinnen und Kunden haben die Möglichkeit, Kostenvoranschläge bei den Notarinnen und Notaren einzuholen, wo die Gebühr nach Stundenaufwand bemessen wird. In Zukunft wird vermehrt der Markt die Höhe der Gebühr bestimmen, ausgenommen bei Verträgen auf Eigentumsübertragung von Grundeigentum, zur Begründung von selbstständigen und dauernden Baurechten und bei Grundpfandverträgen. Bei diesen wird die Gebühr nach Massgabe ihres Vertragswerts (Promilletarif) bemessen. Allerdings soll neu bei Verträgen auf Eigentumsübertragung von Grundstücken und zur Begründung von selbstständigen und dauernden Baurechten eine Maximalgebühr von voraussichtlich Fr. 20’000.– und bei Pfandverträgen von Fr. 7’500.– eingeführt werden, wodurch künftig unangemessen hohe Gebühren verunmöglicht werden. Bei den gesellschaftsrechtlichen Urkunden sowie bei der Begründung von Stockwerkeigentum wird neu nicht mehr auf den Vertragswert abgestellt, sondern auf den Zeitaufwand. 6.3 Auswirkungen auf die Wirtschaft Bei Geschäften mit höherem Sachwert führt die neue Gebührenregelung im interkantonalen Vergleich zu kostengünstigeren Leistungen. Dies fördert die Attraktivität der aargauischen Notarinnen und Notare und somit den Wirtschaftsstandort Aargau. 6.4 Auswirkungen auf die Gemeinden - 94 - Die Gemeinden behalten ihre Beglaubigungsbefugnis. Wo sie als Kundinnen auftreten, profitieren sie von den unter Ziffer 6.2 genannten Auswirkungen. 6.5 Auswirkungen auf die Urkundspersonen Die klaren, aufs Wesentliche beschränkten Normen zur fachtechnischen Führung des Beurkundungswesens unterstützen die Urkundspersonen in ihrer täglichen Arbeit. Dies fördert Leistungsfähigkeit und Effizienz. Aufgrund des neuen Gebührentarifs ist bei gleichbleibender Geschäftstätigkeit der Notarinnen und Notare lediglich dort mit einer Einkommenseinbusse zu rechnen, wo bisher bei Geschäften mit hohem Vertragswert überdurchschnittlich hohe Gebühren resultierten. Eine gewinnbringende Tätigkeit der Notarinnen und Notare, letztlich als Voraussetzung für eine qualitativ überzeugende Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe des Beurkundungswesens, ist also nach wie vor möglich. 7. Weiteres Vorgehen Der Terminplan sieht wie folgt aus: 1. Lesung durch den Grossen Rat 2./3. Quartal 2010 2. Lesung durch den Grossen Rat (inkl. Dekrete) 4. Quartal 2010/ 1. Quartal 2011 Erlass Verordnungsbestimmungen durch den Regierungsrat 2./3. Quartal 2011 Geplante Inkraftsetzung 1. Januar 2012 Antrag: Der vorliegende Entwurf des Beurkundungs- und Beglaubigungsgesetzes (BeurG) wird in 1. Beratung zum Beschluss erhoben. Aarau, 17. März 2010 IM NAMEN DES REGIERUNGSRATS Landammann: Staatsschreiber: Roland Brogli Dr. Peter Grünenfelder Beilage: Synopse Beurkundungs- und Beglaubigungsgesetz (BeurG)