Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 11. Mai 2005 05.115 Anpassung des Richtplans; Festsetzung und Zwischenergebnis Vernetzungskorridore (Richtplankapitel L 3.3, Teilkarte L 3.3) Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen die Anpassung des Richtplans "Festsetzung und Zwischenergebnis Vernetzungskorridore" zur Beschlussfassung. Zusammenfassung Sieben Vernetzungskorridore sollen neu in den Richtplan aufgenommen werden. Zwei davon als Festsetzung. Bei fünf Vernetzungskorridoren besteht für die Festsetzung ein Abklärungsund Koordinationsbedarf zum Teil über die Kantonsgrenze hinaus. Sie sollen deshalb vorerst als Zwischenergebnis in den Richtplan aufgenommen werden. Vor einer Festsetzung wird der Eintrag nochmals überprüft werden. Von den 28 bereits festgesetzten Vernetzungskorridoren erfahren vier eine wesentliche Änderung und sollen in neuer Ausrichtung und Lage festgesetzt werden. Zwei Vernetzungskorridore werden aus dem Richtplan entlassen. Der Textteil mit den Richtplanbeschlüssen L 3.3, 1.1 bis 1.3 wird ergänzt durch die Bezeichnung der Vernetzungskorridore, die als Zwischenergebnis aufgenommen werden (vgl. Anhang). 1. Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf Die Ausdehnung der Siedlungsgebiete, das dichter werdende Netz von Infrastrukturanlagen und die intensive Nutzung der Kulturlandschaft schränken den Lebensraum und die natürliche Ausbreitung oder den Austausch landgebundener Tierarten immer mehr ein. Je kleinflächiger und störungsanfälliger der einzelne Lebensraum, desto wichtiger das miteinander verbundene Mosaik der (Teil-)Lebensräume. Viele traditionelle Wander- und Ausbreitungsachsen sind aber so stark beeinträchtigt, dass nur noch über Engstellen – so genannte Wildtier- oder Vernetzungskorridore – ein beschränkter Austausch möglich ist. Und auch -2- diese engen Verbindungsstellen können durch Infrastrukturanlagen praktisch unpassierbar sein. Damit der Bestand einer Tierart nachhaltig gesichert ist, sollte er eine Mindestgrösse nicht unterschreiten. Isolierte kleine Populationen haben Mühe, Bestandesschwankungen auszugleichen. Eine Zuwanderung oder ein Austausch über Vernetzungsachsen sind daher für das langfristige Überleben der einheimischen Tierarten von grosser Bedeutung. Die Vernetzungskorridore im Richtplan sind eine notwendige Vorsorge auf dem Weg zu ausreichend grossen, miteinander verbundenen Lebensräumen. Der Grosse Rat des Kantons Aargau setzte am 17. Dezember 1996 mit dem Richtplan 28 Vernetzungskorridore fest. Er verpflichtete sich damit, ihre Durchgängigkeit zu erhalten und zu verbessern. Der Richtplaneintrag stellt eine wichtige planerische Voraussetzung für Schutz- und Aufwertungsmassnahmen dar und sichert bei der Interessenabwägung und der Abstimmung von (Gross-)Projekten die Berücksichtigung der Vernetzungsanliegen. Dieses Gesamtkonzept ist eingebunden in überkantonale Festlegungen: Der Bund hat landesweit Ausbreitungsachsen und nationale Wildtierkorridore (Vernetzungskorridore) definiert1, die Richtlinien für Strassenquerungen ausgearbeitet2 und das Vorgehen bei der Sanierung wichtiger Korridore festgelegt3. Auf kantonaler Stufe haben die Abteilung Landschaft und Gewässer des Baudepartements und die Abteilung Wald des Finanzdepartements in Zusammenarbeit mit externen Fachpersonen den Kenntnisstand über das Verhalten der Wildtiere im Kanton in den letzten Jahren wesentlich vertieft. Wildtierzählungen, Auswertungen von Jagd- und Fallwildstatistiken sowie Befragungen von Jägern und Förstern haben dazu beigetragen. Gestützt auf die Grundlagen des Bundes, diese kantonalen Grundlagenarbeiten sowie die Erfahrungen bei der Umsetzung der bestehenden Richtplanfestsetzungen muss der kantonale Richtplan für Vernetzungskorridore aktualisiert und konkretisiert werden. 1.2 Rechtsgrundlagen Das langfristige Erhalten und Wiederherstellen genügend grosser Lebensräume sowie deren Vernetzung für die einheimische Fauna sind in der Bundesverfassung und in der eidgenössischen und kantonalen Gesetzgebung verankert, insbesondere in der Bundesverfassung (BV Art. 73 Nachhaltigkeit, Art. 74 Abs. 2 Vorsorge- und Verursacherprinzip und Art. 78 Abs. 4 Lebensräume) im Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG Art. 18 Abs.1), in der Natur- und Heimatschutzverordnung (NHV Art. 29, Abs.1 lit.a), im Jagdgesetz (JSG Art. 1 Abs. 1), im kantonalen Baugesetz (BauG § 40) und im kantonalen Waldgesetz (AWaG § 1 Abs. 2). 1 2 3 Korridore für Wildtiere in der Schweiz. Schriftenreihe Umwelt NR. 326, Bundesamt für Wald und Landschaft/Schweizerische Gesellschaft für Wildtierbiologie/Schweizerische Vogelwarte, Bern 2001 UVEK-Richtlinie zur Planung und zum Bau von Wildtierpassagen an Verkehrswegen vom 10. November 2001 Prioritätenliste des Bundesamts für Strassen (ASTRA) zu den Wildtierkorridoren von überregionaler Bedeutung vom 4. Juli 2002 -3- 1.3 Anforderungen an die Richtplanvorlage Die bisherige Landschaftsentwicklung hat gezeigt, dass die Verinselung der Lebensräume für Tiere ungebrochen weitergeht. Das nun vorliegende Gesamtkonzept der wichtigsten Vernetzungskorridore ist ein Gebot der Vorsorge zur Sicherung der "Durchgangsrechte", ohne die konkret erforderlichen Einzelmassnahmen zum Schutz oder zur Sanierung vorwegzunehmen. Die Zusammenhänge sind einfach: Nimmt die Trennwirkung von Infrastruktur, Verkehr und anderen Nutzungen wesentlich ab, würde das Konzept der Vernetzungskorridore weitgehend hinfällig; nimmt sie noch mehr zu, wird das Konzept umso dringender. Eine Trendumkehr ist jedoch nicht zu erwarten. Ein funktionsfähiges Vernetzungssystem ist deshalb für das längerfristige Überleben der einheimischen Tierarten von existentieller Bedeutung. Das Gesamtkonzept muss folgende Anforderungen erfüllen: – – Es muss in der Lage sein, die wichtigsten und ökologisch wertvollen Lebensräume im Kanton zu verbinden Es muss an den Grenzen des Aargaus die Anbindung an die übergeordneten Wanderund Ausbreitungsachsen sicherstellen. Im Kanton Aargau bleiben damit Gebiete mit ungenügender Verbindung zu benachbarten Räumen bestehen. Es handelt sich hauptsächlich um kleinere Flächen im intensiv genutzten Siedlungsgürtel des Aare- und Limmattals. Der Aufwand für die erforderliche Vernetzung steht hier in einem ungünstigen Verhältnis zum Ertrag, d.h. zur Grösse der hinzu gewonnenen Lebensraumfläche. Für diese Gebiete sollen im Rahmen der Richtplanumsetzung keine weiteren Planungsaufwendungen geleistet werden. Neben der Vernetzung innerhalb des Kantons ist die Abstimmung mit dem schweizerischen bzw. europäischen Netz von Wanderoder Ausbreitungsachsen an der Kantonsgrenze wichtig. 1.4 Das Richtplanverfahren Die Konkretisierung der Vernetzungskorridore als Festsetzung oder als Zwischenergebnis benötigt eine Anpassung des Richtplans (Kapitel A 2, Beschluss 1.1). Das Verfahren richtet sich nach § 9 Abs. 1 bis 1 BauG. Die Vernehmlassung und die Mitwirkung können gemäss Richtplankapitel A 2, Beschluss 2.3 gleichzeitig erfolgen. Der Richtplan ist für die Behörden verbindlich. Privaten und der Wirtschaft zeigt der Richtplan nur die Rahmenbedingungen für ihr räumliches Handeln und die Richtung der kantonalen Entwicklung an. Mit dem Richtplaneintrag besteht die Absicht, kantonsweit die konkreten Voraussetzungen für die weitere Umsetzung zu schaffen. Es wird ein grundsätzlicher Standortentscheid gefällt (der Korridor führt von A nach B bzw. liegt zwischen den Ortschaften X und Y) und damit den Tieren an einer kritischen Engstelle ihrer Wander- und Ausbreitungsachsen ein für sie wichtiges "Durchgangsrecht" gewährt. Der Richtplan beschränkt sich auf die zur Erfüllung übergeordneter Aufgaben notwendigen Inhalte. Die Vernetzungskorridore sind mit dem Pfeilsymbol schematisch gehalten. Der Richtplan lässt damit einen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum offen. Die Umsetzung erfolgt stufengerecht erst über die nachgeordneten Verfahren, welche die Vorhaben räumlich präzisieren und Art und Intensität der Nutzung definieren. -4- 2. Vernehmlassung und Mitwirkung Der Entwurf zur Richtplananpassung lag vom 7. Juni 2004 bis zum 6. September 2004 in 33 Gemeinden und im Baudepartement öffentlich zur Mitwirkung und Vernehmlassung auf. Zu den Unterlagen gehörten auch ein Erläuterungsbericht und, als Orientierungshilfe, Einzeldossiers mit Perimeterkärtchen der sieben neuen und der vier anzupassenden Vernetzungskorridore. Die insgesamt 79 Stellungnahmen verteilen sich wie folgt: Bund (6), Nachbarkantone/BadenWürttemberg (7), Regionen (6), Parteien (4), Verbände/Organisationen (8), Gemeinden (23), Vereine/Gesellschaften/Private (25). Die wichtigsten Ergebnisse sind nachfolgend zusammengefasst. 3. Wichtige Fragen aus Vernehmlassung und Mitwirkung Vernehmlassung und Mitwirkung förderten verschiedene Grundsatzfragen zutage, die das Verhältnis von Richtplan zu Nachfolgemassnahmen betreffen. Es handelt sich vorab um folgende Punkte: – – – – 3.1 Soll der Planungsprozess stufenweise vom Groben zum Detail gehen oder sind bereits jetzt konkrete Massnahmen festzulegen (vgl. 3.1)? Welchen Einfluss hat der Richtplan auf heutige und kommende Nutzungen, insbesondere auf die Landwirtschaft (vgl. 3.2)? Ist die Richtplanung mit Mehrjahresprogramm und Finanzplanung zu koppeln (vgl. 3.3)? Welchen Umfang soll die Richtplanvorlage haben (vgl. 3.4)? Grundverständnis des Richtplans, Detaillierungsgrad Kommentar: Verschiedene Eingaben lassen allgemein vermuten, dass der Planungsablauf vom "Groben zum Detail" in Frage gestellt wird und parallel mit der Richtplananpassung bereits mögliche Massnahmen oder die Machbarkeit einzelner Projekte dargelegt werden sollen. Geltender Ansatz: Die Richtplanung hat eine Leitfunktion für die Raumordnungspolitik und steht im Planungsablauf vom "Groben zum Detail" am Anfang. Er ist kein Massnahmenplan, kein Programm und kein Finanzplan; er will Zukunftsoptionen im Sinne der Vorsorge offen halten, ohne grundeigentümerverbindliche Entscheide vorwegzunehmen. Die Vorsorge im Sinne einer Gewährleistung von faunagerechten Vernetzungsachsen ist umso wichtiger, je stärker sich die intensiv genutzte Kulturlandschaft verändert. Der Richtplan ist nur dann ausgewogen, wenn er neben den zukünftigen Nutzungsvorstellungen auch die Komplementärfunktionen der Landschaftsvernetzung aufzeigt. Die Umkehr der bewährten Planungsabfolge vom Detail zum Groben – das heisst z.B. die Nutzungsplanungs-Anpassung für einzelne Korridore zu realisieren und gleichzeitig oder erst anschliessend den Richtplan festzusetzen – ist hier grundsätzlich der falsche Weg. Der Nationalstrassenbau als übergeordnetes Verbindungsnetz wäre in unserem sich stark entwickelnden -5- Raum wohl nie zustande gekommen, wenn das Gesamtkonzept erst nach der Machbarkeitsabklärung für einzelne Teilstrecken festgesetzt worden wäre. 3.2 Einfluss der Vorlage auf andere Nutzungen Kommentar: Verschiedene Eingaben (z.B. Schweizerische Volkspartei [SVP], Frick Regio, Bauernverband, OL-Verband, diverse Gemeinden, Fischereivereine, Jagdgesellschaften und Private) verlangten, dass die Konsequenzen der Richtplanvorlage für andere Nutzungen in einzelnen Korridoren aufgezeigt oder Flächen(-verluste) bilanziert werden. Die Eingaben betrafen z.B. die Beanspruchung von Fruchtfolgeflächen (FFF), die bauliche Nutzung oder die Einschränkung von Freizeitaktivitäten und der Begehbarkeit des Waldes. Geltender Ansatz: Die Vernetzungskorridore stellen keine geschützten Biotope dar wie etwa die Flachmoore im Reusstal oder die Magerwiesen im Jura. Das Schutzziel ist nicht der Flächenschutz, der bei wertvollen Biotopen üblicherweise über eine Naturschutzzone sichergestellt wird, sondern allein die Durchgängigkeit für die Wildtiere. Diese wird im Landwirtschaftsgebiet in der Regel mit dem Schutz oder der vereinbarten Nutzung einzelner Objekte (z.B. Hecken, Obstbäume, Buntbrachen, Feldgehölze, Bachufer etc.) sichergestellt. Die landwirtschaftliche Nutzung ist damit weiterhin gewährleistet. Auch Zäune, Folientunnel oder bauliche Erweiterungen sind unter Wahrung der Korridor-Schutzziele nicht ausgeschlossen; sie sind aber auf deren Interessen abzustimmen. In erster Linie sind für die Umsetzung Bewirtschaftungsvereinbarungen, Landkauf oder Landabtausch vorgesehen – was auch das aktuelle Umsetzungs-Beispiel des Vernetzungskorridors AG 15 in Jonen beweist. Auf der übergeordneten Stufe der Richtplanung ist es weder möglich noch sinnvoll, Flächenbilanzierungen zur Veränderung der FFF oder des übrigen Landwirtschaftsgebiets anzustellen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind Massnahmen nicht genauer lokalisierbar oder quantifizierbar. Art, Lokalisierung und Ausmass der neu zu schaffenden Strukturen sind im konkreten Einzelfall im Rahmen der Nutzungsplanung oder aber auf Projektstufe zu prüfen und festzulegen. Erste Erfahrungen zeigen allerdings, dass die für die Vernetzung im offenen Kulturland nötigen Trittsteinbiotope in vielen Fällen so realisiert werden können, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche nicht reduziert werden muss. Es ist mit Sicherheit mit geringen Eingriffen in die FFF zu rechnen. Für die weiteren Verfahren ist die dazu formulierte Auflage in der Botschaft zu beachten (Kapitel 5.4). Im Wald ist die Durchgängigkeit mit der strengen Waldgesetzgebung auf Bundes- und Kantonsebene gewährleistet. Die Zugänglichkeit des Waldes für die Allgemeinheit gemäss Art. 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Wald (WaG) vom 4. Oktober 1991 und die schonenden Betätigungen im Wald (Gemeingebrauch) sind durch den Richtplaneintrag und die spätere Verwendung als Korridor in keiner Weise tangiert. Falls sich im Einzelfall Einschränkungen als unbedingt nötig erweisen, finden sie im Rahmen einer Interessenabwägung statt. -6- Weitere Rechtsgrundlagen sind nicht erforderlich. Der Kanton kann gestützt auf Art. 14 Abs. 2 WaG und § 11 des Waldgesetzes des Kantons Aargau (AWaG) vom 1. Juli 1997 die Zugänglichkeit bestimmter Waldgebiete oder Veranstaltungen im Wald regeln, wenn der Schutz wildlebender Tiere dies erfordert. Die Bestimmungen gelten heute schon unabhängig ob es sich um einen Vernetzungskorridor handelt oder nicht. Sie betreffen aber nur Nutzungen, die den Gemeingebrauch wesentlich übersteigen (z.B. Veranstaltungen zwischen 24.00 Uhr und 06.00 Uhr oder mit mehr als 500 Beteiligten gemäss § 20 der Verordnung zum Waldgesetz des Kantons Aargau [AwaV] vom 16. Dezember 1998). Diese Beschränkungen kommen aber letztlich auch der naturnahen Erholung und der Freizeitnutzung der Allgemeinheit zugute. 3.3 Mehrjahresprogramm und Kostenübersicht Kommentar: Verschiedene Eingaben (z.B. Freisinnig-Demokratische Partei [FDP], Schweizerische Volkspartei [SVP], Sozialdemokratische Partei [SP], Baden Regio, Lengnau) betrafen die Forderung nach einem Mehrjahresprogramm bzw. Realisierungsprogramm und/oder einer Kostenübersicht der zukünftig beabsichtigten Massnahmen. Geltender Ansatz: Das Erhalten, Aufwerten und Sanieren der Vernetzungskorridore sind Aufgaben von Bund und Kanton. Sie teilen sich im Wesentlichen auch die Kosten der dafür erforderlichen Massnahmen. Bei neuen Projekten und Planungen, die zu einer Beeinträchtigungen der Vernetzungskorridore führen (z.B. Einzonungen, Strassen, Eisenbahnlinien etc.), sorgen die Verursacher für die nötigen Schutz-, Wiederherstellungs- oder Ersatzmassnahmen. Für die Vernetzungskorridore ist kein Sachplan bzw. kein Mehrjahresprogramm wie bei den Auen oder wie bei Natur 2010 vorgesehen. Es ist ein einzelobjektweises Vorgehen geplant. Die Umsetzung des Richtplanauftrags erfolgt im Rahmen der Aufgaben- und Finanzplanung (AFP). Konkrete Projekte, die eine einigermassen seriöse Kostenschätzung der Richtplanumsetzung über einen Zeithorizont von ca. 30 Jahren erlauben würden, liegen im Moment nicht vor. Erst im Vernetzungskorridor "Suret" wurde eine Studie/ein Vorprojekt erarbeitet, die im laufenden Jahr als Generelles Projekt vertieft werden sollen. Erste Sanierungsvorhaben im "Suret" (Grünbrücken über T5 und A1) werden voraussichtlich gekoppelt mit der Sanierung der Autobahnen in rund 5 bis 10 Jahren realisiert. Eine integrale Kostenübersicht ist deshalb im Rahmen der Richtplanung nicht möglich. Vorsorge statt Reparatur: Gerade die Sanierung/Wiederherstellung des Vernetzungskorridors Suret zeigt einleuchtend, wie wichtig die Richtplanvorlage ist; ist doch Vorsorge – mit der Möglichkeit, dass das Anliegen im Planungsstadium berücksichtigt werden kann – viel günstiger als nachträgliche Reparatur. -7- 3.4 Verzicht auf Richtplaneintrag, stärkere Priorisierung Kommentar: Die Absicht zur Vernetzung der wichtigen, ökologisch wertvollen Lebensräume im Kanton wurde in Frage gestellt (z.B. SVP, Bauernverband, diverse Gemeinden und Private). Damit verbunden wurde eine stärkere Priorisierung und ein (vorläufiger) Verzicht auf einen Richtplaneintrag verschiedener Vernetzungskorridore verlangt. Geltender Ansatz: Die Forderung nach einem Verzicht auf einzelne Vernetzungskorridore ist sachlich nicht vertretbar. Die vorsorgliche Sicherung langfristiger "Durchgangsrechte" für die Wildtiere analog dem Autobahnnetz wäre damit gefährdet. Das Gesamtkonzept für den Kanton Aargau und die Umsetzung der sich daraus ergebenden Anforderungen (Vernetzung innerhalb des Kantons und Anbindung an die übergeordneten Wander- und Ausbreitungsachsen an der Kantonsgrenze) sind wichtig. Es macht nur dann Sinn, wenn die Achsen im Mosaik von Lebensräumen eingebunden sind. Auch die Verkehrswege erhalten ihren Sinn erst aus den Siedlungs- und Industriegebieten, die sie versorgen und deren Güter und Personen sie leiten. Der Regierungsrat hält deshalb am Gesamtkonzept fest, umsomehr als der Richtplaneintrag keine finanzielle Verpflichtung mit sich bringt. Richtig ist die Forderung nach einer klaren Priorisierung für die Umsetzung des Richtplanbeschlusses. Sie wird sich hauptsächlich nach der Bedeutung der übergeordneten Wanderund Ausbreitungsachsen richten, aber auch den finanziellen Rahmen, mögliche Synergien mit anderen (Naturschutz-)Programmen/Planungen und das Kosten-Nutzen-Verhältnis berücksichtigen müssen. Diese Überlegungen führen dazu, fünf Vernetzungskorridore vorläufig erst als Zwischenergebnis in den Richtplan aufzunehmen. Bundesämter, Nachbarkantone und die zuständigen Stellen von Baden-Württemberg begrüssen die Absicht der Vorlage ausdrücklich. Damit sind auch wichtige neue Grundlagen und Planungen des Bundes berücksichtigt und die Voraussetzungen für eine weiterführende Koordination mit den Nachbarkantonen und Baden-Württemberg geschaffen. 4. Instrumente und Massnahmen zur weiteren Umsetzung Die Umsetzung des Richtplanes erfolgt einzelobjektweise und erst zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. mit einer Anpassung des kommunalen Nutzungsplans, einem Gestaltungsplan oder einem Projekt. Auch dann werden die Pläne wieder öffentlich aufgelegt. Welches Verfahren zum Zuge kommt, wird am zweckmässigsten von Fall zu Fall entschieden. Bei Nutzungsplanungen wird in der Regel die Durchlässigkeit mit einer Landwirtschaftszone oder mit einer überlagerten Landschaftsschutzzone gewährleistet. In Spezialfällen können ergänzende Bestimmungen in der Bau- und Nutzungsordnung oder in einem Gestaltungsplan die Umsetzung konkretisieren. Bei der Erhebung der Grundlagen für die Revision der Nutzungsplanung werden die Vernetzungskorridore thematisiert. -8- Je nach Situation und Sanierungsbedarf ist eine grundeigentümerverbindliche Sicherung der Vernetzungskorridore aber gar nicht erforderlich. Die Aufwertung/Sanierung der Korridore erfolgt dann gestützt auf den Richtplan mit (Strassenbau-)Projekten, Unterhaltsmassnahmen an Strassen und Bächen, waldbaulichen Massnahmen, Landkäufen oder Bewirtschaftungsvereinbarungen. Dabei ist auf eine mit der Ökoqualitätsverordnung des Bundes konforme Umsetzung zu achten. In Einzelprojekten können folgende Massnahmen für die Verbesserung der Lebensraumqualität und die Wiederherstellung oder Verbesserung der Durchgängigkeit der Korridore an National-/Kantonsstrassen und Bahn, im Wald, im Kulturland oder an Bächen/Flüssen nötig sein: – – Bauliche Hauptmassnahmen: Grünbrücken/Landschaftsbrücken, Durchlässe für mittlere/ kleinere Fauna, Sanierung von Bachdurchlässen. Flankierende Massnahmen: Zulenk-/Deckungsstrukturen, Trittsteinbiotope, Lebensraumaufwertungen, Leitelemente, Lenkung von Freizeitaktivitäten, Optimierung baulicher Vorhaben mit grosser Trennwirkung (z.B. Einzäunungen, Stützmauern, Folientunnels etc.) Oberste Priorität bei der Umsetzung hat die Sanierung der baulichen Hindernisse mit erheblicher Trennwirkung – wie Autobahnen, stark befahrene Kantonsstrassen und Bahnlinien – insbesondere in den Vernetzungskorridoren mit herausragender Bedeutung AG 6 Suret, AG 1 Möhlin-Wallbach und AG 5 Böttstein-Villigen. Die Vernetzung geht über die Kantons- und Landesgrenzen hinaus. Die weitere Umsetzung ist mit den Nachbarkantonen, dem Bund und Baden-Württemberg zu koordinieren aber auch mit den Massnahmen der laufenden Naturschutzprogramme abzustimmen. Damit kann ein effizienter Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel unterstützt werden. 5. Bereinigte Vorlage 5.1 Richtplaninhalte Die Anpassungen betreffen das Richtplankapitel L 3.3 und die Richtplan-Teilkarte L 3.3 zu den Beitrags- und Aufwertungsgebieten. Sieben Vernetzungskorridore sollen neu in den Richtplan aufgenommen werden. Zwei davon als Festsetzung, fünf als Zwischenergebnis. Von den 28 bereits festgesetzten Vernetzungskorridoren erfahren vier eine wesentliche Änderung und sollen in neuer Ausrichtung und Lage festgesetzt werden. Zwei Vernetzungskorridore werden aus dem Richtplan entlassen. Der Textteil mit den Richtplanbeschlüssen L 3.3, 1.1 bis 1.3 wird ergänzt durch die Bezeichnung der Vernetzungskorridore, die als Zwischenergebnis aufgenommen werden (vgl. Anhang). Bei folgenden Vernetzungskorridoren soll die Festsetzung angepasst oder eine Festsetzung neu erfolgen: -9- Bezeichnung auf Gemeindegebiet von Richtplanänderung Festsetzung anpassen AG 1 Möhlin-Wallbach Wallbach, Zeiningen, Mumpf, Möhlin AG 4 Villnachern AG 5 Böttstein-Villigen AG 8 Seon-Staufen Linn, Villnachern, Schinznach Dorf Villigen, Würenlingen, Döttingen, Böttstein Seon, Staufen, Schafisheim, Lenzburg Neu festsetzen Festsetzung anpassen Festsetzung anpassen AG 9 Hilfikon Sarmenstorf Festsetzung anpassen AG 28 Dietwil Dietwil, Oberrüti Neu festsetzen Begründung A3-Viadukt ausnutzen; Nebenast v.a. für Gewässer folgende Arten. Verbindung entlang Juraachse über den Bözberg Anschluss Aare ans Ruckfeld über Kantonsstrasse/Bahn Anschluss Suret und Wynental ans Bünztal; Verbindung zwischen zwei Waldgebieten über Kantonsstrasse Anschluss an Freiamt/Lindenberg und Verbindung zwischen zwei Waldgebieten Verbindung zur Innerschweiz Bei fünf Vernetzungskorridoren besteht für die Festsetzung ein Abklärungs- und Koordinationsbedarf zum Teil über die Kantonsgrenze hinaus. Sie sollen deshalb vorerst als Zwischenergebnis in den Richtplan aufgenommen werden. Vor einer Festsetzung wird der Eintrag nochmals überprüft werden. Die folgenden Vernetzungskorridore sollen als Zwischenergebnis in den Richtplan aufgenommen werden: Bezeichnung AG 10 Unterehrendingen AG 18 BoningenMurgenthal AG19 Brittnau AG R16 Birretholz AG R17 Lieli Ost auf Gemeindegebiet von Schneisingen, Lengnau, Unterehrendingen, Oberehrendingen Murgenthal, Rothrist Richtplanänderung Zwischenergebnis Begründung Zwischenergebnis Anschluss an die Hauptachse entlang der Aare Brittnau Zwischenergebnis Zwischenergebnis Querung des Wiggertals Birr, Birrhard, Brunegg, Mägenwil Oberwil-Lieli Zwischenergebnis Anschluss von Lägeren/Altberg an die übergeordnete JuraAchse Verbindung Kestenberg – Reusstal auch nach der Überbauung der Industriezone sicherstellen Verbindung Heitersberg – Albis auch nach dem Ausbau des A4-Zubringers sicherstellen - 10 - 5.2 Interessenabwägung und Nachhaltigkeit Die Interessenabwägung mit der Nachhaltigkeitsbeurteilung wird sehr vereinfacht in den folgenden Rosetten zu den drei Aspekten Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt optisch dargestellt. Sie zeigen für einzelne Kriterien die generelle Beurteilung der Auswirkungen mit "Neutral" (0), "leichte Verbesserung" (+) oder "leichte Verschlechterung" (-). Wirtschaft Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit / Volkseinkommen + Leistungsfähige Nutzung der Behörden regionalen Stärken 0 Steuern und Gebühren - Öffentlicher Haushalt Kanton und Gemeinden Produktepreise/ Konsumentenpreise Effizienz des Einsatzes natürlicher Ressourcen Arbeitsplätze und Beschäftigung Infrastrukturen und Investitionen – – – Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit Realisierung Nicht-Realisierung (+) Die Leistungsfähigkeit der Infrastrukturen und die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden verbessern sich zusätzlich. (-) Der Bau der Wildtierpassagen und die Aufwertung der Korridore ist im Wesentlichen eine Aufgabe von Bund und Kanton. (+) Die Unfälle mit Wildtieren und die damit verbundenen Folgekosten können reduziert werden. - 11 - Gesellschaft Bildung + Einkommen aus Arbeit und Vermögen Demographie 0 - Chancengleichheit Politische Beteiligung Persönliche Sicherheit Soziale Integration Kultur Siedlungsstruktur und Wohnqualität – – Gesundheit und Wohlbefinden Realisierung Nicht-Realisierung (+) Die Sicherheit im Strassenverkehr nimmt zu. Die Unfälle mit Wildtieren und die damit verbundenen Personenschäden können reduziert werden. (+) Eine vielfältige Fauna in Wald und Flur steigert den Erlebniswert des siedlungsnahen Raums für die Naherholung. - 12 - Umwelt Flächenverbrauch durch Siedlungstätigkeit + Abfälle und Ressourcenverbrauch Bodenfruchtbarkeit 0 Gesamtverkehrsleistung mit Auswirkungen - Energieverbrauch Luftqualität Land- und Forstwirtschaft (Bewirtschaftung) Biodiversität Lebensräume von Tieren und Pflanzen – – 5.3 Wasserqualität Realisierung Nicht-Realisierung (+) Stärkung der Teil-/Gesamtpopulationen, Genaustausch ermöglichen. (+) Aufwertung des Lebensraums innerhalb der Vernetzungskorridore und weniger Fallwild. Gesamtbeurteilung Nach Prüfung der Unterlagen, der Ergebnisse des Vernehmlassungs- und Mitwirkungsverfahrens und der erfolgten Interessenabwägung kommt der Regierungsrat zum Schluss, dass die Richtplanvorlage positive Signale setzt. Sie steht im Einklang mit der Nachhaltigkeit, mit dem Postulat der ausgewogenen Entwicklung und mit dem Verfassungsauftrag der Erneuerungsfähigkeit der Natur (BV Art. 73). Die von Infrastrukturanlagen, Siedlungen und Intensivnutzungen ausgehenden nachteiligen Wirkungen auf die einheimische Tierwelt können wesentlich reduziert werden. Landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Tätigkeiten, die Ausübung der Jagd und die Freizeitnutzungen sind unter Beachtung der erhöhten Ansprüche der Wildtiere in den Vernetzungskorridoren weiterhin gewährleistet. Für grössere Veranstaltungen innerhalb der Vernetzungskorridore – falls es denn solche geben sollte – müssen Lösungen im Einvernehmen mit den Betroffenen gefunden werden. 5.4 Anforderungen für nachgeordnete Verfahren An die nachgeordneten Verfahren werden die folgenden Anforderungen gestellt: 1. Die landwirtschaftliche Nutzfläche, insbesondere die FFF, ist so weit wie möglich zu schonen. - 13 - 2. Für die Beanspruchung von Fruchtfolgeflächen (FFF) und übrigem Landwirtschaftsgebiet gilt die bestehende Regelung, die ein Kontingent für Aufwertungsmassnahmen des Naturschutzes, der Gewässerrenaturierung und des ökologischen Ausgleichs zur Verfügung stellt (RRB Nr. 1999-000064 vom 11. Januar 1999). Antrag: Es wird auf den vorliegenden Entwurf zur Anpassung des Richtplans im Anhang eingetreten und dieser in zustimmender Kenntnis der Anforderungen an die nachgeordneten Verfahren (Kapitel 5.4) zum Beschluss erhoben. Aarau, 11. Mai 2005 IM NAMEN DES REGIERUNGSRATS Landammann: Rainer Huber Staatsschreiber: Dr. Peter Grünenfelder Anhänge: Anhang 1: Anpassung des Richtplans (Festsetzung und Zwischenergebnis Vernetzungskorridore) Anhang 2: Kärtchen zu den Vernetzungskorridoren