Stand der Arbeiten an den "Einheitlichen Prüfungsanforderungen Abitur" (EPA) der Kultusministerkonferenz für das Fach Psychologie Die EPA legt den bundesweiten Rahmen fest für die inhaltliche und methodische Gestaltung der mündlichen und schriftlichen Abiturprüfungen im jeweiligen Fach. Sie setzt damit zwangläufig auch einen Rahmen für die (zukünftigen) Lehrpläne aller Bundesländer, in denen Psychologie Abiturfach ist. In die EPA-Arbeitsgruppe Psychologie haben drei Bundesländer Mitglieder entsandt: Baden Württemberg (Karl-Heinz Jauß), Berlin (Mechthild Brüning) und Nordrhein-Westfalen (Dr. Günter Sämmer). Die übrigen Bundesländer, in denen Psychologie Abiturfach ist, haben eine Entsendung von Mitarbeitern abgelehnt. (Auf Nachfragen aus den jeweiligen Landesverbänden wurden meist finanzielle Gründe angegeben.) Die Arbeitsgruppe Psychologie tagt seit Februar und möchte an dieser Stelle die ersten Zwischenergebnisse vorstellen, um mit den Kolleginnen und Kollegen bundesweit in eine Diskussion einzutreten. Nach den Anforderungen der Kultusministerkonferenz sind in der EPA neben den Vorgaben für die Abitur-Aufgabenkonstruktion zwei obligatorische Bereiche festzulegen: die im Abitur zu prüfenden und im Unterricht entsprechend zu vermittelnden fachlichen Kompetenzen und ein Gerüst fachlicher Inhalte, an denen diese Kompetenzen realisiert werden sollen. Hier ein erster Entwurf der EPA-Arbeitsgruppe Psychologie für eine zukünftige bundesweite Obligatorik – Stand April 2005 A. Im Psychologieunterricht zu erwerbende fachliche Kompetenzen Ein Kompetenzmodell für den Psychologieunterricht Das folgende Kompetenzmodell beschreibt fachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten von Schülerinnen und Schülern in idealtypischer Weise. Die genannten fachwissenschaftlichen Inhalte, Arbeits- und Forschungsmethoden sind in wissenschaftspropädeutischem Sinn didaktisch reduziert zu verstehen. 1. Erwerb systematischen psychologischen Wissens Aneignung, fachsystematische Einordnung und Vernetzung zentraler fachwissenschaftlicher Inhalte, dazu gehört: Wissen zunehmender Komplexität erwerben über wissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten und theoretische Konstrukte Erkenntnismethoden der Psychologie, die der theoretischen Konstruktbildung zugrunde liegen psychologische Interventionstechniken und Verfahren der Angewandten Psychologie -1- Selbstständiges Erschließen von Sachbereichen der Psychologie sowohl deduktiv (z.B. durch Fachliteratur) als auch induktiv (z.B. durch Lernen an Fällen) Wissen über größere psychologische Sachzusammenhänge vernetzen, indem Theorien in größeren Zusammenhängen systematisiert werden Komplexe Gegenstandsbereiche aus verschiedenen Theorien beleuchtet werden die Zusammenhänge zwischen psychologischen Erklärungen, Interventionsformen und Techniken und den dahinter stehenden theoretischen Annahmen erfasst werden 2. Praktische Anwendung psychologischen Wissens Anwendung psychologischer Gesetzmäßigkeiten und Verfahrensweisen (psychologische Forschungsmethoden und Interventionstechniken), dazu gehört: systematische psychologische Forschungs- und Erkenntnisprozesse durchführen Phänomene des Erlebens und Verhaltens systematisch beobachten und beschreiben und daraus induktiv Gesetzmäßigkeiten postulieren psychologische Experimente und Untersuchungen selbstständig planen, durchführen und auswerten psychologische Theorien auf Alltagsphänomene und –problemstellungen anwenden Erklärung psychologischer Sachverhalte mit Hilfe bekannter theoretischer Konstrukte zu theoretischen Konstrukten passende Alltagsphänomene finden psychologisch Handeln im Alltag Wissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten nutzen, um zur Lösung von Alltagsproblemen beizutragen Alltagshandeln nach psychologischen Erkenntnissen rationaler gestalten Anwendung psychologischen Wissens auf die eigene Person zur Erweiterung der Selbst- und Sozialkompetenz (Selbstwahrnehmung, Selbstreflexion, Selbststeuerung in Bezug auf soziale Gegebenheiten ...) zur Erweiterung der sozialen Handlungsfähigkeit (Kommunikation, Kooperation, konstruktive Konfliktlösung, Umgang in und mit sozialen Gruppen ...) zur Kontrolle und Steuerung des eigenen Lern- und Arbeitsprozesses (Lerntheoretische metakognitive Prinzipien anwenden, Handlungssteuerung, Lernen in Gruppen ...) 3. Bewertung psychologischen Wissens Kritische Bewertung psychologischer Erklärungsmodelle (Theorien) und Verfahrensweisen, dazu gehört: Theoretische Erklärungsmodelle und empirische Verfahren in Bezug auf ihren Gültigkeitsbereich (Reichweite) und ihre Validität einschätzen Psychologische Interventionstechniken in ihren praktischen Möglichkeiten und Grenzen einschätzen (pragmatische Perspektive) sowie nach ethischen Gesichtspunkten beurteilen (ethische Perspektive) Psychologische Erklärungsmodelle und Verfahrensweisen auf ihre wissenschaftstheoretischen Hintergrundannahmen und ihr Menschenbild hin untersuchen und aus verschiedenen paradigmatischen Perspektiven beurteilen -2- 4. Psychologisches Wissen kommunizieren Fachlicher Inhalte aufbereiten, mitteilen, erklären und problematisieren, dazu gehört: fachliche Sachverhalte in korrekter Fachsprache zusammenhängend und verständlich darlegen, erörtern und bewerten und die Ergebnisse in angemessener schriftlicher und mündlicher Form präsentieren theoretische Konstrukte, Gesetzmäßigkeiten und Verfahren der Psychologie für Nichtfachleute verständlich darstellen und erläutern psychologisch argumentieren und einen Diskurs über kontroverse psychologische Sachverhalte führen und moderieren B. Obligatorische Fachliche Inhalte Der Nachweis der o.g. fachlichen Kompetenzen geschieht an fachlichen Inhalten, die als Elemente einer zweidimensionalen Matrix mit folgenden fachsystematischen Dimensionen geordnet sind: Dimension I: Grundlegende Sichtweisen (Hauptsströmungen, Paradigmen) der Psychologie: Tiefenpsychologie Ganzheitspsychologie Behaviorismus Psychobiologie Kognitivismus Dimension II: Disziplinen der Psychologie Grundlagendisziplinen: Allgemeine Psychologie – Sozialpsychologie – Persönlichkeits- und Entwicklungspsychologie Anwendungsdisziplinen: Klinische Psychologie, Pädagogische Psychologie, Wirtschaftspsychologie usw. Dabei ist jeder konkrete fachliche Inhalt sowohl einer psychologischen Disziplin als auch einer Sichtweise (Hauptsströmung bzw. Paradigma) zugeordnet. Die inhaltliche fachliche Obligatorik ergibt sich aus Festlegungen in beiden fachsystematischen Dimensionen: Bei den „Grundlegenden Sichtweisen (Hauptsströmungen, Paradigmen) der Psychologie“ sind folgende Aspekte verbindlich: typische Forschungsgegenstände grundlegende Erklärungsmodelle und Theorien typische Forschungsmethoden Menschenbild und ideengeschichtliche Hintergründe Klassische Vertreter, typische Forschungsprogramme, wissenschaftshistorische Kontroversen Aus den verschiedenen Disziplinen der Psychologie sind folgende Themenbereiche verbindlich. Die konkreten Gegenstände (rechte Spalte) sind so zu wählen, dass die theoretischen und praktischen Grundlagen für zwei obligatorische Anwendungsbereiche gelegt werden. -3- Themenbereiche (obligatorisch) Konkrete Gegenstände und ihre paradigmatische Zuordnung Abk.: Tf – Tiefenpsychologie, Gz - Ganzheitspsychologie – Bh – Behaviorismus, Pb – Psychobiologie, Kg – Kognitivismus Allgemeine Psychologie Lernprozesse Wahrnehmung Gedächtnis und Denken Bewusstes und Unbewusstes Motivation und Emotion Klassisches und operantes Konditionieren (Bh) Aufnahme und Verarbeitung von Informationen (Kg) Wahrnehmung von Gestalten, Gestaltgesetze (Gz) Biologische Signale (Pb) Speicherung und Verarbeitung von Informationen (Kg) Bewusste und nicht bewusste Informationsverarbeitung (Kg) Schichtenmodell des Bewusstseins (Tf) Kognitive Prozesse bei Motivation und Emotion (Kg) Unbewusste Prozesse der bei Motivation und Emotion (Tf) Sozialpsychologie Soziale Kognition Interaktion und Kommunikation Gruppenprozesse und Konformität Prosoziales Verhalten und Altruismus Einstellungs- und Attributionsprozesse (Kg) Personenwahrnehmung und sozial bedingte Wahrnehmung (Gz) Soziale Signale und Formen nonverbaler Kommunikation (Pb) Kommunikation als systemischer Prozess (Gz) Die Entstehung von Gruppenstrukturen und Gruppennormen aus systemischer Sicht (Gz) Gruppenkonvergenz, soziale Beeinflussung und soziale Anpassung als systemisches Phänomen (Gz) als kognitives Phänomen (persönlicher Konsistenz und Commitment) (Kg) Prozessmodell hilfreichen Verhaltens (Kg) reziproker Altruismus und Verwandtenselektion (Pb) Persönlichkeits- und Entwicklungspsychologie Deskriptive Persönlichkeitstheorien PersönlichkeitsEntwicklungstheorien Persönlichkeitsdiagnostik Kognitive Persönlichkeitskonstrukttheorie (Kelley) (Kg) Trait-Konzept und behavioristische Persönlichkeitstheorie (Bh) Die Entwicklung der Bindungsfähigkeit (Pb) Die psychodynamische Entwicklungstheorie der Persönlichkeit (Tf) Ansätze zur Bestimmung von Persönlichkeitseigenschaften: Projektive Verfahren (Tf) Trait-orientierte „objektive“ Testverfahren (Bh) Anwendungsdisziplinen Anwendungsdisziplin I Anwendungsdisziplin II Klinische Psychologie Die Entstehung von Angststörungen und ihre Therapie verhaltenstherapeutische (Bh) psychoanalytische (Tf) kognitive (Kg) Erklärungen und Verfahrensweisen Wirtschaftspsychologie Personalauswahlverfahren (psychologische Tests) Personalentwicklungsverfahren (Beratung und Coaching) Soziale Probleme am Arbeitsplatz (Mobbing aus systemischer und tiefenpsychologischer Perspektive) Werbung und Verkaufsstrategien -4-