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Gießen, den xxxx
Krankenbericht
Der Bericht erfolgt über einen Patienten der Chirurgischen Veterinärklinik der Justus-Liebig-Universität in
Gießen.
Das Tier, ein Kater, wurde am xxxx. 2001 in die Klinik eingeliefert, Besitzer ist Herr xy aus z. Die zugewiesene
Kliniksnummer lautet xxxx.
Die Untersuchung findet am xx.xx.2001 in der Zeit von 14:30 – 16:00 Uhr statt.
Vorbericht
Der Kater kam verletzt nach Hause, wurde beim Haustierarzt vorgestellt und von diesem in die Klinik
überwiesen. Der Aufnahmebefund in der Klinik ergab folgende Ergebnisse:
- Puls:
180 Schläge/ min
- Atmung:
64 Atemzüge/ min
- Temperatur:
36,2°C
- Pflegezustand:
gut
- Schleimhäute:
blaßrosa
-Kapilläre Rückfüllungszeit: 4 sec.
Bei der speziellen Untersuchung fiel auf, daß das Tier die rechte Hintergliedmaße nicht belastete und das Bein
sehr schmerzhaft war. Der Oberschenkel war im distalen Bereich abgeknickt.
Auf dem Röntgenbild war im unteren Bereich des rechten Femurs eine Zusammenhangstrennung zwischen
Femurschaft und Epiphyse zu erkennen. Eine Aufnahme des Thorax zeigte keine Veränderungen.
Signalement
Bei dem zu untersuchenden Tier handelt es sich um den männlich- kastrierten Europäisch-Kurzhaarkater
„Merlin“. Geboren wurde das Tier 1999.
Die Fellfarbe ist grau- getigert.
Im linken Ohr befindet sich eine Tätowierung mit der Nr. 56477, die Nr. im rechten Ohr lautet UF144.
Allgemeinuntersuchung
(erfolgt nach der Operation)
Beim Betreten des Katzenstalles liegt Merlin auf der linken Seite, kann aber alleine aufstehen und steht danach
auf vier Beinen. Die rechte Hintergliedmaße wird dabei etwas seitlich abgehalten.
Der Kater ist aufmerksam und ruhig, Pflege- und Ernährungszustand des Tieres sind als gut zu bezeichnen.
Die Herzfrequenz beträgt 112 Schläge pro Minute, die Atemfrequenz liegt bei 44 Atemzügen pro Minute, die
Körperinnentemperatur bei 38,8°C.
Spezielle Untersuchung
(erfolgt nach der Operation)
Haare, Haut, Unterhaut, sichtbare Schleimhäute
Das Haarkleid ist dicht und geschlossen und nicht vermehrt ausziehbar. Ektoparasiten sind nicht sichtbar.
An der rechten Hintergliedmaße befindet sich eine Schurstelle, die von proximal des Kniegelenks bis zur Mitte
der Tibia ca 10x20 cm² mißt. Innerhalb dieser Schurstelle befindet sich eine Naht, die sich mit einer Länge von
ca 6 cm von knapp oberhalb des Kniegelenkes nach distal erstreckt. Die Naht ist trocken, nicht vermehrt warm
und riecht nicht.
Die Wundränder sind leicht aufgeworfen. Sowohl das Wundgebiet als auch der gesamte Femurbereich sind
leicht schmerzend.
Vorne rechts und links an den Gliedmaßen befindet sich jeweils eine ca 7x10 cm Schurstelle. Am linken
Vorderbein cranial des Olekranons ist eine kleine Schürfwunde.
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Der Hautturgor ist erhalten, die unpigmentierten Anteile der Schleimhäute sind blaßrosa, feucht, glatt, glänzend
und ohne Auflagerungen. Es besteht eine kapilläre Rückfüllungszeit von weniger als 2 Sekunden, die
Episkleralgefäße sind mäßig gefüllt und abgrenzbar.
Kreislauf
Der Herzspitzenstoß ist deutlich fühlbar. Die Auskultation des Herzens ergibt eine Frequenz von 112 Schlägen
pro Minute. Der Herzschlag ist kräftig und regelmäßig. Es liegt eine gute Abgesetztheit der Herztöne vor,
Nebengeräusche sind nicht zu hören.
Eine Palpation des Pulses erfolgt gleichzeitig an beiden Art. femorales. Er ist regelmäßig, gleichmäßig und
schwach. Die Frequenz ist 112 pro Minute. Die Arterien sind gut gefüllt und gespannt.
Atmungsapparat
Merlin zeigt einen costo-abdominalen Atemtyp, leicht abdominal betont. Die Frequenz liegt mit 40 Atemzügen
pro Minute im oberen physiologischen Bereich. Bei der Auskultation der Lunge sind keine unphysiologischen
Atemgeräusche zu hören.
Verdauungsapparat
Während der Untersuchung kann keine Futter- oder Wasseraufnahme beobachtet werden. Der Futternapf ist
jedoch fast leer.
Bei der Palpation des Abdomens sind keine Veränderungen feststellbar, der Kotabsatz ist nicht kontrolliert
worden.
Harn- und Geschlechtsapparat
Die Untersuchung des Harn- und Geschlechtsapparat erbringt keine pathologischen Befunde.
Über den Zeitraum der Untersuchung erfolgt kein Harnabsatz. Das Handtuch in seiner Box ist jedoch feucht und
riecht nach Harn.
Bewegungsapparat
Alle vier Beine werden belastet, das rechte Hinterbein jedoch weniger stark als die anderen Beine. Bei langsamer
Fortbewegung wird die rechte Hinterpfote nach innen gedreht und das Knie nach außen.
Berührungen am rechten Femurbereich werden als unangenehm empfunden. Eine Palpation des anliegenden
Knie- und Hüftgelenks ergibt keine pathologischen Ergebnisse. Der Femur selbst wurde nicht abgetastet.
Ansonsten sind die anderen Gelenke sowohl adspektorisch als auch palpatorisch unauffällig, es finden sich keine
vermehrte Füllung, vermehrte Wärme, Schmerzhaftigkeit oder Verletzungen.
Die Untersuchung von Knochen, Muskeln und Sehnen außerhalb des Wundbereiches ergibt keine
pathologischen Befunde im Sinne von abnormer Beweglichkeit oder Geräusche, Verhärtungen, Zubildungen,
vermehrter Wärme, Schmerzhaftigkeit und Verletzungen.
Nervensystem
Die Kater nimmt seine Umgebung aufmerksam wahr, ist dabei aber ruhig.
An den Gliedmaßen sind alle Reflexe normal ausgeprägt.
Sowohl der Pannikulusreflex als auch der Analreflex sind auslösbar.
Die Prüfung der Haltungs- und Stellreaktionen ergibt keine pathologischen Ergebnisse.
Sinnesorgane
Der Kater reagiert auf visuelle und akustische Reize. Ziliar-, Corneal- und Pupillarreflex sind vorhanden.
Eine Untersuchung der Augen und Ohren erfolgt ohne besondere Ergebnisse.
Diagnose
Distale Femurepiphysiolyse rechts, Acetabulumfraktur rechts, eitrige Tracheobronchitis
Differentialdiagnosen
aufgrund des klinischen Bildes (ohne Röntgen) kämen in Frage:
- distale Femurschaftfraktur ohne Beteiligung der Epiphysenfuge
- Fraktur der proximalen Tibia (und Fibula)
Prognose
Für Merlin ist die Prognose als gut zu stellen, weil die Fragmente der Fraktur exakt reponiert werden konnten
und vom momentanen klinischen Standpunkt aus nicht mit Komplikationen zu rechnen ist.
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Therapie
Eine konservative Frakturtherapie ist nicht möglich, da hierzu beide angrenzenden Gelenke ruhiggestellt werden
müßten, was beim Hüftgelenk praktisch nicht möglich ist. Der Kater wird also unter Allgemeinnarkose
osteosynthetisch versorgt.
Der Kater wird auf dem Rücken liegend ausgebunden
Der OP-Bereich ist zu scheren, zu waschen, zu rasieren und zu desinfizieren. Anschließend wird das Tier mit
sterilen Tüchern abgedeckt.
Der chirurgische Zugang ist dorsal über dem Kniegelenk, lateral der Patella. Der Schnitt reicht proximal und
distal mindestens 4 cm über den palpierten Defekt hinaus.
Hat man Haut und Unterhaut durchtrennt, sind die Fascia lata und das gerade Kniescheibenband zu
identifizieren. Es folgt eine parapatellare Arthrotomie durch die distale Fascia lata und die Gelenkkapsel. Der
Schnitt führt entlang des caudalen Randes des M. vastus lateralis.
Meistens liegt die distale Femur-Metaphyse cranial und lateral der Femur-Condylen. Den M. quadriceps mit
Patella und geradem Kniescheibenband retrahiert man nach medial.
Nach Reposition der Fragmente unter Verwendung von spitzen Repositionszangen werden sie mit zwei
Kirschner-Drähten fixiert.
Hierbei ist anzustreben, einen möglichst guten Kontakt zwischen den Fragmenten zu erzielen, damit eine
Kontaktheilung, d.h. eine direkte Bildung von Lamellenknochen, stattfinden kann.
Bleibt ein Spalt bestehen, so bildet sich bei der sogenannten Spaltheilung der Lamellenknochen erst über das
Zwischenstadium eines Geflechtknochens.
Die Gelenkkapsel wird nun mit absorbierbarem Nahtmaterial mittels Einzelheften geschlossen. Die Unterhaut
wird fortlaufend mit absorbierbarem Nahtmaterial genäht. Für die äußere Haut kann nicht-resorbierbarer Faden
verwendet werden. Die Einzelhefte werden nach ca. zehn Tagen gezogen.
Weiterer Verlauf der Behandlung
Postoperativ muß das Tier am Springen (oder Herunterfallen) gehindert werden. Er sollte für drei bis vier
Wochen nur in der Wohnung gehalten werden, um eine unnötige Bewegung zu verhindern. Eine Physiotherapie
(vorsichtiges Strecken und Beugen der Gelenke) ist aber wichtig, um eine Muskelatrophie zu verhindern. Es ist
darauf zu achten, daß der Kater alle vier Gliedmaßen belastet.
Außerdem bekommt er über zwei Wochen Antibiotika zur Behandlung seiner nicht mehr nachweisbaren eitrigen
Tracheobronchitis. Vor dem Absetzen der Medikamente sollte der Gesundheitszustand vom Haustierarzt
kontrolliert werden, der dann über die Absetzung oder gegebenenfalls Weitergabe der Antibiotika entscheidet.
Die Naht muß täglich kontrolliert werden, ein Lecken muß verhindert werden. Am 19.10. soll die Naht vom
Haustierarzt kontrolliert werden, die am 22.10. gezogen werden sollten. Nach vier Wochen oder bei
Verschlechterung des Zustandes soll der Kater wieder in der Klinik vorgestellt werden, um ein KontrollRöntgen zu machen. Die Kirschner-Drähte können nach ca. zehn Wochen entfernt werden.
Epikrise
Knochenbrüche entstehen durch mechanische Traumen oder durch ungewöhnliche Kontraktionen der
ansetzenden Muskeln. Auch Knochentumore oder diätetische bzw. hormonelle Imbalanzen können die Stabilität
der Knochen derart herabsetzen, daß schon sehr geringe Krafteinwirkungen zu Frakturen führen.
Die Ursache für die Fraktur bei dieser Katze ist wahrscheinlich ein Unfall. Ein Autounfall führt eher zu
Polytraumen als zu Einzelverletzungen. Meist kommt es dabei zur Beteiligung des Thorax. Deshalb ist am
Einlieferungstag auch eine Thoraxaufnahme gemacht worden, die aber keinen besonderen Befund ergab. Eine
Aufnahme des Abdomens ist zusätzlich wichtig, da evtl. die Blase rupturiert ist.
Epiphysenfrakturen können nach dem sogenannten Salter-Harris-Schema klassifiziert werden. Man
unterscheidet fünf verschiedene Grade:
- Typ I entspricht einer totalen Trennung der Epiphyse in der Epiphysenfuge.
- Bei Typ II erfolgt eine Trennung der Epiphyse in der Epiphysenfuge und zusätzlich ist die Metaphyse
frakturiert.
- Typ III stellt eine partielle Trennung der Epiphyse in der Epiphysenfuge dar, wobei die Epiphyse selbst
frakturiert ist.
- Bei Typ IV ist ebenfalls nur ein Teil der Epiphyse frakturiert, jedoch ist hier auch die Metaphyse beteiligt.
- Typ V ist charakterisiert als Stauchung eines Teils oder der ganzen Epiphysenfuge.
Auf den Röntgenbildern ist eine Epiphysiolyse der distalen Femurepiphyse an der rechten Hintergliedmaße zu
erkennen.
Bei Frakturen des distalen Femurs sind Frakturen des Salter-Harris-Typs II häufig. Diese Frakturen treten bei
Hunden und Katzen unter 9 Monaten auf, unabhängig von Rasse oder Geschlecht. Sie sind die Folge von
Verkehrsunfällen oder Stürzen.
Klinisch fällt auf, daß die Tiere die Gliedmaße komplett entlasten, die verletzte Region ist geschwollen und
schmerzhaft und häufig sind bei Manipulation Krepitationsgeräusche hörbar. Zur Sicherung der Diagnose
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werden laterolaterale und dorsoventrale Röntgenbilder angefertigt. Normalerweise erscheint der Femurschaft
nach cranio-distal disloziert. Zusätzlich können Schrägaufnahmen und Skyline-Aufnahmen gemacht werden, um
die Gelenkfläche der Trochlea und der Femur-Condylen auf Fissuren oder Frakturen zu untersuchen.
Bei Behandlung einer Epiphysiolyse gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Knochen wieder
zusammenzuhalten. Es muß darauf geachtet werden, daß die Epiphyse möglichst wenig traumatisiert wird und
Kreuzungspunkte von Drähten oder Pins sich nicht in der Frakturlinie befinden. Kirschnerdrähte sind hierbei das
Mittel der Wahl, weil sie wenig traumatisieren, dünn sind und stabil. Trotzdem wird der Knochenwachstum bei
jungen Tieren nicht gehemmt. Auch ist auf die Rotationsstabilität zu achten..
Literatur:
Operationen an Hund und Katze, Schebitz u. Brass
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