Ein entwicklungspolitisches Memorandum für die Zukunft Entwicklungspolitik in Luxemburg gestalten Eine gerechte Weltwirtschaftspolitik umsetzen Entwicklungspolitische Akzente in Europa setzen Forderungen der entwicklungspolitischen Nicht-Regierungsorganisationen zu den Wahlen Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 1 des Jahres 2004 und darüber hinaus November 2003 Cercle de coopération tél.: 26 02 09 11 des ONGD de développement fax: 26 02 09 26 13, av. Gaston Diderich L-1420 Luxembourg mail: [email protected] web: www.cercle.lu Ein Memorandum für die Zukunft Die Kurzfassung Forderungen der entwicklungspolitischen Nicht-Regierungsorganisationen zu den Wahlen des Jahres 2004 und darüber hinaus Der Luxemburger Dachverband der entwicklungspolitischen Nichtregierungs-Organisationen (Cercle de coopération des ONG de développement) und seine Mitglieder stellen in diesem „Memorandum für die Zukunft“ einige Vorschläge zusammen, die die Luxemburger Politik umsetzen sollte. Es geht dabei um die Gestaltung der Entwicklungspolitik in Luxemburg, um den Beitrag, den das kleine Luxemburg zu Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 2 einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung leisten sollte und um die Neugestaltung der EURahmenbedingungen für eine solidarische Weltgemeinschaft. Der Cercle begrüßt die große Bereitschaft der Luxemburger Politik und Gesellschaft sich für eine starke Entwicklungspolitik einzusetzen. Die konsequente Steigerung der Mittel, die in den EntwicklungshilfeEtat fließen ist europaweit beispielhaft und sollte es auch bleiben. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass mit 0,84% unseres Jahreseinkommens die Probleme nicht behoben werden können, die unser Wohlstand in anderen Regionen der Welt verursacht. Dazu bedarf es eines konsequenten Umbaus unserer Konsumgewohnheiten und der internationalen Beziehungen, die allesamt einen verheerenden Einfluss auf den ökonomischen und sozialen Wohlstand der Mehrheit der Völker dieser Welt ausüben. Diese Vorschläge lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Entwicklungspolitik in Luxemburg gestalten 1. Alle Politikbereiche müssen der nachhaltigen Entwicklung gerecht werden. Da dies nicht von heute auf morgen zu realisieren ist, benötigen wir einen brauchbaren Nachhaltigkeitsplan, mit konkreten Umsetzungszielen. Dieser Plan muss explizit auf die Belange der sozialen, ökonomischen und politischen Aspekte der Nachhaltigkeit eingehen. Nachhaltigkeitskriterien müssen in den öffentlichen Ausschreibungen angewendet werden. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 3 2. Alle Regierungsentscheidungen – sofern sie Einfluss auf Entwicklungspolitik und -länder nehmen - müssen auf die Kohärenz mit der nationalen Entwicklungspolitik überprüft werden. Der jährliche Bericht zur nationalen Entwicklungszusammenarbeit muss zu diesen Kohärenzfragen Stellung nehmen und in Zusammenarbeit mit allen betroffenen Ministerien Vorschläge ausarbeiten um die Kohärenz zwischen den Politikbereichen zu stärken. 3. Es braucht Mittel um über Qualität und Orientierung der Luxemburger Entwicklungshilfe nachzudenken. Zwar konzentriert sich die Luxemburger Entwicklungshilfe auf die wesentlichen Bereiche Gesundheit, Erziehung und soziale Systeme, aber es fehlt hierbei an den nötigen Mitteln um bestehende Entwicklungsmodelle auf ihre soziale, ökonomische, politische und ökologische Nachhaltigkeit zu prüfen und neue langfristige Entwicklungskonzepte zu erarbeiten. Diese Kompetenz muss in Luxemburg aufgebaut werden, sonst fehlt es oft an dem nötigen Hintergrundwissen um Programme langfristig an den Bedürfnissen und den Möglichkeiten der Empfänger auszurichten. 4. Die entwicklungspolitische Öffentlichkeitsarbeit muss weiterhin verstärkt werden. Die Entwicklungspolitische Bildungsarbeit soll auf einer hohen qualitativen Ebene bei sämtlichen Akteuren der Zivilgesellschaft gefördert werden. Das gilt im Besonderen für NGOs, aber auch für Schulen, soziale Bewegungen in anderen Bereichen als den klassischen Entwicklungs-NGOs, bei den Medien, ... Deshalb müssen auch für entwicklungspolitische Bildungsarbeit mehr Mittel bereitgestellt werden. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 4 5. Die besondere Stellung der Luxemburger Gemeinden in der entwicklungspolitischen Öffentlichkeits- und Projektarbeit muss gestärkt werden. Wie intensiv Kommunen sich engagieren, liegt zwar zuerst an den Bürgerinnen und Bürgern, ihren Bürgermeistern und Verwaltungen, ist aber auch abhängig von den durch die Regierung gesetzten Rahmenbedingungen. Die notwendigen Mittel für ein intensiveres Engagement der Kommunen müssen von der Regierung gestaltet werden und sollten Akteure einbeziehen die entweder auf Regierungs-, Gemeinde- oder NGO-Ebene tätig sind. 6. Die NGOs sollten in ihrer Arbeit verstärkt unterstützt werden. Beispielsweise durch eine bessere Berücksichtigung der NGOs im Verteilungsschlüssel des „Fonds de la Coopération“ und durch eine vereinfachte Umsetzung des „Congé coopération au développement“. Auf diese Art und Weise würde die ehrenamtliche und hauptamtliche Arbeit der NGOs gebührend anerkannt. Eine gerechte Weltwirtschaftspolitik umsetzen 7. Luxemburg muss sich international dafür einsetzen, dass illegitime Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 5 Schulden der Länder des Südens integral und nachhaltig gestrichen werden. Dazu muss auch Luxemburg einen finanziellen Beitrag leisten. Dieser Beitrag darf nicht der öffentlichen Entwicklungshilfe zugerechnet werden. Dies sollte auch der Ansatz sein, den die Luxemburger Regierung durch ihrer Vertretungen in Weltbank und Internationalem Währungsfond befolgt. 8. Luxemburg soll in Fragen der internationalen Steuergesetzgebung die gleiche Vorreiterrolle übernehmen zugunsten der Länder des Südens, wie das im Bereich der Entwicklungspolitik der Fall ist. Luxemburg darf kein Hort sein für internationale Kapital- und Steuerfluchtgelder. Deshalb sollte das Luxemburger Bankgeheimnis auf entwicklungspolitische Kohärenz überdacht werden und dementsprechende Maßnahmen zügig umgesetzt werden. Die amtliche Auskunft in Sachen Finanzdelikte sollte auch für Steuerdelikte gelten. Alle Länder müssen im Kontext der Amtshilfe strikt gleich behandelt werden. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 6 Entwicklungspolitische Akzente in Europa setzen 9. Luxemburg muss sich innerhalb der EU und in den internationalen Organisationen mit konkreten Forderungen dafür einsetzen, dass der Welthandel zugunsten der Länder des Südens umgestaltet wird. Zu allererst muss verhindert werden, dass subventionierte EU-Produkte lokale Anbieter in den Ländern des Südens vom Markt verdrängen. Es muss allen Ländern innerhalb der WTO gestattet sein ihre Märkte selbst verwaltet der internationalen Konkurrenz zu öffnen. Nicht zuletzt sollten internationale Abkommen (Cotonou-Abkommen) so gestaltet sein, dass arme Länder des Südens den eindeutigen ökonomischen Vorteil daraus ziehen. 10. Innerhalb der EU-Verfassung müssen die spezifischen Ziele in den Bereichen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie der Entwicklungshilfe besser ausgearbeitet werden. Die Entwicklungszusammenarbeit muss als eigenständige und für die Identität der EU wesentlicher Politikbereich bestehen bleiben. Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe dürfen nicht der europäischen außen-, sicherheits- und handelspolitischen Tagesordnung untergeordnet sein. Europäische Hilfe ist kein Instrument um Eigeninteressen der EU zu schützen. Um diese Ziele umzusetzen, braucht die zukünftige Kommission einen Kommissar für Entwicklungs-zusammenarbeit, der durch eine Generaldirektion in der Kommission unterstützt wird. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 7 Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 8 Ein Memorandum für die Zukunft Der vollständige Text Forderungen der entwicklungspolitischen Nicht-Regierungsorganisationen zu den Wahlen des Jahres 2004 und darüber hinaus Der Luxemburger Dachverband der entwicklungspolitischen Nicht-Regierungsorganisationen (Cercle de coopération des ONG de développement) und seine Mitglieder begrüßen die große Bereitschaft der Luxemburger Politik und Gesellschaft sich für eine starke Entwicklungspolitik einzusetzen. Die konsequente Steigerung der Mittel, die in den Entwicklungshilfe-Etat fließen ist europaweit beispielhaft und sollte es auch bleiben. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass mit 0,84% unseres Jahreseinkommens die Probleme nicht behoben werden können, die unser Wohlstand in anderen Regionen der Welt verursacht. Dazu bedarf es eines konsequenten Umbaus unserer Konsumgewohnheiten und der internationalen Beziehungen, die allesamt einen verheerenden Einfluss auf den ökonomischen und sozialen Wohlstand der Völker dieser Welt ausüben. Deshalb fordern wir von allen Kandidaten und Kandidatinnen der National- und Europawahlen, sowie von der zukünftigen Regierung und vom Parlament, dass sie sich entschlossen zu folgenden Prioritäten verpflichten: 1. Entwicklungspolitik in Luxemburg gestalten Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 9 1.1 Globale Zielsetzung Die Umsetzung der Entwicklungspolitik muss in Parlament und Regierung fest verankert werden. Die Ziele der Luxemburger Entwicklungspolitik müssen im Einklang stehen mit den Forderungen einer weltweiten ökologischen, politischen, kulturellen und sozialen nachhaltigen Entwicklung. Nachhaltige Entwicklung bedeutet: • eine politische Entwicklung zum Frieden wo immer möglich ohne militärische Mittel. Die politische Umsetzung nachhaltiger Entwicklung erfordert Demokratie, Beachtung der Menschenrechte, Partizipation und Gleichberechtigung; • eine ökonomische Entwicklung, bei der für alle ein menschenwürdiges Maß an wirtschaftlichem Wohlstand und Verteilungsgerechtigkeit gewährleistet ist. Dies umfasst die Verpflichtung, Verelendung zu beseitigen und den Zugang aller zu lebenswichtigen Ressourcen sowie deren Kontrolle sicherzustellen; • eine soziale Entwicklung, die allen Menschen gerechte Chancen gibt, bei der die kulturelle Identität gewahrt bleibt – solange diese nicht universelle Werte verletzt – und bei der für das Funktionieren einer Gesellschaft wichtige staatliche und nichtstaatliche Institutionen aufgebaut und erhalten werden; • eine ökologische Entwicklung, bei der die natürlichen Ressourcen so genutzt werden, dass sie auch zukünftigen Generationen in ausreichender Menge zur Erreichung der sozialen und ökonomischen Ziele zur Verfügung stehen. Deshalb fordern wir von der zukünftigen Regierung und vom Parlament: Alle Politikbereiche müssen allen vier Aspekten der nachhaltigen Entwicklung gerecht werden. Da dies nicht von heute auf morgen zu realisieren ist, benötigen wir einen brauchbaren Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 10 Nachhaltigkeitsplan, mit konkreten Umsetzungszielen. Dieser Plan muss explizit auf die Belange der sozialen, ökonomischen und politischen Aspekte der Nachhaltigkeit eingehen. Nachhaltigkeitskriterien müssen in den öffentlichen Ausschreibungen angewendet werden. Dies gilt aus Testfall für die Glaubwürdigkeit der zahlreichen Absichtserklärungen Luxemburgs im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung. So sollte die Luxemburger Gesetzgebung betreffend der „marchés publics“, derart überarbeit werden, dass Staat und Gemeinden - einerseits die Pflicht haben bei der Erstellung der Lastenhefte von vorneherein soweit wie möglich soziale, ethische und ökologische Kriterien festzuschreiben - andererseits die Notwendigkeit eingeführt wird, bei der Vergabe des Auftrages nicht nur den Preis als Kriterium zu berücksichtigen sondern ebenfalls die genannten Aspekte. Weiterhin, sollte die Luxemburger Regierung sich auf EU-Ebene mit aller Konsequenz dafür einsetzen, dass in Zukunft Nachhaltigkeitskriterien in den öffentlichen Ausschreibungen wieder berücksichtigt werden dürfen. 1.2 Entwicklungspolitik gestalten Wie auch immer die Kompetenzen der neuen Regierung verteilt sein werden, es muss sichergestellt werden, dass die gesamte Entwicklungspolitik im Zuständigkeitsbereich eines eigenen Ministers oder Staatssekretärs bleibt. Dieser muss die nötigen Mittel erhalten um die Entwicklungshilfe im Sinne nachhaltiger Entwicklung zu gestalten. Deshalb fordern wir von der zukünftigen Regierung und vom Parlament: Das Bereitstellen der nötigen Mittel um über Qualität und Orientierung der Luxemburger Entwicklungshilfe nachzudenken. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 11 Derzeit verfügen weder Regierung und Parlament, noch die ausführenden Organe (Luxdev) oder andere gesellschaftliche Akteure (NGOs) über die nötigen Mittel um bestehende Entwicklungsmodelle auf ihre soziale, ökonomische, politische und ökologische Nachhaltigkeit zu prüfen und neue langfristige Entwicklungskonzepte zu erarbeiten. Wir begrüßen, dass sich die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit gezielt auf die Bereiche Gesundheit, Erziehung und soziale Systeme konzentrieren will, vermissen jedoch die hierfür nötige Konzeptarbeit. Wie sollen Gesundheitssysteme in der Dritten Welt (und bei uns?) aussehen, wie können solche Gesundheitssysteme finanziert werden, an wen sollen sie sich richten, welche Akteure brauchen gezielte Unterstützung, wie können solche Projekte langfristig in Eigenverantwortung durch die Zielländer umgesetzt werden, welche Rolle soll den NGOs zukommen ... Es gibt zur Zeit in Luxemburg keine Stelle, die auf solche Fragen ansatzweise antworten kann, auch wird nur ungenügend auf ausländische Kompetenzen zurückgegriffen. Folglich fehlt es allen Akteuren oft an dem nötigen Hintergrundwissen um Projekte langfristig an den Bedürfnissen der Empfänger auszurichten. 1.3 Kohärenz in den Nord-Süd-Beziehungen Es reicht nicht wenn Luxemburg sich im Bereich der Entwicklungshilfe besonders hervortut - auch wenn dies sehr lobenswert ist und weiterhin der Fall sein muss. Es ist unabdingbar, dass die gesamte Luxemburger Außen- und Wirtschaftspolitik sich den Bedürfnissen der globalen nachhaltigen Entwicklung verpflichtet. Um dies zu erreichen müssen die verschiedenen Ministerien koordiniert zusammenarbeiten, ihre Positionen in internationalen Gremien abstimmen und diese an den Erfordernissen einer globalen nachhaltigen Entwicklung ausrichten (siehe hierzu Kapitel 2: Eine gerechte Weltwirtschaftsordnung umsetzen). Deshalb fordern wir von der zukünftigen Regierung und vom Parlament: Alle entwicklungspolitisch relevanten Entscheidungen und Maßnahmen der Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 12 verschiedenen Ressorts der Regierung müssen besser koordiniert, vom Parlament kontrolliert und den Notwendigkeiten einer kohärenten Entwicklungspolitik unterstellt werden. Wir begrüßen die von der letzten Regierung ins Leben gerufene eigenständige Direktion für Entwicklungszusammenarbeit innerhalb des Außenministeriums. Dies war eine wichtige Entscheidung in die richtige Richtung. Die Eigenständigkeit dieser Direktion muss nicht nur erhalten bleiben, sie muss auch eine Vorreiterrolle übernehmen in der Koordination der gesamten entwicklungspolitischen Vorhaben, die derzeit im Außenministerium, im Finanzministerium (internationale Finanzinstitutionen) sowie in mehreren anderen Ministerien angesiedelt sind. Darüber hinaus fordern wir, dass Entscheidungen in anderen Politikbereichen, sofern sie Einfluss auf Entwicklungspolitik und -länder nehmen - auf die Kohärenz mit der nationalen Entwicklungspolitik überprüft werden. Der jährliche Bericht zur nationalen Entwicklungszusammenarbeit sollte ebenfalls zu diesen Kohärenzfragen Stellung nehmen. So muss beispielsweise die Subventionierung der europäischen Agrarproduktion und der Agrarexporte so gestaltet werden, dass keine negativen Einflüsse auf die Weltmärkte zu verzeichnen sind, vor allem aber keine Marktstörungen in Entwicklungsländern hervorgerufen werden. Was sich hinter dem unverständlichen Wort „Marktstörungen“ versteckt will, bedeutet für große Teile des Bevölkerung Westafrikas die Zerstörung ihrer Absatzmärkte. Wenn selbst traditionelle afrikanische Produkte billiger aus Europa eingeführt werden als sie vor Ort produziert werden, dann verlieren die 70% der Bevölkerung, die in der Landwirtschaft tätig sind, ihre Arbeit und ihr Einkommen. Da angesichts derartiger Auswirkungen der europäischen Landwirtschaftspolitik auch die beste europäische Entwicklungszusammenarbeit nicht einmal den berühmten Tropfen auf den heißen Stein ausmacht, sollten wir besser auf die Kohärenz der Politik achten. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 13 Der jährliche Bericht zur nationalen Entwicklungszusammenarbeit muss zu diesen Kohärenzfragen Stellung nehmen und in Zusammenarbeit mit allen betroffenen Ministerien Vorschläge ausarbeiten um die Kohärenz zwischen den Politikbereichen zu stärken. 1.4 Entwicklungspolitische Bildungsarbeit Es ist wichtig, dass Entwicklungshilfe weiterhin in der Öffentlichkeit in ihrer Bedeutung, aber auch in ihren begrenzten Wirkungsmöglichkeiten dargestellt wird. Darüber hinaus geht es bei der entwicklungspolitischen Öffentlichkeitsarbeit um die Bildung von Einsicht in die Notwendigkeit von nachhaltiger Entwicklung und Entwicklungszusammenarbeit. Diese Einsicht muss auf Grund ethischer Kriterien und aus Eigeninteresse erfolgen. Schlussendlich sollten die Ziele, Strategien und Instrumente der Entwicklungshilfe von allen Beteiligten öffentlich diskutiert werden. Deshalb fordern wir von der zukünftigen Regierung und vom Parlament: Die entwicklungspolitische Öffentlichkeitsarbeit muss weiterhin verstärkt werden. Die Entwicklungspolitische Bildungsarbeit soll auf einer hohen qualitativen Ebene bei sämtlichen Akteuren der Zivilgesellschaft gefördert werden. Das gilt im Besonderen für NGOs, aber auch für Schulen, soziale Bewegungen in anderen Bereichen als den klassischen Entwicklungs-NGOs, bei den Medien,... Die Unterstützung der NGOs in ihrer Bildungs- und Informationsarbeit ist der deutlichste Indikator für das Vertrauen einer Regierung in deren spezielle Fähigkeiten und Möglichkeiten. Obwohl die Wichtigkeit dieser Arbeit für die Akzeptanz von Entwicklungspolitik immer wieder betont wurde, genügen die hierfür bereitgestellten Mittel nicht den Bedürfnissen der NGOs. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 14 Um dies zu erreichen sollte die Haushaltslinie, die für Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen ist entweder wesentlich erhöht, oder – noch besser – in den „Fonds pour la Coopération“ integriert werden. Über diesen Weg könnten die Mittel flexibel den Bedürfnissen angepasst werden und vor allem wäre es wieder möglich mehrjährige Sensibilisierungsvorhaben umzusetzen. Besonders unterstützenswert wären hierbei Vorhaben, die Akteure aus mehreren gesellschaftlichen Bereichen in Luxemburg mit einbeziehen und Vertreter der sozialen Bewegungen aus dem Süden in die Planung und Umsetzung einbeziehen. Aufgabe einer langfristig tragfähigen Informations- und Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums muss es sein, Herausforderungen, Möglichkeiten, Grenzen und Nöte bei der Bewältigung der Aufgaben der Entwicklungspolitik (vor dem Hintergrund relativ bescheidener Mittel) darzustellen. Darüberhinaus muss eine für die Akzeptanz der Entwicklungspolitik in der Bevölkerung und bei den Entscheidungsträgern positive öffentliche Atmosphäre geschaffen werden. Die zukünftige Regierung muss die besondere Stellung der Luxemburger Gemeinden in der entwicklungspolitischen Öffentlichkeits- und Projektarbeit stärken. Die Gemeinden haben sich seit der Rio-Konferenz von 1992 verstärkt an der Öffentlichkeitsarbeit für nachhaltige Entwicklung beteiligt, allerdings mit deutlicher Dominanz von Umweltthemen gegenüber sozialen und ökonomischen Zusammenhängen. So wurden seither 20 Gemeinden mit insgesamt 47,5 % der Bevölkerung des Landes, Mitglied beim Luxemburger Klimabündnis. Die in diesen Gemeinden tätigen Akteure müssen verstärkt in die Entwicklungszusammenarbeit eingebunden werden. Wie intensiv Kommunen sich engagieren, liegt zwar zuerst an den Bürgerinnen und Bürgern, ihren Bürgermeistern und Verwaltungen, ist aber auch abhängig von den durch die Regierung gesetzten Rahmenbedingungen. Die notwendigen Mittel für ein intensiveres Engagement der Kommunen müssen von der Regierung gestaltet werden und sollten Akteure einbeziehen die entweder auf Regierungs-, Gemeinde- oder NGO-Ebene tätig sind. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 15 1.5 Einbeziehen der Zivilgesellschaft Der Einfluss mächtiger Interessengruppen nötigt Parlament und Regierung oft stärker als das gesellschaftliche Bewusstsein. Wie anders sind jahrzehntelange Subventionen im Agrarbereich oder milliardenschwere Rüstungsentscheidungen zu erklären? Gab es dazu entsprechende Bildungsarbeit? Entwicklungspolitische Bildungsarbeit bleibt sicherlich von zentraler Bedeutung zur weiteren Sensibilisierung des gesellschaftlichen Bewusstseins im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung in globaler Verantwortung. Sie wird aber zum politischen Alibi, wenn den vermittelten Zusammenhängen, Einsichten und notwendigen Veränderungsvorschlägen keine nachvollziehbaren Taten folgen. Bildung und Mobilisierung erzeugen kenntnisreichen politischen Frust, wenn von Verantwortung viel geredet, aber nur wenig und unzureichend gehandelt wird. Zivilgesellschaftliche Organisationen haben in einer Demokratie unterschiedliche Funktionen: Zum einen sind sie neben den Medien Sprachrohr von Bürgerinnen und Bürgern und ihrer gesellschaftlichen Gruppen und artikulieren deren politische Vorstellungen mit dem Ziel, sich in der Öffentlichkeit und bei den Politikern Gehör zu verschaffen. Zum anderen nehmen sie Aufgaben wahr, zu deren Lösung sie nach dem Subsidiaritätsprinzip eher qualifiziert sind als der Staat. In beiden Bereichen muss der Staat sie finanziell unterstützen. Deshalb fordern wir von der zukünftigen Regierung und vom Parlament: Die Stärkung des Dialoges mit der Zivilgesellschaft, im Besonderen mit den Nichtregierungsorganisationen. Dies bedeutet in erster Linie, dass bei Verhandlungen, Vereinbarungen und Verträgen auf internationaler Ebene im Allgemeinen und mit Entwicklungsländern im Besonderen die Arbeit von NGOs aus Süd wie Nord einbezogen und gefördert wird. NGOs aus Süd und Nord müssen bereits in der Vorbereitungsphase einbezogen werden. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 16 Hierfür braucht es in Luxemburg etwas mehr Gremienarbeit von allen Seiten und die Bereitschaft, Diskussionen um internationale Abkommen öffentlich zu diskutieren und transparent zu gestalten. Dies gilt besonders für den Bereich der internationalen Handelsabkommen. NGOs müssen in diesen Bereichen vom Staat die nötigen finanziellen Mittel erhalten um Regierungsarbeit kritisch begleiten zu können. 1.6 Die Entwicklungsarbeit der NGOs stärken Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft sowohl in Luxemburg als auch in den Ländern des „Südens“ ist unter mehreren Aspekten wichtig: Ihre unmittelbare Unterstützung ist ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung von Demokratie, Menschenrechten, Gendergerechtigkeit, Dezentralisierung und Bürgerbeteiligung. Dabei muss das Ziel in der Stärkung von gesellschaftlichen Gruppen liegen, damit diese ihren Forderungen Gewicht verschaffen können. Ob die Regierenden in solchen Gruppen Konkurrenten um die Macht sehen oder deren Potenzial anerkennen und fördern, ist wesentlich für die Entwicklung eines Landes. Bei Planung und Durchführung von kleinteiligen Programmen haben NGOs häufig komparative Vorteile gegenüber Regierungen und Behörden. Darüber hinaus ist im Einzelfall eine offizielle Zusammenarbeit Luxemburgs mit Regierungsstellen eines anderen Landes aus politischen Gründen nicht angeraten. In solchen Fällen kommt den NGOs aus Nord wie Süd eine entscheidende Rolle zu. Deshalb fordern wir von der zukünftigen Regierung und vom Parlament: Die NGOs in ihrer Arbeit verstärkt zu unterstützen, beispielsweise durch eine bessere Berücksichtigung der NGOs im Verteilungsschlüssel des „Fonds de la Coopération“ und durch eine vereinfachte Umsetzung des „Congé coopération au développement“. Denn auf diese Art und Weise würde die ehrenamtliche und hauptamtliche Arbeit der NGOs gebührend anerkannt. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 17 Wir erwarten dass sich die Regierung bei der Verhandlung der „Programmes indicatifs de coopération“ (PIC) mit den Zielländern dafür verwendet, dass die Arbeit von NGOs aus Süd wie Nord auf keinen Fall eingeschränkt wird sondern ihre Zusammenarbeit gezielt gefördert wird. Deshalb muss die Regierung definitiv die Gestaltungsfreiheit der NGOs innerhalb des entwicklungspolitischen Rahmens anerkennen. Die Bewilligungsrichtlinien müssen so gestaltet sein, dass auch kleinere NGOs nicht von den finanziellen Unterstützungen ausgeschlossen werden, deshalb sollten die Haushaltsmittel in den relevanten Titeln weiter erhöht werden; das gilt für die „Projektarbeit“ im Süden ebenso wie für die Informations- und Bildungsarbeit in Luxemburg. Die Regierung muss Sorge tragen, dass die zuständigen Stellen innerhalb des Außenministeriums die nötigen personellen Mittel erhalten, um die derzeitig intensive Zusammenarbeit aufrecht zu erhalten, besonders mit kleinen, lokal angesiedelten NGOs. Diese tragen wesentlich dazu bei innerhalb der Bevölkerung die Unterstützung für eine gerechtere Weltordnung aufrecht zu erhalten. Es müssen also die notwendigen Schritte unternommen werden, damit der Anteil der über die NGOs abgewickelten Entwicklungshilfe, innerhalb der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe nicht weiter fällt, sondern sogar wieder steigt. Beim „Congé coopération au développement“ müssen die Bestimmungen so abgeändert werden, dass er auch für kurzfristig geplante Aktivitäten der NGOs nützlich wird. Zurzeit muss der „Congé coopération au développement“ mindestens drei Monate im Voraus beantragt werden. Dies bedeutet, dass zahlreiche Interessenten aus Zeitmangel nicht an Veranstaltungen und Weiterbildungen teilnehmen können. 2. Eine gerechte Weltwirtschaftsordnung umsetzen Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 18 Selbst die beste und großzügigste öffentliche Entwicklungshilfe wird nicht ausreichen eine gerechte Entwicklung weltweit in Gang zu setzen, wenn nicht auch die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen in denen Entwicklungsländer agieren müssen geändert werden. 2.1 Entwicklung braucht Entschuldung Kredite für sinnvolle Projekte und Vorhaben sind auch für Entwicklungsländer unerlässlich. Sie müssen jedoch produktiv verwendet werden, dann kann auch Schuldendienst geleistet werden. Wer solche Kredite aufnimmt, von dem kann man erwarten, dass er sie auch wieder zurückzahlt. Das ist recht und billig – das ist legitim. Schulden sind illegitim, wenn - sie ohne Zustimmung der Bevölkerung aufgenommen wurden; - sie zudem nutzlos gewesen sind; - beides den Gläubigern bekannt war. All dies trifft jedoch beim größten Teils der Schulden zu an denen die Entwicklung der Dritten Welt zurzeit scheitert. Darüber hinaus wurden die geliehenen Summen seit 1980 bereits siebenfach zurückbezahlt. Trotzdem bleiben die Länder des Südens dank Zinsen und zahlreicher Umschuldungsprogramme stark verschuldet und müssen jährlich etwa 300 Milliarden Dollar Schuldendienst leisten. Laut den Vereinten Nationen reichten 80 Milliarden USD um allen Menschen dieser Erde soziale Basisdienste zu finanzieren. Deshalb fordern wir von der zukünftigen Regierung und vom Parlament: Die Regierung muss sich international dafür einsetzen, dass die Schulden der Länder des Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 19 Südens integral und nachhaltig gestrichen werden. Dazu muss auch Luxemburg einen finanziellen Beitrag leisten. Dieser Beitrag darf nicht der öffentlichen Entwicklungshilfe zugerechnet werden. Kredite liegen in der Verantwortung von Schuldnern und Gläubigern – und für die meisten Schulden des Südens sind Akteure aus dem Norden (Regierungen, multilaterale Institutionen wie der IWF oder die Weltbank und private Großbanken) zumindest mitverantwortlich. Die Banken und staatlichen Kreditgeber haben seit jeher leichtfertig Kredite vergeben und ihre Sorgfaltspflicht verletzt – aus politischen Gründen (etwa im Kalten Krieg) oder weil sie ihr überschüssiges Kapital loswerden wollten, ohne dabei die Kreditnehmer und ihre Projekte einer analyse zu unterziehen. Das von der internationalen Entschuldungskampagne geforderte faire und transparente Schiedsverfahren (englisch: Fair and Transparent Arbitration Process - FTAP) bietet eine Möglichkeit in Zukunft umfassend festzustellen, welche Schulden als illegitim zu gelten haben und sie daraufhin zu streichen. Dabei ist vorgesehen zu Beginn des Verfahrens zu klären, über welche Ansprüche überhaupt verhandelt werden soll. Eine solche „Verification of Claims“ sieht zwar auch das gegenwärtige Entschuldungsverfahren des Pariser Clubs vor, dabei geht es allerdings allein um technische Aspekte. In einem FTAP hingegen soll das bislang nur vereinzelt und eingeschränkt angewandte Kriterium der Illegitimität von Schulden zu einem festen Bestandteil des Schuldenmanagements werden. Wenn es gelingt, „Illegitimität“ neben „Tragfähigkeit“ zu einem anerkannten Kriterium für Schuldenstreichung werden zu lassen, führte das in Zukunft zu sorgfältigeren Kreditvergaben, weil die Tilgung der Schulden nicht länger fraglos erwartet werden könnte. Ethisch unsittliche und völkerrechtlich illegale Geschäfte stellen dann für Kreditgeber ein erhebliches wirtschaftliches Risiko dar. Dies ist der Ansatz, den die Luxemburger Regierung auch dank ihrer Vertretungen in Weltbank und Internationalem Währungsfond befolgen sollte. Recht ist etwas Lebendiges. Gegen illegitime Schulden aktiv zu werden ist ein wichtiger Schritt, damit das, was heute noch legal ist, auch wenn es nicht legitim ist, in Zukunft nicht nur ungerecht, sondern auch Unrecht sein wird. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 20 2.2 Luxemburg darf kein Hort sein für internationale Kapital- und Steuerflucht In Sachen Finanzplatzpolitik konzentriert sich das Interesse des politischen Establishments in Luxemburg vor allem auf die Frage: Wie können wir das Bankgeheimnis (gemeint ist das Steuergeheimnis) erhalten? Wichtige wirtschafts- und aufsichtspolitische Debatten finden nicht statt. Ethische Fragen werden in diesem Kontext überhaupt nicht angesprochen. Es gibt jedoch keine Demokratie und keine Good Governance, wenn Staaten das Geld für die elementarsten öffentlichen Einrichtungen fehlt: für Existenz sichernde Löhne der Staatsangestellten, für Schulen, Spitäler, öffentliche Verkehrsinfrastruktur. Durch die Liberalisierung des Welthandels sind Entwicklungsländer mit schwachen Staaten schon wesentlicher Steuereinnahmen (Export- und Importzölle) beraubt worden. Umso schwerer fällt jegliche Form von Steuerflucht ins Gewicht. Laut einer OXFAM Studie gehen Entwicklungsländern rund 50 Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen verloren, etwa gleich viel wie diese Ländern an öffentlicher Entwicklungshilfe erhalten. Oxfam schätzt, dass davon 15,5 Mrd. Dollar Verluste durch die Steuerhinterziehung natürlicher Personen verursacht werden und etwa 35,5 Mrd. Dollar durch Konzerne (vor allem durch Transferpricing). Luxemburg ist ein Steuerparadies. Deshalb fordern wir von der zukünftigen Regierung und vom Parlament: Eine Kehrtwende in Sachen Steuerhinterziehungsgeheimnis. Es geht eben auch um die Solidarität mit außereuropäischen Ländern und deren Regierbarkeit. Steuerhinterziehung gegenüber einem Sozialstaat ist nicht das Gleiche wie gegenüber einem Staat am Anfang des 20. Jahrhundert, der vor allem Geld zum Regieren, Überwachen und Kriegen ausgegeben hat. Steuerhinterziehung und Kapitalflucht gegenüber einem Staat, dem die nötigen Mittel zu einer von innen wachsenden Entwicklung fehlen, ist ein Verbrechen. Der Luxemburger Finanzplatz und die von Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 21 Luxemburg mitgestaltete Finanz- und internationale Steuerpolitik trägt zu dieser Steuerhinterziehung bei. Das Rechtshilfegesetz sollte revidiert werden und klare Regeln für Amtshilfe bei Fiskaldelikten müssen eingeführt werden. Darüber hinaus sollte in Luxemburg Steuerhinterziehung auch gegenüber Staaten außerhalb der EU strafbar werden und nicht von Luxemburger Vermögensverwaltern unterstützt werden dürfen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Länder muss unbedingt gewahrt werden. Darüber hinaus, müssen Daten zur Herkunft der diversen Vermögen, die in Luxemburg verwaltet werden, gesammelt und veröffentlicht werden. Wie können PolitikerInnen qualifiziert entscheiden, wenn die Fakten fehlen? Ebenso fehlen öffentliche Berichte über die veränderten Gepflogenheiten bei der Amtshilfe. Steuerflucht ist eine zentrale entwicklungspolitische Frage. Die Luxemburger Regierung soll in Fragen der internationalen Steuergesetzgebung die gleiche Vorreiterrolle übernehmen zugunsten der Länder des Südens, wie sie es im Bereich der Entwicklungspolitik tut. Die internationale Debatte zur Verhinderung von Steuerhinterziehung ist sehr stark von den OECDLändern dominiert und den Finanzbedürfnissen und Steuertraditionen dieser Staaten angepasst. Worin adäquate Steuerregelungen aus der Sicht von Entwicklungsländern genau bestünden, ist alles andere als klar. Entsprechende Studien fehlen weitgehend. Auch wenn Luxemburg offiziell an seiner Steuergeheimnis-Blockade festhält, wäre doch noch Folgendes realisierbar: - Spezielle Unterstützung von internationalen Gremien, welche die Frage internationaler Besteuerung aus der Sicht der Entwicklungsländer erörtern (z.B. UNCTAD) und Finanzierung entsprechender Studien. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 22 - Strikte Gleichbehandlung von EU, USA und allen anderen Ländern. Wenn die amtliche Auskunft in Sachen Finanzdelikte ausgeweitet wird, dann muss dies für alle Länder im gleichen Maße gelten. Auf jeden Fall wäre aus entwicklungspolitischer Sicht genauer zu diskutieren, welche internationalen Steuerregelungen Länder des Südens bräuchten. Eines ist klar: Es braucht eine international standardisierte Steuer für transnationale Konzerne, um sie davon abzuhalten, Steuern zu „optimieren“ und ihre Gewinne dort auszuweisen, wo die Gewinnsteuern am niedrigsten sind. Und es braucht internationale Konventionen für Kapitalertragssteuern generell. Es darf nicht sein, dass in Westeuropa oder Nordamerika Einkommen aus Kapitaleinkommen versteuert werden, die zum Teil in Ländern der Dritten Welt unversteuert erwirtschaftet worden sind. 2.3 Internationaler Handel im Dienste der Armen Die ökonomische Globalisierung hat zu Regeln in der Weltwirtschaft geführt, die für nachhaltige Entwicklung eher nachteilig sind: die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander, die Entwicklungsländer haben von den Handelsliberalisierungen nicht profitieren können, die multinationalen Konzerne handeln in einem, in großen Bereichen, rechtsfreien Raum und entziehen sich nationaler Gesetzgebung und Finanzhoheit. Die Regeln des Welthandels werden in der Welthandelsorganisation (WTO) festgelegt. Im November 2001 begann eine neue Verhandlungsrunde mit dem Anspruch, die Interessen der Entwicklungsländer in den Vordergrund zu stellen. Im bisherigen Verlauf der Verhandlungen waren die Industrieländer aber nicht bereit, auf Forderungen des Südens einzugehen. Stattdessen drängt gerade die Europäische Union darauf, die Zuständigkeit der WTO auf neue Bereiche wie Investitionsregeln auszuweiten und damit multinationale Unternehmen weiter zu stärken. Der Entwicklungsanspruch ist bislang Rhetorik geblieben. Das muss sich ändern. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 23 Deshalb fordern wir von der zukünftigen Regierung und vom Parlament: Die Luxemburger Regierung muss sich innerhalb der EU und in den internationalen Organisationen mit konkreten Forderungen dafür einsetzen, dass der Welthandel zugunsten der Länder des Südens umgestaltet wird. Nach dem Scheitern der WTO-Ministerkonferenz in Cancún ist klar geworden, dass sich die Handelsregeln stärker an den Interessen der Menschen in Entwicklungsländern orientieren müssen und die multinationalen Unternehmen verbindliche soziale und ökologische Verhaltensregeln brauchen für ihre Handels- und Investitionstätigkeiten. Um jetzt Fortschritte für eine gerechte und umweltverträgliche Welthandelsordnung zu erreichen, muss die EU ihre Politik ändern. Es dürfen keine neuen Handelsregeln gegen den Willen der großen Mehrheit von Entwicklungsländern durchgesetzt werden- wie z.B. eine neues Investitionsabkommen zugunsten transnationaler Unternehmen. Auch im Bereich der Agrarverhandlungen muss die EU den Entwicklungsländern Schutzinstrumente zugestehen. Diese müssen sich schützen können gegen die EUAgrarsubventionen, die zu Dumpingpreisen führen und lokale Märkte zerstören. Freihandel ist kein Wert an sich, deshalb muss Handelspolitik Menschenrechten, Armutsbekämpfung und Umweltschutz dienen. Vor allem muss den Ländern des Südens das Recht eingeräumt werden ihre Wirtschaft selbst zu steuern. Dies dürfen nicht die politisch und wirtschaftlich Starken für die restliche Welt übernehmen. Die Welthandelspolitik darf die staatliche Verpflichtung zur Realisierung angemessener Ernährung, Bildung und Gesundheitsversorgung nicht aushöhlen. Menschen und Umwelt müssen Vorrang vor Unternehmensprofiten haben, deshalb müssen Unternehmen und ihre Investitionen durch verbindliche soziale und ökologische Standards reguliert werden. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 24 3. Entwicklungspolitische Akzente in Europa setzen In den letzten Jahren haben die NGOs des öfteren schwerwiegende Veränderungen beanstandet, die die EU in ihren Beziehungen zu den Ländern des Süden vorgenommen hat, obwohl sie vor einiger Zeit international eine Vorreiterrolle in der Entwicklungspolitik, gespielt hat. Dies gilt nicht nur für die eher entwicklungsfeindliche Haltung, die die EU in der WTO einnimmt, sondern beispielsweise auch für die Ausrichtung des Cotonou-Abkommens und die Abschaffung des Ministerrates für Entwicklungszusammenarbeit. Hier muss die nach der nächsten Europawahl eingesetzte Kommission, neue Akzente setzen. Damit dies passieren kann muss die Regierungskonferenz, die über eine EU-Verfassung befinden soll, die Richtung vorgeben. Der Europäische Konvent über die Zukunft Europas hat einen Entwurf zur Europäischen Verfassung im Juli 2003 angenommen. Der Cercle und seine Mitglieder begrüßen die positiven Resultate des Konvents. Menschenrechte und die Beseitigung der Armut zählen jetzt wieder zu den strategischen Herausforderungen der EU. Wir begrüßen die Betonung der Beseitigung der Armut als Ziel der Europäischen Union sowie die Schaffung eines legalen Rahmens für Entwicklungs- und Katastrophenhilfe in Drittländern sowie die angestrebte Kohärenz von Außenpolitik und allen europapolitischen Bereichen die Entwicklung betreffen. Es bleibt jedoch zu viel Raum zur freien Interpretation bezüglich des Stellenwertes der verschiedenen Bereiche der Außenpolitik zueinander. Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 25 Deshalb fordern wir von der zukünftigen Regierung und vom Parlament: Die spezifischen Ziele in den Bereichen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie der Entwicklungshilfe müssen besser ausgearbeitet werden. Die Entwicklungszusammenarbeit muss als eigenständiger und für die Identität der EU wesentlicher Politikbereich bestehen bleiben. Entwicklungszusammenarbeit basiert auf den Prinzipien von Unabhängigkeit, Neutralität und Unparteilichkeit. Die spezifischen Ziele von Entwicklungshilfe und humanitärer Hilfe können nicht entsprechend in den europäischen Politikbereiche berücksichtigt werden, wenn die Struktur der Entscheidungsfindung nicht klar genug definiert ist. Der Verfassungsvertrag sollte die Schlüsselwerte auf denen die Europäische Union basiert widerspiegeln: soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Gleichberechtigung, Respekt der Menschenrechte. Diese Werte dürfen jedoch nicht den Sicherheitsaspekten im „globalen Krieg gegen den Terrorismus“ untergeordnet werden. Deshalb sollte die Regierung sich während der anstehenden Konferenz für folgende Schwerpunkte einsetzen. - Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe dürfen nicht der europäischen außen-, sicherheits- und handelspolitischen Tagesordnung untergeordnet sein. Europäische Hilfe ist kein Instrument um die Eigeninteressen der EU zu schützen. - Die humanitäre Hilfe der EU muss die Prinzipien von Neutralität und Unparteilichkeit berücksichtigen, sowie die Autonomie der NGOs beachten. - Um diese Ziele umzusetzen, braucht die zukünftige Kommission einen Kommissar für Entwicklungszusammenarbeit, der durch eine Generaldirektion in der Kommission unterstützt wird. Der Kommissar für europäische Außenpolitik muss die Politikbereiche seiner Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 26 Kommissions-Kollegen respektieren und darf sich nicht über die Außenbeziehungen hinaus einseitig in deren Bereiche ein mischen. - Die im europäischen Entwicklungsfonds vorgesehenen Gelder für AKP-Staaten müssen auf Dauer gesichert sein um eine langfristige Entwicklungsperspektive in diesen Ländern zu ermöglichen. Die Rolle des Parlamentes sollte in diesem Bereich gestärkt werden. Die Regierung sollte außerdem Sorge tragen, dass die Bevölkerung in einer transparenten und fairen Art und Weise über die Diskussionen der Regierungskonferenz unterrichtet wird und ihre Forderungen in diesen Diskussionen berücksichtigt werden. Ausgearbeitet vom Cercle de Coopération des ONGD de Développement 13, av. Gaston Diderich L-1420 Luxembourg tél.: 26 02 09 11 fax: 26 02 09 26 mail: [email protected] web: www.cercle.lu Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 27 November 2003 Entwicklungspolitisches Memorandum für die Wahlen von 2004 28