I. Wir stehen vor folgender Ausgangssituation

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Positionspapier zur Volksbefragung
über die Beibehaltung der Wehrpflicht und des Zivildienstes oder
die Einführung eines Berufsheeres mit bezahltem freiwilligen Sozialdienst
Die Bundesvereinigung der Milizverbände begrüßt die öffentlich geführte Debatte über die
Landesverteidigung und insbesondere des Bundesheeres. Der derzeitige Zustand mit der
verfassungswidrigen Verstümmelung des Milizsystems und der missbräuchlichen
Handhabung der allgemeinen Wehrpflicht ist sicher die schlechteste aller Varianten.
I. Wir stehen vor folgender Ausgangssituation:
Die österreichische Bundesverfassung legt im Artikel 79 Abs. 1 und im Wehrgesetz § 2Abs.
1 lit. a klar und eindeutig fest, dass die militärische Landesverteidigung vom Bundesheer
wahrzunehmen und nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten ist.
Milizsystem bedeutet:
- eine personelle Zusammensetzung der Streitkräfte mit Masse aus aufwuchsfähigen
Milizkräften (beorderte Reservisten) im Rahmen bzw. im Zusammenwirken mit einer
kleineren Anzahl von präsenten Berufssoldaten;
- einen kurzen Grundwehrdienst und wiederkehrende Milizübungen (beorderte
Reserve) sowie
- die Formierung von Streitkräften, die im Wesentlichen aufwuchsfähig sind, und
jeweils bei Bedarf eingesetzt werden.
Grundsätzlich verfügt Österreich als kleines neutrales Land, das keinem militärischen
Bündnis angehört, über ein jahrzehntelang erprobtes System: eine gesunde Mischung aus
Berufs-Zeit- und Milizsoldaten, basierend auf der allgemeinen Wehrpflicht. Im Frieden klein,
kostengünstig, überschaubar, kann es jederzeit bei Gefahr rasch hochgefahren und
professionell und nachhaltig eingesetzt werden.
Der ursprüngliche Mobilmachungsrahmen des Bundesheeres („HG 72“) betrug 200.000 bis
240.000 Mann, erweiterbar auf 300.000 Mann. Die Heeresstärke hat sich aus etwa 25.000
Berufsbediensteten (Offiziere, Unteroffiziere, Vertragsbedienstete) und Reservisten
(Milizkräfte) zusammengesetzt (Verhältnis Berufssoldat zu Milizsoldaten = 1 : 10). In den
nachfolgenden Jahrzehnten wurden aufgrund geostrategischer Veränderungen in ganz
Europa die Heeresstärken reduziert. Das österreichische Bundesheer wurde sukzessive auf
180.000, dann 120.000, 90.000 und schließlich auf 55.000 Mann Gesamtstärke verkleinert
(Verhältnis Berufsanteil zu Milizanteil = 1:1!!!).
Das Milizsystem als Organisationsprinzip des Bundesheeres ist nach wie vor in der
Verfassung verankert. Tatsächlich wurde faktisch immer nur die Miliz reduziert, und die
Rahmenbedingungen des Grundwehrdienstes (GWD) wurden so gestaltet, dass die
Motivation unter den Rekruten immer schlechter wurde. Entgegen allen Beschlüssen von
Bundesheerreformkommissionen wurde die Ausbildung weder verbessert noch für die GWD
attraktiver gemacht. Die Wehrdienstzeitverkürzung, die Abschaffung der verpflichteten
Truppenübungen und die bis heute nicht erfolgte Aufteilung der zur Verfügung stehenden
sechsmonatigen Dienstzeit in Ausbildung und Übungen haben das Milizsystem als
Organisationsprinzip des Bundesheeres zerstört und auch die allgemeine Wehrpflicht ihres
Sinnes beraubt. Über blieb ein Heer von Beamten und Vertragsbediensteten, das in seiner
Entwicklung keine Zukunft hat und in weiterer Folge die nunmehr stattfindende
Grundsatzdiskussion hervorgerufen hat.
Fazit: Das Bundesheer wurde durch ein Systemversagen und durch eine zu geringe
Budgetierung in seinen jetzigen, traurigen Zustand versetzt. Nachdem Plebiszit ist in jedem
Fall das Bundesheer neu zu organisieren.
II. Wie soll aus Sicht der Bundesvereinigung der Milizverbände das
Bundesheer der Zukunft aussehen?
Wir gehen von der Verfassung aus und orientieren uns an der Schweiz. Die Armee ist die
letzte Instanz zur Verteidigung der Demokratie und der territorialen Souveränität im Land.
Die Armee ist auch das letzte Mittel zur Aufrechterhaltung von Sicherheit, Recht und
Ordnung. Der Schutz des Landes als Lebensraum einschließlich der Infrastruktur, des
öffentlichen und privaten Eigentums, der Institutionen und verfassungsmäßigen
Einrichtungen, auch der Schutz vor völkerrechtswidriger und/oder krimineller Gewalt ist in
letzter Konsequenz eine nicht delegierbare Aufgabe des Bürgers. Im Grundverständnis eines
kleinen, neutralen Staates können diese Kernaufgaben aus unserer Sicht nicht an Söldner
oder Freiwillige abgeschoben werden.
Auch wenn die immerwährende Neutralität Österreichs schon einigermaßen ausgehöhlt
wurde, so ist sie ein Kernbestand der österreichischen Bundesverfassung. Sie ist im
Bewusstsein der österreichischen Bevölkerung und seiner Kultur fest verankert. Es ist uns
daher auch nicht möglich, mit anderen Staaten oder mit Verteidigungsbündnissen Synergien
einzugehen; deshalb haben wir unseren Souveränitätsschutz auf dem Boden und in der Luft
ganz allein und eigenständig wahrzunehmen.
Alle im Wehrgesetz verankerten Aufgaben des Bundesheeres sind und bleiben aktuell. Das
sind: der klassische militärische Territorial- und Souveränitätsschutz, Katastrophenhilfe und
auch Auslandseinsätze im Rahmen internationaler Organisationen. Dazu kommen
Assistenzleistungen bei sicherheitspolitischen Einsätzen, das sind militärische
Sicherungsaufgaben für die kritische Infrastruktur von Regierungs- und Verwaltungszentren,
Wasser- und Energieversorgung, Flughäfen, Bahnlinien, Verkehrswege und Verkehrsknoten,
Medien und vieles mehr. Keiner dieser Aufträge ist ökonomisch sinnvoll mit einem
Berufsheer zu bewältigen. Für sämtliche Aufgabenfelder eines kleinen, neutralen Landes
sprechen alle Fakten für die allgemeine Wehrpflicht und gegen ein Berufsheer.
Auch das künftige Bundesheer soll nach den Grundsätzen eines Milizsystems eingerichtet
sein. Milizsystem heißt Mischsystem: präsente Kräfte für den Betrieb der
Friedensorganisation, wie Ämter, Behörden, Stäbe, Kommanden und Spezialaufgaben, wie
Luftraumüberwachung, Geheimdienste und ähnliches. Die jeweils benötigten Truppen und
Verbände kommen aus der beorderten Miliz. Dies hat den Vorteil, dass immer nur so viel
Bundesheer präsent ist (und bezahlt werden muss) wie man jeweils benötigt. Ein so kleiner
Teil wie nötig als Präsenzorganisation (Berufs- und Zeitsoldaten) und die rasch aufbietbare
beorderte Miliz je nach qualitativem und quantitativem Bedarf. Für ein neutrales,
bündnisfreies Land ist dies das kostengünstigste und effektivste System.
Die Bundesvereinigung der Milizverbände hält den von Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger
präsentierten „Österreichdienst“ für ein brauchbares Konzept. Grundsätzlich müssen alle
erwerbsfähigen jungen Männer der Wehrverpflichtung möglichst ohne Ausnahme
nachkommen.
Für den Soldatendienst benötigen wir strenge Tauglichkeitsbestimmungen. Freie
Wahlmöglichkeit soll es für die Systemerhaltung im Heer, die Katastrophenhilfe oder
Zivildienst geben. Der Soldatendienst setzt sich aus einem sinngebenden, erlebnisreichen
und fordernden Ausbildungsdienst mit privat nutzbaren Qualifikationsmöglichkeiten (wie
Computerführerschein, Selbstverteidigungskurs, Sprachkurs etc.) und Übungen – für den
Milizeinsatz – zusammen.
Beschränkt Taugliche können als Systemerhalter in einem durchdienen. Jene, die sich zur
Katastrophenhilfe melden, können dort nach einer allgemeinen, kurzen Grundausbildung
eine qualifizierte Fachausbildung erfahren und so auch in weiterer Folge eine wertvolle
Rekrutierungsbasis etwa für die Freiwillige Feuerwehr bilden. Der Zivildienst könnte nach
einem Prioritätenkatalog – je nach Anzahl der zur Verfügung stehenden jungen Männer auch für weitere gemeinnützige Organisationen (Tierschutz, Natur, Umwelt) geöffnet werden.
III. Argumentationen und Standpunkte
Staatsaufgabe Sicherheitspolitik: Die Sicherheitspolitik gehört zu den primären
Kernaufgaben des Staates, die weder – an wen auch immer – auslagerbar noch delegierbar
ist. Dazu gehört die Landesverteidigung in ihrem gesamten Aufgabenspektrum, wie
Souveränitätsschutz und Schutz des Territoriums, Schutz kritischer Infrastruktur, Helfen, wo
andere nicht mehr können, Katastrophenhilfe, Assistenzeinsätze oder auch Hilfeleistungen
im Ausland. Jedes Land muss aufgrund seiner Rahmenbedingungen selbst klären, welche
Wehrform für die jeweils konkreten Aufgabenstellungen die beste ist.
Für ein neutrales Land, das weder der NATO noch einem anderen Verteidigungsbündnis
angehört und angehören darf, für ein Land, das Vollbeschäftigung hat und aufgrund der
topografischen Lage häufig mit Naturkatastrophen und Elementarereignissen rechnen muss,
ist die allgemeine Wehrpflicht mit einem Milizsystem ein demokratiepolitisch
wünschenswertes, effizientes und auch kostenmäßig zweckmäßiges System.
Vermeintlicher Trend Berufsheer: Die Entscheidung für ein Berufsheer kann für ein Land
stimmig sein, aber dann mit allen notwendigen Konsequenzen. Eine Rolle spielen die Größe
des Landes, die Zusammensetzung der Bevölkerung, die Beschäftigungssituation, ein
ausreichendes Heeresbudget, die Mitgliedschaft in einem Verteidigungsbündnis und vieles
mehr.
Tatsächlich sind nahezu alle Staaten mit Berufsarmee NATO-Mitglieder.
Das „Pisa-Wunderland“ Finnland hingegen sieht in der Wehrpflicht den integralen Bestandteil
seines staatlichen Selbstverständnisses und denkt nicht daran, davon abzugehen. Belgien
bezeichnet den Verlust des Kontaktes zur Bevölkerung als Hauptgrund für die
Nachwuchsprobleme; ähnliches gilt auch für Ungarn, die Slowakei und Slowenien.
Die Schweiz hält Wehrpflicht und Milizsystem zur Umsetzung ihrer Sicherheitspolitik für
unverzichtbar und ein Berufsheer mit dem Status der Neutralität für Inkompatibel. Überdies
birgt die Topografie Österreichs bei aller Schönheit des Landes auch Gefahren: Unwetter,
Lawinen, Hochwasser, Vermurungen etc. erfordern immer wieder auch das Bundesheer,
wenn zivile Rettungskräfte nicht mehr weiter können.
Berufsheere stellen keine Profisoldaten: Berufsheere können bestenfalls für das
Führungspersonal marktadäquate Gehälter bezahlen. Die Mannschaften sind entweder
überhaupt nicht rekrutierbar oder aus gesellschaftlichen Randschichten und rekrutieren sich
aus am Arbeitsmarkt unvermittelbarem Personal.
Dem gegenüber ist ein Milizwehrpflichtheer das Spiegelbild der Bevölkerung. Es rekrutiert
sich aus allen Bevölkerungsschichten und Berufen. Egal, für welchen Einsatz das
Bundesheer Wehrpflichtige rekrutiert, es kann durch die Miliz jeweils „ins Volle“ greifen.
Handwerkliche Berufe aller Sparten, Techniker, EDV-Spezialisten oder Akademiker aller
Wissensgebiete kommen aus der Miliz mit dem jeweils auf dem Markt verfügbaren besten
Know-how und bringen dies auch für die jeweiligen Aufgabenstellungen in das Heer ein. Die
Mischung aus militärischem Fachpersonal und der zivilen Kompetenz der Milizsoldaten
ergibt so die bestmögliche Professionalität.
Welche Phänomene kennzeichnen Berufsheere: Alle Berufsarmeen leiden darunter, dass sie
kaum geeignete Soldaten rekrutieren können. Tschechien und die Slowakei haben große
Probleme, die Bündnisverpflichtungen zu erfüllen. US-Verteidigungsminister Robert Gates
beklagt die wachsende Distanz zwischen Bevölkerung und Militär: „Mit der Zeit besteht das
Risiko, dass sich ein Kader von Militärführern herausbildet, der politisch, kulturell und
geografisch immer weniger gemein hat mit den Leuten, auf deren Verteidigung sie ihren Eid
abgelegt haben.“
Die Briten rekrutieren Häftlinge, die wegen Vergehen mit einem Strafrahmen von maximal 5
Jahren einsitzen; ein hoher Anteil von Militärpolizei hat die Aufgabe, diese Soldaten unter
Kontrolle zu halten.
Spanien muss trotz Rekordarbeitslosigkeit Söldner in Südamerika rekrutieren und setzt die
Aufnahmekriterien auf den IQ 75 herab. Die Slowaken erreichen nur 78 % Befüllungsgrad. In
Lettland konnte nur eine drastische Erhöhung des Soldes eine Abrüsterwelle stoppen. Die
Niederlande konnten nur 85 % rekrutieren, davon meist unqualifiziertes Personal. Auch in
Schweden liegen die Rekrutierungszahlen weit unter den Erwartungen.
In einer Wehrpflichtigenarmee hingegen wird der Großteil der Soldaten von Rekruten aus der
Bevölkerung gestellt, die wieder ins Zivilleben zurückkehren.
Es gibt keine „Freiwilligenmiliz“: Ohne Wehrpflicht gibt es keine Miliz. Die Miliz ist ein Kind
der allgemeinen Wehrpflicht. Eine „Freiwilligenmiliz“ ist eine Söldnertruppe. Geld allein wird
in erster Linie weniger Qualifizierte anlocken. Nur durch eine allgemeine Wehrpflicht entsteht
die Miliz als repräsentativer Staatsbürger in Uniform. Die Miliz ist auch ein gesellschaftliches
Korrektiv zum Berufsheer. Dienstrechtlich weisungsabhängige Berufsheere repräsentieren
nicht den Bürger in Uniform.
Insbesondere bei einem Heereseinsatz zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im
Inneren tragen die allgemeine Wehrpflicht und das Milizheer erheblich zur notwendigen
gesellschaftlichen Integration, Legitimation und zum Vertrauen bei. Geschichte und
Gegenwart (etwa die Revolution im arabischen Raum) zeigen, wie wichtig es ist, dass das
Heer im Volk verankert und kein willenloses Werkzeug von Machthabern ist.
Norbert Darabos kann wohl widerrechtlich und willkürlich einen General absetzen, aber es
soll niemals ein Minister oder eine Regierung ein Berufsheer gegen das eigene Volk
einsetzen können. Wer will gerne in einem Land leben, in dem sich die bewaffnete Macht
nicht aus Mitbürgern zusammensetzt, die ein Spiegelbild der Bevölkerung ist. Eine
Faustformel ist, dass zivile Schlüssel- und Führungskräfte im Frieden ihrem Land auch bei
Krisen und Bedrohungen zur Verfügung stehen – eben als Bürger in Uniform.
Die allgemeine Wehrpflicht ist ein Privileg: Es ist immer einfacher, jemandem etwas zu
versprechen, als jemandem etwas abzuverlangen. Auch im höchstentwickelten
Gemeinwesen gibt es „Verpflichtungen“, etwa Steuerpflicht, Schulpflicht oder Zeugenpflicht.
Aber auch mehr „Umverteilung“ ist natürlich eine Zwangsmaßnahme des Staates. Auch hier
wird der Einzelne nicht gefragt, ob er mit einem höheren Steuersatz zum Gemeinwohl
beitragen will. So gesehen ist die Wehrpflicht eine sehr demokratische Verpflichtung, denn
jeder männliche Bürger, ob arm oder reich, ob aus der Stadt oder vom Land, unabhängig
von seiner gesellschaftlichen Herkunft, leistet den gleichen persönlichen Dienst für das
Gemeinwohl. In früheren Zeiten war es lediglich dem Adel oder den „Reichen“ vorbehalten,
sich mit der Waffe zu verteidigen. Es war eine Errungenschaft und das Ergebnis
jahrhundertelanger Revolutionen und Freiheitsbewegungen, dass die Bewaffnung im Staat
ein allgemeines Recht wurde; eben daraus entwickelte sich die allgemeine Wehrpflicht.
Der heutige Ruf nach „Befreiung von Zwangs- und Pflichtdiensten“ entspricht einem
schäbigen Motiv, nämlich jenem, dass es schon genug Dumme geben werde, die sich für
notwendige Pflichten finden würden. Das Florianiprinzip und eine
Universalversorgungsmentalität, die alle Leistungen des Staates zum Nulltarif beansprucht
und dann bei den Pflichten auf andere zeigt, dies ist eine Haltung von
Verantwortungslosigkeit und Egoismus; Politik muss in erster Linie das Allgemeinwohl
vertreten und nicht den persönlichen Eigennutzen.
Das freiwillige Sozialjahr ersetzt keinesfalls den Zivildienst: Eine wesentliche Kernfunktion
der allgemeinen Wehrpflicht ist die Rekrutierungsbasis von Nachwuchs. Das gesamte
derzeitige österreichische Bundesheer, ob Berufs- oder Milizsoldaten, rekrutierte sich bisher
aus der allgemeinen Wehrpflicht. Nur ganz wenige sagen, sie hätten auch ohne allgemeine
Wehrpflicht den Soldatenberuf ergriffen. Faktum ist, dass die meisten erst über die
allgemeine Wehrpflicht „hängen bleiben“.
Ähnlich verhält es sich beim Zivildienst. Die Rettungsorganisationen berichten, dass jeder
zweite Zivildiener, der aus dem „Zwangsdienst“ kommt, in weiterer Folge freiwillig dabei
bleibt. Wenn der Zivildienst fällt, dann werden auch diese Freiwilligen ausbleiben. Die
erhofften neu zu rekrutierenden „Freiwilligen“, die des Geldes wegen kommen, sind oft nicht
die richtigen.
Ähnlich wie beim Berufsheer fehlt bei diesen Freiwilligen jegliche Planbarkeit. Durch die
geplante Bezahlung von künftigen „Freiwilligen“ werden die in Österreich besonders große
Freiwilligengesinnung und das Ehrenamt desavouiert: 44 % der österreichischen
Bevölkerung leisten Freiwilligenarbeit in einem Ehrenamt. Ob in Blaulichtorganisationen
(Freiwillige Feuerwehr, Rotes Kreuz, Bergrettung, Wasserrettung etc.), ob in Umwelt-, Naturoder Tierschutzorganisationen, in Sozialorganisationen, im Gesundheitsbereich oder in der
Altenbetreuung, im Sport- und Kulturbereich. Diese Freiwilligenarbeit entspricht 425.000
Vollzeitäquivalenten oder 15 Mio Arbeitsstunden wöchentlich. Österreich würde nicht über
seine hohe Lebensqualität verfügen, ohne den unentgeltlichen Einsatz der Freiwilligen. In
sehr hohem Ausmaß ist die allgemeine Wehrpflicht die Rekrutierungsbasis für die
militärischen, gesellschaftlichen und sozialen Dienste. Eine Infragestellung ist daher auch ein
Anschlag auf die Freiwilligentätigkeit in Österreich und bewirkt eine Entsolidarisierung der
Gesellschaft. Wer ohne jede Not hier einen Keil hineintreibt, in dem ein Teil bezahlt werden
soll, währenddessen die anderen alles umsonst machen, handelt unverantwortlich, fördert
Egoismus und eine Mentalität zur All-inclusive-Gratisgesellschaft.
Wohin führt der Ruf nach einem Berufsheer: Jedes Berufsheer ist erheblich teurer als ein
Wehrpflichtheer und erfordert umfangreiche legistische Begleitmaßnahmen. Eine politische
Beschlussfassung zu einem Berufsheer führt in der Realität rascher Zeit zum Ende der
bewaffneten Landesverteidigung in Österreich. Angesicht der politischen Befürworter dieser
Forderung liegt die Vermutung nahe, dass gerade diese Entwicklung beabsichtigt ist.
Bisherige Beorderungen von Milizsoldaten erlöschen bei Systemwechsel auf Berufsheer: In
den bisher bekannt gewordenen Berufsheermodellen geht man offenbar davon aus, dass die
derzeit beorderten Milizsoldaten „sang- und klanglos“ übernommen werden können. So liest
man im SPÖ-„Modelle für die Zukunft“, dass neben 10.000 Personen für „Freiwilligenmiliz“
zusätzlich für „Worst-case-Fälle“ die beorderte Miliz (Mobilmachungsstärke 55.000 Mann),
also etwa 23.000 Mann zur Verfügung stehen wird. Ähnliches liest man in Modellen des
Ministerbüros Darabos.
Seitens der Bundesvereinigung der Milizverbände wird darauf hingewiesen, dass sämtliche
Beorderungen des Milizstandes bei einem Systemwechsel automatisch wegfallen müssen.
Sämtliche Soldaten Österreichs, ob Berufssoldaten, Zeitsoldaten, Milizsoldaten oder
Reservisten kommen aus dem System „allgemeine Wehrpflicht“. Sollte sich die Republik
dazu entschließen, die verfassungsmäßigen Vorgaben für die Aufstellung des Bundesheeres
(allgemeine Wehrpflicht, Milizprinzip) aufzugeben, fallen wesentliche Grundlagen für die
seinerzeitige Verpflichtung als Milizsoldat weg. Wie jeder Vertrag bei Wegfall wesentlicher
Geschäftsgrundlagen erlischt, so müsste das neue Berufsheer selbstverständlich bisher
Beorderte neu anwerben.
Warum engagiert sich die Miliz: In einer Onlinebefragung unter 3.678 repräsentativen
Milizsoldaten hat das Linzer Sozialforschungsinstitut Public Opinion die Beweggründe für
das Milizengagement erhoben: Idealismus gegenüber dem Staat Österreich und
Kameradschaft sind die wichtigsten Motive. Erwartet werden „eine sinnvolle Aufgabe“ (der
Bevölkerung helfen), und „Interessantes erleben“ . Vom Milizverband werden die
Verteidigung der Miliz und die Vertretung auf politischer Ebene erwartet.
Wie ist die Rolle der oberen Staatsorgane: Die „große Politik“ hat sich seit Jahren nicht mehr
um das Bundesheer gekümmert und jede Beziehung dazu verloren. Die Bundeskanzler der
letzten Jahrzehnte waren befreit, untauglich oder – wie der jetzige – gar
Wehrdienstverweigerer. Aber auch die fachliche Kompetenz und Einstellung zum Heer nahm
bei den Verteidigungsministern nach Otto Rösch und Robert Lichal stets ab. Trauriger
Höhepunkt dieser Entwicklung ist Norbert Darabos, unter dessen Ministerschaft das
Bundesheer größten materiellen und immateriellen Schaden erlitten und der die nunmehrige
Sinnkrise heraufbeschworen hat. Gut gemeinte, aber wirkungslos gebliebene mahnende
Worte des Herrn Bundespräsidenten konnten diese Entwicklung nicht beeinflussen.
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