Kommunikation – der soziale Ort der Selbstfindung

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Das Verstehen lernen und das Lernen verstehen –
Die Schule im Prisma der gesellschaftlichen Kommunikation
Thomas A. Bauer
Die Schule als einen Ort der Kommunikation zu verstehen und zu analysieren, wäre keine
angemessene Herausforderung, wenn man einer solchen Analyse ein simples, apparatives,
instrumentelles und strukturelles Kommunikationsmodell zu Grunde läge, dem entsprechend
Kommunikation (lediglich) ein in halbwegs einverständlicher Beziehung geglückter Vorgang
wäre, über den Wissen (wie Information) so transportiert würde, dass sie auch dort ankommt,
wohin man sie richten wollte: Lernverständigung. Die Herausforderung, aber auch der
Erkenntnisgewinn sind viel größer, wenn man Kommunikation als kulturelles Phänomen
versteht, das sich, weil eben Kultur, nur aus sich kultürlich erklären lässt als jene soziale
Praxis, durch die Menschen sich zu Wirklichkeiten und deren Deutungen vereinbaren. Dann
stellen sich nicht Fragen der Technik oder der Technologie des Lernens, sondern der Kultur,
also der Bildung von Kommunikation und der Kommunikation von Bildung. Das schließt von
Anfang an eine ethische und ästhetische Dimensionen mit ein. Gesellschaften überleben
kulturell ja nur durch ihr ethisches und ästhetisches Programm im Hinblick auf ihren
Umgang mit ihren sozialen und symbolischen Umwelten. Wo diese außerhalb der Reichweite
von alltäglicher gesellschaftlicher Kommunikation gelangen oder (mitunter sogar absichtlich)
außer Reichweite gestellt werden, entsteht ein moralisches Vakuum, das nicht nur den
Einzelnen ratlos, sondern auch die Gesellschaft perspektivenlos macht. Da diese alltägliche
Repräsentation des impliziten kulturellen Programms einer Gesellschaft zu gegebenen Zeiten
zunehmend durch Medienkommunikation expliziert wird, stellt sich die Frage nach dem
(eigentlichen) Ort der kommunikativen Selbstbestimmung der Gesellschaft: Schule und
Medien stehen in diesem Kontext vermutlich zueinander in einem dialektischen Verhältnis.
Man kann heute nicht mehr von der Schule sprechen ohne zugleich ihre strukturelle und
kulturelle Medienverbindung mitzudenken.
In einer Mediengesellschaft gibt es keine medienfreie Existenz von Menschen, von Wissen,
von Themen oder von Ereignissen oder von – eben – Institutionen. Im Sinne eines
sozialtheoretisch (nicht apparatetheoretisch) konzipierten Medienbegriffs, in dem erst der
Gebrauch von Medien eben diese zu sozialen Vermittlungskontexten macht (Bauer 2003:157)
macht es mittlerweile Sinne, nicht mehr von Bildungsmedien, sondern von Medienbildung zu
sprechen, nicht mehr von Religionsmedien, sondern von Medienreligion, nicht mehr von
Politikmedien, sondern von Medienpolitik. In diesem Sinne muss man nicht mehr davon
sprechen, dass Bildung die Medien für sich instrumentalisiert. Es ist längst andersrum: Die
Medien instrumentalisieren Bildung, was sozialtheoretisch formuliert heißt: im Gebrauch von
Medien konstruiert die Gesellschaft die Welt der Bildung, der Religion, der Politik etc. Der
Mediendiskurs interveniert in alle anderen Diskurse, vor allem in jene der Bildung. Die
Kommunikation der Gesellschaft ist erst dann kulturell gesichert, wenn die Gesellschaft von
sich eine kulturelle Konzeption als eine Gesellschaft der Kommunikation hat. Kultur braucht
Kommunikation wie Kommunikation Kultur braucht. Beide Momente begründen sich
gegenseitig im Kontext der sozialen Praxis – und nur in diesem macht es Sinn die Schule als
einen Ort gesellschaftlicher Kommunikation zu reflektieren.
Ich verstehe Ort als einen Raum des Geschehens und als Konzentration der Ressourcen des
Lebens. Und Kommunikation als Begegnung von Menschen, die zueinander finden, weil sie
etwas verbindet, das sie (zugleich) voneinander unterscheidet: Wissen und Erfahrung. Es
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braucht Orte der sozialen und kulturellen Praxis, die in der Lage sind, das Unterschiedliche
zu vereinbaren und gemeinschaftlich zu rahmen. Um die Qualität solcher Orte (Schule)
kritisch zu reflektieren, braucht es also ein Kulturmodell von Schule. Ein solches entsteht
theoretisch aus der Bestimmung des Verhältnisses von Kultur und Gesellschaft. Das eine wird
das andere (nur) durch Kommunikation. Gesellschaften gewinnen kulturelles Format durch
deren Kommunikation, Gesellschaften finden kommunikative Identität (nur) durch deren
Kultur. Die Schule ist – normativ beschrieben - der Ort, an dem das eine durch das andere
und das andere durch das eine in ein Format von Bildung gebracht werden kann.
Thematisiert man Schule als Ort der Kommunikation, dann gerät jede Analyse in diesem
Kontext gewissermaßen zu einer Topologie der kommunikativen Qualität von Bildung (des
Lernens)und zugleich der Bildungs- und Lernleistungen der (schulischen) Kommunikation.
Dabei muss man wohl mehrere, einander zwar verbundene, in ihrer Funktionalität aber doch
unterschiedliche Kommunikationsräume aufsuchen, die des begrenzten Rahmens wegen hier
leider nur skizziert werden können. Sie alle aber sind Bauelemente der kommunikativen
Architektur der Institution Schule. Und alle sind sie zugleich tragende Säulen der
gesellschaftlichen Funktion dieser Institution, die ja nur im Wege der Kommunikation
glaubwürdig und nachhaltig dargestellt werden kann.
Schule als Lebenswelt:
Schülerinnen und Schüler verbringen einen Großteil ihrer Zeit in der Schule und mit
der
Schule. Sie ist der Bezug, der ihren Lebenszusammenhang weitgehend bestimmt, in dem sie
ihre Identität profilieren, ihre Vorstellungen ausprägen und im Umgang mit Kollegen und
Kolleginnen, mit Freundinnen und Freunden sowie mit Lehrerinnen und Lehrern testen. Der
Ort, an dem Menschen sich befinden und an dem sie mit dem Rest der Welt kommunikativ
verbunden werden, wird stets als
Ausgangspunkt zur Orientierung im sozialen Raum
gesehen, er ist der „Nullpunkt jenes Koordinatensystems, innerhalb dessen die
Orientierungsdimensionen die Distanzen und Perspektiven der Gegenstände in dem (mich)
umgebenden Feld bestimmt werden“ (Schütz/Luckmann 2003: 71). Die Schule ist in diesem
Kontext aber auch als eine Agentur der Sozialisation zu betrachten, die ihrerseits nicht ein
isolierter oder isolierbarer Vorgang zwischen Schule und Schüler zu sehen ist, sondern als
eine über kommunikative Erfahrungen ermittelte Orientierung an Vorgaben, Werten,
Normen, die zwischen Globalisierung (Hepp/Krotz/Winter 2005:7), reflexiver
Modernisierung (Beck/Bonß/Lau 2001:22) und Mediatisierung auszubalancieren ist. Gerade
der zuletzt genannte Faktor der Mediatisierung der Sozialisation bedarf einer eingehenden
Analyse. Massenmedien, erst recht Netzmedien etablieren sich in diesem Kontext zunehmend
als Partner oder auch als Konkurrenten von Schule. In jedem Falle aber werden
Mediendiskurse von Jugendlichen zunehmend als jene Referenzgröße gewählt, die auch über
die Gültigkeit anderer Erfahrungsquellen (Familie, Schule, Primärgruppen) entscheiden. Eine
eingehendere Analyse müsste sich einlassen auf die komplexe Mischung der Diskurse aus
Alltagswelt, Milieu und Medien und könnte sich konzentrieren auf die Analyse des
Kommunikationsklimas und dessen Auswirkungen auf Vorgänge wie z.B. Identitätsfindung,
Sozialisation, Persönlichkeitsbildung, Lernklima, Stress, Traumatisierungen bis hin zu
Fragen von schulisch generierter oder animierter Aggression und Gewalt.
Lehrer-Schüler-Kommunikation:
Organisationen brauchen ein formalisiertes Kommunikationsmodell, um den informellen
Beziehungen einen Rahmen zu geben, innerhalb dessen der Verständigung schaffende Wert
der Beziehung bestmöglich ausgeschöpft werden kann. Die Verständigung zwischen
Lehrern und Schülern hat einen formalen Oberstrom, zugleich einen informellen
Unterstrom. Dieses Modell spielt darauf an, dass es ein öffentliches, allen einsichtiges
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Regelwerk der Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler gibt, dass diese Formalisierung
aber entscheidend beeinflusst wird von der informellen, in hohem Maße emotional geladenen
Beziehung. Um diese zu erklären oder deren Wirkungsstärke zu definieren, wurden schon
viele, vor allem, psychologische oder auch tiefenpsychologische Muster bemüht (Beispiel:
Club der toten Dichter) auf die im Rahmen dieser kurzen Abhandlung nicht eingegangen
werden kann. Festzuhalten aber bleibt, dass ein
organisatorisches
Regelwerk
das
Universum der (zwischenmenschlichen)
Kommunikation und dessen Wunsch- und
Enttäuschungswelten niemals in der Lage ist hinreichend einzufangen. Die formale
Kommunikation ist institutionell definiert, in Rollen strukturiert und wird durch die
Organisation kontrolliert. Sie dient der Objektivierung der Vermittlung von Wissen und der
Gestaltung einer sozialtechnisch strukturierten Lernumgebung. Sie lebt und leidet aber, wie
man weiß, von und an der Qualität der informellen Beziehung zwischen Lehrer und Schüler.
So sehr die Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern zu deren persönlicher
Orientierung und Sicherheit formalisiert und geregelt ist, so sehr ist sie aber auch durchmischt
von Faktoren der zwischen- menschlichen, vor allem der emotionalen Beziehungen zwischen
ihnen. Weil diese informellen Beziehungsvorgänge in unserer
gesellschaftlichen Kultur
(immer noch) ein essentieller Faktor im Aufbau
von Vertrauen sind, kommt ihnen im
Rahmen der Erfolgsbetrachtung der Lehr-Lernkommunikation auch eine hohe Bedeutung zu.
Eltern- Schule - Kommunikation:
Familie und Schule werden in unserer Gesellschaft nicht als zufällige,
sondern als gewollte
und daher auch gesellschaftlich geschützte und
strukturierte Einrichtungen gesehen, deren
unterschiedliche Leistungen in vielen Dimensionen aber doch auf gemeinsame Nenner
treffen, vor allem auf den der individuellen Bildung des Nachwuchses. Indem hier Bildung als
gemeinsame Aufgabe angesprochen wird, wird deutlich, dass sich Familie und Schule die
Verantwortung von Wissenserwerb und
persönlicher Erziehung teilen (Franke-Gricksch
2001) Schule und Familie, Lehrer und Eltern brauchen also eine Verständigung darüber, wie
und in welcher Weise sie
sich diese Bildungsaufgabe teilen. Dass sich dieses funktionale
Verhältnis zwischen Schule und Familie historisch wandelt, liegt ebenso auf der Hand wie die
Tatsache, dass sich in dieses Verhältnis auch andere, weitere Spieler einmischen, vor allem
Kirchen, Parteien, wirtschaftliche Institutionen, last but not least Medien. Trotz dieser und mit
diesen Rahmenbedingungen ist die Verständigung zwischen Eltern und Lehrern ein
wesentliches Moment der kreativen Nutzung des Kommunikationspotenzials einer Schule.
Schule – lokale Umwelt – Öffentlichkeit:
In einer Wirtschafts- Medien- und Wissensgesellschaft brauchen auch Institutionen
wie
Schulen gesellschaftliche Akzeptanz und öffentliche Aufmerksamkeit. Sie agieren auf einem
wettbwerblich organisierten Markt der Bildungsangebote, die in sich wieder in hohem Maße
diversifiziert sind. Gerade die zunehmende Ausdifferenzierung von Bildungsprogrammen
braucht eine kritische Öffentlichkeit, die in einer marktwirtschaftlich organisierten
Gesellschaft nur dadurch gewährleistet werden kann, dass sich solche Bildungsprogramme
dem Wettbewerb im Wege der Auswahl und Nachfrage stellen. Um die dafür auch nötige
Aufmerksamkeit zu erlangen, müssen Schulen und Schulprogramme sich der Mittel der
Öffentlichkeitsarbeit bedienen (Kückelhaus 1998). Das
heißt:
Reputation
und
Glaubwürdigkeit der Institution ergeben sich nicht von selbst aus der öffentlichen Position,
sondern müssen erarbeitet (und verdient) werden aus der Kommunikation von Kompetenz
und Leistung. Darin eingeschlossen ist auch die interne Kommunikationskultur. Eine
glaubwürdige Darstellung nach außen erreicht man nur, wenn die Außendarstellung der
Innenwahrnehmung entspricht. Um eine glaubwürdige Außendarstellung ohne Widerspruch
von innen sicher zu stellen, muss man viel Mühe investieren in den Aufbau eines
kommunikativen und konfliktfähigen Binnenklimas (Schmidt 2004)
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Schule als Medium der Bildungskommunikation
Die zentrale Eigenschaft der Schule also, von der aus es Sinn macht sich über ihre
kommunikativen Leistungen und Qualitäten Gedanken zu machen, ist die der Institution als
Organisationsmodell von Kommunikation. Sie ist mit gutem Grund eine gesellschaftliche
Einrichtung, ein nach gesellschaftlich konsentiertem Regelwerk funktionierendes Gefüge von
zugeschriebenen Kompetenzen und verteilten Rollen, um so das Verhältnis von Erwartung
und Erfüllung von individuellen und situativen Ablenkungen freizustellen. Weil
Gesellschaften (erst) als Gemeinschaften Bedingungen ihrer eigenen Nachhaltigkeit schaffen
und weil Gemeinschaften sich (erst) als solche verstehen, wenn sie Ressourcen der
Gemeinsamkeit in Instituten symbolisiert, können sie den Austausch von Erfahrung nicht dem
zufälligen Geschehen, der zufälligen Konversation oder den aus Erfahrungen zufällig und
beliebig gezogenen Konsequenzen überlassen. Der Konsequenzen des Handelns und der
Entscheidungen wegen regeln Gemeinschaften die Verteilung von Verantwortung über die
Einigung von Rechten und Pflichten und sichern so den meritorischen Wert des Austausches
von Erfahrung, von Wissen und Erkenntnis. Der Austausch darüber dient der Konstruktion
einer verallgemeinert gedeuteten und verbindlichen Welt. Alle Gesellschaften, die die
Bedingungen des Überlebens nicht dem Zufall überlassen wollen, organisieren die
Grundlagen und die Faktoren ihrer Entwicklung so, dass die Verteilung des dafür relevanten
Wissens an wiedererkennbare (wiederholbare) Strukturen gebunden wird.
Die Schule als einen Ort der Kommunikation zu verstehen macht sie theoretisch den Medien
ähnlich. Sie postuliert und übernimmt nicht nur eine Vermittlungsaufgabe, sondern outet sich
zugleich als kulturelles Display der sozialen Praxis im Umgang mit Wissen. In diesem Sinne
ist Schule eine Baustelle des Funktionsgedächtnisses der Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die
sich identisch bleiben will, muss (für sich) wissen, wie sie funktioniert und sie muss sich der
Operationen (durch Institutionen) erinnern, die sie realisiert, um zu funktionieren. Das
Funktionsgedächtnis einer Gesellschaft entwickelt sich über den komplexen sozialen
Mechanismus der Verständigung einer Gesellschaft in sich selbst und über sich selbst.
Agenturen dieses Gedächtnisses sind nicht nur Medien oder Verwaltung, sondern auch die
Schule. Sie ist eine unter anderen Sammel- und Ausgabestellen jenes Wissens, das eine
Gesellschaft braucht, um sich selbst zu beobachten und durch diese Beobachtung auch zu sich
selbst zu finden. Menschen brauchen das Funktionsgedächtnis, um alltägliche Operationen
sicher und erfolgreich durchzuführen. Sie halten durch die selbst- und sozial-kommunikative
Verarbeitung von Erfahrung in Erinnerung, wie sie die alltäglichen Probleme des Lebens in
intuitive Lösungen wandeln. Gesellschaften, die ihre eigenen kollektiven Erfahrungen nicht
bewusst und nicht konsequent genug nach innen (kommunikativ) verarbeiten, sammeln, und
verknüpfen, binden nicht hinreichend jenes Wissen, das sie brauchen, um den
(gesellschaftlichen) Alltag aus eigener Intuition zu bewältigen.
Wissen ist eine unerschöpfliche Ressource, weil sie sich vermehrt, indem man aus ihr
schöpft. Wissen ist ein Potenzial der Interpretation von Erfahrung, das, sich durch
Bildungskommunikation multipliziert. Um dieses Gut und dessen autogeneratives Potenzial
zu nutzen, muss es verteilt werden, denn das Potenzial entwickelt sich nicht natürlich, sondern
sozial und kultürlich, also über die Kultur sozialen Handelns. Wissen ist ein kommunikatives
Gut, das (nur) im Wege der sozialen Interaktion symbolisch generiert werden kann. Wissen ist
ein kulturelles Gut, es bildet sich im Wege des sozialen Austausches von Deutungen von
Erfahrung und konstituiert so eine sinnvolle Welt. Wissen manifestiert und objektiviert sich in
(sprachlichen) Zeichen. In diesem Sinne ist die individuelle und soziale Verfügung von
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Wissen nur über die Organisation der Sprache möglich und nur über die Institutionalisierung
von Kommunikation kulturell und sozial sinnvoll. In diesem Sinne ist die Organisation von
Wissen die strategische Beschaffung von sozial-kommunikativen Rahmenbedingungen
(nachvollziehbar geregelte Beziehungen, nachvollziehbar geregelte Inhalte, nachvollziehbar
geregelte Kompetenzen), die jenen sozialen Raum (Ort) ergeben, in der die Verteilung von
Wissen auch tatsächlich der (gerechten und chancengleichen) Verteilung von
Gesellschaftlichkeit entspricht.
Nichts anderes ist Bildung. Sie ist in erster Linie ein sozialer, ein kommunikativer, der
gesellschaftlichen Institution folgender Vorgang (nachvollziehbar sinnvoll) aufeinander
bezogener Handlungen, die darauf zielen, Wissen durch Vergemeinschaftung zu verteilen,
Erfahrung zu vergesellschaften und die daraus entstehenden Konstrukte als Wegweiser (wie
Piktogramme) der (individuellen und kollektiven) Lebensführung symbolisch auszuweisen.
Das in diesem Sinne gebildete Wissen ist in Bildung (Bildungsprogrammen) gebundenes
(beschriebenes) und daher verbindliches Wissen, wobei die Verbindlichkeit nicht durch
Verordnung, sondern (nur) durch den sozialen Mechanismus des Vertrauens symbolisiert
werden kann. Auch hier stellt sich (wieder) Kommunikation als jene letzte (zugleich erste)
Referenzgröße, durch die die Qualität der Bildung überhaupt zum Thema gemacht werden
kann. Um den Gedankengang umzudrehen und von der anderen Seite aufzurollen: Will man
über die Qualität von Bildung, von Bildungsinstitutionen oder der Bildungsinstitution Schule
reflektieren, dann muss man deren kommunikative Charakteristik analysieren. Wenn man,
wie ich in der vorausgehenden Skizze herzuleiten versucht habe, Kommunikation als das
(theoretische wie) praktische Paradigma von Bildung versteht, dann steht und fällt die
inhaltliche wie prozessuale Qualität einer Bildungsinstitution, konkret der Schule, mit der
kommunikativen Qualität ihrer Organisation und der organisatorischen Qualität ihrer
Kommunikation.
Die Schule im Prisma der Organisationskommunikation
In einer erweiterten Perspektive sind Schulen rational gestaltete Handlungs- und
Entscheidungszusammenhänge, also Systeme, in denen, über die und durch die die
Gesellschaft / Individuen ihre Wünsche und Bedürfnisse nach Austausch von Erfahrungen
(Information), nach deren Deutung (Wissen) und nach Konstruktion von Sinn
(Kommunikation) sicherstellen (lassen). Durch technisch und organisatorisch ausgebaute
Infrastruktursysteme und durch arbeitsteilig organisierte Administration sind sie sowohl
Sammelpunkt, Zentrifuge, Plattform wie auch Dispositive der Bildungsdiskurse und als
solche Pars-pro-toto-Modelle der Selbstreflexion der Gesellschaft. Sie sind Agenturen der
Beobachtung wie Menschen sich und ihre Umwelten beobachten. Insofern nehmen sie
Orientierungsposition ein. Und insofern ist es nicht unerheblich, WIE und mit welchen
Mitteln (Know-how, Methode) sie WAS (Know-what, Content, Lehrprogramme) mit
welchen (organisationellen, gesellschaftlichen etc.) Absichten (Know-why, Intentionen) tun
und mit welcher Kompetenz (Fähigkeit, Einstellung, Zuständigkeit - technisch, kulturell,
ästhetisch, ethisch) sie sich gesellschaftlich legitimieren. Mehrere Perspektiven sind dabei in
Betracht zu ziehen:
o
Kulturperspektive:
Die Kommunikationswissenschaft positioniert sich immer deutlicher als umfassende
Kulturanalyse (Cultural Studies, Diskursanalyse, Gender Studies)(Bromley /
Göttlicher/ Winter 2003) In den Blickpunkt der Analyse rückt immer mehr der
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Gesamtzusammenhang der kulturellen Bedeutung der sozialen Praxis. Das verlangt –
auch im Hinblick auf die kommunikationstheoretische Interpretation von Schule eine
kontextuelle Analyse. Die Schule ist kein isoliertes Phänomen, sondern erhält ihre
kommunikative, ist gleich, kulturelle, ist gleich soziale Deutung aus der Umwelt, in
der sie steht und für die sie steht.
o
Professionalisierungsperspektive:
In diesem Sinne kann die Professionalität/Kompetenz lehrender Berufe (ContentManagement) eben nicht (nur) durch die Routine des praktischen oder (wenn auch)
kritischen Gebrauchs (nur) des schulischen Regelwerks (Arbeitsabläufe) definiert
werden oder mit ihr das Auslangen finden. Vielmehr gibt es da die gesellschaftliche
Verpflichtung, sich auf Modelle öffentlich rationalisierter und einrechenbarer
Sozialorganisation
und
Kulturtechnik zu berufen, um die gesellschaftliche
Legitimität von Institution (Schule) und Profession (Lehrer) zur Disposition zu stellen.
Lehrberufe müssen in diesem Sinne mehr als bisher als Kommunikationsberufe
verstanden und organisiert werden (Oevermann 1996)
o
Systemperspektive:
In vielen Themenstellungen zur Analyse der Schule stellt sich immer klarer heraus,
dass die Akteursperspektive (z.B. die Orientierung der Wertungen der Leistungen der
Schule an den Kompetenzmerkmalen von Einzelpersonen (Lehrer) - Persönlichkeit,
Begabung, Autorität, Stil, didaktischer Ansatz) nicht beanspruchen kann, die
Komplexität von schulischer Leistung zu erklären. Immer klarer wird, dass es in erster
Linie eine kritische Systemperspektive (Zusammenhänge, kontextuelles Geschehen,
Management) braucht, um Erklärungen, Klassifikationen oder Risikovoraussagen zu
ermöglichen. In diesem Sinne muss auch die Berufsbeschreibung (Kompetenz,
Professionalität,
Qualifikationsmerkmale,
Arbeitsinhalte,
Leistungskriterien,
Arbeitsumwelten des Lernens und Lernumwelten des Arbeitens)
deutlicher
systemisch ausfallen:
Systemaspekt des beruflichen -Handelns, Kontextualität der Leistungen,
integratives Verständnis von Wissensmanagement und Wissensproduktion
Diskurskompetenz ( Kommunikations- und Medienkompetenz plus
Themenkompetenz etc.) .
Die für eine empirische und normative Bestimmung der gesellschaftlichen (sozialen,
kulturellen, edukativen, ökonomischen) Bedeutung der Schule für Gesellschaften und
Gemeinschaften relevanten Fragen nach Qualität, Ethik, Professionalität, Einfluss,
Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit etc. kann bei dem nun vorhandenen
Wissen über die Komplexität, Kontextualität und Systemizität (Luhmann schulischer
Kommunikation nicht an der Leistungsfähigkeit (einzelner) Akteure gemessen
werden. Es sind die kulturellen Umwelten (Milieu, Lebenswelt) und die
Arbeitszusammenhänge (Betrieb, Administration, Organisation), in denen Talente zu
Begabungen, Techniken, Einstellungen und Erfahrungen zu Kompetenzen graduieren.
In diesem Zusammenhang macht es Sinn, die kritische Betrachtung der Schule und ihrer
Qualitätspotenziale im Prisma der Kommunikationstheorie auf ein System zu konzentrieren,
das die ihm zugemuteten Aufgaben soweit es kann dadurch erreicht, dass es Strukturen des
Wissensaustausches und Kulturen der Wissensverständigung ausbildet. Die Strukturen sind
solche der Kommunikation, also der Verständigungsbeziehungen innerhalb und außerhalb des
in sich operativ und institutionell geschlossenen Handlungszusammenhangs. Die eigentlich
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aufschlussreiche Bewertung aber ergibt sich über die Analyse der Kultur, also der Werte- und
Bewertungszusammenhänge sowie der Deutungs- und Bedeutungszusammenhänge, die das
Handeln bestimmen. Es kann sich nicht jeder nach Belieben mit beliebigen Interventionen den
strukturellen Zusammenhang der Schule aufmischen. Es kann aber jeder deren Funktionalität
und deren gesellschaftliche Leistung in Frage stellen und so die Änderung von Strukturen
zum gesellschaftlichen (bildungspolitischen) Thema machen. Diese Funktionen, in der Regel
formuliert als gesellschaftlicher Bildungsauftrag, sind nicht immer klar, sie ändern sich
verständlicherweise mit dem Struktur- und Kulturwandel der Gesellschaft.
Eine kommunikations-wissenschaftlich intendierte Reflexion von Institutionen, hier
insbesondere der Institution Schule, muss sich auf die Struktur und die Folgen des sozialen
Wandels konzentrieren. Als gesellschaftliche Einrichtung ist die Schule in erster Linie eine
Agentur der Bildungskommunikation. Aber nicht nur dieser, denn Bildungskommunikation
ist kein gesonderter oder von der alltäglichen sozialen Praxis sonderbarer Bereich.
Bildungskommunikation ist die im Vertrauensmechanismus der gesellschaftlichen Institution
etablierte und in diesem Sinne verbindliche Verständigung über gebildetes, also explizites
Wissen. Sie kontrastiert die Zufälligkeit, Individualität und Situativität der
Alltagskommunikation mit einem Minimum an Formalisierung der Beziehung (LehrerSchüler), mit objektivierter Kompetenz, mit kommunikativ verhandelter Verbindlichkeit und
mit einer deshalb verallgemeinerten Autorität, dargestellt in Rollen (Lehrer) und in
administrativen Strukturen (Amt). Als Kommunikation funktioniert der Wissens- und
Bildungsaustausch aber nur unter der Bedingung der Nähe zum Leben, also der
Verwertbarkeit für die Bewältigung des Alltags. Nur aus diesem Grunde kann schulische
Kommunikation für sich beanspruchen das genuine Ambiente des Lernens zu sein. Lernen ist
das gesellschaftliche Projekt einer nachhaltigen Zivilisation, Bildung ist die zivilisatorische
Matrize für die Nachhaltigkeit des (lebenslangen) Lernens. Dieses selbst ist eine auf Zukunft
(Prognose, Prävention, Risikovermeidung) gerichtete Bewegung des (in Kommunikationen
gelenkten) Denkens zwischen Bekanntem und Neuem, zwischen Vorausschau und
Überraschung, zwischen Wiederholung und Differenz, zwischen Routine und Kreativität.
Die Zukunft der (unserer) gesellschaftlichen Zivilisation hängt u. a. davon ab, in welchem
Verhältnis sie die Potentiale der Regeneration zwischen der Organisation von Routine,
Wiederholung und Homonomie auf der einen Seite und der Improvisation von Überraschung,
Andersgestaltung und Heteronomie auf der anderen Seite ausrichtet. Das wird zunehmend
eine Frage der Aufteilung, aber auch der partizipatorischen Gestaltung von Lehr- und
Lernarbeit, zumal man bedenken muss, dass im Hinblick auf die zunehmend
medienvermittelte Bildungskommunikation entweder die personalen Qualitäten der
schulischen Kommunikation neu entdeckt oder die inspirativen Qualitäten medienvermittelter
Lehr-Lernkommunikation noch bewusster herausgearbeitet werden müssen. Demokratie- und
gesellschaftspolitische Themen wie Kommunikationsgerechtigkeit, Chancengleichheit,
gerechte Verteilung von Sozialkapital, gesellschaftliche Integration etc. stehen dabei auf dem
Spiel. Daher ist jede Entwicklung in diesem Bereich, gleichgültig, ob sie sich aus der Praxis
ergibt oder ob sie von ihr verlangt wird, durch fundierte Reflexion zu legitimieren.
Transformation, Transition und Gesellschaftlicher Wandel
Die Gesellschaft, in der wir heute leben, wird immer weniger von den Imponderabilien der
Produktion materieller Güter bestimmt, immer mehr aber von den Problemen der
Organisation und der Kultur des Austausches von Informationen und Wissen sowie von der
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dafür notwendigen kommunikativen Vernetzung. Im Wandel und im Aufbau der die Welt
interpretierenden Größen sind wir nun (nach Besitz, Arbeit und Technik (Bell 1976) bei einer
konzeptionellen Kategorie angelangt (Kommunikation), aus der die Legitimität von
Verhältnissen, Einrichtungen oder von Vorgängen problematisiert und auch gelöst werden
kann. In Anwendung dieser Kategorie wird bewusst, dass Bereiche wie Politik, Wirtschaft
und Bildung sich zu Kompetenzzentren der kommunikativen Vernetzung von Daten,
Informationen und Wissen entwickeln. Die Gesellschaft organisiert sich im System
wechselseitiger Relationalität, in der technologisch rationalisierte Prozesse der
Kommunikation die gesellschaftliche Entwicklung, das wirtschaftliches Wachstum, den
ökonomischen Auf- und Abschwung, die Machtverteilung und nicht zuletzt soziale
Bewegungen bestimmt. (Münch, 1995:12) In dieser Art organisierter Gesellschaften sind es
vor allem die liberalen Vorstellungen des herrschaftsfreien Diskurses und die Tatsache, dass
es keine „herrschende Vernunft“ mehr gibt, die die Gesellschaft (auch hinsichtlich ihres
ethischen Programms) in Schach halten. So ist die Welt der gesellschaftlichen
Kommunikation in den letzten Jahrzehnten vor allem durch das Potenzial der Medien
erheblich vielfältiger, vieldeutiger, komplexer und nicht zuletzt verletzlicher und
zerbrechlicher (Stehr 2000) geworden. Der gesellschaftliche Wandel und die darin vermutete
Zukunft haben mittlerweile Labels, die die Gesellschaft mehr oder minder ausschließlich
über Kommunikation erklären: Kommunikationsgesellschaft, Mediengesellschaft,
Wissensgesellschaft, Bildungsgesellschaft, Freizeitgesellschaft etc. Neben den diesen
Begriffen inhärenten Mythen enthalten sie aber auch makro-soziologische Hinweise
(Postulate) auf in mikrosozialen Zusammenhängen (z.B. Ausbildungsorganisation und
ausbildungs-gestützte Praxis von Kommunikation- und Medienberufen) einlösbaren
Praktiken.
Lehrberufe sind Kommunikationsberufe und als solche sind sie Seismografen des Zustands
und der Entwicklung der Gesellschaft, sie reflektieren und interpretieren den
gesellschaftlichen Wandel. Zugleich sind sie (wie Medien) ein konzentrischer Punkt in der
Generierung und Durchsetzung von Modellen des Wandels. Eine Betrachtung des Wandels
der Kulturen macht aber nur Sinn aus der Bedingung den Wandel selbst als Kultur bzw. als
kulturelle Leistung zu betrachten. Kultur ist die Informationsebene des Wandels wie Wandel
die Formationsebene von Kultur ist. Was Kultur ist, wandelt sich unter den Augen der (sich
ändernden) Betrachtung (und nicht aus sich selbst oder jenseits dieser), wenn und weil es als
kulturwürdig gilt den Betrachtungsblickwinkel zu ändern.
Um es noch einmal zu sagen: wenn man Schule als (einen) den Ort der Kommunikation
betrachtet, dann muss die Lebenstauglichkeit dieses Ortes geprüft werden am inneren Prinzip
der Kommunikation. Dieses heißt Verständigung auf der Basis von Unterscheidung und
Konstruktion von Sinn auf der Basis der Vergemeinschaftung von Unterschieden (Bauer
2006)
Kompetenz, Technik und Intervention
Damit kommt das Kompetenzthema ins Spiel: Die Fähigkeit, Bereitschaft, Zuständigkeit und
Verantwortung der Schule als Institution sich auf neue Formationen des individuellen und
sozialen Lebens einzulassen und dafür als gesellschaftliche Agentur zu fungieren, ist eine,
weil explizit zu treffende - ethische Entscheidung. Schulische Ethik ist also keine dumpfe
Ahnung einiger tagesvergessener Pädagogen von einer besseren Welt, sondern die
kommunikativ-kompetente Unterbrechung der Alltagssicht zu Gunsten der Veränderung, sie
ist ein Wissensmodell der Verantwortung im Umgang mit gesellschaftlichem Wandel. Denn
in der Hand der Schule ist der gesellschaftliche Wandel nicht ein Schicksal, dem die Welt
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ratlos gegenübersteht, sondern ein Projekt der Intervention für nachhaltige Entwicklungen.
Es ist klar, dass eine solche Interpretation nach einem Interventionsmodell der schulischen
Kommunikation verlangt. Schule ist, so schön alltäglich sie sein kann und so unerträglich
alltäglich sie oft ist, eine kommunikative Intervention eben dieses Alltags, eine
Unterbrechung des alltäglichen Routine des gedankenlosen Denkens. Ihre Mission ist nicht
die Gewöhnung an das Leben, sondern die Ausbalancierung zwischen möglichen
Lebenszielen und deren Bedrohung durch oder aus Dummheit. Wissen muss man generieren,
kultivieren, pflegen, Dummheit wächst (vielleicht?) von selbst.
Eine in Lernprozessen bedeutsame Ebene der Performanz von Kompetenz ist die Ebene der
Technik. Denn gerade das in Kommunikationen vermittelte Lernen braucht Techniken bzw.
technische Systeme. Versteht man (im Sinne kognitivistischer Konzeption) Lernen als die
Summe jener Aneignungsstrategien durch die man das zum Wissen macht, was die Welt zu
wissen (auf)gibt und wodurch man sie (dann) „beherrscht“, dann wäre die Technologisierung
der Didaktik jenes Verfahren, durch das man (Chaos minimierende und Komplexität
reduzierende) Kommunikationsordnungen schafft: Lehren wäre in diesem Modell die
Verantwortung des Programms bzw. der Programmproduzenten / Programmdesigner und
Lernen wäre die Verantwortung / Arbeit der Programmnutzer. Was hätte oder hat die
Technologie in diesem Fall geleistet? Nicht mehr (wenn auch nicht weniger) als die (wenn
auch nur) technisch beste Version der Wiederholung des schon Gehabten: Lehren und Lernen
werden arbeitsteilig organisiert, in Rollen institutionalisiert und organisiert um so dem System
die Möglichkeit zu geben kontrollierend zu intervenieren, wo entweder Rollen oder
Rollenleistungen nicht den Vorgaben entsprechen.
Ganz anders die Rationalität eines konstruktivistischen Lernbegriffs, der auf dem Faktor
Kommunikation aufsetzt. Kommunikation ist im Sinne ihrer Kompetenz zur Generierung von
Sinn und Bedeutung dadurch vernünftig, dass sie ausbricht, sprengt, Komplexität produziert,
Widerspruch einbringt und Überraschung ermöglicht. Sie ist zugleich im Sinne ihrer Nutzung
als Ressource von Ordnung und Orientierung dadurch vernünftig, dass sie (sich) für
bestimmte Selektionen entscheidet und willentlich (soziale) Realität konstruiert. Das geht nur
auf der Basis der Kompetenz, dem Gedachten und dem nur Möglichen den Status der Realität
(Stimmigkeit) zu geben.
Die Rationalität der Kommunikation ist es Differenz zu schaffen, sich aus Differenzen weiter
zu generieren und gerade dadurch (für) Sinn zu entscheiden. Weil Differenz und
Unterschiedlichkeit der Wahrnehmung Sinn machen unter den Bedingungen der und im
Hinblick auf Kommunikation, macht Kommunikation Sinn, wo Differenzen gegeben oder zu
entdecken sind. In diesem Sinne ist Differenzierung nicht erst eine Leistung
wissenschaftlicher Analyse, sondern eine Kompetenzqualität der sozialen Praxis
(Kommunikation) – lange vor deren systematischem Gebrauch. Lehren und Lernen aber sind
gesellschaftliche Formate des systematischen (Ordnung und Ordnungshierarchien
konstituierenden) Gebrauchs von erfahrenem und gedachtem Wissen – und zwar sowohl im
lebensweltlichen wie im systemischen Sinne.
Im Lehr-Lernprozess kommen Kultur und Technik, also Komplexitätsproduktion und
Komplexitätsreduktion zu einer verhandelnden Einheit. Im Zusammenhang von und in
Verbindung mit den technischen Qualitäten der Lehr- und Lernorganisation ist also
entscheidend, ob die Technik ausreichend kommunikationsoffen (kulturell) ist, um dadurch
kreativer zu werden wie umgekehrt die Hoffnung ist, dass die Lehr- und Lern Kommunikationssysteme durch ihre Technologisierung effizienter werden können. Effizienz
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und Effektivität der Wissensaneignung sind erwartbare Leistungsqualitäten der technischen
Organisation,
Der Strukturwandel, zum Beispiel im Bildungsmarkt, im Arbeitsmarkt in Form sterbender
und neu entstehender Berufsbilder oder im Auf und Ab der Geburtenzahlen, ist schon
ziemlich schwer aufzufangen. Die strukturelle Komplexität einer organisierten Gesellschaft,
verlangt eine komplexe Struktur konzeptueller Vorsorge, braucht im Grunde eine hoch
sophistiziertes Knowledge Management System. Eine gesellschaftliche Einrichtung, die nicht
nur ein zeitgebundenes Projekt darstellt, sondern ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes System
sein will, macht nur dann (gesellschaftlichen) Sinn, wenn es sich nach innen so organisiert
und nach außen so kommuniziert, dass die Gesellschaft Vertrauen fassen kann, dass ihr (in
sich recht heterogenes) Interesse in dieser Organisation gut aufgehoben und mit
entsprechender Qualität weitergedacht wird. Das private und öffentliche Vertrauen, das der
Schule (oder den Schulen) entgegen gebracht wird, kann in der Regel auch als Legitimation
der Institution Schule gelten. Allerdings ist dieser Vertrauensmechanismus keine
Einbahnstraße, sondern ein in öffentliche Gestik gebrachtes gesellschaftliches Agreement, das
durch bewussten Kommunikationsaustausch wechselseitig expliziert werden kann.
Vertrauen ist die Antwort auf Kompetenz, das heißt auf jene Interpretation von
Zuständigkeit, die nicht durch Funktionalität, Formalität oder Regulierung behauptet wird,
sondern durch Fähigkeit, Verlässlichkeit, Verantwortlichkeit und Kreativität überzeugt. Darin
spiegelt sich ein strukturelles Dilemma, das die Schule als organisierte Verallgemeinerung des
in sich diversifizierten Bildungswillens einer Gesellschaft vermutlich niemals auflösen wird:
Wo immer man Wissen als kumulative Masse von Information und Wissen Lernen als
Kumulierung von Wissensbesitz betrachtet, weil man damit (seine) Macht definiert, dort wird
man früher oder später mit dem Problem der Endlichkeit des Fassungsvermögens konfrontiert
sein . Nicht zufällig werden Schulorganisation und Lehrer zunehmend ratloser darüber, wie
sie die Fälle des wachsenden Wissens für eine funktionierende Gesellschaft in ein durch die
Knappheit der zeitlichen und personellen Ressourcen gekennzeichnetes System zwängen
sollen.
Ganz zu schweigen aber von den Folgen des Kulturwandels. (Giddens 2001) Denn dieser
stresst das System Schule nicht nur im Hinblick auf seine Strukturen, sondern fordert es im
Hinblick auf seine (kulturelle) Bedeutung, was immer auch eine moralische Herausforderung
ist. Diese nicht beantworten zu können ist möglicherweise die weiter reichende Enttäuschung.
Diese zu verhindern ist nicht zuletzt eine Frage des Selbstverständnisses im Umgang mit
Wissen und Bildung, also mit dem Gegenstand, mit dem sich das System legitimiert. Wo
Wissen aber als Konstruktion von Bedeutung durch die Verknüpfung von Information
definiert wird, dort bildet sich ein qualitatives Verständnis des Fassungs- und Lernvermögens
(Bildungsvermögens), das gar nicht anders verantwortet werden kann als durch dialogische
Verarbeitung zwischen Betroffenen und Beteiligten. Die qualitative Interpretation des
Schuldilemmas setzt so von sich aus auf Schüler, Eltern, Lehrer und Arbeitsmarkt als jene
Stakeholders, die an allem konstruktiv, wenn auch kritisch beteiligt werden, weil sie betroffen
sind und die von allem betroffen sind, insofern sie beteiligt werden. Dieser Gedanke lässt sich
vermutlich nur in Realität umsetzen, wenn man, weil die Institution bilden will, die Institution
um)bildet. Eine Institution, die bilden will, kann für sich Reputation und Legitimation
vermutlich nur dann beanspruchen, wenn sie den Gegenstand ihres Handelns zur
Voraussetzung ihrer Handlungspläne macht.
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Die Schule ist ein sozialer Ort, an dem die Beobachtung des Bildungswillens, der
Bildungsbedürfnisse und der Bildungskultur einer Gesellschaft organisiert wird. Die
(moralische, funktionale und Glaubwürdigkeit begründende) Voraussetzung dieser
Beobachtung ist die Selbstbeobachtung im Hinblick auf den Gegenstand, für den sie steht. Die
(organisierte) Beobachtung einer Kultur thematisiert die Kultur der Beobachtung, also die
Deutungsmuster und die Strukturmuster, mit denen sie dieses tut. Es ist das gute Recht der
Gesellschaft von ihrer eigenen Einrichtung zu verlangen, was die Einrichtung von ihr
verlangt: die Bildung gesellschaftlicher Kultur, was Wissen letztendlich ja ist, verlangt eine
(kommunikative) Kultur der Bildung.
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